Run-schau.
Wie verlautet, besteht nicht die Absicht, das neue Motuproprio des Papstes, das jedem Katho- ^ liken den großen Kirchenbann androht, falls er ohne , kirchliche Erlaubnis einen Geistlichen seiner Kirche ; vor ein weltliches Gericht fordert, im Reichstage zum f Gegenstand einer Interpellation zu machen. Ob- j gleich man der Ansicht ist, daß das päpstliche Dekret ; sich mit den bestehenden Reichsgesetzen nicht ver- l einbaren läßt, will man mit Rücksicht auf die Ge- f schäftslage des Reichstags diese Angelegenheit jetzt z ruhen lassen, in der Hoffnung, daß die Reichs- i regierung beim päpstlichen Stuhl Schritte unternehmen wird, um gegen die Geltendmachung dieses Dekrets Einspruch einzulegen.
Paris, 30. Nov. Das neue Kadergesetz, das bisher nur für die Artillerie genehmigt und zur Durchführung gelangt ist. sieht auch eine Vermehrung der Infanterie vor, die dadurch erreicht werden soll, daß sämtliche Feldregimenter zu 3 Bataillonen gebildet werden, während jetzt noch 21 Regimenter zu 4 Bataillonen vorhanden sind, ungerechnet die 18 Regionalregimenter und das Infanterieregiment für Korsika, die ebenfalls 4 Bataillone haben. An Stelle der Regional; egimenter treten 14 Festungsinsanterie- regimenter und die Jägerbataillone sollen um ein Bataillon vermehrt werden. Die französische In- f fanterie zählt zur Zeit 145 Feldregimenter, 4 Zuaven- - regimenter, 4 Tirailleurregimenter mit im ganzen ! 24 Bataillonen, 1 Regiment Sapeurs-Pompiers und i 18 Regionalregimenter, zusammen 172 Regimenter, i außerdem 30 Jägerbataillone. Nach der neuen - Organisation werden vorhanden sein 159 Feldregi- s menter, 4 Regimenter Zuaven, 12 Regimenter al- ! gerischer Schützen, 1 Regiment Sapeurs-Pompiers ^ und 14 Regimenter Festungsinfanterie, zusammen s 190 Regimenter, außerdem 31 Jägerbataillone, so i daß die Vermehrung der Infanterie 18 Regimenter 'l und 1 Jägerbataillon beträgt. Für die Kavallerie- I divisionen sollen Radfahrerabteilungen zu 3 Kom- s pagnien aufgestellt werden, die von einzelnen Jägerbataillonen abzugeben sind. j
Den namentlich von Korrespondenten der eng- j lischen Blätter gegebenen Schilderungen der Grau- ! samkeiten, welche die Italiener unter der arabischen ! Bevölkerung in Tripolis begangen haben sollen, werden jetzt italienische Berichte über furchtbare ! Grausamkeiten entgegengesetzt, welche von den Türken ! und Arabern an italienischen Soldaten be- ! gangen worden sein sollen. Die Berichte bringen derartige Einzelheiten, daß an der Wahrheit der ^ betreffenden Vorgänge kaum gezweifelt werden kann. ^ Was die vielgenannte italienische Flottenaktion im ! Aegäischen Meere und gegen die Dardanellen an- ! belangt, so ist es jetzt hiervon ganz still geworden; ^ die Italiener scheinen bis auf weiteres auf größere ! Aktionen zur See in ihrem Kriege gegen die Türkei verzichtet zu haben.
Im Oberkommando der englischen Marine sind eine Anzahl Personalveränderungen erfolgt, welche als mit dem neuen englischen Flottenbauprogrammim Zusammenhang stehend betrachtet werden.
