Kus Stadt. Bezirk uns Umgebung.
Neuenbürg, 5. Okt. (Vorsicht bei Abmeldungen von Krankenversicherungspflichtigen.) Durch landgerichtliches Urteil wurde ein Wirt, der seinen Arbeiter nach beendigtem Arbeitsverhältnis nicht abgemeldet hatte, verpflichtet, die Krankheitskosten des nach Auflösung des Dienstverhältnisses erkrankten Arbeiters in Höhe von 135 ^ zu ersetzen, da der Arbeitgeber als solcher der Krankenkasse gegenüber haftpflichtig sei. Dieser Fall weist wiederum, wie schon manch anderer darauf hin, daß es im eigensten Interesse von Leuten, die krankenversicherungspflichtige Personen beschäftigen, liegt, die vorschriftsmäßigen An- und Abmeldungen bei der Krankenkasse vorzunehmen, um sich vor Schaden zu hüten. — Aus der Versicherungspraxis bringt ferner die „Württ. Gemeindezeitung" vom 1. Oktober ds. Js. folgende interessante Mitteilung betr. Haftpflicht des Arbeitgebers in Krankenversicherungssachen. Ein Wirt hatte den Arbeiter M. nach beendigtem Arbeitsverhältnis nicht abgemeldet, weil M. gebeten und versprochen habe, die Beiträge dem Arbeitgeber zu ersetzen. Der M. wurde darnach krank und es entstanden 125 -/-L Kosten, auf deren Ersatz die Ortskrankenkasse auf Grund der 88 833 und 826 des B. G.-B. den Wirt verklagte. Dieser bestritt ein Verschulden, da M. nach 8 27 des Krankenversicherungsgesetzes freiwilliges Kassenmitglied geblieben sei. Der Wirt wurde vom Landgericht zur Ersatzleistung verurteilt. Es sei unrichtig, daß M. nach Ausscheiden aus dem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis freiwilliges Mitglied der Kasse geworden sei. Möge er vielleicht auch die Absicht gehabt und mit dem Arbeitgeber vereinbart haben, daß dieser einstweilen die Beiträge für ihn weiter zahle, so sei eben diese Absicht der Krankenkasse nicht kundgegeben worden und auch die Zahlung für M. nicht erfolgt. Damit sei aber auch nicht den Erfordernissen des § 25 K.-V.-G. für den Erwerb der freiwilligen Mitgliedschaft genügt. Der Krankenkasse hafte der Arbeitgeber wegen des Verstoßes des 8 49 des K.-V.-G. und aus 8 823 Abs. 2 des B. G.-B.
Pforzheim, 5. Okt. Um unschöne Reklamemalereien von den Straßen der Stadt fern zu Hallen, erließ das Bezirksamt in Pforzheim eine öffentliche Bekanntmachung, in der aufgefordert wird, vor Anbringung solcher Malereien den Bescheid des Bezirksamts einzuholen, da unter Umständen die Entfernung verunstalteter Malereien angeordnet werde.
Neuenbürg, 8. Oktbr. Auf den heutigen Schweinemarkt waren 17 Stück Milchschweine zugeführt, welche zum Preise von 12—20 Mk. pro Paar verkauft wurden.
vLiMischlLL.
