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62.
Neuenbürg, Mittwoch den 19. April 1911.
69. Jahrgang.
Rundschau.
Die Beschädigungen, die dus Luftschiff „Deutschland" erlitten hat. haben sich als ziemlich unbedeutend herausgestellt.
Es sollen zwischen der bayerischen, württem- bergischen und badischen Regierung Verhandlungen bezüglich der Schaffung einer süddeutschen Lotteriebemeinschaft gepflogen worden sein. Gegenwärtig ruht, wie die „Münch. N. Nachr." Mitteilen, in Bayern die Angelegenheit, da man in München Gegenäußerungen der anderen Regierungen erwartet. Auf alle Fälle wird die bayerische Regierung eine Vorlage auf Errichtung einer bayerischen Staatslotterie dem Landtag zugehen lassen.
Friedberg, 15. April. Die Zarenfamilie trifft bereits im Juni hier zu längerem Aufenthalt ein. Die Zarin gebraucht wieder die Kur in Bad Nauheim.
Berlin, 18. April. Die Berliner Kriminal- Polizei verhaftete eine aus 5 Personen bestehende Schwindlerbande, die ihre Opfer zumeist in Offizierskreisen suchte.
Washington. 15. April. Präsident Taft hat der mexikanischen Regierung und dem Führer der Insurgenten mitteilen lassen, daß in Zukunft Kämpfe in der Nähe der:amerikanischen Grenze nicht mehr geduldet werden würden.
Paris, 17. April. Die wegen Ordens- fchwindeleien Verhafteten, Valense und Element,, haben, wie die Untersuchung ergeben hat, nicht bloß gefälschte Diplome gefälschter Orden, sondern auch vollständig erfundene Dekorationen unter den Namen „Goldener Halbmond von Marokko" und „Goldenes Kreuz von Italien" verkauft. Letztere Ordensauszeichnung hat Valense u. a. einem Polizeikommissar von Lille verkauft.
Die nicht unbedenkliche Winzerrevolution in der Champagne scheint endlich ihren Höhepunkt überschritten zu haben, da sich die französische Regierung nach anfänglichem Zögern zu energischen militärischen Maßregeln behufs Unterdrückung der Bewegung entschlossen hat. Immerhin ist eine, wenn auch vielleicht nur lokale, Erneuerung der Winzerunruhen noch keineswegs ausgeschlossen, namentlich in der Umgegend von Reims. Inzwischen sind die
hervorragendsten Führer der Revolte verhaftet worden, was hoffentlich ebenfalls zum Abflauen der Bewegung beiträgt. Zur weiteren Beruhigung der erregten Winzerbevölkerung hat der französische Staatsrat beschlossen, eine umfassende Untersuchung in Sachen der geplanten Abänderung der Bestimmungen über die Abgrenzung der Weinbaubezirke einzuleiten. Es soll an alle Persönlichkeiten, die in den betreffenden Departements in dieser Angelegenheit um ihre Meinung befragt werden wollen, durch die Präfekten die Aufforderung gerichtet werden, sich zu melden. Der durch die wüsten Ausschreitungen der Winzer des Marnedepartements angerichtete Schaden wird neuerdings auf mindestens 45—50 Millionen Francs geschätzt. Schon jetzt darf es als feststehend gelten, daß die sinnlose Vernichtung der großen Sektlager in Epernay, Dizy Magenta usw. und die Zerstörung der Champagnerfabriken eine empfindliche Preissteigerung des französischen Champagners zur Folge haben werden. — Aus Marseille und auch aus der Umgegend von Nantes werden Streikunruhen gemeldet, die teilweise das Eingreifen von Militär zur Wiederherstellung der Ruhe nötig machten.
Reims, 17. April. Heute nachmittag ist eine Anzahl weiterer Verhaftungen erfolgt, so daß nunmehr im ganzen etwa fünfzig Ruhestörer festgenommen sind. — Bei Fontaine sur Ay sind in der vergangenen Nacht mehrere Hektar Wald niedergebrannt worden. Sonst ist nach den bisher vorliegenden Meldungen die Nacht und der heutige Tag im hiesigen Weinbaubezirk ruhig verlaufen. — In Epernay sind von unbekannten Uebel- tätern zwanzig Kilogramm Dynamit gestohlen worden. Die Polizei hat deshalb große Sicherhettsmaßregeln zum Schutze verschiedener Weinhändler getroffen, da befürchtet wird, daß gegen diese Anschläge geplant sind.
