12. Mai bis 15. September werden zur Postsachenbeförderung benützt: die beiden Privalkrastwagen- fahrten zwischen Gernsbach und Herrenalb, eine Privalkraftwagenfahrt von Herrenalb nach Wildbad und zwei Privatkcaftwagenfahrten von Wildbad nach Herrenalb unter Wegfall der Personenposten zwischen Herrenalb und Gernsbach und zwischen Herrenalb und Neuenbürg.
Neuenbürg, 29. April. Am gestrigen Sonntag nachmittag fand hier im Saale zum „Bären" eins Versammlung der Nationalliberalsn — Deutschen — Partei statt, zu welcher die Ortsgruppe in diesem Blatte jedermann freundlich eingeladen hatte. In Anbetracht des schönen Frühlingssonntags, da es die Städter hinauszog in die blühende Landschaft, wo „jeder Baum ein Blumenstrauß", war die Versammlung gut besucht. Es waren auch mehrere Parteimitglieder von Wildbad und Höfen erschienen. Immerhin wäre eine noch zahlreichere Beteiligung namentlich auch von Seiten jüngerer Männer aus der Bürgerschaft erwünscht gewesen, war doch der Hr. Parteisekretär Hopf von Stuttgart zu einem Bortrag über „die Stellung der nationalliberalen Partei zu den übrigen Parteien" gewonnen worden. Der Vorsitzende, Hr. Oberamts- pflsger Kübler, hieß die erschienenen Mitglieder und Parteifreunde herzlich willkommen; er bekannte in seiner Ansprache, daß es innerhalb der national- liberalen Partei im Bezirk vielfach an Regsamkeit gefehlt habe; es sei aber ein Zusammenschluß, wie wir dies bei den anderen Parteien auch sehen, anzustreben. In dieser Absicht habe die hiesige Ortsgruppe in den letzten Wochen mehrfach Ausschuß- sihungen abgehalten und wolle nun in Fühlung mit der Bewohnerschaft von Stadt und Amt bleiben. Man habe sich deshalb auch mit der Gesamtleitung der Partei in Stuttgart in Verbindung gesetzt und von ihr den Hin. Parteisekretär zu einem Vortrag erbeten. — In überaus ansprechender und gewandter Rede führte nun Hr. Parteisekretär Hopf etwa folgendes aus: Wir leben in einer politisch bewegten Zeit. Der Sinn für politische Betätigung dringt in immer weitere Kreise. Dabei zeigt sich eine erfreuliche Erscheinung, daß sich das Verständnis für nationale Notwendigkeiten mehrt. Im Reichstag haben die bürgerlichen Parteien bei der Generaldebatte über die Wehrvsrlage die Sozialdemokraten allein gelassen, eine Erscheinung, die in jeder Beziehung erfreulich ist, besonders erfreulich, wenn wir Umschau halten in der Welt. Wir leben in einer Periode der Austeilung der Welt unter die Kulmrvölker. Dabei muß man sagen, daß Deutschland bis jetzt sehr kärglich weggekommen ist. Frankreich hat ein großes Reich um das Mittelmeer und Italien sucht daneben Tripolis als Kolonie zu erobern. Nicht aus Eroberungslust, sondern aus wirtschaftlicher Notwendigkeit müssen wir versuchen, uns ebenfalls ein Plätzchen an der Sonne zu sichern und nicht zulassen, daß allein die Engländer. Franzosen und Russen die Welt unter sich verteilen. Wir werden gezwungen durch die Tatsache, daß unsere Bevölkerung jährlich um rund eine Million Köpfe zunimmt. Wir brauchen Bezugsquellen für unsere Rohstoffe und wir brauchen Absatzgebiete für unsere Jndustrieerzeugnisse. Wenn wir nicht in der Lage sind, Waren zu exportieren, so müssen wir Menschen exportieren. Dies hätte zur Folge, daß wir zurückfallen würden in jene Zeit, wo der Deutsche dazu bestimmt war, für andere Nationen den Boden fremder Länder zu bereiten, gleichsam als Völkerdünger diente. Der Deutsche darf nicht länger das Salz der Erde darstellen, das sich