^ Dsr Enztäler. ^

^ 73.

Neuenbürg, Mittwoch den 8. Mai 1912.

7V. Jahrgang.

RunSschau.

In Italien herrscht wieder einmal patriotischer Freudentaumel, weil die Italiener die türkische Insel

> Rhodos besetzt haben, wovon man sich in Italien besonders viel verspricht. Wie das offiziöseGiornale

> d'Jtalia" erklärt, war der Zweck der Landung italienischer Truppen auf Rhodos der, einen Teil des türkischen Territioriums zu besetzen, um dem Prestige des Feindes Abbruch zu tun und diese Gebiete den

i Türken erst zurückzugeben, wenn sie ihre Truppen ! aus Libyen zurückgezogen haben würden. Daneben feiert das Blatt, wie dies auch die übrige italienische ! Presse tut, die Besetzung von Rhodos als ein militärisches Bravourstück der Italiener. Uebrigens ! ist die Besetzung von Rhodos durch die Italiener doch ^ nicht so glatt vor sich gegangen, als die ursprünglichen Meldungen hierüber versicherten. Die Insel Rhodos, die östlichste Insel des Aegäischen Meeres, liegt 18 Kilometer von der kleinasiatischen Küste entfernt. Sie ist 1460 Quadratkilometer groß, zu zwei Drittel unbebaut und im Vergleich zum Altertum nur schwach bevölkert. Die Zahl ihrer Bewohner dürfte nicht i mehr als 30 000 betragen, die sich auf 43 Ortschaften verteilen. Der Hauptort, dessen Name einst in aller Welt Munde war, ist schlecht befestigt und von zwei i versandeten Häfen flankiert. Er ist Sitz des türkischen Paschas und eines griechischen Erzbischofes.

Die für Montag den 6. Mai erwartete Wieder- öffnung der Dardanellen ist an diesem Tage noch nicht erfolgt, da das bislang herrschende schlechte ! Weiter die Beseitigung der in den Dardanellen ge­legten Seeminen verzögert hat. Uebrigens wird jetzt von den Interessenten an einer Wiederöffnung der Dardanellen der zögernden Pforte immer mehr ein- geheizt. So hat die russische Regierung laut einer Meldung aus Konftantinopel beschlossen, Schaden­ersatzklagen, die von russischen Staatsangehörigen wegen der Sperrung der Dardanellen gegen die Pforte erhoben werden würden, nachdrücklich zu unterstützen; sie vertritt den Standpunkt, daß die Schließung der Dardanellen nicht durch wirklich vor­handene Gefahr hervorgerufen worden und daher unberechtigt sei.

Konstantinopel, 7. Mai. Nach autentischen Nachrichten ist mit der Beseitigung der schwimmenden Minen in den Dardanellen gestern vormittag

> begonnen worden. Es wird angenommen, daß die Durchfahrt am 8. Mai wieder frei sein wird.

j Paris, 6. Mai. In dem Gefecht bei El Masis wurden 17 französische Soldaten getötet, 1 Offizier leicht verletzt und 27 Soldaten verwundet. Vermißt wurde niemand.

Paris, 7. Mai. Sämtliche Wahlresultate aus den 359 Hauptorten der Arrondissements liegen nunmehr vor. Gewinne und Verluste halten sich die Wage. Es sind 121 Stichwahlen erforderlich.

New-Aork, 7. Mai. Gestern hat hier der Prozeß der Regierung zur Auflösung des Stahl­trustes begonnen. Die Beweisaufnahme wird zwei

> Monate dauern. Auch Roosevelt wird vernommen werden. Die Entscheidung des Prozesses wird in

l zwei Jahren erwartet.

Zwei Geheimpolizisten verhafteten vorgestern in London einen Deutschen namens Friedrich Rup­penthal, als dieser im Begriff stand, ein Auto­mobil zu besteigen. Ruppenthal wird beschuldigt, in Paris in den letzten Monaten für 700 000 Francs Juwelen gestohlen zu haben. Eine Leibesvisitation j förderte denn auch aus seinen Taschen mehrere kost- t bare Ringe, goldene Uhren, Diamanten, mit Bril- ' kanten besetzte Krawattennadeln sowie eine größere i Geldsumme zutage. Der Verhaftete erklärte, daß ihm die anderen Juwelen in Ostende von einem Ehepaar gestohlen worden seien. In seinem Be­sitze wurden auch viele Pfandscheine gefunden. Die Auslieferung Ruppenthals nach Frankreich steht bevor.

München, 7. Mai. Der von einer Reise aus Italien hier eingetroffene Bruder des kürzlich an Atropin-Vergiftung verstorbenen PastorsLiebe in t Berlin, erklärte, die ganze Geschichte mit dem Mil­lionenschatz seines Bruders sei eitel Dichtung; der Steinsammlung sei besonderer Wert keinesfalls beizumessen. Juwelen und Diamanten habe sein Bruder niemals besessen.

