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162.

Neuenbürg, Montag den 10. Oktober MO.

68. Jahrgang.

RunSlchau

Ueber die vielerörterte Frage der Zulassung zum Amte als Schöffen und Geschworene hat die Strafprozeßkommission des Reichstags kürz­lich beraten. Ein sozialdemokratischer Antrag, auch die Frauen als Schöffen und Geschworene zu­zulassen, wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Ein weiterer Antrag, auch die ländlichen Arbeiter als Schöffen zuzulassen, führte zu der Feststellung, daß die ländlichen Arbeiter nicht zu den Dienstboten zu rechnen und daher als Schöffen nicht ausgeschlossen seien. Eine lebhafte Debatte rief ein Antrag der Volkspartei hervor, daß auch die Volksschullehrer als Schöffen und Geschworene berufen werden sollen. Der Vertreter der wirtschaftlichen Vereinigung stellte den Abschwächungsantrag, sie nur als Schöffen, nicht aber als Geschworene zuzulassen. In der Bekämpf­ung des fortschrittlichen Antrages wurden die Re­gierungsvertreter unterstützt von den Konservativen und der Reichspartei, während die Nationalliberalen, Sozialdemokraten und Polen die Ausführungen des den Antrag begründenden Vertreters der Volkspartei lebhaft befürworteten. Der Antrag der Volkspartei wurde schließlich gegen die Stimmen der Konser­vativen, der Wirtschaft!. Vereinigung und eines Teils des Zentrums angenommen. Es sollen also in Zukunft Lehrer sowohl Schöffen als Geschworene werden können.

Untere Verwaltungsbehörde gemäß des Krankenversicherungsgesetzes ist in Preußen in Städten von über 10000 Einwohnern (abgesehen von der Provinz Hannover) die Gemeindebehörde, im übrigen der Landrats in Hohenzollern der Oberamtmann; in Bayern die Distriktsverwaltungs­behörde; in München der Magistrat; in Sachsen der Stadtrat bezw. die Amtshauptmannschaft; in Württemberg in Städten mit mehr als 10000 Einwohnern der Gemeinderat, im übrigen das Ober­amt; in Baden der Bürgermeister.

Berlin, 9. Okt. Die großen Massenversamm­lungen der Sozialdemokratie, die heute mittag in 13 Lokalen Berlins abgehalten worden sind, swaren trotz verschiedener Aufrufe des Vorwärts und Flug­blätterverteilung am heutigen Morgen nur von ins­gesamt 20000 Personen besucht. Die Versamm­lungen, in denen die Vorkommnisse in Moabit von bekannten sozialdemokratischen Führern besprochen wurden, waren meist schon nach 30 oder 35 Minuten beendet. Die Besucher entfernten sich sodann ohne jede Demonstration, nachdem überall eine gleich­lautende Resolution angenommen worden war.

Berlin, 10. Okt. Den Morgenblättern zufolge ist der Kohlenarbeiterstreik bei der Firma Kupfer u. Cie. in Moabit beend et. Die Arbeiter nehmen die Arbeit am heutigen Montag wieder auf.

Hamburg, 8. Okt. In einer heute abgehaltenen Versammlung haben die Werftarbeiter mit 3678 gegen 3475 Stimmen beschlossen, die Arbeit wieder aufzunehmen. Erst nach wiederholter eindring­licher Mahnung der Führer zum Frieden erfolgte die Abstimmung der Werftarbeiter mittels Stimm­zettel. Um 3 Uhr wurde das Ergebnis verkündet.

Die antimilitaristische Bewegung in Frankreich hat sich bereits zu einem recht bedenk­lichen Krebsschaden ausgewachsen. Wieder liegt jetzt ein bemerkenswerter Fall vor. Wie aus Brest ge­meldet wird, haben auf dem dortigen Bahnhofe bei der Abreise der Rekruten antimilitaristische Kund­gebungen stattgefunden, wobei mehrere hundert Re­volutionäre vor Abgang des Zuges die Internationale sangen und riefen:Nieder mit der Armee, die Fahne auf den Misthaufen!" Die Polizei, die ein- schreiten wollte, wurde verhöhnt. Ein Matrose der Kriegsflotte, der angeblich an der Kundgebung teil­genommen hatte, wurde verhaftet. Die Polizei wollte" einschreiten. Und das Ergebnis? Die

revolutionären Anstifter blieben unbehelligt. Solche Haltung muß böse Früchte tragen.

