Tagesneuigkeiten.

* Calw, 7. Dez. Weihnachten, das schönste aller Feste, ist in der Nähe. Das steht man an den fröhlichen Gesichtern der Kinderschaaren, die sich vor den Schaufenstern der Kaufläden drängen, um die ausgestellten Weihnachtssachen zu besich­tigen. Besonderes Interesse erregen die Artikel der Konditoreien und der Spielwarenläden. Manch sehn­suchtsvoller Blick richtet sich auf die hübschen Sachen mit dem Gedanken, auf dem Weichnachtstisch einen solchen Gegenstand liegen zu sehen. Aber nicht blos das Interesse der kleinen und größeren Jugend ist erweckt, auch die Alten sehen mit Hoffnung der Weihnachtszeit entgegen. Vor allem sind es die Geschäftsleute, die auf eine größere Einnahme als in der übrigen Jahreszeit warten. Die Verkaufs­räume sind gefüllt, die Waren aufs schönste aus­gestellt und mit dem Schönsten und Neuesten ver­sehen. Der Kaufmann und der sonstige Geschäfts­mann hat aber die verschiedenen Gegenstände nicht blos zum Ansehen sortiert, er will sie auch verkaufen und an den Mann bringen. Und schon jetzt bringt der Verkäufer seine Gegenstände zur Ansicht, damit der Käufer leicht eine Auswahl treffen kann und damit auch fehlende Gegenstände noch vor Weih­nachten rechtzeitig beschafft werden können. Jedem Verkäufer ist es ja leicht möglich, irgend einen nicht vorrätigen Artikel in Bälde zu beschaffen. Es ist deshalb den Geschäftsleuten sehr wünschenswert, wenn ihnen Aufträge schon jetzt zugehen, wenn Einkäufe bald gemacht werden und wenn nicht bis zum letzten Tag vor Weihnachten mit der Bestellung ^wartet wird. Auch ein anderer Wunsch liegt den Geschäfts­leuten am Herzen. Von auswärtigen Firmen werden den Konsumenten Kataloge und Offerte aller Art zur Einsicht zugesandt, reiche Auswahl in allen Gegenständen wird dabei jedermann finden. Es ist ohne weiteres klar, daß manche dieser angebotenen Artikel in einer kleineren Stadt nicht auf Lager gehalten werden können, aber manches läßt sich auch leicht beschaffen. Artikel, die man aber hier so billig und gut wie auswärts kaufen kann, sollten nicht von fremden Firmen bezogen werden. Es ist daher der Wunsch der Geschäftsleute:Kauft am Platze, was ihr hier ebenso gut wie auswärts bekommen könnt!" sehr gerechtfertigt.

* Calw, 9. Dez. Nach dem 147. Kirchen­register der Stadt Calw find im Kirchenjahr 1902/03 folgende Veränderungen in der ev. kirch­lichen Gemeinde vorgekommen. Getauft wurden 113 Kinder und zwar 111 eheliche und 2 uneheliche. Gestorben find 95 Personen, darunter 55 Erwachsene und 36 Kinder. Die Zahl der Geburten übersteigt demnach die Todesfälle um 16. Unter den Ge­storbenen ist die Zahl der Männer und ledigen Söhne bedeutend kleiner als die Zahl der Frauen und ledigen Mädchen. Unter den Todesursachen finden wir 10 als Schlaganfall bezeichnet; an Altersschwäche starben 11 Personen, an Typhus 2.

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Konfirmiert wurden 73 Kinder und zwar 36 Söhne und 37 Töchter. Die Zahl der getrauten Ehepaare beträgt 44. Gottesdienste fanden firn ganzen 216 statt. Bei 15 Abendmahlsfeiern erschienen 1740 Personen.

L. Calw. Die diesjährigen Weihnachts­feiern eröffnete am letzten Sonntag der hiesige Arbeiterverein im Saale der Dreiß'schen Brauerei. Nach der Begrüßung des Vorstandes, der die Arbeiterschaft zu festem Zusammenhalt und zum Beitritt in den Arbeiterverein aufforderte, folgte eine Reihe trefflicher Darbietungen aus dem 16 Nummern umfassenden Programm. Zwei lustige Theaterstücke:Meister Pech und sein Lehrbub" undDie theatralischen Hausknechte", welche in flottem Zusammenspiel gegeben wurden, sowie zahl­reiche Gesangsvorträge boten den Zuhörern heitere Genüsse. Allen Mitwirkenden wurde daher reicher und wohlverdienter Beifall zuteil. Möge der junge Verein weiterblühen und gedeihen.

