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Der Lnztäler.
Anzeiger für das Lnztal und Umgebung.
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«M 206.
Neuenbürg, Mittwoch den 28. Dezember MV.
68. Jahrgang.
Run-schau.
Die kaiserliche Familie feierte im Neuen Palais bei Potsdam in hergebrachter Weise das Weihnachtsfest. Im Kreise der Kaiserfamilie fehlten diesmal der Kronprinz u. die Kronprinzessin, da elfterer bekanntlich auf seiner ostasiatischen Reise weilt, während sich die Kronprinzessin jetzt in Egypten befindet.
Die weihnachtliche Festpause hat, soweit sich dies übersehen läßt, auf dem Gebiete der inneren deutschen Angelegenheiten nichts des Bemerkens' werteren gezeitigt. — Zugeganzen sind noch vor dem Feste dem Reichstage die auf die Verfassung für Elfaß-Lothringen bezüglichen Vorlagen, die in ihrem hauptsächlichsten Inhalt allerdings schon vorher bekannt geworden waren. — Der altenburgische Landtag ist am 23. Dezember nach sechswöchiger Dauer seiner Session wieder geschlossen worden. — Die bayerische Staatsregierung hat den notleidenden Winzern in den Weinbaugebieten Bayerns ein unverzinsliches Darlehen von 300000 Mark bewilligt. Voraussetzung für die Anteilnahme an dem Darlehen ist, daß sich die Winzer freiwillig den Arbeiten zur Bekämpfung der Rebschädlinge im Sinne der polizeilichen Vorschriften unterziehen.
Breslau, 24. Dez. Der frühere Reichstagspräsident Graf Ballestrem ist gestern auf Schloß Plawniowitz gestorben. —Der gegenwärtige Präsident des Reichstags und der Kaiser sandten an den Grafen Valentin Ballestrem ein in den herzlichsten Worten gehaltenes Beileidstelegramm.
Das Urteil in dem Spionageprozeß vor dem Reichsgericht zu Leipzig gegen die englischen Offiziere Trench und Brandon, welches jedem von ihnen vier Jahre Festungshaft zudiktiert, ist von der öffentlichen Meinung Englands im großen und ganzen mit Verständnis ausgenommen worden. Man findet die Strafe gerecht, erkennt die unparteiische und streng sachliche Führung des Prozesses an und hofft, daß der ganze Prozeß dazu dienen werde, noch weiter die politische Luft zwischen England und Deutschland zu klären.
Leipzig, 27. Dez. Die beiden wegen Spionage verurteilten englischen Offiziere Trench und Brandon werden wahrscheinlich nach der Festung Glatz in Schlesien verbracht werden.
Köln, 24. Dez. Die „Köln. Ztg." meldxt aus Berlin: Der Hauptschuldige an der Ermüdung des Deutschen Unger, ein gewisser Machmud, ist von dem neuen Gendarmeriekommandeur Akka und sieben Gendarmen in einer Berghöhle des Karmel festgenommen und in das Gefängnis von Akka eingeliefert worden. Die türkischen Behörden zeigten dabei ausgesprochenen Eifer. Die Einwohner von Tireh, woher Machmud stammt, merkten diesmal, daß es den Behörden ernst war. Es wurde den Leuten erklärt, daß Militär und Gendarmerie nicht eher zurückgezogen werden würden, als bis Machmud gefangen sei, und so entschlossen sich die Tirioten, das Versteck des Flüchtlings anzugeben. Seine Ergreifung hat auf die Bevölkerung von Haifa und Umgebung einen starken Eindruck gemacht und sowohl zur Stärkung der Autorität der Regierung wie zur Erhöhung des deutschen Ansehens beigetragen.
Berlin. 22. Dez. Zum Zwecke der Wahrung und Förderung der Interessen der deutschen Linoleumindustrie wurde in Berlin von den versammelten Vertretern sämtlicher Werke ein Verband der deutschen Linoleumfabriken gegründet.
