Zweites
Statt.
Der Lnztälsr.
Zweites
Blatt.
161.
Neuenbürg, Samstag den 8. Oktober MV.
68. Jahrgang.
RrmSschau.
Ein schönes Jubiläum wurde in vergangener Woche in Berlin gefeiert: Bor 25 Jahren trat die Unfall- und Invalidenversicherung ins Leben und hat seitdem durch hervorragende Leistungen in rechtem Einklang mit dem industriellen Aufschwung dem deutschen Namen in aller Welt Ehre bereitet. Abseits des toten Buchstabens, frei von jeglichem Perückenstaub hat das Reichsversicherungsamt sich mitten in das mit stetigem Fluß und Wandel begriffene Legen gestellt. Im engsten Anschluß an die Kräfte des Volkslebens, denen die Durchführung der neuen sozialen Aufgaben übertragen war, errang es sich das Vertrauen und die Achtung aller. Es gelang den führenden Männern im Reichsversicherungsamt, auch das Vertrauen der anfangs der sozialpolitischen Neuerung überwiegend abgeneigten Arbeiterschaft zu erwerben und gerade aus diesen Kreisen die wertvollsten praktischen Erfahrungen zu sammeln. Ohne irgend ein bestehendes Vorbild mußte ein Berg von Schwierigkeiten und Rätseln überwunden, mußte der Weg überall erst mühsam gesucht werden. Aber rechtes humanes Empfinden, starker Opfersinn und eine wachsende Begeisterung für die Aufgaben ließen die Erfolge, deren wir uns heute' auf sozialpolitischem Gebiete rühmen können, langsam und doch sicher heranreifen.
In Charlottenburg starb am Mittwoch einer der hervorragendsten Vertreter der deutschen medizinischen Wissenschaft, der frühere Direktor der ersten medizinischen Klinik an der Berliner Charite, Geheimrat Ernst von Leyden, im 78. Lebensjahr. Ernst v. Leyden hat sich auf verschiedenen Gebieten der Medizin einen glänzenden Namen durch seine Forschungen und Leistungen gemacht, nicht zum wenigsten auf dem Felde der Gesundheils- und Krankenpflege.
Das Fleisch ist so im Preis gestiegen, daß man in Berlin daran denkt, den teuren Artikel durch Hefe zu ersetzen. Der Versuchs- und Lehranstalt sür Brauerei in Berlin ist es gelungen, durch besonders hiezu hergestellte maschinelle Einrichtungen Hefe in eine Form überzuführen, die sich als unmittelbar geeignet zur Verwendung als nahrhaften Zusatz zu Speisen verschiedener Art macht. Der Ciweißgehalt der Hefe, eines neuen Rohstoffes der Nahrungsmittel-Industrie, ist ein sehr hoher, daß er dem des Fleisches nicht nachsteht. Auf der vom 10. bis 14. Oktober in Berlin von der Versuchs- und Lehranstalt siir Brauerei veranstalteten Ausstellungen sollen u. a. 5 verschiedene Hefe-Trockenapparate für den Groß-
Gin Held im Schiiferkittel.
(Schluß.)
Der alte Schäfer hatte wohl eine Stunde so zrlessen, als er mehrere französische Soldaten den Abhang Herabkommen und sich ihm nähern sah. Erschrocken sprang er von seinem Sitz auf. Sollte » fliehen, so schnell er konnte? Ach, seine alten Meder würden ihn nicht weit getragen haben. Er Aieb darum scheinbar ruhig stehen. Die Soldaten Aren herangekommen. Einer forderte ihn auf, ihm !°sort zu folgen. „Wohin?" fragte Born, der ruhig und gefaßt war. „Zum Marschall," war die Ant- Art. Born zögerte. Sollte seine Befürchtung sich Mich erfüllen? „Hat Euch der hierher geführt?" M er endlich und zeigte auf Sielerl, welcher indischen gleichfalls herbei gekommen war. Der Soldat nickte. Jetzt war kein Zweifel mehr, er !Ete den geheimen Weg auf den Landgrafenberg lagen. Sollte er sich weigern, den Soldaten zu i«lgen? Doch, es wäre eine Torheit gewesen, auch Nr den Versuch eines Widerstandes zu wagen. So Ag er denn schweigend und bangen Herzens mit Mn. „Ich habe es Euch versprochen, daß Ihr ^ für die Bosheit büßen sollt", sagte Sielert zu M Schäfer. „Man wird schon Mittel finden. Euch r» Mund zu öffnen," setzte er teuflisch lächelnd Azu. Born schwieg. Eine innere Stimme rief ihm Arnend zu: „Dies ist ein schwerer furchtbarer für dich. Entdecke ihnen den Weg, ehe man mit Gewalt zwingt." Aber er beschwichtigte
betrieb, sowie die Verwendung der Hefe in der Küche praktisch vorgeführt werden.