Düsseldorf, 7. Mai Hinter dem Verkaufs­lokal eines unbedeutenden Papierwarengeschäftes wurde ein Spielerneft aufgedeckt; zehn Personen wurden beim Roulettespiel festgenommen und hohe Geldbeträge beschlagnahmt.

Wiesbaden. Hier stieß ein Straßenbahn­wagen mit einem andern Wagen zusammen. Die Insassen wurden in weitem Bogen aus dem Wagen geschleudert. Drei Feldwebel und eine Dame sind schwer, ein Sergeant und der Kutscher wurden leicht verletzt.

New Orleans, 6. Mai. Die Lage im Ueberschwemmungsgebiet wird immer ernster. Von Vicksburg bis New Orleans ist der Mississippi beträchtlich höher als bei früheren Ueberschwemm- ungen. Die Schutzdämme sind mit Handwerkern besetzt, die versuchen, sie gegen den Strom zu halten. Motorboote sind abgesandt worden, um die Leute von den Hausdächern mitzunehmen. Sie sind aber in vielen Fällen zu spät gekommen. Es ist bisher nnmöglich, die Zahl der Opfer zu schätzen. Beim Dammbruch des Mississippi beim Point Coup6e (Louisiana) sind 30 Menschen ertrunken.

Aus New Orleans wird gemeldet: Das Hochwasser bedroht bereits Teile von New Orleans. Alle Häuser des Ortes Bayou Sara sind infolge eines 300 Fuß breiten Dammbruches weg­geschwemmt. In den Straßen stand das Wasser über 25 Fuß hoch, und es kam zu einer entsetzlichen Panik. Männer und Frauen stürzten in die Häuser, ergriffen die Kinder und eilten Hals über Kopf da­von. Fünf Millionen Acres wertvollen Landes sind überschwemmt.

Württemberg.

Stuttgart, 5. Mai. Der Bund der Land­wirte in Württemberg hielt heute im Festsaal der Liederhalle unter zahlreicher Beteiligung seine Landesoersammlung ab. Der Landesvorsitzende, Oekonomierat Schund-Platzhof, gedachte in seiner Begrüßungsansprache der im letzten Jahr gestorbenen Mitglieder und brachte alsdann ein Hoch auf den Kais er und König aus. Landtagsabgeordneter Körner erstattete sodann den Jahresbericht. Bei einem Rückblick auf die Wahlen ist im allgemeinen zu sagen, daß es Ausgabe des Bundes ist, die Wähler immer mehr dahin zu erziehen, daß die von Bundesleitung und Vertrauensmännern ausgegebenen Parolen strengstens eingehalten werden. Bei den Reichstagswahlen hatte der Bund nach zwei Fronten zu kämpfen. Unter lebhaftem Beifall der Versammlung gedachte der Redner der Tätigkeit des Landtagsabgeordneten Re­dakteurs Schrempf, dessen wertvolle Mitarbeit infolge einer schweren Erkrankung in den letzten Jahren schmerzlich vermißt wurde. Auf Vorschlag des Vorsitzenden brachte hierauf die Versammlung dem Landtagsabgeordneten Körner gegenüber den in letzter Zeit gegen ihn erhobenen Angriffen eine Vertrauenskundgebung dar. Nach einer Rede des Bundesvorsitzenden Dr. ficke, der in polemischen Ausführungen den Standpunkt des Bundes der Land­wirte unter Hinweis auf Aeußerungen von Abge­ordneten anderer Parteien zu rechtfertigen suchte, sprach noch mit wohltuender Sachlichkeit Vizepräsident Rechtsanwalt v. Kraut über die Arbeiten des Landtags.

Stuttgart, 3. Mai. Der Landesverband der Wirte Württembergs hält seinen diesjährigen Verbandslag am 29. und 30. Mai in Schorndorf. Ueber die Tonsetzerfrage wird Verbandssekretär Kromer ein Referat erstatten. Auch das Genossen­schaftswesen im Wirtschaftsgewerbe wird durch Re­ferate behandelt werden. Ueber die Naturweinzen­trale wird Direktor Schneider und über die Ge­nossenschaftsbrauerei Knödler-Göppingen sprechen.

Stuttgart, 3. Mai. Das Gesetz betr. die Bezeichnung des Raumgehalts der Schankgefäße ist dahin abgeändert worden, daß mit Wirkung vom 1. Oktober 1913 ab der Füllstrich der Schankgefäße einen Mindestabstand von 2 Zentimeter vom oberen Gefäßrand haben muß. Der seither vorgeschriebene Abstand beträgt bekanntlich nur 1 Zentimeter. Die Aenderung der Schankgefäßordnung hat dem­gemäß für das Wirtsgewerbe die unangenehme Folge, daß am 1. Oktober 1913 der Bestand an Gläsern