Von einer originellen Entführung unter dem Weihnachtsbaum erzählen Berliner Blätter: Zwischen der 25 jährigen Frau des 56jährigen Kaufmanns S. aus dem Osten Berlins und dessen jungem Buchhalter, dem Sohn eines Geschäftsfreundes, hatte sich ein Liebesverhältnis angesponnen. Am Heiligen Abend war der Buchhalter zur Bescherung bei seinem Chef. Die Frau bat ihren Mann, sich in das Schlafzimmer zu begeben, weil sie eine Ueberraschung
für ihn vorbereitet habe. Sie werde zur Vorsicht die Türe abschließen. S. wartete geduldig längere Zeit, dann klopfte er an die Türe und als niemand antwortete, rief er um Hilfe. Der Portier kam endlich mit einem Schlosser herbei und befreite den Eingeschlossenen. Dieser stürzte in das Wohnzimmer, wo der Geldschrank offen stand, aus dem das gesamte Bargeld in Höhe von 3000 Mk. verschwunden war und mit ihm die Gattin und der Buchhalter.
Hamburg, 25. Dez. Der Staat Hamburg zählt nach der letzten Volkszählung 1020 000 Einwohner. 1905 waren es 874 878.
Hamburg, 23. Dez. Die Crdgasquelle bei Neuengamme brennt wieder wie früher. Der Druck hatte sich so verstärkt, daß das Manometer zersprang. Das ausströmende Gas hat sich wieder entzündet, und das Geräusch ist weit stärker als früher.
Frankfurt a. M., 27. Dezbr. Im hiesigen Schlacht- und Viehhos wurde gestern an 4 Stück Rindvieh unter einem Transport von 62 Stück die Maul- und Klauenseuche amtlich festgestellt. Von dem Regierungspräsidenten ist die Sperre verhängt worden. '
München, 24. Dez. In der vergangenen Nacht wurde in der Elvirastraße die Kellnerin Huber und der Monteur Feigenhofer von einem ehemaligen Geliebten der Kellnerin überfallen. Die Huber wurde durch Revolverschüffe getötet und Feigenhofer schwer verwundet Der Täter wurde später durch einen Polizeihund ermittelt.
München, 26. Dez. Auf der Eisenbahnfahrt von Zürich nach München bemerkte gestern früh ein Schneider, daß ihm seine Hintere Rocktasche durchschnitten und seine Geldbörse geraubt war. Eine Leibes-Durchsuchung führte zur Verhaftung eines Mitreisenden, der bei der Ankunft in München der Polizei übergeben wurde. Es stellte sich heraus, daß es sich um den aus der Strafanstalt Buelach bei Zürich ausgebrochenen Ludwig Haid ach er aus der Gegend von Kufstein handelt, der vor einiger Zeit in Frankfurt a. M. unter dem Namen eines Barons Balfy Betrügereien begangen hatte und auch eine Reihe anderer Straftaten verübt hat.
Würz bürg, 24. Dezbr. Ein gestern abend 11 Uhr bei der Billigheimer'schen Möbelfabrik ausgebrochenes Feuer, das bis heute morgen noch nicht gelöscht werden konnte, hat das Etablissement zum größten Teil vernichtet. Ein großer Vorrat von Möbeln wurde vernichtet. Durch den Brand werden Hunderte Arbeiter brotlos. Man vermutet Brandstiftung.
In dem am 23. d. Mts. zu Paris abgehaltenen Ministerrate kündigte der Marineminister an, daß in den ersten Monaten des Jahres 1911 zwei Panzerkreuzerdivisionen Kreuzfahrten unternehmen werden, eine im Atlantischen Ozean, eine im Mittelländischen Meer, um die Mannschaften auszubilden und die französische Flagge zu zeigen.
Der Syndikatssekretär Dourand, der vom Schwurgericht Rouen zum Tode verurteilt wurde, weil er in einer Arbeiterversammlung zur Ermordung des Streikbrechers Dong6 geraten haben soll, hatte gegen das Urteil Berufung eingelegt. Der Kaffationshof hat die Berufung verworfen, es bleibt demnach bei dem Todesurteil gegen Durand, falls nicht noch Präsident Falliöres von seinem Begnadigungsrechte Gebrauch macht.
China eignet sich immer mehr von der „westlichen Kultur" an. Nachdem es die Zöpfe abgeschnitten hat. will es künftig auch nach westlichem Muster die Köpfe abschneiden. Vier angeblich hoch- gestellte Chinesen, die sich gegenwärtig auf einer Studienreise in Frankreich befinden, begaben sich nach der im Osten von Paris gelegenen Rue de la Folieregnault, um sich dort von Hrn. Deibler, dem Scharfrichter Frankreichs, das Funklionieren der Guillotine zeigen zu lassen. Die Chinesen sollen sich äußerst befriedigt von dem Mechanismus und
der Wirkungsweise der Maschine gezeigt haben, die voraussichtlich demnächst im Reiche der Mitte eingeführt werden wird.