In den chinesischen Revolutionskämpfsn schwankt die Schale des Erfolgs fortwährend. Kaum war jetzt die Zurückeroberung der den Rebellen in die Hände gefallenen wichtigen Städte Hanjang und Wutschang durch die kaiserlichen Truppen gemeldet worden, so kommt hinterher die Nachricht, daß die Rebellen nach heftigem Kampfe mit den kaiserlichen Truppen in die Stadt Nanking eingedrungen sind. Ueber den weiteren Verlauf der Kämpfe in Nanking lag indessen bis zum Donnerstag noch keine Nachrichten vor.
Zu den inneren politischen Angelegenheiten der nordamerikanischen Union ist die interessante Nachricht zu verzeichnen, daß der frühere Präsident Theodore Roosevelt jetzt eine öffentliche Erklärung erlassen hat, in welcher er definitiv auf eine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen des nächsten Jahres verzichtet.
Berlin, 1. Dezbr. Infolge des gestrigen ablehnenden Beschlusses der Former wurden heute in der Berliner Metallindustrie 60—70 000 Arbeiter ausgesperrt.
Der Vorstand des Verbandes deutscher Bierverleger richtete an den Reichstag die Bitte um Schaffung gesetzlicher Bestimmungen zum Schutz der Bierflaschen gegen mißbräuchliche Benutzung durch das Publikum. Jährlich würden eine große Zahl von Bierflaschen wertlos und unbrauchbar, weil sie vom Publikum mit giftigen oder unappetitlichen Flüssigkeiten gefüllt werden. Es entständen
dadurch große Unkosten an Reinigung für die Bierverleger und eine große wirtschaftliche Schädigung, weil viele der Flaschen nicht genügend gereinigt werden könnten und deshalb dauernd wertlos würden. Dem Volke sei der Eigentumssinn für Bierflaschen ganz verloren gegangen; es glaube, die leer getrunkenen Flaschen seien etwas Wertloses und könnten beliebig mißbraucht werden. Die Einführung des Flaschenpfandes in manchen Großstädten habe zwar das Eigentumsrecht an der Flasche den Verlegern gesichert, aber dem Mißbrauch der Flaschen durch Füllung mit unappetitlichen und gesundheitsschädlichen Flüssigkeiten wenig gesteuert. Helfen könne hier nur ein Neichsgesetz zum Schutze der Bierflaschen. Die Petitionskommission hielt es für dringend wünschenswert, den Mißbrauch mit den Bierflaschen zu bekämpfen. Cs würde dies Ziel aber besser durch die einzelstaatliche Gesetzgebung geregelt. Deshalb wurde die Petition der Regierung als Material überwiesen.
Das Porto nach der Schweiz. Die.deutsche ! Reichspost hat der schweizerischen Postverwaltung den Abschluß einer Postunion vorgeschlagen, durch die das Porto für Briefe aus Deutschland nach der Schweiz und umgekehrt auf 10 Pfg. bezw. Centimes herabgesetzt werden würde. Die Schweiz hat sich indes ablehnend verhalten, da der schweizerischen Post, die jährlich Reineinkünfte von blos 510 000 Francs aufweist, durch eine Verminderung des Portos i von 25 auf 10 Centimes ein jährlicher Ausfall von mindestens 2 Millionen Francs und damit ein bedeutendes Defizit erwachsen würde.
Mailand, 30. Nov. Infolge des Krieges sind ! einige Oelfabriken insolvent, die größte davon, Oleisicio Luigi Robbiani in Monza, mit Passiven in Höhe von 1120000 Lire, deren Aktiven von 585000 Lire gegenüberstehen.