Calw, 9. Dez. Die Zufuhr auf den heutigen Viehmarkt betrug 20 Pferde, 404 Stück Rind­vieh. Die Preise standen wie seither ziemlich hoch; Verkauf insgesamt 230 Stück. Ochsen wurden zu 7001000 ^ gehandelt, Kühe zu 260400 Der Schweinemarkt war sehr stark befahren und daher der Absatz schleppend. Für Milchschweine wurden 1024 für Läufer 3574 per Paar erlöst. Zufuhr 56 Körbe Milchschweine, 143 Stück Läufer. Das gute Wetter hatte den Marktbesuch günstig beeinflußt, in den Läden und auf dem Krämermarkt war die Kauflust eine sehr rege.

2 . Liebenzell. Am Sonntag abend ver­sammelten sich im Saale des Gasthauses z. Lamm eine Anzahl 50jähriger Altersgenossen und -genos sinnen, um einige gemeinsame fröhliche Stunden zu verbringen. Der Lieder­kranz, dessen Vorstand, Hr. Mechaniker Schweizer gleichfalls zu den Jubilaren zählte, war erschienen und trug mit seinen prächtigen und gut vorgetragenen Männerchören zur Verschönerung des Abends wesent­lich bei. Ernste Ansprachen und Rückblicke wechselten mit heiteren Vorträgen und Sologesängen, so daß die Zeit nur zu rasch verflog. Der Abend wird allen Beteiligten in froher Erinnerung bleiben; über dessen Gelingen herrschte nur eine Stimme der freudigen Befriedigung.

Stuttgart, 8. Dez. (Schöffengericht.) Wegen Bedrohung eines Wachtpostens hatte sich der schon oft vorbestrafte 36jähr. Musiker Karl Wolf hier zu verantworten. Wie ein als Zeuge vernommener Schutzmann bekundete, ist es geradezu eine Spezialität des Angeklagten, sobald er betrunken ist, mit Schutzleuten oder mit sonstigen uniformierten Personen Händel anzufangen. Er verbüßt gegenwärtig verschiedene polizeiliche Haft­strafen und hat außerdem noch eine ihm kürzlich vom Schöffengericht zuerkannte zweiwöchentliche Gefängnisstrafe wegen Beleidigung eines Schutz­

manns abzufitzen. Am Morgen des 3. Okt. war er in stark angetrunkenem Zustand vor dem Wacht­posten am Kronprinzenpalais stehen geblieben und fing an, auf einen Offizier zu schimpfen, der ihn angeblich beleidigt habe. Der Posten erklärte ihn hierauf für festgenommen und steckte ihn ins Schilderhaus. Während ein dazugekommener Schutzmann bei der Hauptwache um Absendung einer Patrouille anläutete, schimpfte der Angeklagte, der sich übrigens heute des ganzen Vorgangs gar nicht mehr erinnern will, im Schilderhaus fortgesetzt weiter und drohte schließ­lich dem Posten, er bringe ihn um, wenn man ihn noch länger festhalte. Für dieses Vergehen wurden der vorhin erwähnten Strafe von 2 Wochen noch weitere 6 Tage Gefängnis beigefügt.

Stuttgart, 8. Dez. Gestern abend 7 Uhr wurde bei der Stöckachschule ein Mann von einem Schutzmann bewußtlos aufgefunden und mit Hilfe Anderer auf die nahe Polizeiwache ver­bracht. Der herbcigerufene Arzt konnte nur den schon eingetretenen Tod, aber nicht die Todesursache konstatieren. Der Leichnam des bis jetzt unbekannten Mannes wurde ins Leichenhaus des Pragfriedhofs verbracht. Der Unbekannte, vermutlich ein Zimmer­mann oder Maurer, ist ca. 28 Jahre alt, ziemlich groß, mit blondem Haar und Schnurrbärtchen; er trug eine zweireihige graue Lodenjoppe und eilB englische Lederhose.

Cannstatt, 8. Dez. Am letzten Sonntag wurde hier ein Mann namens Müller beerdigt, der über 60 Jahre bei einer Familie bedienstet war.

Poppenweiler, 8. Dez. Gestern wurden lt. Ludwigsburger Zeitung die hiesigen Schulen wieder geöffnet, nachdem diese wegen der hier unter den Kindern sehr stark verbreitet gewesenen Masern drei Wochen geschlossen werden mußten. ES ist als wahres Wunder zu bezeichnen, daß, obgleich mit wenigen Ausnahmen sämtliche Kinder, groß wie klein, von der tückischen Krankheit befallen waren, keines gestorben ist.

Rottweil, 8. Dez. Der vor dem hiesigen Schwurgerichte abgeurteilte vorm. Bankier Speidel aus Tuttlingen wurde mit dem heutigen Frühzuge in das Landesgefängnis nach Hall eingeliefert.