EinOrdensscherz. Ein heiteres Geschichtchen wird gegenwärtig in Bruchsal viel belacht. Ein dortiger Schreinermeister hatte schon längere Zeit Knopflochschmerzen und setzte seine Hoffnung auf den allgemeinen Ordensregen anläßlich des silbernen
den Tod erleiden solle. Dort unten stand sein kleines Haus. Er sollte es nie wieder betreten und sich seines bescheidenen Glückes freuen können. Er kannte jedes Dorf, jede Stadt, jeden Fluß und jedes Tal. Hier hatte er als Kind gespielt, hier hatte er sein Leben unter Mühen und Arbeit so glücklich bis hierher geführt. Seine Heimat war so wunderschön. In wenigen Augenblicken sollte er von ihr für ewig scheiden. Seine Wangen waren bleich geworden. Eine Träne war ihm in das ehrliche Auge getreten. Er drängte sie zurück und senkte still sein Haupt zur Erde. Er konnte seine gebundenen Hände nicht falten, aber er konnte auch so zu seinem Gott beten — und er tat es. — Born betete still und inbrünstig. Das Gebet gab ihm neue Kraft, neuen Frieden und Ruhe. Eine stille Freude legte sich auf sein Angesicht und glänzte aus seinen Augen. Der Offizier trat zu dem Schäfer, ob er den Weg zeigen wolle. Die bestimmte Zeit war verflossen. Ein schweigendes Schütteln mit dem Kopf war die einzige Antwort. Der Offizier sah ihn mitleidig, aber auch mit Bewunderung an. Dann gab er den Soldaten einen Wink, welche ihre Gewehre zur Hand nahmen. Dem Schäfer wurden die Augen verbunden. Man stellte ihn an einen Baum. Die Soldaten traten auf Kommando an. Noch einmal wiederholte der Offizier die vorige Frage, ja, er legte sie ihm zögernd zum dritten Male vor. Born schüttelte nur fest verneinend das Haupt. Da ertönte das furchtbare Kommando: „Feuer!" Drei Blitze fuhren aus den Gewehren. Ohne einen Laut sank der wackere Schäfer zusammen. Er war gut getroffen worden.
Hochzeitsjubiläums des Großherzogspaares. Diesen Herzenswunsch unseres Meisters kannte ein Spaßvogel, der ihm vom „Hofmarschallamt in Karlsruhe" aus einen hübschen Orden mit zugehörigem Begleitschreiben zugehen ließ. In seiner überschwänglichen Freude merkte der Beglückte nicht, daß es ein geschickt hergestutzter — Fastnachtsorden war, warf sich in Gala mit „Senkel", weißer Weste und neuem Zylinder, heftete sich den Orden auf die Brust und ging glückstrahlend in den Festgottesdienst. Nach der Kirche gings in 5 bis 6 Wirtshäuser, um die Sache gehörig zu „begießen" und die Gratulationen der Freunde und Bekannten entgegenzunehmen. Wie ein Lauffeuer ging die Nachricht von der Pseudodekoration des Meisters „Fallieres" — er hat nämlich viele Ähnlichkeit mit dem französischen Präsidenten — durch die Stadt, und alles lachte. Und da Monsieur Fallieres in seinem Glück dem Wein gehörig zugesprochen hatte, dürfte der „Jammer" hintennach ein ziemlich großer gewesen sein. Ähnliche Ordensverleihungen und ihre Folgen sollen auch sonstwo passiert sein.
(Praktisch.) Der Hanslbauer hat einen Anlauf genommen, sich couragiert im Hofgartenrestaurant der Residenz einen Stuhl erobert und ein Tass'l Kaffee mit Rahmschnee bestellt. Ein Herr neben ihm trinkt Limonade mittelst eines Strohröhrchens. „Ah. dös is praktisch!" denkt er sich, nimmt die Pfeife aus dem Munde, schraubt sein Pfeifenröhrl ab und trinkt damit stolz und befriedigt seinen Kaffee aus.
Rätsel.
Nun nennt mir das Tier:
Es lebt und hat kein — Blut,
Es hört und hat keine — Ohren,
Es läuft und hat keine — Beine;
Der Jäger weiß wohl, was ich meine.
Auflösung des Buchstaben-Rätsels in Nr. 159.
Riegel, Siegel, Tiegel, Ziegel.
Richtig gelöst von Mina und Melanie Eberhardt, Berta Schönthaler, Klara Mayer, Eugenie Gauß, Berta Mohr, Eugenie Baumann, Berta Girrbach, Alwine Eberle, Marie Schund, Mathilde Hiller, Erwin Mayer, Wagnerssohn, Wilh. Müller, K. Schumacher, Eugen Ruff und Wilhelm Girrbach, Mechaniker, in Neuenbürg; Frl. Emilie Schaible und Frl. Klara Hollenweger in Dobel; Oskar Rühle in Gräfenhausen; Karl Weigold in Herrenalb; Wilhelm Proß jr. in Rotenbach.
