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den, einer der Veteranen nach dem andern geht dahin, bald wird die Zeit kommen, wo nur wenige von dem tapferen Häuflein vorhanden sind, umso­mehr ist es Pflicht der noch lebenden Veteranen sich zusammenzuscharen und treu zusammenzustehen. Mit Worten des Dankes schloß der Vorstand des Veteranenvereins die würdig und schönstens verlau­fene Feier.

sAmtliches aus dem Staatsanzeiger.j Se. König!. Majestät haben am 24. ds. Mls. allergnädigst geruht, die erledigte realistische Haupt- lehrcrstelle an der mittleren Abteilung des Real- progymnasiumS sin Calw dem Hilfslehrer Albert Müller an der Oberrealschule in Reutlingen zu übertragen.

Stuttgart, 21. Nov. Der Württ. Angler­ve r e i n hat im Laufe des Herbstes ca. 15 000 Rotaugen- und Karpfensetzlinge aus dem Stutt­garter Feuersee in den Neckar bei Untertürkheim eingesetzt. Außerdem wurde für den Besatz des Neckars bei Untertürkheim und Köngen mit passen­den Regenbogenforellen und Forellenbarschen, welch letztere aus der Fischzucht Hohenheim stammen, eine größere Summe aufgewendet.

Stuttgart, 28. Nov. Kartoffel­großmarkt auf dem Leonhardsplatz. Zufuhr 100 Zir. Preis 2.604 per Ztr. Kraut- markt auf dem Charloitenplatz. Zufuhr 1100 Stück. Preis 1416 per 100 Stück.

Rottweil, 27. Nov. Gestern abend wurde auf der Straße zwischen Dietingen und Rottweil der von Böhringen, wo er beruflich tätig war, hieher zurückkehrende Telegraphenarbeiter Strengert von zwei Burschen angehalten, von denen einer ihm das Geld abverlangte, während der andere mit gezoge­nem Messer der Aufforderung seines Komplicen Nachdruck verlieh. Um Schlimmeres zu verhüten die Straße ist namentlich bei Nachtzeit wenig begangen lieferte Strengert seinen Geldbeutel mit einer Barschaft von 3 70 aus, den er, nach­

dem er geleert worden, wieder zurückerhielt. Die Täter sind bis jetzt nicht bekannt.

Ludwigsburg, 27. Nov. Wegen zwei Vergehen der militärischen Unterschlagung wurde der Unteroffizier Theilmann der 5. Batt. Feld- art.Reg. 29 zu der Gefängnisstrafe von 2 Monaten und zur Degradation verurteilt. Theilmann hatte 5 Leuten seiner Rekrutenkorporalschaft eigene Säbelkoppeln besorgt und ihnen hiefür je 3.75 abverlangt, während er selbst nur je 2.80 für das Stück bezahlt hatte. Er bestreitet, in gewinn­süchtiger Absicht einen höheren Preis verlangt zu haben, er sei vielmehr der bestimmten Ueberzeugung gewesen, die Koppeln kosten 3.75 »A. und die Ver­käuferin habe sich in der Berechnung geirrt, er habe daher die Absicht gehabt, dieser den überschicßenden Betrag zurückzugeben. Er hat dies aber nicht ge­tan, sondern das Geld teilweise für sich verbraucht. Zur Abschaffung eines Haarbesens zum Zimmer­

auSkehren hat Theilmann sodann von den Leuten seiner Stube 1.40 ^ eingesammelt, ein Besen wurde aber nicht gekauft, vielmehr wurde einige Tage später ein solcher dienstlich überwiesen. Theil­mann gab das eingesammelte Geld nicht zurück, er will aber die Absicht gehabt haben, dafür einen fehlenden Feuerhaken für die Stube anzuschaffen, was aber auch nicht geschah.

Gmünd, 28. Nov. Heute früh wurde der 60 Jahre alte Schäfer Hägele von Durlangen ertrunken in der Rems ausgefunden. Ohne Zweifel liegt ein Unglücksfall vor.