VerMZehrLs» j
Edison über unseren Kaiser. Wie ein New-Aorker Korrespondent dem „Berliner Tagrbl." schreibt, hat sich Edison sehr offen über den Kaiser? ausgesprochen. „Dis Deutschen dürfen sich glücklich ^ schätzen", sagte er, „in ihrem jetzigen Kaiser ein j wirkliches Generalreinigungsoberhaupt zu besitzen. Dieser Herrscher hat ein ausgezeichnetes Verständnis ! für die Bedeutung von Geschäften. Sein kommer- ! zieller Instinkt scheint mir das Wesentlichste dieser t bemerkenswerten Erscheinung zu sein. Die von früher i stammende Schilderung des Kaisers als eines „War i Lord" (Kriegsherr) scheint mir ganz falsch zu sein. - Er ist ein Mann des Friedens. Schon deshalb, weil ; dieser Frieden Mark und Pfennige bedeutet für das ! Habensaldo seiner Nation, der Krieg aber ein böses
- Defizit. Man hat mir versichert, daß er in schwierigen Situationen sich über die Ansichten der Diplomaten und Politiker hinaus lieber an die der
> Großindustriellen und Bankiers hält. Wenn er eine ! militärische Suprematie für Deutschland anstrebt, so ; schwebt ihm dabei weniger Schlachtenruhm als die
- Erkenntnis vor. daß das eine ausgezeichnete Sicher- s ung für die Erreichung seines höchsten Zieles ist, j Deutschland zu einer führenden Jnduftrienation j heranwachsen zu sehen. Er ist ein glänzender natio- ! naler Manager. Er hat mit größtem Eifer daran ; gearbeitet, diese seine Mission erfüllen zu können, und ! er erfüllt sie vollkommen." So Herr Edison.
j Frankfurt a. M., 30. Nov. An Altersschwäche
- starb hier eine 100jährige, Frl. Susann« Elisabeth
- Hill. Nachforschungen in den standesamtlichen ! Büchern ergaben, daß Frl. Hill am 16. Jan. 1811 ! getauft ist. Der Geburtsschein war nicht zu er- ' Mitteln. Sie erfreute sich stets einer außerordent- j lich guten Gesundheit, sie hat nie ärztlichen Beistands i bedurft. Der Verfall ihrer Kräfte begann vor j einigen Wochen.
- Hayingen, 30. Nov. Von einer seltsamen menschlichen Mißgeburt wird hier berichtet: Eine
: Frau hat am Samstag einem Kinde das Leben i geschenkt, das keine Augen hat. Augenhöhlen und Augenbrauen sind gleichfalls nicht vorhanden. Der obere Teil des Kopfes ist vollständig rund. Ein zu Rate gezogener Spezialist stellte fest, daß das be- ! dauernswerte Wesen lebensfähig ist. Daß die Eltern ! über dieses — ihr erstes — Kind in Verzweiflung j sind, ist begreiflich genug.
i Göppingen, 30. Nov. Eine angenehme Unter- s brechung erfuhr eine vor einigen Tagen abgehaltene s Gemeinderatssitzung. Die Stadtväter waren gerade s in die Revision der Ortspolizeistatistik vertieft, als j plötzlich der Amtsdiener unter dem Türrahmen er- ' schien und die elektrisierenden Worte „der Zeppelin
kommt I" in den Sitzungssaal hineinrief. Im Nu waren dann auch die gewichtigen Plätze verlassen und die Stadtverordneten pendelten so schnell es immer ging, die Wendeltreppen des Rathauses empor. wo sie sich auf dessen Kranz postierten, gerade noch bald genug, um das Zrppelinluftschiff mit Windeseile in majestätischem Flug über sich dahinhuschen zu sehen. Unterwegs hatte sich einer der Herren zwecks sicheren Fortkommens des an der Treppe vorbeiführenden Glockenseils an Handhabe bedient. Dies hatte zur Folge, daß die Sturmglocke zu läuten anfing, was allgemein herzlich belacht wurde.
