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193.
Der Lnztäler.
Anzeiger für das Lnztal und Umgebung.
klmtsblatt tür Sen Gberamtsbezirk Neuenbürg.
Montag den 4. Dezember 1911.
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RunSlehau.
Der Reichstag erledigte am Donnerstog die -zweite Lesung des Gesetzes, wodurch das Hilss- kassengesetz aufgehoben wird, und die Hilsskassen dem Auffichtsrat für Privatversicherungsunternehmen unterstellt werden. Die Debatte zeitigte eine hitzige Auseinandersetzung zwischen den Sozialdemokraten Hoch und ^Stadthagen einerseits und den christlichen Arbeitersekretären Behrens (Wirtsch. Vgg.) und Becker >,(Z.) anderseits über die von diesen gegen die sozialdemokratischen Kassenleitungen erhobenen Vorwürfe der Parteiherrschaft. Schließlich wurde das Gesetz unter Ablehnung der sozialdemokratischen Anträge angenommen. Es folgte die zweite Lesung der Privatbeamtenvrrsicherung. Zunächst handelte es sich um die Bestimmung über den Kreis der Versicherungspflichtigen, speziell darum, inwieweit die Bureauangestrllten versicherungspflichtig sein sollen. Es blieb nach längerer Debatte bei den Vorschlägen der Kommission. Es wurden noch einige weitere Paragraphen nach den Vorschlägen der Kommission angenommen. — Am Freilag wurde zunächst das Gesetz über die Ausgabe -kleiner Aktien im chinesischen Schutzgebiet in zweiter Lesung erledigt und sodann das Schiffahrtsabgabengesetz in dritter Lesung, also endgültig angenommen. Bei der Fortsetzung der zweiten Lesung des Privatbeamtenversicherungsgesetzes kam es wieder zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Abgg. Hoch (Soz.) und Behrens (Wirtsch. Vgg), die gegeneinander so grob wurden, daß ihnen aus den anderen Parteien Pfuirufe entgegentönten. Das Gezänk wurde so unerträglich, daß ein energischer Protest des Abg. Potchoff gegen diese ewige Zänkerei der Arbeitersekretäre dsu Beifall des ganzen Hauses fand. — Am Samstag wurde das Gesetz alsdann in zweiter Lesung, ferner auch das Gesetz über Ausgabe kleiner Aktien in drkter Lesung erledigt.
Berlin, L. Dez. Die Auslegung der Wählerliste für die Reichtagswahl hat in Preußen am 14. Dezember zu begmnen.
I» der Berliner Jahressersammlung der beamtete« Tierärzte Preußens sprach anläßlich eines Referats darüber, was der letzte Seuchengang der
Msu l- und Klauenseuche gelehrt habe, der Berliner Bakteriologe Dr. Siegel über seine Bemühungen zur Aufsuchung des Erregers der Maul- und Klauenseuche. Er habe einen Mikroorganismus entdeckt. dem er den Namen -OxtorrsiMss gegeben habe und der einwandfrei-als der Erreger der Seuche anzusehen sei. Dr. Siegel hat einen Bericht der „Morgenpost" zufolge alle Proben, die nur denkbar sind, gemacht, die der Kockus ausgehalten habe. Er lasse sich im Bluts wie auch in der Flüssigkeit der charakteristischen Blasen -im Zahnfleisch der an der Seuche erkrankten Tiere immer Nachweisen, lasse sich aber auch in Reinkultur züchten und verursache bei Impfungen die Mauenseuche. Ferner lasse sich bei künstlerisch erzeugter Maul- und Klauenseuche eine wenn auch noch nicht absolute Immunität gegen die natürliche Erkrankung erzeugen. Der Redner illu- Oriertr an Hand von Lichtbildern seine Versuche.
Paris, 2. Dez. Der „Matin" meldet: Die im Auftrag von Delcafsö vorgenommene Untersuchung der Pulverfabrikation habe die beklagenswertesten Ergebnisse gehabt. So sei festgestellt worden, daß die das Datum 1968 tragenden Pulvervorräte in Wirklichkeit aus den Jahren 1895 und 1896 stammten. Das Blatt verlangt die strafrechtliche Verfolgung der schuldtragenden Offiziere.