Ulm, 29. Nov. (Strafkammer.) Der Bauer Joh. Kölle von Machtolshcim, die bei ihm im Dienste stehenden Knechte Röscheisen und Stägele sowie seine Dienstmagd Anna Röcker waren eines Vergehens der Sachbeschädigung nach ß 305 des R.-Str.-G.-B. angeklagt. Kölle besitzt an der Bahn­linie Amstetten-Geislingen einen größeren Grund­stückskomplex, zu welchem vor Erbauung der Bahn ein Feldweg führte, der dort zu Ende ging und nur von Kölle benützt werden durfte. Seit Bestehen der Bahn ist der Feldweg mittelst zweier Rampen über das Geleise fortgeführt und dem allgemeinen Verkehr geöffnet. Damit war Kölle nicht einver­standen. Ec ließ durch seine Dienstboten verschiedene- male mittelst eines Pfluges Gräben über die Straße ziehen, setzte sich auch selbst auf den Pflug, damit die Gräben tiefer würden. Die Straße wurde hiedurch für den Verkehr unbrauchbar. Trotzdem Kölle vom Schultheißen für sein Vorgehen mit 8 ^ in Strafe genommen wurde, setzte er das Demolieren des Weges fort. Zu seiner Recht­fertigung gab er an, er habe die Straße noch als sein Eigentum angesehen, mit dem er anfangen könne, was er wolle. Das Gericht verurteilte ihn zu 100 ^ Geldstrafe. Die Dienstboten wurden freigesprochen.

VomBodensee, 29. Nov. In Ermatingen bei Konstanz erschoß sich in einem Anfall von Geistes­störung in der Kirche der Pfarrverweser R. St. Derselbe war kurz zuvor aus der Irrenanstalt ent­lassen worden und hatte schon im Jahre 1885 in einem Anfall von Geistesumnachjung einen Selbst­mordversuch gemacht.

Frankfurt a. M., 28. Nov. Senator Dr. v. Oven, der älteste noch lebende offizielle Vertreter der früheren freien Reichsstadt Frankfurt, der mehrfach Bürgermeister war und 66 Jahre in städtischen Diensten stand, ist im Alter von 87 Jahren gestorben.

Berlin, 28. Nov. Kommerzienrat Engel­horn in Stuttgart hat den gegen denVorwärts" wegen Abdrucks des viel genannten Schloß-Ent­wurfes gestellten Strafantrag zurückgezogen, erhält ober vom Vorwärts 300 ^ zur Ueberweisnng an den Unterstützungs-Verein deulsched Buchhändler und Buchhandlungsgehilfen. Ferner übernimmt der

Vorwärts die dem Antragsteller bisher erwachsenen Kosten.

Berlin, 28. Nov. Wie derVossischen Zeitung" aus Eisenach gemeldet wird, hat sich der Einjährige Clausen aus Hamburg von der 6. Kompagnie des 94. Infanterie-Regiments gestern Abend erschossen. Die Gründe sind anscheinend dienstlicher Natur.

Berlin, 28. Nov. Aus Sofia erfährt der Lokal-Anzeiger: Infolge eines geheimnisvollen Mordes, der gestern Nacht dort verübt wurde und dem geheimen mazedonischen Exekutions-Comitö zu­geschrieben wird sowie um weitere Ausschreitungen der sich dort ansammelnden mazedonischen Despe­rados vorzubeugen, beabsichtigt die Regierung, den Polizeidienst in Sofia dem Militär zu übertragen. Eine Freischar soll gestern im türkischen Grenzge­biete von Tamrasch südlich von Philipoppel Tynamit- anschläge verübt haben. Die türkische Bevölkerung soll geflohen sein.

T ri e r, 26. Nov. Das Schwurgericht ver­urteilte den Wilderer Wilhelm Hamm, der am 9. Mai den Förster Wilhelm Junker, der ihn beim Wildern ertappte, getötet hatte, zu 15 Jahren Zuchthaus, und seinen Bruder Jakob Hamm wegen gewerbsmäßigem Wildern zu 5 Jahren Gefängnis.

Hamburg, 28. Nov. An der Elbcmündung sind 5 Fischerkmter mit 15 Mann Besatzung ver­schollen.

Rom, 28. Nov. DieJtalia" veröffentlicht ein Interview mit einem im Vatikan verkehrenden Prälaten, welcher erklärte, der Papst habe sich mit der bevorstehenden Trennung von Kirche und Staat in Frankreich abgefunden. Das einzige Prinzip, an dem er mit aller Energie fest- halte, sei die Verteidigung der geistlichen Macht der Kirche. In Betreff dieses Prinzips werde er keinerlei Konzessionen machen.

Paris, 23. Nov. Frideric Humbert, der jetzt im Zuchthause zu Thonars Strüflinzs- kleider und statt des Namens nur noch eine Nummer trägt, ist dort in den Arbcitssaal versetzt worden, wo Korsets für Pariser Modewarengeschäfte ver­fertigt werden. Aus einem Teil des Erlöses, der ihm gutgeschrieben wird, kann er sich Wein zu der mageren Gefängniskost, täglich Suppe und Gemüse und zwei mal wöchentlich Fleisch, verschaffen. Die beiden Brüder Daurignac befinden sich jetzt in der Strafanstalt Poissy, wo Emile nur einige Monate, Romain dagegen über ein Jahr wird verweilen müssen. Der eine verfertigt Lampen­schirme, der andere Bürsten. Im Frauenzuchthause zu Rennes, wo Therese Humbert sich seit acht Tagen befindet, wird die Haupttätigkeit auf die Herstellung von Hemdkragen verlegt, deren Abnehmer drei große Pariser Häuser sind. Die Sträflinge sind auf vier Sektionen verteilt, Zuschneiderinnen, Näherinnen, die an der Nähmaschine das geheftete Material steppen, Wäscherinnen und Plätterinnen.