2 5 Jahre sind es her, seit die bekannte Firma John Henry Schwerin in Berlin ihr erstes Moden- und Familienblatt herausgab. Eine lange Zeit! Wenn die Firma mit ihren vielen populären Blättern: Mode und Haus, Große Modenwelt, Kindergarderobe, Illustrierte Wäschezeitung, Frauen- Fleiß rc. noch heute an leitender Stelle ihrer Branche trotz vieler Nachahmungen steht, so verdankt-sie es in erster Linie dem Umstande, daß sie die Bahnen des gerade vor 10 Jahren verstorbenen genialen Begründers der Firma, John Schwerin, nicht verlassen hat: Gut, reichhaltig und billig zu liefern, ein Prinzip, das von der deutschen Frauenwelt dankbar akzeptiert wurde.
Essen, 7. Okt. Gestern nachmittag sind durch eine Explosion schlagender Wetter auf der 7. Sohle der Zeche „Friedrich und Ernestine" bei Stoppenberg Gesteinsmassen niedergegangen und haben drei Bergleute verschüttet. Einer von ihnen ist tot zutage gefördert worden. Es besteht wenig Hoffnung, die anderen bergen zu können, da die Rettungsarbeiten infolge des festen Gesteins sehr schwierig sind. Bei den Bergungsarbeiten hat ein Mann der Bergungskolonne das Leben eingebüßt. Ein zweiter von den drei Verschütteten ist als Leiche aufgefunden worden.
München, 3. Okt. Die Spielsaison hat für die Oberammergauer den erhofften reichen Geldsegen stärker als erwartet gebracht. Aber nicht nur die Bewohner des Passionsortes allein erzielten durch die Vorstellungen einen reichen Gewinn, auch das ganze bayrische Hochland, dann besonders die Geschäftswelt Münchens und der bayrische Staat haben davon einen enormen Gewinn gezogen. So konnten besonders die Münchner Hoteliers eine Saison verzeichnen, wie noch nie zuvor, und was die Erträgnisse des bayrischen Staates betrifft aus Eisenbahn, Post und Motorwagen, so ist ein rundes Plus von dreieinhalb Millionen kaum hoch genug eingeschätzt. Die Mitwirkenden an der Passion selbst gehen bereits wieder der gewohnten stillen Arbeit nach. Nur vier Oberammergauerinnen gehen nach England und der Johannes, von dem es kürzlich hieß, er sei von englischen Millionären engagiert, wird künftig bei den Gebrüdern Beißbarth in München einen schneidigen Chauffeur spielen. Die Aufgabe, die die Darsteller in dieser Passion zu leisten hatten, stellten an sie bei der konstant kalten und nassen Witterung gesundheitlich die höchsten Anforderungen, so zwar, daß ein Teil der Sänger!
jene Stimme und sagte zu sich selbst: „Den Mund kann man dir mit Gewalt öffnen, aber man kann das Geheimnis nicht aus deiner Brust herausholen, wenn du nicht willst."
Die Soldaten hatten mit ihrem Gefangenen endlich den Landgrafenberg bestiegen. Sie führten ihn sofort vor den Marschall Lannes. Der Marschall betrachtete eine Weile den alten Schäfer. Dann fragte er, ob es richtig sei, wie Sielert gesagt, daß er einen Weg wisse, auf welchem Pferde und Geschütze hier herauf geschafft werden können. „Ja," sagte Born ruhig, er konnte nicht lügen. „So zeigt uns den Weg, Ihr sollt reich belohnt sein," sagte hierauf der Marschall. Born schwieg eine Weile. In seinem Innern tobte ein Kampf. Sollte er zum gemeinen Verräter werden? „Wollt Ihr uns den Weg zeigen?" fragte der Marschall. „Nein," antwortete fest und bestimmt der alte Hirte. „Ihr wollt also nicht?" rief der Marschall. „Glaubt mir, ich werde den Weg auch ohne Euch finden, aber es liegt mir viel daran, ihn jetzt in dieser Stunde zu erfahren." „Ich verrate ihn nicht," sagte Born mit der Festigkeit eines deutschen Mannes. „Ihr wollt nicht?" rief der Franzose, „ich werde Euch zwingen." „Mich kann niemand zwingen, mein Vaterland zu verraten," gab der brave Schäfer zurück. „Nicht I? Nun, ich werde es Dir zeigen. Der Ausgang einer großen Schlacht soll nicht von Deinem bösen Willen abhängen. Du erhälst eine gute Belohnung, wenn Du uns den Weg zeigst, oder Du stirbst; nun entscheide Dich." Born schwieg. Keine Muskel zuckte
sür immer ihre Stimme ruiniert hat. Am besten hat die ihm gestellte Riesenaufgabe bewältigt und überstanden der Christusdarsteller Anton Lang, der dank eines richtig durchgeführten Trainings die Unbilden der Witterung ohne jeden Nachteil für seine Gesundheit ertrug. Allerdings die Ruhezeit wird nicht besonders lange dauern, denn schon im nächsten Jahre beginnen die Vorbereitungen für die nächste Passion, die sicher die gleiche Anziehungskraft auf die ganze Welt ausüben dürfte wie die schon verflossene, die in jeder Hinsicht eine gute und erfolgreiche war.