Kriegschronik von 187071.
8.<9. cit-bcr 187«.
Belagerung von Verdun beginnt. — Scharmützel bei Marolles, Ueberfaü in Ablis, Gefecht in der Vorstadt von St. Quentin.
Paris. Herr Gambetta, der Minister des Innern, ist gestern in einem Luftballon aus Paris entwichen, um in den Provinzen den Volksaufstand gegen die Deutschen zu organisieren. Der Ballon „Armand Barbes" stieg früh 11 Uhr vom Montmartre auf und landete auf einem Baume bei
Es zuckte keine Muskel in seinem Gesicht. Die Sol
daten ließen den Körper liegen, es war ja Krieg, was galt da ein einzelnes Menschenleben.
Der 14. Oktober brach an. Es hatte sich doch noch ein Mann gefunden, der den Weg gezeigt hatte. Noch während der Nacht hatte man die meisten Geschütze halb gezogen und halb getragen auf den Scharfenberg gebracht. Doch war die Schlacht bei Jena beinahe schon entschieden, ehe der Kampf recht begonnen hatte. Das Opfer des alten Schäfers war vergeblich gewesen.
Zwei Tage nach der Schlacht war mit Hunderten von gefallenen Preußen auch der treue Schäfer in einem gemeinsamen Grabe zur letzten Ruhe bestattet worden. Erst lange darauf erhielten die Seinen Kunde von seinem Heldentod.
Niemand kennt sein Grab. Von seiner Tat redet kein glänzendes Denkmal. Nur einige Landwirte jener Gegend wissen noch heute vom Schäfer Born zu berichten. Es war nur ein armer Schafhirte gewesen, aber er war treu wie Gold und treu bis in den Tod.
Deswegen soll sein Name nie und nimmer vergessen sein.
Echte Druckfehler. Die „Schlesische Morgenzeitung" Nr. 307 weiß zu melden, daß die Wiener Gläubigen die Verhängung des Konkurses über das Vermögen der Prinzessin Luise verlangt haben. — Dem „Hildburghausener Kreisblatt" wird berichtet, daß die griechische Dichterin Sappho sich aus Liebes-
Montdidier, an dem Gambetta herabklettern mußte. Nach französischen Berichten hätten die Preußen 100 000 Gewehrschüsse dem Ballon nachgesandt diesen auch beschädigt und Gambetta an der Hand verletzt. Die Kugeln hätten den Herren hübsch um die Ohren gepfiffen.
Neubreisach. Gestern wurde Neubreisach mehrere Stunden lang aufs heftigste beschossen. Die Stadt brennt auf drei Seiten.
Ablis. In Ablis, südwestlich von Versailles, hatten in Häusern versteckte Franktireurs und Einwohner eine Eskadron 16er Husaren überfallen und auseinandergesprengt, nur die Offiziere und etwa 50 Reiter konnten sich retten. Eine Brigade Artillerie und eine Kompagnie bayrische Jäger erhielten hierauf Befehl, das Städtchen zu plündern und zu zerstören. Alle Lebensmittel und Fourage, das Vieh wurde herausgeschafft, hierauf die Häuser niedergebrannt. Weiber, Kinder und Greise erhielten eine halbe Stunde Zeit, abzuziehen, die Männer wurden erbarmungslos niedergemacht.
Madrid. Spanien lehnt die von Frankreich angerufene Vermittlung ab.
Gambetta kommt per Luftballon in Tours an. Thiers in Wien beim Kaiser und bei den Ministern.
St. Cloud. Die Franzosen haben heute vom Mont St. Valerien aus das kaiserliche Schloß mit Granaten beworfen und in Brand geschossen.
General v. d. Tann ist mit einer Truppenabteilung nach Orleans abmarschiert. Bei Anger- ville überraschte die Truppe eine feindliche Kompagnie, welche braune Kittel und Filshüte trug. Die armen Teufel werden teils niedergemacht, teils gefangen.
