führende, 10 Kilometer lange, mit Flaggen bezeichnte und mit Hindernissen versehene, den Offizieren un­bekannte Strecke war in 30 Minuten zurückzulegen. Einige 20 Hindernisse waren teils in engen düsteren Waldwegen, auf freiem Gelände, an Abhängen, auf sumpfigem Moorboden, sowie auf Straßen angelegt, auch mußte ein Kletscherrutschritt bergab durch die zirka 200 Meter lange, steil abfallende Richtstatt geritten, sowie der Goldersbach an drei schwierigen Stellen überritten werden. Das Rennen ging ohne nennenswerten Unfall vorüber. Die Zuschauer konnten sich überzeugen, welche Ausbildung und An­forderungen heutzutage von Pferd und Reiter ver­langt werden.

Ludwigsburg, 15. Aug. Der 25 Jahre alte Karl Neubauer aus Steinheim a. Murr, ist in der Stuttgarterstraße so unglücklich von seinem Wagen gestürzt, daß er das Genick brach und bald darauf tot war. Sein Hund sprang nach dem Unfall vom Wagen und vereitelte alle Versuche, seinem Herrn Hilfe zu bringen. Es blieb nichts anderes übrig, als das treue Tier zu erstechen.

Tuttlingen, 15. Aug. Das Kind eines hiesigen Bürgers wurde in der letzten Zeit von Verwandten entführt. Es bedurfte wiederholter Bemühungen des Vaters, um das Kind zurückzuerhalten. Die An­gelegenheit ist beim Gericht anhängig gemacht.

Stuttgart. sLandesprodukterrbörse.s (Bericht vom 15. Aug. 1910.) Auf heutiger Börse war wenig Ge­schäft, da unsere Mühlen die höheren Forderungen der Eigner noch nicht bewilligen wollten und erstreckten sich die Umsätze nur auf Deckung des notwendigsten Bedarfs. Der diesjährige Herbstsaatfruchtmarkt findet am Montag den 5. Sept. ds. Js., von vormittags 10 Uhr ab im Lokal der Landesproduktenbörse in Stuttgart statt. Mehlpreise per 100 Kilogramm inklusiv Sack: Mehl Nr. 0: 33 Mk. 50 Pfg. bis 34 Mk. 50 Pfg., Nr. 1: 32 Mk. 50 Pfg. bis 33 Mk. 50 Pfg., Nr. 2: 31 Mk. 50 Pfg. bis 32 Mk. 50 Pfg., Nr. S: 30 Mk. - Pfg. bis 31 Mk. - Pfg., Nr. 4: 28 Mk. 50 Pfg. bis 27 Mk. 50 Pfg. Kleie 9 Mk. bis 9 Mk. 50 Pfg. (ohne Sack).

vermischtes»

Neuenbürg. Zu Nutz und Frommen der von Schnaken heimgesuchten Menschheit lassen wir nach­stehend zwei Schutzmittel gegen diese Plage folgen. Professor Fürbringer, der bekannte Baineologe, em­pfiehlt in derZeitschrift für Balneologie" als am eigenen Leibe erprobtes Abwehrmittel eine Auflösung von Kampfer in Mxturs. oIooZodalsailliea mit Zu­satz einiger Tropfen Nelkenöl. Die stark aber nicht unangenehm riechende Mischung muß in die Haare und die den Stichen ausgesetzten Körperteile einge­rieben werden, bei Kindr auch die Beine. Ein weiteres sechs Stunden schützendes Mittel besteht in einem Betupfen der betreffenden Körperteile mit Pyrethrumtinktur.

Wie man billig nach Brüssel reist. Für Leute, die. gern in Brüssel gewesen sein möchten, findet sich in mehreren Zeitungen folgendes Inserat: Gegen Einsendung von 1 Mark sende ich Ihnen durch mein Bureau in Brüssel 6 Ansichtskarten der Brüsseler Weltausstellung, die Sie mir mit Text und Adresse versehen retournieren. Diese werden dann durch mein Bureau in Brüssel zur Post ge­geben, so daß Ihre Freunde und Bekannten Sie auf der Brüsseler Weltausstellung glauben. Ver­blüffende, großartige Ueberraschung. Für jede Karte sind für Porto weitere 20 Pf. in Marken beizu­fügen. X. Z). in Z. Der Mann muß sich doch wohl einen gewissen Nutzen von seinen Ausgaben für dieses Inserat versprechen. Er scheint ein Menschen­kenner zu sein.

