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Um ein Erde.

Novelle von Karl Meisner.

18s (Nachdruck verboten.)

Geht es Ihnen gut, Fräulein? Auch der gute Friedlieb wird sich freuen, von Ihnen etwas zu hören. Er hat mit mir schon öfter von Ihnen ge­sprochen und sich Vorwürfe darüber gemacht, daß er Ihnen nicht gesagt, rvo Sie ihn an bestimmten Tagen treffen könnten, falls Sie einen Wunsch an ihn hatten. Ich glaube, er wollte Ihnen schon seinen Sohn senden, um etwas von Ihnen zu erfahren, denn er selbst betritt das Schloß nicht."

Ich wäre schon gern einmal nach der Ruine ge­kommen, aber Sie hatten sich ja damals dein Ab­schied und meinem Danke entzogen, sodaß ich daraus schließen mußte, mein Besuch jener Stätte, die mir so gastlich und freundlich eine Zuflucht gewährte, sei dem Bewohner nicht mehr genehm. Aber gedacht habe ich oft daran, ja, ich darf wohl sagen täglich."

Sie sind im Irrtum, Fräulein, sehr im Irrtum. Aber es ist jetzt nicht an der Zeit, meine damalige Unhöflichkeit mit meiner Gemüts stimmung zu entschul­digen. Lassen wir daher dies heute. Sagen Sie mir lieber, wie es Ihnen eigentlich geht."

Eine kleine Pause entstand. Tann begann Bin- chen:Ich will offen zu Ihnen reden. Es entspräche durchaus nicht der Wahrheit, wenn ich behauptete, daß ich mich in meinen jetzigen Verhältnissen zu­frieden fühlte. Nur weil ick einer bernensauten aber

selbst nicht vermögenden Tante nicht länger zur Last fallen wollte, meldete ich mich auf ein Zeitnngs- inserat, in dem eine Erzieherin für ein vierjähriges Mädchen gesucht wurde. So entstand mein Brief­wechsel mit Herrn Wolny. Zu gering war meine Weltkenntnis und zu groß meine Unerfahrenheit in solchen Dingen, sonst würde ich den Vertrag, der zustande kam, nicht abgeschlossen haben. Auch meine gute Tante besaß zu wenig Einsicht in diesem Punkte. Allein der Umstand, daß auf dem Schloß keine Haus­frau ist, wäre mir genügend, mit meiner Stellung dort unzufrieden zu sein. Aber es kommen noch verschiedene andere Gründe hinzu, die mir den Auf­enthalt verleiden. Vor allen Dingen ist es der Um­stand, daß ich mich meiner Aufgabe, der Erziehung der verschlossenen, scheuen kleinen Augusta, durchaus nicht gewachsen fühle."

Wie benimmt sich denn der Schloßherr persön­lich Ihnen gegenüber?"

In jeder Weise aufmerksam und zuvorkommend. Aber selbst dieses erweckt in mir unbehagliche, ja direkt mißtrauische Gefühle. Ich weiß selbst nicht, woran dies liegt, daß ich kein Zutrauen zu ihm fassen kann."

Ein loderndes Feuer trat plötzlich in Balthasars Augen, der Haß sprühte ordentlich aus ihnen.

Hüten Sie sich, Fräulein! Schenken Sie dem Menschen nie Ihr Zutrauen, denn mein Vetter ver­dirbt jeden, der sich ihm vertrauensvoll naht, ganz alLicki. ob Monn ->d->v Mpib "

zHerr Wolny ist Ihr Vetter?" rief Binchen ! ganz erstaunt aus.

Balthasar sah starr zu Boden. Eine mächtige Aufregung hatte ihn ergriffen, deren Herr zu werden er sich ersichtlich bemühte. Endlich schien es ihm ge­lungen zu sein, wenigstens trat wieder der alte, schwer­mütige Schimmer in seine Angen und seine Stimme klang ruhig, als er sprach.

Ja, Wolny ist mein, Vetter. Ich weiß nicht warum, aber es ist mir so, als sei ich Ihnen gegenüber zu einer Erklärung verpflichtet, die gleich­zeitig für Sie eine Warnung sein soll, sich vorzusehen vor der Umgebung, der Sic sich vertrauensvoll und nichtsahnend überliefert haben. Hören Sie also! Die frühere Besitzerin von Liechtenberg war eine alte, wunderliche Dame niit seltsamen Grillen im Kopf, aber klar an Geist und von warmem Herzensgefühl. Doch ihre äußere Seite war rauh, voll von oft un­begreiflichen Seltsamkeiten. Sie hatte zwei Neffen; einer, ihrer Schwester Kind, hieß Otto Wolny, der andere, ihres Bruders Sohn, war ich, Balthasar Dit- tert. Wir waren beide verwaist, mittellos, und wur­den auf ihre Kosten erzogen, jedoch getrennt. Wir Vettern lernten uns erst persönlich kennen, als wir die Universität besuchen sollten und vorher nach Schloß Liechtenberg eingeladen wurden. Während unseres fünfwöchigen Aufenthaltes dort schloß ich mich herzlich und arglos an meinen Vetter Otto an, welcher, ein hübscher, stattlicher junger Mann, ein gewinnendes, einnehmendes Wesen besäst.