Paris, 18. April. Der Militärflieger Geniehauptmann Carron, der heute Morgen bei Versailles zu Tode gestürzt ist, trat zur frühesten Morgenstunde auf einem Militärzweidecker die Reise von Bordeaux nach dem Flugfeld bei Versailles an. Carron, der in einer Höhe von 1500 Metern flog, dürfte in dieser Höhe den Motor abgestellt haben, um im Gleitflug zu landen. In einer Höhe von 700—800 Meter verlor der Zweidecker wahrschein
lich infolge eines durch die Temperaturunterschiede verursachten Luftwirbels sein Gleichgewicht und kippte um. Die furchtbare Gewalt des Sturzes geht daraus hervor, daß der rechte Oberschenkel Carron die Brust vollständig durchbohrte. Carron war erst 33 Jahre alt.
Wie aus London gemeldet wird, kündigt Prof. Reisner von der Havard-Universität an, daß er das Rätsel der Sphinx gelöst habe. Der Kopf der Sphinx sei der des Königs Chephres, der im Jahre 2850 v. Chr. gelebt habe. Die Statue der Sphinx mit dem Löwenkörper symbolisiert nun den löwenmutigen König, der die heiligen Pyramiden bewacht. Reisner leitete kürzlich eine archäologische Expedition nach Egypten und entdeckte dort eine Statue des Mycerinos, eines Sohnes von Chephres. Der Professor erklärte, daß eine eigenartige rote Farbe am Ohr der Statue des Mycerinos, sowie die besondere Art der Kopftracht aus dem 29. Jahrhundert v. Chr. zur Lösung des Sphinx-Rätsels geführt habe.
Württemberg.
Stuttgart, 18. Apr. Wie der Staatsanzeiger meldet, ist der Bedarf der Eisenbahnverwaltung an jüngeren Bautechnikern, die die 4. Klasse der Baugewerkschule besucht haben, noch nicht gedeckt. Nähere Auskunft erteilt das Zentralbüro der Generaldirektion der Staatseisenbahnen, das auch etwaige Meldungen entgegennimmt.
Stuttgart, 17. April. Der Bund der Landwirte hält seine Landesversammlung am Sonntag, 14. Mai, nachmittags '/-2 Uhr, im großen Festsaal der Liederhalle in Stuttgart ab.
Stuttgart, 18. April. Das Osterfest mit seinem plötzlich eintretenden herrlichen Frühlingswetter hat unseren Bahnen einen sehr regen Reiseverkehr gebracht, der sich nach allen Richtungen verteilte und schon mit dem Gründonnerstag eingesetzt hatte. So schwierig die Aufgabe war, welche die Eisenbahnverwaltung zu bewältigen hatte, sie hat sich derselben überall mit Umsicht erledigt. Besonders groß war an beiden Festtagen auch der Ausflugsverkehr in die nähere Umgebung der Residenz, wobei vielfach schon Gelegenheit geboten war, sich der Kirsch- und Birnenblüte zu erfreuen, die gleichsam über Nacht ihre Pracht entfaltet hat.
Der Fluch auf Hkliusbrnck. l
- Roman von B. Corony.
IS) -- (Nachdruck verboten.)
Der Zustand krankhafter Erregung, indem sich Harald von Rabenau seit dem Tode seines Vaters befand, hatte trotz aller guten Vorsätze ständig zugenommen. Die Arbeit vermochte Harald nicht die erhoffte seelische Gesundung zu bringen. Deshalb hatte er schon ein halbes Jahr nach dem Tode seines Vaters die Gutsverwaltung einem Inspektor übertragen.