Gambetta hat heute das Kriegsministerium übernommen, Reden gehalten, einen Aufruf an die Nation erlassen und war mit Garibaldi der Gegenstand von Ovationen der — belogenen Volksmassen.
Stuttgart. Die württembergische Regierung erklärt sich im „Staatsanzeiger" für den deutschen Bundesstaat.
Hof Schwege. In der Nähe von Osnabrück ist eine recht interessante Beispielswirtschaft für erfolgreiche Heide- kultur.*) — Diese Wirtschaft können sich auch solche Landwirte zum Vorbild nehmen, die in der glücklichen Lage sind, bessere Böden zu bebauen. — Das, was jeder Landwitt vom Hof Schwege lernen kann, ist, daß man sich nicht den Ratschlägen und Erfahrungen der modernen Landwirtschafts. Wissenschaft verschließen soll, daß man aber auch nicht blindlings alles nachzumachen braucht, was an anderen Stellen von Nutzen gewesen ist. — Probieren geht über Studieren. Nur durch fortgesetzte Versuche ist in Schwege ermittelt worden, welche Kultur- und besonders welche Düngungsmaßnahmen nötig waren, um diese Wirt- schuft allmählich in die Höhe zu bringen.
Man staunt, wenn man sieht, wie dort auf leichtestem Heidesandboden, der srüher kaum für anspruchslose Heidschnucken die notdürftigste Nahrung hervorbrachte, jetzt nach erfolgter Bodenbereicherung durch jährlich wiederholt starke Thomasmehl-Kainit-Düngung mit je 3—4 Ztr. pro Morgen zahlreiches, wohlgenährtes Rindvieh vom Mai bis in den Spätherbst hinein ohne ein Pfund Beifutter ausschließlich auf den Grünlandskulturen geweidet werden kann.
*) Eine genauere WirtschastSbeschreibung von Hof Schwege in Form einer Broschüre ist erschienen im Verlag für Bodenkultur, Berlin. Preis SO
kram ins Meer gestürzt habe. — Die „Lothringer
Zeitung" Nr. 573 spricht von den diesjährigen Nebelpreisen. — Die „Magdeb. Zeitung" vom 8. Dez. sagt im Reichstagsbericht: Das Haus ist schwach, die Turbinen sind stark besetzt. — Die „Schalter Ztg." Nr. 37 meldet aus Athen, daß zwischen der Militär-Liga und der Margarine eine tiefgehende Spaltung ausgebrochen sei. — Die „Volkszeitung", Organ für das werktägige Volk am Niederrhein Nr. 37 spricht von der Einführung des frechen Wahlrechts.
— Der „Badischen Presse", Nr. 83 zufolge, fand zu Breslau eine Wahlrechtsversammlung statt, welche von 12000 Persern besucht war. — Das Vorlesungsverzeichnis der Universität Rostock kündigt auf S. 17 Vorlesungen über Kinderkeilhunde an. — Der „Fürst. Gm. Ztg.", Nr. 2 zufolge, ist es einem Astronomen in Irland gelungen, eine prächtige Photographie von dem neuen sogen. Talglichtkometen aufzunehmen. — Die „Dresd. Nachrichten" Nr. 36 sagen von dem Schweiß des Kometen, daß er neun Millionen Meilen lang sei. — Nach der „Münsterländischen Volksztg." Nr. 23 wird der Komet im Laufe des Monats noch an Heiligkeit gewinnen. — Der „Würzb. Gen.-Anz." sagt, der Komponist Franz Lehar sei durch die Lästige Witwe berühmt geworden.
— Im „Bielefelder Stadtanzeiger" bittet eine „Kurz- und klein geschlagene Holzhandlung" um geneigten Zuspruch. — Der „Essener Gen.-Anz." Nr. 292 sagt, daß der König v. Sachsen die Nachricht vom Tode König Leopolds mit einem herzlichen Beifallstelegramme beantwortet habe.
Redaktion, Druck und Verlag von E. Me eh tu Neuenbürg.