Die telegraphische Verbindung mit Lissa­bon ist am Donnerstag abend wieder hergestellt worden. Der Kampf in der Hauptstadt muß nach den jetzt vorliegenden Nachrichten blutiger gewesen sein als die ersten von der provisorischen Regierung durchgelassenen Preffenachrichten erkennen ließen. Die Ruhe in Lissabon gilt bis auf weiteres für gesichert. Die Erhebungen darüber, ob fremde Staatsangehörige Schaden erlitten haben, sind noch nicht abgeschlossen.

Madrid, 6. Oktober. Die Regierung hat von Theophil Braga eine Depesche erhalten, in welcher die Proklamierung der Republik in Portugal zur Kenntnis gebracht wird.

Gibraltar, 9. Oktbr. König Manuel und Königin Amelia begaben sich heute vormittag an Land und wohnten dem Gottesdienst in der Kirche bei. Das Publikum begrüßte die Herrschaften ehrerbietig.

Ueber den Hergang der Revolution meldet ein ausführliches Telegramm des Korrespondenten derFranks. Ztg.": Der endgültige Streich war für für den 20. November geplant; als aber am Mon­tag der Abgeordnete Bombarda ermordet wurde und die KreuzerAdamastor" undDom Karlos" Marschorder für das Ausland erhielten, stellte die Marine den voraussichtlichen Kommandeur der Re­volutionsarmee. Dos Reis, vor die Alternative, das Signal zum allgemeinen Aufstand zu geben oder Gefahr zu laufen, die Empörung gegen seinen Willen ausbrechen zu sehen. Reis willigte ein. Der Königs­palast wurde von der Munizipalgarde, vom 2. Ka­vallerie- und vom 1. Infanterieregiment verteidigt. Auf dem Hauptplatz Rocio nahm das königstreue 5. Jägerbataillon Aufstellung und besetzte mit Ma­schinengewehren die Straßenmündungen. Von Queluz rückte Feldartillerie an, um die aufständische Ar­tillerie zur Ergebung zu zwingen, sie wurde aber mit schweren Verlusten zurückgeschlagen, da die Re­volutions-Artillerie das hochgelegene Ende der Avenida da Liberdade, die sogenannte Rotunda be­setzt und prachtvolle Verschanzungen angelegt hatte. Im Laufe des Dienstags spielten sich furchtbare Kämpfe des 1. Jnfanterieregimens gegen die Marine- Kaserne ab; sämtliche Angriffe wurden zurück­geschlagen. Als um 2 Uhr 15 Min. am Dienstag nachmittag die ersten Granaten den Königspalast Necessidades trafen, entfloh der König nach Mafra. Nachdem die Kriegsschiffe aktiv in den Kampf ein­gegriffen hatten, war das Schicksal der Monarchie entschieden. Die Nacht von Montag auf Dienstag, den ganzen Dienstag und die Nacht vom Dienstag auf Mittwoch dauerte der Straßenkampf. Am Mitt­woch nachmittag traf auf Serra Mon Santo das 3. Artillerieregiment von Santarem ein, das sofort in das revolutionäre Lager überging, als es von der Proklamation der Republik hörte. Der Palast Necessidades ergab sich, nachdem die besetzende Munizipalgarde die Waffen zerbrochen hatte.

Wien, 7. Okt. Die Regierung hat die Einfuhr einer Probesendung von 25000 Kilo argentinisches Fleisches gestattet.

Der Petersburger Millionär Korowin und der dortige Rechtsanwalt Bomse sind wegen Wechselfälschung in der Höhe von 800000 Mk. verhaftet worden. Die Wechsel waren ans den Namen des geisteskranken Koslow ausgestellt. Die Affäre erregt großes Aufsehen.

In Alkmar (Nordholland) erhielt ein Markt­meister ein Postpaket, das eine Torte enthielt. Die Frau und das Dienstmädchen aßen von der Torte und erkrankten schwer. Die Frau starb nach wenigen Stunden, das Mädchen liegt hoffnungslos darnieder.

Leipzig, 6. Okt. Das Schwurgericht verurteilte den Kellner Karl Koppius zweimal zum Tode, zu 15 Jahren Zuchthaus und zum dauernden Ehr­verlust, seinen Bruder Fritz Koppius zweimal

zum Tode, zu 7 Jahren Zuchthaus und zu dauern­dem Ehrverlüste. Die Angeklagten nahmen das Todesurteil ohne sichtliche Erregung auf.