Ulm, 8. Dez. (Strafkammer.) Der Arbeiter Leopold Alfons von Wampersdorf in Niederösterreich warf am 6. Nov. in Ehrenstein dem Bruder des Fabrikbesitzers Grötzinger eine gefüllte Oelkanne an den Kopf, so daß dieser eine starke Schädelverletzung davontrug, die ihn 4 Wochen lang arbeitsunfähig machte. Alfons wurde wegen Körper­verletzung zu 2'/- Monaten Gefängnis verurteilt, wovon fünfzehn Tage durch die Untersuchunghaft verbüßt sind.

Frankfurt a. M., 8. Dez Heute vor­mittag kurz vor 10 Uhr fand im Hause der Hut­fabrik Simon u. Co., Weserstraße 17, eine Explosion des Dampfkessels statt. Der 26jährige Heizer

sehen und ganz vergessen, daß solche alte Neckereien jetzt nicht mehr am Platze sind Verleihung, Gräfin!" rief Klaus mit schalkhafter Demut.

Sie sah ihn halb verdrießlich, halb lächelnd an.

Sie sind noch ganz der Alte," sagte sie unwillkürlich.

In gewisser Hinsicht ja im Herzen stecken noch all' die alten Er­innerungen, freudige und ernste, und im Kopfe ist immer noch ein Rest des alten Uebermutes, wenn der sich auch ein wenig abgeschliffen hat auf dem mühsamen Wege durchs Leben grad dör! Wissen Sie das noch?"

Das alte Märchen? Und Ihren Lieblingswahlspruch? Selbstverständlich!" Ein weicher Hauch flog über das männlich prenggeschnittene Antlitz. Sie hatte in diesem Augenblick offenbar ganz vergessen, daß sie sich vorhinunmöglich auf solche Kindereien besinnen konnte"

DaS freut mich! Das freut mich von Herzen!" sagte Klaus treuherzig. So werde ich doch das Andenken dieser freundlichen Begegnung mit mir nehmen können, wenn ich wieder von hier scheide!"

Die Gräfin zog die Zügel plötzlich so scharf an, daß die Pferde sich hoch aufbäumten. Sie zwang sich machtvoll zur Ruhe, wandte dann das Haupt von neuem Klaus zu und fragte in gleichgültigem Tone: So wollen Sie bald wieder Görlitz verlassen?"

Sobald ich e- verkauft habe ich muß mich da erst näher orientieren. Ich möchte es so sehr ungern nur verpachten

Sie wollen Görlitz verkaufen?" rief die Gräfin erregt. Auch in Inspektor Bärlakes Antlitz malte sich schreckhafte Ueberraschung; unsicher streifte sein Blick das Profil der strengen Herrin. Er fiel vor Herzklopfen beinahe vom Bock her­unter hatte doch die gnädige Gräfin nicht noch gestern abend erklärt:ES soll sich ja nur niemand einbildcn, daß ich meine Hand von Görlitz abziehe!" Und

nun stand dieserNiemand" da so ruhig und gemächlich auf seinen Stock gestutzt, den leichten Strohhut nachlässig in der Hand haltend und redete mit größter Bestimmtheit davon, sein Erbe zu verkaufen. Als ob er darüber etwas zu sagen hätte, wenn die Gräfin Lisa Ritland es anders wollte!

Selbstverständlich muß das mein Ziel sein, das ich, wenn irgend möglich zu erreichen haben werde eS fragt sich nur, ob ich einen zahlungsfähigen Käufer finde," versetzte der unbegreiflich Kühne mit größter Seelenruhe.

Die Gräfin hatte die Zähne fest auseinander gebissen und sah mit dem Ausdruck eiserner Entschlossenheit in das lächelnde Antlitz des Malers.

Sie dürfen Görlitz nicht verkaufen Sie haben kein Recht dazu," stieß sie drohend hervor.Ich dulde es nicht Sie scheinen vergessen zu haben, mein Herr, daß auf Görlitz eine bedeutende Schuld lastet es gehört Ihrer Familie von Rechts wegen überhaupt nicht mehr"

Ach! Wirklich? Das ist das erste, waS ich darüber höre. Eine Schuld? Auf Görlitz? Gnädigste Gräfin müssen falsch berichtet sein. Görlitz gehört der Familie Behrendt unbestreitbar seit über hundert Jahren, ebensogut wie Rammin und Cranzow dem Grafen Ritland und mein Onkel, der wahrhaftigste Mann unter der Sonne, pflegte stets zu behaupten, daß das Gut gottlob völlig schulden­frei sei"

Bis auf die Summe, die mein Großvater im Jahre 1812 dem Ihren geliehen und nie zurückerstattet bekommen hat mag sein; diese Forderung aber besteht nach wie vor mit Recht. Görlitz wurde damals meinem Großvater quasi verpfändet und er ließ es dem früheren Besitzer nur, um ihm die Möglichkeit zu geben, seine Schuld dereinst zurückzahlen zu können!"

(Fortsetzung folgt.)