Ein wand ernder Kirchturm. Aus Amerika ist oft die Nachricht gekommen, daß Häuser von einem Orte zum anderen versetzt wurden. Meist handelt es sich aber mehr um eine Hundehütte als um Häuser. Nunmehr wird jedoch in Bocholt, Belgien, eine wirkliche und noch dazu mittelalterliche Kirche versetzt. Die Arbeit wird von zwei ameri­kanischen Ingenieuren mit nur acht Arbeitern aus­geführt. Neue Grundmauern für den Kirchturm sind etwa 30 Fuß von seinem alten Standpunkt entfernt gelegt worden, und der Turm, der aus dem 14. Jahrhundert stammt und 27 00 Tonnen wiegt, rutscht allmählich auf einer geschickt konstruierten Unterlage vorwärts. Acht Fuß des Weges sind bereits zurück- gelrgt. Es wird erwartet, daß der Kirchturm nächster Tage seinen neuen Standpunkt erreicht. Große Menschenmengen verfolgen zu jeder Zeit mit leb­haftem Interesse das seltsame Ereignis.

Wieviel Schritte macht eine Kellnerin? In einer der großen Münchener Wirtschaften mit Biergarten hat eine Kellnerin mit einem Schritt­messer ihre Tagesleistung festgestellt. Sie hat an jenem Tag von 10 Uhr morgens bis Mitternacht 58 000 Schritte zu 70 Zentimeter, also 40 Kilo­

meter zurückgelegt, was einer Marschleistung von acht Stunden gleichkommt. Und nun denke man noch an die großen Lasten von Maßkrügen und schweren Speisebrettern, die die Kellnerinnen schleppen, an das Tempo und den Kiesboden, auf dem die in den Gärten Angestellten ihre Arbeit verrichten, und man wird zu dem Schluß kommen, welche erstaunlich harte Arbeit von Frauen geleistet wird.

Kriegschronik von 187M.

18. August 187«.

Großer Sieg unter Führung des Königs Wil­helm bei Gravelotte, St. Privat, unfern Metz. Deutscher Verlust 899 Offiziere, 19 268 Mann und 1877 Pferde. Die französische Armee vollständig geschlagen und Verbindung mit Paris abgeschnitten. General Trochu wird Gouverneur von Paris und Oberbefehlshaber aller dortigen Streitkräfte.

DerPreuß. Staatsanzeiger" sagt anläßlich des letzten Sieges (bei Gravelotte):Wenn die Edelsten des deutschen Volkes fallen, so hat das Volk den Trost, daß der Kampf nicht wieder vergebens gekämpft ist, wie von unseren Vätern, gegen ein Volk voll Herrschsucht und Uebermut, das Deutsch­land schöne Gebiete geraubt."

Die französische Armee am 18. August bei Metz vollständig geschlagen in diese wenigen Worte läßt sich die große Botschaft zusammendrängen, die am gestrigen Freitag abend vom Kriegsschauplatz gekommen ist und die auf unseren Straßen den Siegesjubel von Wörth erneuert hat. Da liegen sie um die französische Hauptstadt Metz geschart die heldenmütigen deutschen Truppen und haben nun in drei Tagen, am Sonntag, Dienstag und Donnerstag, in drei furchtbar blutigen Kämpfen der feindlichen Hauptarmee das Entrinnen gewehrt."

Gravelotte.

Die ersten beiden Schlachten um Metz waren ge­schlagen. Noch lag der Pulverdampf der Kämpfe von Colombey-Nouilly und Mars la Tour-Vionelle in der Luft. Da rüsteten sich die beiden feindlichen Heere zu der dritten entscheidenden Schlacht, die neben der von Mars la Tour eine der blutigsten des ganzen Feldzuges werden sollte.