verflüchtigt und auflöst in verschiedene andere Organismen. Eine solche Weltpolitik zu treiben ist aber nur möglich, wenn wir stark nach außen dastehen. Die Machtfrage allein entscheidet bei der Handelspolitik. Der Kaufmann folgt nur der Macht. Noch aus einem anderen Grunde müssen wir für die Aufrechterhaltung unserer Wehrmacht eintreten. Wir sind rings von Feinden umgeben. Frankreich ist und bleibt unser Erbfeind und England hat das größte Interesse daran, uns drunten zu halten. Der Haß Englands gegen uns hat seinen Grund in der Tatsache, daß wir auf dem Weltmarkt für die Engländer ein scharfer Konkurrent geworden sind, mit dem der englische Kaufnkann zu rechnen hat. Dieser Erkenntnis verschließt sich im Deutschen Reiche nur die Sozialdemokratie; im Gegensatz zu den Sozialdemokraten anderer Länder, die sich bezüglich der Rüstungs- und Machtfragen stramm zu den national gesinnten Parteien stellen. Und doch hätte gerade die Sozialdemokratie, als die Arbeiterpartei, die sie sein will, wenn sie die Arbeiterinteressen richtig vertreten will, das größte Interesse an der Möglichkeit der Durchführung einer kräftigen Industrie- und Handelspolitik. Die Interessen der äußeren Politik
stehen turmhoch über den Angelegenheiten, die wir mit innerer Politik bezeichnen. Bezüglich unserer Haltung in der auswärtigen Politik sollten alle Parteigegensätze im Interesse unseres gesamten Vaterlandes verschwinden. — In Deutschland ist der Kampf der politischen Parteien von Jahr zu Jahr schwieriger geworden. Die Schwierigkeiten liegen in den Verhältnissen, in den großen wirtschaftlichen Entwicklungen, die ungerufen kommen, die über die Völker hinziehen und die geboren werden aus der wirtschaftlichen Lage der Stände und Berufsgenossenschaften. Aber über den berechtigten Forderungen der einzelnen Stände und Berufe muß stehen das Interesse der Gesamtheit der Deutschen. In diesem Sinne hat von jeher die Nationalliberale Partei gewirkt. — Die geradlinige Entwicklung unserer Partei- Verhältnisse im Deutschen Reiche ist gestört worden durch das Hereindringcn zweier Parteigebilde, die sich berühren in der scharfen Ausprägung ihrer Grundsätze und in dem Umstande, daß ihre Ziele und Bestrebungen außerhalb der deutschen Grenzpfähle liegen. Es sind dies dis Sozialdemokratie und das Zentrum. — Die Sozialdemokratie will die Partei der Freiheit sein. Sie ist aber nach dem Zeugnis des englischen Sozialisten Shaw von nichts freier als von Freiheit. Beispiele für die Richtigkeit dieser Auffassung gibt uns auch die württembergische Sozialdemokratie, die jedes Abweichsn von den Grundsätzen des allein selig machenden Dogmas des Marxismus mit Entschiedenheit verdammt und diejenigen, die es wagen, wider den Stachel zu löcken, derart behandelt, daß ihnen die Lust vergeht, länger in der Partei der Freiheit zu sein. Der Redner erwähnt dabei den Fall Westmayer. Trotz ihrer 110 Mandate im Reichstag will die Sozialdemokratie nichts von positiver Arbnt, nichts von Entgegenkommen gegen diese stehende Ordnung und gegen den bestehenden Staat wissen, das hat ihr Verhalten bei der Präsidentenwahl im Reichstag gezeigt. Sie will die Partei jeder Verneinung bleiben, die „keinen Groschen und keinen Mann" übrig hat für unsere staatlichen Notwendigkeiten. Dis Sozialdemokratie schmäht unser deutsches Vaterland und reißt unsere Einrichtungen herunter. Sie stellt sich dabei in Gegensatz zu den Sozialdemokraten anderer Länder, und sie hat bei diesem Gebahren