Paris, 2. Dez. Im Schnellzug Bordeaux- Paris der Orleansbahn spielte sich gestern ein furchtbares Drama ab. Ein Erpresser, namens La- lanne, der nach Paris ins Untersuchungsgefängnis gebracht werden sollte, sffnete die Wagentür und sprang auf das Trittbrett, um zu entweichen. Der -ihn begleitende Gendarmeriewachtmeister eilte ihm «ach und nach einem heftigen Ringkampf stürzten beide auf das Geleise. Der Gendarm wurde zermalmt, der Verbrecher schwer verwundet.
Neuenbürg. 1. Dez. Die so oft schon geplante Kalenderre-form und die Festlegung des Osterfestes dürfte, wie eine Berliner Korrespondenz schreibt, als gescheitert betrachtet werden. Die deutsche Regierung hatte bekanntlich im Parlament im Frühjahr dieses Jahres erklärt, daß sie einer Kalenderreform nur näher treten könne, wenn die übrigen Kulturnationen sich zu dieser Frage freundlich stellten. Die deutsche Negierung steht auf dem Standpunkte, daß
eine solche Reform sich nur durchführen lasse, wenn sie auf einer internationalen Konferenz für alle europäischen Staaten eingeführt würde. Namentlich in England wird auf eine Reform des gregorianischen Kalenders hingearbeitet. Der Handelskammerkongreß in London hatte vor einiger Zeit bei der schweizerischen Regierung den Antrag gestellt, eine internationale diplomatische Konferenz in dieser Sache einzuberufen. Der schweizerische Bundesstaat hatte sich der Sache angenommen und bei allen Nationen angefragt, ob die Einberufung einer solchen Konferenz durchführbar sei. Die Antworten der meisten Staaten lauteten ausweichend, namentlich Italien und Rußland haben erklärt, daß sie an dieser -Konferenz nicht teilnehmen und diese Bestrebungen nicht unterstützen würden. Durch diese Ablehnung dürste die Angelegenheit vorläufig erledigt sein.
Württemberg.
Stuttgart. 3. Dez. Den verschiedenen Fehlgriffen, die aus dem Jnteressenkreise der Württ. Vereinsbank in neuerer Zeit, so aus Heilbronn und Ulm, zu berichten waren, scheint sich jetzt ein weiterer Fall anzureihen. Es wird der „Franks. Ztg." mitgeteilt, daß bei der Commandite der Bank in Mergentheim Verluste entstanden sind. Auf Anfrage teilt die Leitung des Institutes mit: „Die Geschäftsführung der Bankcommandite Mergentheim, Roser u. Co., hat uns Grund zu Klagen gegeben und uns veranlaßt, einen unserer Beamten als weiteren persönlich haftenden Gesellschafter in die Commandite eintreten zu lassen, um auf die Leitung des Geschäftes in Zukunft größeren Einfluß ausüben zu können. Unsere Commandite - Einlage beträgt 150000 Mk. Für etwa entstehende Verluste sind wir durch einwandfreie Sicherheiten gedeckt." Dazu bemerkt die „Franks. Ztg." : Wenn es sich auch im Falle Mergentheim anscheinend um keine beträchtliche Summe handelt, so ist doch nicht zu verkennen, daß die Häufung von schadhaften Stellen im Concern der Württ. Vereinsbank einen wenig erfreulichen Eindruck macht und auf eine bisher ungenügend funktionierende Kontrollorganisation schließen läßt.
Stuttgart, 2. Dez. In einer Wohnung der Böblingerstraße trank gestern nachmittag ein 17 Jahre
Uw em Erde.
Novelle von Karl Meisner.
22s (Nachdruck verboten.)
„Ei, ei, wie hitzig", antwortete Wolny. der sich noch nicht recht klar darüber war, ob diese Äußerung Binchcns wirklich ernst zu nehmen sei. „So schlimm werden Sie es doch nicht meinen. Und überdies. Sie wissen ja, sind Sie an eine vierteljährliche Kündigung gebunden."
