RunSschau.
Die Luftflotte Deutschlands besteht zurzeit aus 17 in Betrieb befindlichen Motorluftschiffen, von denen 11 im Besitz der Heeresverwaltung, 6 in Privathänden sind. Durch den Hinzutritt von im Bau oder Umbau befindlichen Luftschiffen, die bis Ende dieses Jahres betriebsfertig sein sollen, erhöht sich die Gesamtzahl aller deutschen Lenkluftschiffe auf 26. Unter ihnen werden verschiedene Systeme, am meisten natürlich Zeppelin, Parseval und das System des Militärluftschiffes, vertreten sein. Gegenüber diesem äußerst günstigen Stand unserer Luftschiffahrt verfügt Frankreich im ganzen nur über 10, Oesterreich-Ungarn über 4 Lenkballons. Rußland hat 5, Spanien und Italien besitzen je 2 Luftschiffe. Frankreich hat dagegen mit seinen zahlreichen Flugzeugen einen erheblichen Vorsprung.
Der Gerichtshof in Florenz verfügte die sofortige Trennung der Eheleute Toselli. Das Gericht verurteilte den Ehemann zu keiner Geldstrafe und überwies das Kind nicht einem der Ehegatten, sondern den Eltern Tosellis zur Erziehung, wie To- felli dies beantragt hatte. Frau Toselli, die der Verhandlung selbst beiwohnte, konnte ihre Wut nicht verbergen und verließ, ohne auf die Frage des Vorsitzenden zu antworten, das Gerichtsgebäude. Toselli war dagegen sehr erfreut über den Urteilsspruch. Er wurde durch eine Hintertür aus dem Gerichtsgebäude geführt, weil er sich eventuellen Kundgebungen entziehen wollte.
Güstrow, 29. Nov. Vor einer zahlreichen Versammlung mecklenburgischer Landwirte und Vertreter der interessierten Behörden in Güstrow hielt der ordentliche Professor an der Tierärztlichen Hochschule Stuttgart, Dr. Leonhard Hoff mann, einen Vortrag über ein von ihm entdecktes Verfahren zur Heilung der Maul- und Klauenseuche. Hoff- mann hat seit 4 Jahren in der richtigen Erkenntnis, daß Hilfe dringend nötig ist, sich mit Forschungen zur medikamentösen Behandlung der Krankheit befaßt und zwar verwandle er dafür das in der menschlichen Praxis bereits bekannte Euguform. In zwei Viehbeständen, von denen der eins 40, der andere 100 Häupter zählte, wurden die Tiere in wenigen Tagen so vollständig wieder hergestellt, daß auch die so sehr verhängnisvollen Folgen der Seuche, wie Futterverweigerung, Abfall im Körpergewicht und in der Milcherzeugung bald behoben waren. Ueber die Anwendungsweise und die einzelnen Versuchsergeb- niffe hat Hoffmann unter Vorführung von Lichtbildern genaueste Anweisungen gegeben, ebenso über die von ihm zum Teil neu konstruierten, dabei notwendigen Apparate. Er betonte zum Schluß, daß anscheinend die Maul- und Klauenseuche, wenn sie auch in sehr verschiedenen Graden der Schwere und in mannigfachen Arten auftritt, nach seinen neuesten Forschungen sich als eine der verhältnismäßig harmlose Krankheit erwiesen hat. Die schwersten und zum Tode führenden Erscheinungen beruhten wohl zum größten Teil auf Nachkrankheiten: An den faulig gewordenen infizierten Stellen siedeln sich bös
willige Erreger anderer Krankheiten an und führen zu schweren, oft verhängnisvoll werdenden Eiterungen. Hoffmann beantragt nun, sein Verfahren unter Aufsicht der Behörden im großen nachprüfen zu lassen.