.Nach Go ltz!'

D?r Alte nickte, als habe er diese Antwort erwartet. Stumm machte er dem anderen neben sich Platz und wies ihn durch eine Bewegung des Peitschen­stieles an, den Koffer hinten in den Wegen neben ein paar Säcke zu legen.

Klaus schwang sich geschickt auf den wackligen Sitz, der eigentlich nur in einem quergelcgten Brette bestand, der alte Bauer schnalzte mit der Zunge und das leichte Gefährt setzte sich von neuem in Bewegung.

Ihr fahrt auch nach Görlitz?" fragte Klaus endlich, als sein Gefährts gar keine Anstalten machte, eine Unterhaltung zu beginnen.

Nee ick bin ut Hogow!" war die lakonische Antwort.

Nun, dann kann ich wenigstens bis zu der Teilung des Wegs mit Euch fahren, da, wo wir aus dem Walde hinaus ins freie Feld kommen!" bemerkte der Maler befriedigt.

Der Alte sah ihn wieder scharf an, aber er schwieg Der kleine Einspänner rollte in glattem Trade auf der schönen Straße weiter, die in sanften Biegungen durch die wunderbare Pracht der hochragenden Stubbnitz führt. Die unbeschlagenen Hufe des alten Schimmels vor dem Wagen traten nur leise auf, fast lautlos glitt das leichte Gefährt auf dem Boden dahin. Etwas Geheimnisvolles, Unheim­liches lag in dieser geräuschlosen, raschen Fahrt durch den totenstillen Wald, über den die Dunkelheit tiefer und tiefer herabsank. Von Zeit zu Zeit lichteten sich plötzlich rechts und links die hohen Bäume, und im fahlen Dämmerlichte erglänzte dann eine feuchte Waldwiese, ein mit üppigem Grün überwuchertes Sumpfland, aus dem grauweiße, fließende Nebelwolken aufstiegen. Die krochen schattengleich über den triefenden Boden, schlangen sich um die weißlichen Stämme der Buchen, die den Wiesensaum einfaßten, und griffen mit gespenstigen Händen in die un­beweglichen Wipfel.

Den Hsimkehrenden durchschauerte es. Wie trübe Ahnung kam es über ihn. Er kämpfte innerlich mit drn heranstürmenden, übermächtigen Erinnerungen, die aus den Tiefen seiner Seele aufstiegen, wie die weißen Nebelgebilde da aus dem moorigen Grunde des Woldes. Und plötzlich gaukelte zwischen all den unklaren, ver­worrenen Träumen ein lachendes, braunes Augenpaar, ein goldblondes Köpfchen unter schwarzem, flatternden Schleier, und eins liebliche Mädchenstimme klang in seinem Ohre wieder:Armer Mann! Das olles haben Sie seit Ihrer Jugend­zeit entbehrt!"

Ueber eine Stunde hatte die schweigsame Fahrt gedauert. Jetzt lichtete sich der Wald, der sie bisher begleitet, zu beiden Seiten, und ein weites, flaches Land dehnte sich vor ihnen im unsicher» Lichte der langen Juliabenddämmerung. Felder und Wiesen, einzelne Gehöfte und Baumgruppen dazwischen; ringsum der dunkle Streifen des Waldes, zur Rechten nur dahinter aufblinkend ein schmaler, leuch­tender Wafserstreifen.

Der Wagen hielt init einem Ruck. Der alte Bauer wandte sich zu seinem Begleiter und zeigte mit der Peitsche auf den Feldweg, der sich seitwärts von der Straße abzweigte.

Hier geiht's nach Görlitz!" sagte er kurz.

Klaus fuhr zusammen, sprang vom Bock herunter auf den Boden, nahm seinen Koffer aus dem Wagen und wollte dem Alten mit ein paar freundlichen Dankesworlcn ein Geldstück in die Hand drücken. Aber er wurde mit einer Hand­bewegung abgewiesen.

Sei brukm mi nicks tau betahlen," sagte sein bisheriger Gefährte ruhig. Vom Käpten Behrendt sinen Sähn nehm' ick kein Geld!"

(Fortsetzung folgt.)