vollständig erneuert werden muß. In einer Eingab* an die K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel und an die Handelskammer Stuttgart weist nun der Landesverband der Wirte Württembergs auf die dadurch dem Wirtsgewerbe zugefügte Schädigung hin, wobei u. a. ausgeführt wird: Die bis zum 1. Oktober 1913 in Gebrauch befindlichen Gläser müssen, da ihre Verwendung im Betrieb gesetzlich verboten ist, einfach weggeworfen werden. Dem Wirt erwachsen dadurch ganz bedeutende Kosten, für die er keinerlei Deckung finden kann. Die wirtschaft­liche Lage des Wirtsgewerbes ist aber allmählich eine so ungünstige geworden, daß ihm unmöglich fortgesetzt neue Lasten auferlegt werden können, wenn nicht der Wirtestand einer schweren Krisis entgegen­gehen soll. Dem Wirtsgewerbe sollte unbedingt Gelegenheit gegeben werden, seinen Bestand an Gläsern vor dem Inkrafttreten der Aenderung der Schankgefäßordnung möglichst aufzubrauchen. In Uebereinstimmung mit dem württembergischen Braugewerbe ist der Landesverband der Wirte Württembergs der Ansicht, daß es Pflicht der Regier­ung wäre, daß im Interesse der beiden Gewerbe das Inkrafttreten der Gesetzesänderung in Württem­berg bis 1. Okt. 1915 hinausgeschoben wird.

Ebingen, 5. Mai. Der Bezirkstag des Bezirksvereins Königreich Württemberg im Deutschen Fleischerverband wurde am heutigen Sonntag mit der Generalversammlung der württem­bergischen Häute- und Fellverkaufsvereinigungen ein­geleitet. Verwalter H äußermann-Stuttgart er­stattete den Jahresbericht. Darnach hat sich das Jahr 1911 auf dem Häutemarkt sehr befriedigend angelassen. Dies trifft insbesondere auf die Groß­viehhäute zu, die gegenüber dem überaus günstigen Jahr 1910 eine Erhöhung der Durchschnittspreise in allen Häutegattungen brachten. Diese Durchschnitts­preise waren in allen Gattungen und Klassen höher als im Vorjahr und zwar zum Teil bis zu 3 Pfg. höher. Der Kalbfellmarkt des Jahres 1912 kann mit der lebhaften Konjunktur des Häutemarktes nicht konkurrieren. Der Markt flaute zu Beginn des Jahres etwas ab, wovon allerdings nur die drei schweren Klassen betroffen wurden. In der zweite» Hälfte des Jahres 1911 trat in der Konjunktur des Kalbfell­marktes eine Besserung ein. Die Auktionen verliefen äußerst lebhaft und die Kalbfelle hatten am Jahres- schluß bis zu Mk. 1.40 höhere Preise als zu Jahres­beginn. Das Metzgergewerbe kann die heutigen Preise für Kalbfelle notwendig brauchen, denn die Kälber­preise haben einen abnorm hohen Stand erreicht. Die Lederindustrie, insbesondere die Schuhfabrikation, sind gut beschäftigt und nennenswerte Vorräte sind nicht vorhanden. Bezüglich des Auktionswesens wird berichtet, daß in Württemberg wie im Vorjahr 1910 auch im Jahr 1911 neben einer selbständigen Auktion (Cannstatt) 4 Auktionszentralen, Göppingen, Heil­bronn, Stuttgart, Ulm, das württembergische Auktions­gefälle versteigerten. Die Cannstatter Auktion wurde ab 1. Oktober 1911 mit Einweisung der Cannstatter Metzgermeister in das Groß-Stuttgarter Schlachthaus aufgehoben. Hierauf erstattete der Vorsitzende, Ober- meister Häußermann-Stuttgart, einen Bericht über die Tagung der Sektion Süddeutschland im Deutschen Häuteverwertungsverband, wobei er mit Genugtuung hervorheben konnte, daß auf dieser Tagung besonders der rührigen Tätigkeit in Württemberg für den Zusammenschluß in Häutegenossenschaften gedacht worden sei.

Stuttgart, 6. Mai. Der gestrigen General­versammlung der württembergischen Häuteverkaufs­vereinigungen folgten am heutigen Montag die eigent­lichen Verhandlungen des Bezirkstags des Be- zirksvereins Württemberg im Deutschen Fleischerverband. Der Vorsitzende, Gemeinderat Obermeister Häußermann- Stuttgart, erstattete den Jahresbericht. Darnach hat der Bezirksverein Württemberg auch im abgelaufenen Jahr eine weitere Zunahme erfahren. Die Zahl der Mitglieder ist von 1550 auf 1640, die der Innungen von 40 auf 43 gestiegen; 4 Innungen sind dem Bezirksverein neu beigetreten: Neuenbürg, Freudenstadt, Sigmaringen und Marbach. Auf eine Eingabe an die Regierung wegen Uebernahme der Untersuchungsgebühr der Tier­ärzte bei Besichtigung des Schlachtviehs in den Be-