auch die Bahnen verlassen, wie sie ihr von ihrem Gründer Lasalle gewiesen worden sind. Und doch haben wir im Deutschen Reiche schon seit 25 Jahren eine Arbeiter- versichecungsgesetzgebung geschaffen, die vorbildlich geworden ist für alle Kulturländer der Erde und noch von keinem anderen Land erreicht worden ist. — Was die Stellung zur konservativen Partei betrifft, so können wir die Haltung nicht billigen, die die Konservativen in Sachen der Deckungsvorlage in den letzten Jahren im Deutschen Reichstag eingenommen haben, eine Haltung, die letzten Endes darauf hinausläuft, den Besitz zu schonen und den Konsum zu treffen. — Das Zentrum ist eine konfessionelle Partei. Wohl ist die Nationaliiberale Partei in wirtschaftlichen Fragen, insbesondere in Fragen des Schutzzolles für die Landwirtschaft zu- sammengegar.gen. Wir können aber nicht einig gehen mit dem Zentrum in Fragen, die die Kultur und die Geistesfreiheit betreffen. Es sind auch Zweifel an der nationalen Zuverlässigkeit des Zentrums berechtigt. Der Redner belegt diese Behauptung mit ausführlichem und einwandsfreiem Material. — Mit der Volkspartei haben wir Schulter an Schulter den Wahlkampf durchfochten. Diese Partei hat sich in den letzten Jahren der Nationalliberalen wesentlich genähert, eine Tatsache, die wir im Gesamtinteresse nur begrüßen können. Wir hoffen auch bei der kommenden Landtagswahl mit der Volkspartei gemeinsam arbeiten zu können. — Die Nationalliberale Partei ist die Partei der Reichsgründung, sie will auch die Partei der Reichserhaltung bleiben. Sie verlangt deshalb, daß im Deutschen Reiche volkstümlich regiert wird und daß die Gleichberechtigung jedes Bürgers vor dem Gesetz oberster Grundsatz ist. Kein Unterschied nach Rang, Geburt und Reichtum. Dem Tüchtigen freie Bahn. Der Fortbestand der Nationalliberalen Partei ist eine staatliche Notwendigkeit, die sich besonders in den gegenwärtigen Zeitläuften scharf ausprägt. Aus den gegenwärtigen Auseinandersetzungen, die innerhalb der Partei an der Tagesordnung sind, wird diese Einigung geschlossen hervorgehen. Ihr Grundsatz wird auch ferner sein: Jedem das Seine und für Fortschritt, Freiheit und Vaterland! — Lebhafter, einmütiger Beifall folgte dem mit großem Interesse aufgenommenen Vortrag. Der Vorsitzende brachte dem Redner, der sich ohne Zweifel die Sympathie der Anwesenden erworben hat, den Dank der Versammlung zum Ausdruck. — Hr. Sensenfabrikant
A. Schmidt richtete noch einen warmen Appell an alle national- und liberal Gesinnten. Bei den letzten Parteiversammlungen in Stuttgart habe es sich gezeigt, daß ein neuer frischer Zug und Geist wehe, besonders seien es auch die Elemente der Jungliberalen, die belebend wirken. Wenn der Vorwurf nicht zu ersparen sei, daß oft falscher Ehrgeiz dazu beigetragen habe, haß die nationalgesinnten Elemente nicht zur Geltung gekommen seien, so sei es bei uns im Bezirk der Senior der Nationalliberalen, Hr. Sanitälsrat Dr. Haußmann, der die Anregung gegeben habe, daß auch bei uns wieder ein kräftigerer Zug für unsere Bestrebungen aufgekommen sei. — Es kann gesagt werden, daß der Vortrag des Hin. Parteisekretärs den besten Eindruck aus die Versammlung gemacht hat und man war einig in dem Gedanken, daß solche Vorträge in unserer politisch so bewegten Zeit den Zusammenschluß der Parteifreunde am besten zu fördern geeignet sind. Es mögen deshalb weiters Vorkräge folgen, zu denen sich gewiß immer wieder weitere neue Freunde einfinden werden.