Auf dem Schlachtfelds von Mars la Tour hatte König Wilhelm am Morgen des 17. August persön­lich seine strategischen Anordnungen getroffen, die im wesentlichen darauf hinausgingen, daß am fol­genden Tage das französische Heer mit ganzer Kraft angegriffen werden sollte. Noch immer waren die Franzosen 140000 Mann stark. Sie halten ihre Aufstellung auf dem Plateau westlich von Metz ge­nommen. Ihre sechs Korps verteilten sich auf eine etwa 12 Kilometer lange Linie, die sich von St. Ruffein, südlich der Straße Metz-Gravelotte, weit nach Roncourt ausdehnte. Der in tiefer Schlucht fließende Manca-Bach gab ihrer Position eine nicht zu unterschätzende Stärke.

Am 18. August, morgens 10 Uhr, setzte der Kampf ein, den der König Wilhelm persönlich von der Höhe von Flavigny aus leitete und überwachte. Auf dem rechten deutschen Flügel stand die 1. Armee unter General v. Steinmetz; die 2. Armee, unter dem Kommando des Prinzen Friedrich Karl, hatte das französische Zentrum anzugreifen. Der strate­gische Plan war, durch Umfassung des rechten feind­lichen Flügels eine Entscheidung herbeizuführen.

Die Hessen und Schleswig-Holsteiner eröffneten im Zentrum bei Verneville den Kampf. Das war kurz vor der Mittagszeit. Es war keine lange Ouvertüre. Denn das Gefecht wird rasch ein hitziges. Die Batterien des rechten französischen Flügels lassen ihre dröhnenden Lieder ununterbrochen östlich von Gravelotte erklingen. Aber auch 230 deutsche Ge­schütze sind in Tätigkeit.

Inzwischen operiert die Infanterie im Gehölz von Verneville. Beschwerlich und lang ist ihr Marsch. In den späten Nachmittagsstunden steht bereits das Gefecht. Die deutschen Sturmangriffe werden von den Franzosen aber noch immer zurückgeworfen. Die eigentliche Entscheidung de§ Tages setzte erst etwa um 5 Uhr nachmittags ein. Den Anfang machte hier die Erstürmung von St. Marie aux Chenes und von St. Privat. Prinz August von Württemberg hatte mit seiner Gardeinfanterie den Sturm auf diese 322 Meter hohe Ansiedlung unternommen. Die Franzosen hatten den ganzen Ort zu einer Art Citadelle umgebaut. Mitrailleusen, Kanonen und Chasfepots empfangen die todesmutig Anstürmenden mit ihren vernichtenden Geschoßhagel. Nur mit Mühe vermögen die Wackeren dem unsichtbar blei­

benden Feinde stand zu Hallen. Erst als die Sachsen vom Norden her eingreifen können, geht es wieder vorwärts. Und nun gibt es einen Kampf von Haus zu Haus, von Gehöft zu Gehöft, wie ihn die Kriegsgeschichte aller Zeiten selten zäher und hart­näckiger gesehen hat. Erst gegen 8 Uhr abends ist St. Privat völlig in/dem Händen der Deutschen.

Im Zentrum der Schlachtkolonnen ist aber die Entscheidung um diese Zeit noch immer nicht ge­fallen. Hier machten ausschwärmende französische Schützen den vordringenden Deutschen noch immer zu schaffen, indem sie sie immer wieder von neuem in das Tal der Mance zurückzuwerfen suchen. Um jeden Fußbreit Erde wird gekämpft. Bald aber haben die Deutschen auch hier alle Vorteile der Position auf ihrer Seite. Allmählich wird der Kampf matter und matter. Die Dunkelheit ist hereingebrochen. In strenger Gefechtsbereitschaft wird biwakiert. Ge­wehr im Arm, und in Reih und Glied liegen die müden Truppen, die noch von einer letzten Massen­gewehrsalve der Franzosen mitten in der Nacht auf­geschreckt werden. Aber der Sieg ist doch in den Händen der Deutschen.