Von der eigenen Ehefrau wurde in Erfurt der 26jährige Rentenempfänger Otto Wollmer wegen Heiratsschwindels angezeigt. Er wurde verhaftet und dem dortigen Landgerichtsgefängnis zu- gesührt. Unter der falschen Angabe, er sei Gerichts- asfessor in Erfurt, lernte er im Sommer durch ein Inserat seine jetzige Frau, die Tochter eines Postbeamten in Plauen i. V. kennen. Er verstand es in ausgezeichneter Weise, sich mit dem Nimbus eines vermögenden Mannes zu umgeben, obwohl er außer seiner geringen monatlichen Rente, die er als invalider Bahnarbeiter bezog, keinen Pfennig besaß und zudem noch ohne jede Stellung war. Vor 6 Wochen ging er mit dem betörten Mädchen, das ihm sämtliches erspartes Geld überließ, die Ehe ein. Standesgemäß mietete er eine größere Wohnung und kaufte auf Abzahlung für über 5000 Mark Möbel. Auch eine Hochzeitsreise wurde unternommen, bis das kleine eingebrachte Vermögen der Frau zu Ende war. Als die Lieferanten nun immer mehr auf Bezahlung drängten, ging der jungen Frau ein Licht auf, daß sie einem Schwindler zum Opfer gefallen war. Sie erstattete Anzeige und der vermeintliche „Beamte" wurde nach 6wöchiger Ehe verhaftet.
Mannheim, 29. Nov. Ein Ehedrama spielte sich heute mittag in der Neckarvorstadt ab. Die Ehefrau des 52 Jahre alten Händlers Kirschner hatte sich von diesem getrennt. Kirschner forderte seine Frau zur Rückkehr in seine Behausung auf. Als sie dies abschlug, zog Kirschner einen Revolver und feuerte 4 scharfe Schüsse auf sie ab, von denen der eine in den linken Armen traf, die 3 anderen der Entfliehenden in den Rücken gingen. Kirschner ergriff darauf die Flucht, verfolgt von einem Schutzmann und von Vorübergehenden. Bei seiner Festnahme versuchte er sich zu erschießen. Als dies nicht gelang, wollte er sich den Hals abschneiden, brachte sich aber nur eine 12 cm tiefe Stichwunde in den Hals bei. Die Frau liegt schwer verletzt im Krankenhaus. Die Verletzungen des Mannes sind nur leichter Natur.
Essen a. d. R., 29. Nov. Heute nacht rannte der Kraftwagen des Hermann Steinmann, den dieser selbst steuerte, gegen einen Baum. Die Fahrgäste, ein Büfettier Buchholz und ein Gastwirt Patte, wurden herausgeschleudert und starben kurz darauf im Krankenhaus. Steinmann selbst ließ den Wagen im Stich und suchte zu entfliehen, wurde aber verhaftet.
Müllheim i. B., 28. Nov. Das Zimbersche Sägewerk zwischen dem Gasthof zum Kreuz und der Alten Post brannte gestern abend nieder. Das Feuer brach gegen 8ffe Uhr aus und nahm vermutlich im Maschinenraum seinen Anfang. Umfangreiche Holzvorräte boten den Flammen reiche Nahrung. Die Feuerwehr war gegenüber dem Brande von nahezu 100 Meter Front fast machtlos. Nur geringe Fahrnisse konnten gerettet werden.
Neuenbürg, 25. November 1911.
Erdbeben nnd Uuikane.
ii.
-- (Nachdruck verböten.)