Zürich. 24. Dez. Der Chef des hiesigen koste restante Bureaus hielt einen für eine Firma in Wien bestimmten, irrtümlich nach Zürich adressierten Brief zurück, in dem ein Scheck eines kanadischen Geschäftes im Betrage von 37 000 Franks auf eine Londoner Bank enthalten war. Er nahm Urlaub und kassierte den Scheck in London ein, wobei er die Unterschrift fälschte. Den Raub teilte er mit einem Kollegen. Als eine Reklamation einlief, kam der Diebstahl heraus. Dabei wurde entdeckt, daß die beiden noch mehr Sendungen unterschlagen hatten. Es stellte sich ferner heraus, daß ein süddeutscher Rentner, der lange in Brasilien gelebt und in der Nähe von Zürich eine Villa gekauft hatte, brasilianische Noten nachmachte. Er und die beiden ungetreuen Postbeamten wurden verhaftet.
Am Weihnachsabend wurde in Bern ein älteres, in bescheidenen Verhältnissen lebendes Ehepaar namens Hirsch in seiner Mansardenwohnung ermordet aufgefunden. Der Mörder hatte das Zimmer in Brand gesteckt, um die Spuren zu verwischen. Beide Leichen wiesen zahlreiche Hieb- und Stichwunden auf. Unzweifelhaft liegt ein Raubmord vor. Der Täter ist noch unbekannt.
Brüssel, 27. Dez. Infolge heftigen Sch nee- wehens sind zahlreiche Telephonverbindungen im ganzen Lande zerstört worden. Der Schnee liegt teilweise 20—30 Zentimeter hoch.
Der in der Nacht zum 24. Dezember vom Sankt Pancras-Bahnhof London nach Carlisle und Glasgow abgegangene Expreß zug, der mit Weihnachtspassagieren dicht besetzt war und von zwei Lokomotiven gezogen wurde, kollidierte morgens zwischen den Bahnhöfen von Hawes Junction und Kirkby Stephen, ungefähr 13 Kilometer südlich vom letzteren Bahnhof mit zwei Lokomotiven. Der Zusammenprall war furchtbar, und die Szene im Dunkel der Nackt grauenerregend. Alle vier Lokomotiven entgleisten und der vordere Teil des zertrümmerten Expreßzuges geriet in Brand. Unter den brennenden Wagen befanden sich die Speisewagen. Soweit bisher bekannt, wurden 9 Passagiere getötet und 25 Personen schwer verletzt. Aerzte und ein Ambulanzkorps eilten von den benachbarten Städten herbei und leisteten den Verletzten Hilfe.
Bordeaux. 24. Dez. Bei dichtem Nebel ist gestern abend bei Arbanaces ein Schnellzug auf einen Personenzug aufgefahren. Ein Zugführer und drei Soldaten wurden gelötet. Gegen 40 Reisende, ' zumeist Soldaten, die auf Urlaub in ihre Heimat reisen wollten, wurden schwer verwundet. Auf derselben Bahnlinie hatte vorher bei Nebel nächst Ca- daujac ein Zusammenstoß zwischen zwei Güterzügen stattgefunden. Ein Lokomotivführer war dabei umgekommen.
London, 26. Dez. Am Samstag zwischen 6 und 7 Uhr fuhr ein Eisenbahnzug bei Bolsovar in eine Gruppe Kinder, von denen 3 getötet und zwei schwer verletzt wurden.
Auf der Pennsylvaniabahn, in der Nähe von Nevada (Ohio), ist ein Schnellzug mit einem Güterzug zusammengestoßen. Sechs Personen sind tot, 12 verletzt. Die Insassen des Zuges waren zum größten Teil auf der Heimreise zur Weihnachtsfeier begriffen.
Newyork, 27. Dez. Ein kühner Ueberfall wurde in dem Missouri-Pacific-Zuge in der Nähe von Kansas City verübt. Es beraubte ein maskierter Räuber etwa 100 Reisende, die er alle mit einem Revolver in Schach hielt. Ein Hauptmann, der Widerstand leisten wollte, wurde von ihm verwundet. Vor dem Ueberfall hatte der Räuber die Signalapparate unbrauchbar gemacht und dadurch jedes Alarmzeichen verhindert. Der Räuber entkam.