„Diese Kündigungsfrist ist null und nichtig nach der tätlichen Beleidigung, die Sie mir zugefügt haben. Die Gerichte werden mich schon schützen und mir das Recht einräumen, ein Haus sofort zu verlassen, in dem man meiner Ehre zu nahe getreten ist."
Wolny lachte höhnisch auf.
„Also die Gerichte willst Du gegen mich an- rufen? So also stehen die Sachen zwischen uns? Dann ist es Zeit, daß ich mal einen andern Ton anschlage. Du sollst mit den Gerichten zu tun bekommen, mehr wie Dir lieb ist, mein Püppchen. Und Deine Ehre — pah, die geht dabei bald in die Brüche. Warte nur. Du sollst mich noch um Nachsicht betteln lernen!"
Binchen verbrachte eine schlaflose Nacht. Am andern Morgen ging sie, wie gewöhnlich, in die Kinderstube, um die kleine Augusta auzuziehen. Das Kind war aber nicht mehr da. Sie kehrte in ihr Zimmer zurück, um an ihre Tante zu schreiben. Da fiel ihr ein, daß es nicht ratsam sei. durch einen
Knecht vom Schloß den Brief befördern zu lasten. Vielleicht wurde er dann gar nicht zur Post gegeben. Am sichersten wäre es noch, sie ginge hinauf zur Ruine, bäte Herrn Dittert, den Brief durch Hermann besorgen zu lassen und ihn dann gleichzeitig um Rat zu fragen, ob sie berechtigt sei, ihre Stelle sofort zu verlassen. Während sie noch überlegte, was sie tun sollte, hörte sie draußen Schritte und Stimmen, Wolny trat, ohne anzuklopfcn, in das Zimmer. In seiner Begleitung befand sich Notar Flebbe und dessen junger Schreiber, sowie der Knecht Johann.
„So, Herr Notar," sagte Wolny, „tun Sie nun Ihre Pflicht."
Flebbe betrachtete mit unsicheren Blicken das junge Mädchen, das mit gerunzelter Stirn dastand.
„Fräulein Luy", in diesem Hause ist ein großer Diebstahl begangen worden. Man hat dem Herrn Wolny eine Brieftasche mit wichtigen Dokumenten, Kassenscheinen usw. gestohlen. Unter anderen: befand sich auch der Vertrag darin, den Sie mit Herrn Wolny geschlossen haben. Da durchaus keine Spuren eines Einbruchs von außen wahrzunehmen sind, muß der Dieb sich unter den Bewohnern des Schlosses befinden. Als Gerichtsverwalter dieses Schlosses und Gutes muß ich daher die Zimmer aller Angestellten durchsuchen."
„Was habe ich aber damit zu tun?"
„Ich kann bei Ihnen leider keine Ausnahme machen, da ich sonst den Schein der Parteilichkeit er
wecken würde. Liefern Sie mir daher den Schlüssel zu Ihren: Koffer aus und widersetzen Sie sich der Durchsuchung dieser beiden Zimmer nicht."
Ohne ein Wort weiter zu verlieren, reichte Binchen dem Notar den Schlüssel. Dann schaute Sie mit verschränkten Armen der Untersuchung zu. Als aber Wolny in ihrem Koffer berumstübern wollte, fuhr sic ans.
„Heer Notar, nur Ihnen allein oder Ihrem Gehilfen gestatte ich die Durchsuchung, keinem Dritten."
Wolny lachte höhnisch auf.
„Das kennt man schon! Weil ich hier jede Ecke kenne, fürchtet das zarte Fräulein meine Suche besonders. Der Verdacht wird dadurch nur verstärkt."
Binchen warf ihm einen verächtlichen Blick zu und wandte ihm dann den Rücken.
Der Knecht Johann musterte angelegentlich das Bücherbrett, schließlich holte er einen Stuhl herbei und stieg darauf, um die oberen Fächer besser sehen zu können.
Notar Flebbe hatte seine Durchsuchung beendet.
„Ich habe nichts gefunden, Fräulein: hier haben Sie Ihren Schlüssel wieder."
„Aber was ist dies denn," rief da Johann und zog aus der Reihe der Bücher eine Brieftasche heraus, die dort eingeklemmt gesteckt hatte.