Großartige Fortschritte machte die Erforschung der Erdbeben seit Erfindung eines ausgezeichneten Instrumentes, des Seismographen — Erdbebenmesser. In seiner einfachsten Form ist er ein schweres, an einem langen Seidenfaden aufgehängtes Gewicht, das mit seiner Spitze alle Erschütterungen auf einem untergelegten berußten Papier aufzeichnet oder registriert. Eine Verbesserung wurde damit erzielt, daß der Papierstreifen über eine Trommel geführt wird, getrieben von einem Uhrwerk, ähnlich wie beim Telegraphen. Das neueste Instrument ist das sogen. Horizontalpendel, dessen Wirkungsweise der einer äußerst leicht in den Angeln beweglichen Türe gleicht, die am unteren Ende einen abwärtsführenden Riegel schleift und durch diesen die Bewegungen auf dem Boden sichtbar macht. Der Apparat ist mit einem Spiegel versehen, worauf ein starker Lichtstrabl geleitet wird, welcher die Erdbebenkurven auf einem bewegten Papierstreifen selbsttätig aufzeichnet. Drei solcher Horizontalpendel, in Winkeln von 120° aufgestellt, registrieren sämtliche horizontale Verschiebungen. Aus den Ergebnissen geht klar hervor, daß die Erde niemals ganz ruhig ist; jedes Jahr erfolgen in und auf ihr insgesamt im Durchschnitt 3830 Stöße, also alle 2*/i Stunden einer, und an Fernbeben, die sich über die ganze Erdoberfläche erstrecken, zählt man jährlich 100—150.
Die vom Seismographen registrierten Kurven beginnen bei einem Ortsbeben sofort mit dem größten Ausschlag, zeigen bei einem Nahbeben ein vorausgehendes Vorbeben und bei einem Fernbeben sogar 2 der letzteren und dazu noch eine kleinere oder größere Anzahl von Nachstößen. Die Zwischenzeit vom ersten und zweiten Vorbeben in Minuten ausgedrückt und um 1 vermindert, ergibt die Tausenderzahl von Kilometern für die Entfernung des Epizentrums von der Beobachtungsstation. Beispiel: Vergehen vom 1. bis zum 2. Vorbeben 10 Minuten, so beträgt die Entfernung vom Ausgangsort des Bebens 10—1 — 9 X 1000 — 9000 1cm. Starke Hauptstöße bringen, wie Lies auch diesmal vielerorts vorkam, den empfindlich konstruierten Apparaten Störungen. Aus den erhaltenen Aufzeichnungen lassen sich auch Schlüffe über die Tiefe des Erdbebenherdes ziehen. Diese wurde bei dem bereits genannten Erdbeben ins Jschia 1883 auf nur 1 1cm, bei dem von Charleston 1886 auf mindestens 10001cm berechnet.
Zur Erklärung der Entstehung von Erdbeben und Vulkanausbrüchen sind einige Aufschlüsse über die allerdings noch rätselhaften Zustände im Innern unseres Planeten unbedingt erforderlich. Die Temperatur, die dort herrschen muß, wird auf etwa 4000 Grad geschätzt. Da aber die Erdoberfläche fortwährend Wärme an die kalte Umgebung abgibt, müßte die Erde fortgesetzt kälter werden, wenn nicht neue Wärme erzeugt werden
Um ein Erde.
Novelle von Karl Meisuer.
19) (Nachdruck verboten.)
Die Tante war damit einverstanden., daß wir unfern Neigungen folgten: Otto wollte Rechtswissenschaft studieren, ich wählte die Naturwissenschaft. Als der Tag unserer Abreise nahte, sagte Tante in ihrer eigenartigen Weise zu uns: „So, nun reist niit Gott und tue jeder sein Möglichstes! Wer cs von Euch am weitesten bringt, dem vermache ich Schloß und Gut Liechtenberg, der andere bekommt nur den — Rest." Dieser letzte Zusatz war jedoch nur bittere Ironie. Denn wir wußten ganz genau, daß Tante kein Barvermögen besaß, da sie alle Einkünfte aus den Forsten und Ländereien zur Verbesserung ihres Grundbesitzes verwendete. Ich sprach mich daher mit meinem Vetter darüber aus und erklärte ihm, daß, falls die Tante wirklich ihre Worte wahrmachen sollte, ich es für selbstverständlich halte, mit ihm, wenn ich der