Zweites

Zweites

Blatt.

Der «nztäler.

^ 131.

Neuenbürg. Mittwock den 17. August 1910.

68. Jahrgang.

RunSschau.

Berlin, 16. Aug. Aus Rügenwalde wird berichtet: Am hiesigen Ostseestrand sind die hoch­wichtigen Uebungen des Berliner Luftschiffer­bataillons und der Jüterboger Artillerieschieß­schule, die bekanntlich in Schießübungen auf Ballons bestanden, in Gegenwart des Majors Groß jetzt beendet worden. Ein Probeschießen fand auf 16 Fessel- und Kuppelballons statt. Es herrschte durchweg stürmische See. Bei vielen Treffern wurde ein Ballon in Brand geschossen, einer versank in den Fluten, einige flogen landeinwärts; davon ging einer verloren.

Die' Lokomotivfabrik von Henschel u. Sohn in Kassel feierte vor einigen Tagen ihr hundertjähriges Bestehen und die Fertigstellung der 10 000. Loko­motive. Henschel hat aus diesem Anlaß der Stadt Kassel 250 000 Mk. zur Errichtung eines Schwimm­bades, ferner 30000 Mk. für wohltätige Zwecke an Kasseler Vereine und Anstalten, 100000 Mk. dem Vaterländischen Frauenverein, 100 000 Mk. dem Eisenbahn-Töchterhort, 300 000 Mk. an Beamte und Arbeiter der Fabrik und 30 000 Mk. für die Witwen- und Waisenkasse des Werkes gespendet. Der In­haber der Fabrik, Kommerzienrat Henschel, wurde zum Geheimen Kommerzienrat ernannt und auch einer ganzen Anzahl Beamten und Arbeitern wurden Auszeichnungen zuteil.

Aus Hohenzollern, 16. August. An nicht weniger als drei Plätzen wurde letzter Tage der Stuttgarter Polizeihund Sherlockzur Ermittlung verwendet. So hat derselbe in Bisingen zwei mut­maßliche Täter, welche Fensterscheiben eingeworfen und weiteren Unfug verübt hatten, gestellt. Sherlock, unter seinem Führer Wißmann, suchte zwei Woh­nungen auf und stellte in der einen einen 30jährigen Ehemann, in der anderen einen etwa 24jährigen ledigen Burschen. Von da begab sich Wißmann mit seinem Hund nach Grosselfingen, wo dem Bürger­meister in vergangener Nacht einige Fensterscheiben eingeworfen worden waren. Auch dort war man befriedigt über die Leistung des Hundes. Endlich war der Hund in Hechingen tätig. Im Garten des Hrn. Konditors Röcker war ein Birnbaum in der Nacht vom Samstag auf Sonntag vollständig seiner Früchte beraubt worden. Das auf die Fährte ge­brachte Tier nahm sofort Witterung und führte seinen Herrn in zwei benachbarte Häuser. Ein im Garten aufgenommener Stiefelabdruck wurde bei dem Manne, der am verdächtigsten erscheint, abgemessen, wobei sich herausstellte, daß der Abdruck genau paßte. DaßSherlock" ein ausgezeichneter Polizeihund ist, geht auch daraus hervor, daß er die Spur noch nach gut eineinhalb Tagen trotz des voraufgegangenen Regens aufnahm.

Karlsruhe, 11. Aug. Ein charakteristisches Zeichen, das den Schwarzwaldlandschaften einen be­sonderen Reiz verlieh, nämlich das Schindeldach, ist wegen seiner Feuergefährlichkeit dem Untergang geweiht, nachdem die verschiedensten Versuche des Vereins für Heimatschutz, die Feuergefährlichkeit der Schindeldächer zu beseitigen, bis jetzt zu keinem be­friedigenden Ergebnis geführt haben. Zunächst sollen die Schindeldächer in geschlossenen Orten all­mählich beseitigt werden. Künftighin wird vom Ministerium des Innern an Hauseigentümer, die die Schindelbedachung ihrer Anwesen in solche mit feuersicheren Stoffen umdecken wollen, aus den im Staatsbudget hierzu zur Verfügung gestellten Mitteln Beihilfen in Höhe von höchstens der Hälfte der Umdeckungskosten gewährt. Nach den vom Mini­sterium für die Verteilung solcher Beihilfen ge­troffenen Vollzugsbestimmungen muß das Gesuch vor Ausführung der Umdeckungsarbeiten beim Bezirksamt eingereicht werden und das zur Verwendung kommende Material für die neue Bedachung unbe­dingt feuersicher sein und in ästhetischer Beziehung befriedigen. Auch soll die Beihilfe in der Regel davon abhängig gemacht werden, daß auch die Gemeinde einen Beitrag von mindestens 5 Prozent der Kosten gewährt. Minderbemittelte Hauseigen­tümer sollen bei der Beihilfebewilligung in erster Linie berücksichtigt werden.

Auf einer Wiese bei der Hüllerwühle in Gelsen­kirchen stolperte ein 14jähriger Junge und fiel dabei auf eine Sense, wobei ihm die scharfe Klinge tief in den Leib drang. Der Tod trat alsbald ein.