Scharenstetten, 30. Nov. Ein Bauer und ein Schmied machten eine Wette, die dadurch zum Austrag gelangen sollte, daß der Schmied um 20 einen 18—20 Zentner schweren Stein innerhalb 2 Stunden auf einen Leiterwagen hinauf verbringen mußte. Der Schmied und sein Kamerad gingen an die Arbeit und nach vieler Mühe und Schweiß ist es ihnen gelungen, eine Minute vor der festgesetzten Zeit fertig zu werden. Da die Arbeit, die ohnehin . durstigen Kehlen des Schmieds und seines Nachbarn noch mehr ausgetrocknet hatte, veranstalteten sie für die 20 ein solennes Gelage, bei dem auf den Verlierer der Wette, sowie auf die beiden Kraftmaier verschiedene Trinksprüche ausgebracht wurden.
Scheer, 21. Nov. Ein originelles Stückchen von Leichenschau ist hier passirrt. Kam da ein älterer Mann, bei dem ein Sohn zu Besuch war, nachdem beide tagsüber zusammen verschiedene Wirtschaften besucht hatten, nachts 10 Uhr mit allen Zeichen größter Aufregung zum Totengräber und zum Leichenschauer mit der Meldung, sein Sohn sei soeben gestorben, sie möchten doch kommen. Der Bitte wurde sofort stattgegeben und auch die Polizei schloß sich an. Sie fanden den jungen Mann wirklich regungslos im Bette liegend vor, nachdem nun verschiedene vorgeschriebene Manipulationen der Leichenschau vorgenommen waren, packte der Totgeglaubte plötzlich zum Schrecken der Anwesenden den Leichenschauer am Fuß und sprang auf. Der Vater aber rief: „Ja, liebs Laverli, lebst wieder?"
Der gefährliche Mond. In Nr. 275 des in Ebingen erscheinenden „Mbboten" findet sich in einem Artikel „Das große göttliche Universalgesetz des Wetters, des Krieges und der Seuchen" von Johann Binder folgende Mitteilung: „Unser Erd- ! trabant Mond erlitt unter der letzten Planetenkon- ^ stellation des Jahres 1910 eine solche Veränderung seiner Gase, daß vorübergehend neue Gasverbindungen entstanden, die er im November, Dezember und Januar nach der Erde ausstrahlte und dadurch ! die Maul- und Klauenseuche erzeugte." — Daß der ! gute Mond, der so stille dahergeht, manche Heim- ! lichkeit birgt, haben die Bewohner dieses Planeten ! schon längst herausgefunden; daß er aber solcher l Gemeinheit fähig ist, die Maul- und Klauenseuche auf die Erde auszustrahlen, das geht doch weit über das Erlaubte hinaus.
Im G. . . tal wohnt ein junger Mann, der schöne rote Haare besitzt. Nun gab sichs am letzten Sonntag, daß am Wirtstisch in lustiger Gesellschaft wegen seines Teints auch noch allerlei heitere Späffe , gemacht wurden, und 3 Herren boten sich an, die ! Kosten für eine Schwarzfärbung seiner Haare zu l bezahlen, wenn er sich vor Weihnachten die Haare nicht mehr schneiden lasse, und von fast sämtlichen anwesenden Gästen wurde ihm je noch mindestens eine Flasche Bier versprochen, wenn er darauf eingehe I Was geschah: der brave Mensch ließ sich zum allgemeinen Gaudium gleich am Montag vormittag von einem schneidigen Haarkünstler Kopf- und Barthaare schwarz färben. Wer sollte alsdann den sonst so hübschblonden Germanen wieder er-
- kennen!? Der Spaß ist doch zu gelungen und es ! wäre doch zu schade, wenn er nicht auch durch ! das Bezirksblatt zu jedermanns Kunde weiter i gegeben würde. Wir gratulieren ihm zu der unverkennbar vorteilhaften Veränderung seines äußeren Menschen!—
! Bestellungen
- auf den
z „Gnztäter"
I für den Monat Dezember
! werden von allen Postanstalten und Postboten, von der Expedition und von unseren Austrägerinmn entgegengenommen.
Druck und Verlag der C. Meeh'schen Buchdruckerei des Enztälers (Inhaber G. ConradO in Neuenbürg.