Erbe dermaleinst sein sollte, die große Erbschaft redlich zu teilen. Otto umarmte mich stürmisch und schwur mit heiligen Eiden, mich im umgekehrten Falle an Edelmut noch übertreffen zu wollen. Die Tante entließ uns, nachdem sie jedem von uns ein sehr ansehnliches Jahreseinkommen für die Studienjahre gesichert hatte, nach unserm Bestimmungsort. Jeder mußte au einer andern Universität studieren, wir dursten uns gegenseitig nicht besuchen, auch nicht nach Liechtenberg kommen, so war ihr wunderlicher - Wille. Als unsere Studien nach einigen Jahren
beendet waren, mußten wir gemeinschaftlich unsere Prüfung in der Hauptstadt ablegen. Ich merkte bald, daß mein Vetter auf schiefe Bahnen geraten war und einen liederlichen Lebenswandel geführt hatte. Gelernt hatte er so gut wie nichts, da er darauf rechnete, daß er, meinem Versprechen gemäß, wenigstens die Hälfte der Erbschaft erhalte. Eines Tages kam ihm ein junges Mädchen aus der Universitätsstadt nachgereist, das er verführt und dann schnöde verlassen hatte. Kalt und höhnisch stieß er sie von sich. Da geriet ich in Zorn. Ich drohte ihm, die Geschichte der Tante mitzuteilen und dann mein Versprechen betreffs der Teilung zurückzunehmen, wenn er nicht für Mutter und Kind sorge. Da verstand er sich denn endlich dazu, den: unglücklichen Mädchen, dem er sein Eheversprechen nicht halten wollte, wenigstens eine Rente ausznsetzen und das Kind als sein eigenes anzuerkennen. Es ist dasselbe, das man Ihnen jetzt anvertraut hat. Der jungen Mutter brach bald das Herz über den erlittenen Schimpf und die Schande. Noch auf dem Totenbett versprach ich der Armen, darüber wachen zu wollen, daß Otto seinen Verpflichtungen gegen das Kind Nachkomme.
Bei der Prüfung wurde dann Otto zurückgewiesen, da er gleich am ersten Tage seine völlige Unfähigkeit bewies. Ganz niedergeschlagen kam er zu mir. Während wir noch beratschlagten, traf die Nachricht von dem unerwartet plötzlichen Tode unserer Tante ein. Da ich nicht gern bei der Eröffnung des Testaments zugegen sein wollte, auch meine
Prüfung nicht gern unterbrach, blieb ich in der Hauptstadt und entschuldigte mein Fernbleiben bei dem Testamentsvollstrecker, dem Notar Flebbe. Otto aber reiste unverzüglich nach Liechtenberg ab. Ich bestand mein Examen glänzend und erhielt die vorzüglichsten Zeugnisse. Da traf ein Schreiben des Notars Flebbe ein, daß mich meine Tante enterbt und ihren Neffen Otto Wolny zum Erben eingesetzt habe. Ich war völlig gebrochen durch diese Nachricht, da ich ohne Vermögen meine guten Zeugnisse nicht verwenden konnte. Denn im Staatsdienst gingen immerhin einige Jahre noch hin, bis ich hätte von meinem Gehalt leben können. Gleichzeitig traf auch ein Schreiben meines Vetters ein, in dem er höhnisch mich bedauerte und erklärte, daß er sich an unser mündliches Privatabkommen nicht gebunden fühle, da ich ihm dasselbe ja aufgekündigt habe. Übrigens sei ich ja gar nicht völlig enterbt, sondern ebenfalls Schloßbesitzer, wenn auch nur von Alt-Liechtenberg. Das ist aber die Bezeichnung der Ruine, in der Sie, mein Fräulein, unlängst die Nacht zubrachten. Solch eine bittere Ironie sah meiner alten Tante ganz ähnlich, aber ich zerbrach mir den Kopf darüber, weshalb gerade mich die Tante enterbt hatte. Ein mir befreundeter Jurist strengte für mich einen Prozeß an, der aber die Echtheit des Testaments für nicht anfechtbar erklärte. Ich verlor daher den Prozeß und den Rest meiner geringen Ersparnisse. Ich bin aber heute noch davon überzeugt, daß irgendeine Schurkerei dahintersteckt.
(Fortsetzung folgt.)
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