Eine wichtige Entscheidung für aktive Turner deutscher Turnvereine steht in Aussicht. Die deutsche Turnerschaft hat an den Reichstag eine Eingabe gerichtet, in der verlangt wird, daß den nach den Vorschriften der maßgebenden Turnordnung ausgebildeten und in den Einzelheiten des deutschen Exerzierreglements durchgebildeten Vorturnern der deutschen Turnerschast vorläufig eine Verkürzung der militärischen Dienstzeit um 6 Monate bewilligt wird. Nach dem jetzigen Bestand der deutschen Turner­schaft würden hierbei ungefähr 30 000 lffsjährige Freiwillige in Betracht kommen.

In Mülheim in Baden brannte das dortige Artilleriedepot nebst Geschützschuppen nieder. Zwölf Geschütze sind mitverbrannt.

Ein Opfer seines Uebermuts wurde der Jäger­leutnant v. Schröder, der zur Artillerie in Jüter­bog abkommandiert war. Als er nach einer Uebung mit anderen Offizieren durch ein Dorf bei Groß­beeren ging, kam das Gespräch darauf, daß einmal ein Offizier durch die Flügel einer Mühle, die im Gang war, hindurchgeritten sei. Der junge Offizier meinte, das könne er auch zu Fuß machen. Bevor ihn seine Kameraden zurückhalten konnten, eilte er hin und büßte das Wagnis mit dem Tode. Ein Flügel traf ihn und schleuderte ihn 50 Meter fort.

Ein gewiß nicht alltägliches Verfahren wegen Trunksucht schwebt zurzeit gegen die Witwe L. in Halberstadt vor dem dortigen Amtsgericht. Die Trunksüchtige, die ganz allein in einem Stübchen haust, hat es fertig gebracht, im Verlaufe von meh­reren Jahren ein Vermögen von 30 000 in Alkohol umzusetzen, und zwar hat sie das Leib und Seele zerrüttende Gift regelmäßig in Form von Hoffmannstropfen zu sich genommen. Da es aus­sichtslos erscheint, die Frau von ihrer krankhaften Neigung abzubringen, wird jetzt ihre Unterbringung in einer Trinker-Rettungsanstalt in Erwägung gezogen.

Württemberg.

Stuttgart, 8. Okt. Die Königin hat wie jedes Jahr so auch Heuer auf ihr Geburtsfest ver­schiedene Wohlfahrtseinrichtungen mit außerordent­lichen Zuwendungen bedacht.

Stuttgart, 8. Okt. Die Einnahmen aus dem Post-, Telegraphen- und Fernsprechbetrieb im Monat August ds. Js. betrugen 1661946 Mk., gegenüber demselben Monat im Vorjahre mehr 104 706 Mk. Die Einnahmen im ganzen vom 1. April d. I. an betrugen 10161092 Mk.. gegenüber demselben Zeit­raum des Vorjahres mehr 621000 Mk.

Stuttgart, 7. Okt. Der Umfang des Post­scheckverkehrs in Württemberg im Monat Sep­tember 1910 zeigt eine Zunahme der Zahl der Kontoinhaber um 52. Die Gutschriften betrugen 46 569102 Mk. 25 Pfg., die Lastschriften 47 300114 Mk. 28 Pfg. Das Gesamtguthaben der Konto­inhaber betrug Ende September 4488 736 Mk. 18 Pfg. Es ist damit gegenüber dem Stand vom 1. September um 731012 Mk. 03 Pfg. zurück­gegangen. Im Verkehr mit Oesterreich und der Schweiz betrug der Gesamtumsatz 133 678 Mk. 21 Pfg.

Stuttgart, 7. Okt. Wie derStaatsanz." hört, hat das Ministerium des Kirchen- und Schul­wesens angeordnet, daß vom Frühjahr 1911 an die 6jährige Ausbildungszeit für die Lehrer der Volksschule eingeführt wird. Die neue Ordnung soll in der Weise ins Leben treten, daß die Zög­linge, die 1911 oder später in die Lehrerbildungs­anstalten ausgenommen werden, 6 Jahre in diesen Anstalten zu verbleiben haben, während die früher Aufgenommenen wie bisher nach 5jähriger Ausbild­ung in den Schuldienst eintreten. Vorbehalten bleibt, die 1911 aufgenommenen Zöglinge statt im Früh-