Neuenbürg, 28. April. Das neuecbaute Haus mit Ladeneinrichtung des Hr. Chrn. Bacher an der alten Pforzheimer Straße ging um die Summe von 34 000 in den Besitz des Hc. Karl Abslein, Bäckers in Pforzheim über. — Zimmer- meister Bischof hat die beiden, neben seinem Neubau auf dem Münster gelegenen Grundstücke, nämlich ein Baufeld von Bäcker Herrigel zu 1600 ^ und ein lolches von Fabrikarbeiter Schanz zu 2000 Mark angekaufr. — Ed. Käppi er verkaufte sein neben dem Baumacker von R. Silbereisen an der Wildbaderstraße gelegenes Grundstück um 2800 ^ an Katastecgeometer Bon net hier.
Z Höfen, 28. April. Heute wurde die jährliche Mitgliederversammlung des hiesigen Vereins für Krankenpflege gehalten. Der Ortsgeistliche berichtete über den Stand des Vereins, der zurzeit 188 Mitglieder zählt. Die hiesige Station wurde am 26. November 1911 mit einer Olgaschwester vom Stuttgarter Mutterhaus besetzt, so kann der Verein im Rechnungsjahr 1911/12 auf Monatliche Arbeit der Schwester zurücksehen. In dieser Zeit wurden bei 65 Kranken mehr als 1000 Pflegbesuche und 23 Nachtwachen verzeichnet. Neben dem einmal zu entrichtenden Eintrittsgeld von 1 wurden als künftiger Jahresbeitrag mindestens 2 ^ festgesetzt. Gewiß hat sich schon manches Kranke und manche Familie über die Errichtung der Station gefreut und ist für die Pflege durch die Schwester dankbar gewesen. Diese wohltätige Einrichtung wird im Lauf der Zeit noch manche Familie von hier und von Rotenbach zuu, Beitritt veranlassen.
Beinberg, 29. April. Matthäus Schnürle, Gipsermeister von Alt bürg OA. Calw, ist heute vormittag ^12 Uhr etwa 200 m vom hiesigen Ort entfernt tot aufgesunden worden. Wie vermutet wird, soll er mit seinem Fahrrad über eine Mauer gestürzt sein. Er hinterläßt Frau und Kind.
LetZte ^Kehrichts» u. LelLgrammZo
Konstantinopel, 30. April. (Telegramm an den Enztäler, abends 5Vs Uhr). Bei der Ausfahrt nach Saloniki stieß gestern der griechische Dampfer „Texas" im Hafen von Smyrna auf eine Mine und sank sofort. Von 152 Passagieren wurden 92, von denen eine Anzahl verletzt ist, gerettet.
Smyrna, 30. April. Hier verlautet, daß bei dem Zusammenstoß des Dampfers „Texas" mit einer Seemine 140 Personen ertrunken sind. Nach einer anderen Meldung sollen sogar 200 Personen ums Leben gekommen sein.
Halifax, 30. April. Bei der Ankunft des Dampfers „Mae Kay Bennett" läuteten die Glocken und die Flaggen waren Halbmast gesetzt. Da nicht genügend Särge vorhanden waren, mußten 70 Tote, darunter auch Astor, in schlichten Kisten auf dem Achterdeck untergebracht werden. 116 andere Tote waren infolge vorgeschrittener Verwesung und auch wegen Raummangels in die See versenkt worden. Die Ueberführung der Toten in das Schauhaus nahm 4 Stunden in Anspruch.
Washington, 30. April. Die Mannschaft der „Titanic" ist gestern abend von der Senatskommission entlassen worden.
Verantwortlich für den redaktionellen Teil: C. Me eh, für den Inseratenteil: G. Conradi in Neuenbürg.
WM- Der heutigen Nummer liegt der Fahrplan für den Sommerdienst 1912 bei.