Harald von Rabenau, der bis vor wenigen Jahren noch ein Bild blühender Gesundheit gewesen war. trug jetzt den Stempel seelischen und körperlichen Leides auf seinen Gesichtszügen. Sein überreiztes Nervensystem wurde durch den reichlichen Genuß alkoholischer Getränke, denen er immer häufiger zusprach. völlig zerrüttet. Seine Launenhaftigkeit und sein Mangel an Selbstbeherrschung verbitterten seiner Umgebung das Leben. Kam er als Gutsherr mit seinen Leuten in Berührung, so zeigte er nicht selten einen Zug von Brutalität, der ihm früher völlig fremd gewesen war. j
Unter dieser Veränderung seines Wesens hatte ( auch Frau Marianne zu leiden, der er oft so schroff ! gegenübertrat, daß sie sich fragte, ob seine Liebe zu j ihr nicht völlig erloschen sei. j
Dann gab es freilich wieder Augenblicke, in denen > er sie mit leidenschaftlichen Liebesbeteuerungen über- ^ häufte und ihr jedes heftige Wort flehentlich abbat.
Aber gerade dieser jähe Stimmungswechsel erschreckte sie.
Von einem glücklichen oder auch nur friedlichen Familienleben konnte unter solchen Umständen nicht mehr die Rede sein. Frau Marianne kämpfte tapfer gegen ihre zunehmende Entmutigung an und legte sich doch unwillkürlich die bange Frage vor, ob die Sage, daß über Schloß Helmsbruck ein Unstern walte, nicht doch ihre Berechtigung habe.
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Ihre trüben Ahnungen täuschten Marianne nicht. Die kleine Ilse erkrankte und schwebte wochenlang in größter Gefahr.
Endlich gelang es der aufopfernden Mutterliebe, das Kind dem Tode abzuringen. Die Aerzte fingen wieder an zu hoffen, empfahlen aber größte Vorsicht, Schonung und Ruhe.
Harald, der sich während der Krankheit seines Kindes doppelt einsam gefühlt hatte, atmete auf, als sein Töchterchen sich soweit erholt hatte, daß Frau Marianne sich auch ihm wieder mehr widmen konnte und ihre Zeit nicht ausschließlich in der Krankenstube zu verbringen brauchte.
Die Wiederaufnahme des geselligen Verkehrs lehnte Marianne jedoch mit großer Entschiedenheit ab.
„Mit der Sorge um unser Töchterchen im Herzen würde ich in der Gesellschaft eine traurige Rolle spielen," sagte sie. „Auf Helmsbruck muß vorläufig. noch große Ruhe herrschen, wir dürfen keine Gäste zu uns bitten —"
„Aann wollen wir uns wenigstens gegen die Einladungen von auswärts nicht ablehnend verhalten," bat Harald. „Ich bin es meiner gesellschaftlichen Stellung schuldig, mit der Nachbarschaft angenehme Beziehungen aufrecht zu erhalten."
Aber auch davon wollte Marianne nichts wissen.
„Kannst du deinen fast krankhaften Hang zur Geselligkeit nicht noch einige Zeit unterdrücken? Vergnüge dich doch nach Herzenslust, aber verlange nicht von mir, daß ich dich begleite. Man wird es verstehen, daß ich als Mutter mein krankes Kind nicht allein lassen kann. Wenn Ilse erst ganz außer Gefahr ist, willftch mich gern deinen Wünschen fügen. Bis dahin aber gedulde dich."
Mit ebenso großer Sanftmut wie Entschiedenheit behauptete Frau Marianne in diesem Falle ihren Willen. Harald gab nach, verbrachte aber jetzt jeden Abend außer dem Hause.
Zwischen ihm und seiner jungen Frau trat, ohne daß sie beide es sich eingestehen wollten, eine Entfremdung ein, die von Tag zu Tag wuchs. Frau Marianne hatte ihren Gatten seit jenem Tage, an dem er sich zu ihr aussprechen wollte, nicht mehr mit Fragen nach dem Grunde seiner seelischen Depression belästigt, aber das Unausgesprochene zwischen ihnen lastete wie ein schwerer Druck auf ihrer Ehe.
Ein Vorfall trug vollends dazu bei, die Entfremdung zwischen den beiden Gatten zur Kluft zu erweitern.
Eines Nachts kehrte Harald zu später Stunde in sehr angeheitertem Zustande aus einer vergnügten