Frankfurt a. M-, 7. Okt. Ein Dienstmädchen aus Münster hatte vor fünf .Monaten seinen 4'/- Jahre alten Knaben gelötet und die Leiche verbrannt. Sie war daraufhin als geisteskrank in eine Anstalt eingeliefert worden, aus der sie aber entfloh. Das Mädchen kehrte nun zu seiner früheren Herrschaft, einem hiesigen Agenten, zurück. Gestern nachmittag stellte das Mädchen in der Parterrewohnung die Asche feines Kindes auf, drang in den ersten Stock, wo der Agent auf einem Sofa lag und erschoß diesen. Dann stieg sie wieder in das Parterre hinab und brachte sich selbst zwei Schüsse in die Schläfengegend bei.
Heidelberg, 30. Sept. Eine originelle Auffassung vom Groben Unfug-Paragraphen scheint das hiesige Bezirksamt zu haben. Wie erinnerlich ist, war die Schloßbeleuchtung anläßlich des 100jährigen Stiftungsfestes des Korps Suevia von einem ungewöhnlich heftigen Unwetter begleitet. Auswärtige Blätter, und zwar sowohl deutsche wie außerdeutsche, brachten darüber die abenteuerlichsten Berichte. Danach sollte es viele Verletzte und sogar Tote gegeben haben. Unter den Blättern, die diese Falschmeldung brachten, befand sich auch die „Nationalzeitung" in Berlin. Ein Polizeiwachtmeister hat hierauf gegen das Blatt wegen dieser, angeblich den Fremdenverkehr erheblich schädigenden Meldung Anzeige beim Heidelberger Bezirksamt erstattet. Dieses hat eine Untersuchung eingeleitet, als deren Ergebnis der „Nationalzeitung" eine Strafverfügung von 30 ^ zugegangen ist wegen „Verübung groben Unfugs". Natürlich hat die „Nationalzeitung" die Strafe nicht angenommen, sondern gegen die merkwürdige Verfügung gerichtliche Entscheidung beantragt.
Ein 7Ojähriger Albanese namens Sterio starb in Triest im Armenhaus. Bei der Durchsuchung seiner Habseligkeiten fand man, wie der Preßtelegraph meldet, Wertpapiere und Bankdepots von über einer Million Kronen. Der Verstorbene hatte das Vermögen in Aegypten vor der Besetzung durch ! die Engländer erworben.
in seinem wetterharten und ehrlichen Gesicht. „Du stirbst, wenn Du mir zu trotzen wagst," rief der Marschall nochmals. Der Schäfer sah und hörte nur zu deutlich, daß die Drohung bitter ernst war. Seine Knie fingen an zu zittern; sein Gesicht wurde bleich. Er dachte an sein armes Weib, an seine Kinder. Die Versuchung war groß und schwer. Er drohte zusammenzubrechen. Aber er überwand sich und erlangte seine Festigkeit wieder. Dann sagte er fest: „Ich bin kein Verräter und will auch keiner werden." „Führt ihn fort," befahl nun Laknes in heftigem Zorn einem Offizier. „Hat er nach einer halben Stunde den Weg nicht gezeigt, so laßt ihn ohne weiteres erschießen. Er wandte sich ab. Born wurde von den Soldaten fortgeführt. Sielert, dem durch den Tod des Alten ein erhoffter Gewinn zu entgehen drohte, trat schmeichelnd an ihn heran. Der Schäfer wandte sich unwillig und verächtlich von dem Verräter ab. Auch der französische Offizier redete ihm gut zu. Er solle nur mit der Hand oie Richtung angeben, wo der Weg zu finden sei; er würde sofort freigelassen und hoch belohnt werden. Born schwieg auch diesem Zureden gegenüber. Seine Hände waren auf dem, Rücken gebunden und so führte man ihn den Berg hinab. Drei Soldaten luden vor seinen Augen ihre Gewehre. Er wußte, was es bedeutete. Eine halbe Stunde war ihm noch vergönnt. Er setzte sich wortlos nieder. Drunten im Tal war sein Weib und Kind. Jenseits des Berges seine beiden Söhne. Ach, sie ahnten nicht, was ihn betroffen und daß er in einer halben Stunde