In tiefer Ergriffenheit hatte. König Wilhelm an seine Gemahlin einen Brief geschrieben, der die Er­eignisse des blutigen Tages in gedrängter Form rekapituliert. Siegreich hatte der Tag geendet: seine Verluste aber übertrafen noch die der anderen beiden großen Schlachten um Metz. Auf deutscher Seite waren 19 000 Mann und 904 Offiziere, auf franzö­sischer Seite 11700 Mann und 600 Offiziere ge­fallen. Die deutschen Verluste verteilen sich dabei so. daß u. a. die Preußen den Verlust von 15400 Mann (darunter 7785 Garde) und 700 Offizieren (darunter 315 Garde), die Sachsen 1600 Many und 89 Offiziere, die Hessen 1700 Mann und 71 Offi­ziere zu beklagen halten; der Rest verteilt sich auf die Angehörigen andersstaatlicher Combattanten.

Im deutschen Hauptquartier war man sich sofort über die ungeheure Tragweite dieses neuen Sieges völlig klar. Mit geschäftsmäßiger Klarheit entwickelte man sofort die Möglichkeit der kommenden Gescheh­nisse weiter. Anders bei den Franzosen. Hier ver­mochte man die Lage der Dinge noch immer nicht zu übersehen. Marschall Bazaine, der noch immer seine Niederlage nicht zugeben wollte, hatte am Morgen des 19. August an Kaiser Napoleon folgen­des, etwas gewunden gehaltenes Telegramm abge- fandt, das wir im Auszug hier zitieren wollen:Die Armee hat gestern den ganzen Tag zwischen St. Privat und Rezonville gekämpft. . . Die Truppen sind ermüdet von den unausgesetzten Kämpfen, welche ihnen nicht im geringsten die Befriedigung ihrer materiellen Bedürfnisse oder zwei bis drei Tage Ruhe gestatteten. Der König von Preußen war mit Moltke heute in Rezonville und Alles läßt schließen, daß die preußische Armee Metz einschließen will. Ich denke noch immer nördlich fortzukommen auf Montmedy, van da auf die Straße St. Menehould- Chalons, wenn diese nicht zu stark besetzt ist. Ist dies der Fall, so werde ich bis Sedan und selbst bis Mezieres gehen, um von da Chalons zu ge­winnen ..So zog die französische Kriegsuntüch­tigkeit sich selbst die Schlinge um den Hals, die bei Sedan ein ganzes Volk erdrosseln sollte.

In Deutschland aber wogte ein Heller, rauschen­der Jubel der Begeisterung. Nur die große Zahl der Gefallenen trübte die Freude. Wir möchten aus diesem Grunde an dieser Stelle schließlich auch eines Gedichtes nicht vergessen, das Theodor Fontane in seinem bekannten WerkDer Krieg gegen Frankreich 1870/1871" mitteilt. Es lautet:

Das war eine Schlacht!

Drei Tage lang,

Vom Morgen bis zur sinkenden Nacht,

Der männcrmordende Donner kracht'

Und des Feindes mähende Sichel klang.

Das war eine Schlacht!

Zwischen Kamps und Kamps

Hat der Tod je einen Rasttag gemacht,

Umnebelt von schwebendem Pulverdampf,

Satt und übersatt

Des Blutes, daS er zu gierig trank,

Vom blutigen Mähen so müo und matt,

Daß. dem knöchernen Arm die Sichel entsank.

Das war eine Schlacht!

Und als deS dritten Tages Gestirn Zur Rüste ging und von der Berge Firn Ihren Schattenschleier senkte die Nacht,

Da lagen, Freund und Feind,

An die dreißigtausend vereint.

Im stummen Tode friedlich gesellt

Ein unabsehbar Leichenseld.

Und auf das klaffende Völkergrab,

Lächelt der Mond vom Sternenzelt Schweigend des Todes Frieden herab.

(Nachdruck verboten.)

Redaktion, Druck und Verlag von T. Me eh i« Neuenbürg.