Aus der Pfalz, 14. August. Höher geht's nimmer I In Kirchheim a. E. wurde vor einigen Tagen der 80 Pfund schwere Klöppel der großen Kirchenglocke gestohlen und bis heute fehlt trotz eifriger Recherche der Gendarmerie noch jede Spur vom Täter.

Bozen, 15. Aug. Das von Fremden stark besetzte Karersee-Hotel, eines der größten Hotels in den Dolomiten, ist heute abgebrannt. Die Ursache des Brandes ist noch nicht aufgeklärt. Ueber 300 Fremde, die das Hotel beherbergte, kampieren im Freien. Da auch die Telephon- und Telegraphen­leitungen zerstört sind, fehlen nähere Meldungen. Der Bezirkshauptmann von Bozen, v. Hay merle, ist auf die Brandstätte geeilt und sorgte mittels Postautomobilen für den Abtransport der obdach­losen Gäste.

Paris, 16. Aug. Die Zahl der Toten bei der Eisenbahnkatastrophe bei Saujon wird jetzt offiziell auf 53, die der Verwundeten auf 60 an­gegeben. Die Schuld an dem Unglück trifft den Stationsvorsteher von Saujon, da die Signalscheibe nachweislich auffreie Fahrt" stand.

Paris, 16. August. Es bestätigt sich, daß die Gesamtzahl der bei der Eisenbahnkatastrophe von Saujon ums Leben gekommenen Personen 53 beträgt, außerdem wurden 65 verwundet. Ver­schiedene Verwundete sollen sich in sehr besorgnis­erregendem Zustand befinden, so daß an ihrem Auf­kommen gezweifelt wird. Die Totenliste dürfte sich demnach noch vergrößern. 7 Leichen sind gestern agnosziert worden. Es hat sich herausgestellt, daß der Weichensteller Desaffy der Haupt-, wenn nicht der Alleinschuldige an der Katastrophe ist.

Ischl, 15. Aug. Hofzahnarzt Ritter von Pünther ist heute vormittag von der Bleichwand bei Strobel abgestürzt und war sofort tot.

Bern, 15. Aug. Beim Edelweißsucheu abge­stürzt ist ein 31 Jahre alter Gerichtsschreiber aus Romont im Kanton Freiburg. Er stürzte am Vanil Noir eine hohe Felswand hinunter, wobei er einen rötlichen Schädelbruch erlitt. Der Verunglückte wollte demnächst heiraten und hatte seiner Braut den Strauß zugedacht, den er noch im Tode fest in der Hand behielt.

Bei Ino in Finnland, wo Befestigungswerke errichtet werden, kam es zu einer blutigen Prügelei und Stecherei zwischen russischen und finnländischen Arbeitern; es soll hierbei gegen 100 Schwerverletzte gegeben haben. Herbeigerufenes Militär schritt schließlich ein und machte dem Kampfe ein Ende.

Aus dem Norden des nordamerikanischen Bundes­staates Idaho werden furchtbare Waldbrände gemeldet; zu ihrer Bekämpfung wurde Militär ent­sendet. Die Ortschaften Taft und Squacocreek sind den Flammen vollständig preisgegeben. Für das Schicksal ihrer Bewohner fürchtet man das Schlimmste.

Tokio, 16. Aug. Nach amtlichen Feststellungen sind infolge der jüngsten Ueberschwemmungen 1112 Personen umgekommen bezw. werden vermißt. 3953 Häuser sind vom Wasser fortgerissen. Tausende von Menschen sind obdachlos und auf die öffentliche Wohltätigkeit angewiesen.

Württemberg.

Stuttgart, 15. Aug. Ein absonderliches Röntgenbild veröffentlicht die neueste Nummer des Medizinischen Korrespondenzblattes, des Organes des württ. ärzlichen Landesvereins. Zur Erklärung der Abbildung, die wohl ein Unikum darstellt, teilt Dr. Pfeiffer aus dem Bezirkskrankenhaus Göppingen mit: Am 10. März d. I. kam ein 16 Jahre alter Gürtlerlehrling ins Krankenhaus und gab auf Be­fragen zögernd und stockend an, er habe seit gestern abend eine Radfahrpumpe im Leibe. Diese Angabe ergänzte der begleitende Vater dahin, der Junge habe sich am Abend längere Zeit im Abort ein­geschlossen und ihn erst auf wiederholte Mahnung verlassen; einige Stunden später habe er seiner

Mutter geklagt, er habe sich ein Klistier machen wollen und dabei sei die dazu benutzte Radfahr­pumpe im Aster verschwunden. Der Versuch, den Fremdkörper aus dem Rektum zu entfernen, gelang nicht. Bei der Betastung der Bauchwand des schmäch­tigen, ziemlich stupiden Jungen fühlte man in der rechten Bauchgegend einen harten, runden beweglichen Körper. Schmerz wurde bei Berührung und Ver­schiebung des Körpers nicht geäußert. In leichter Aethernarkose gelang es mühelos, den Körper zu erfassen und zu extrahieren, wobei sich zur Er­heiterung der Umstehenden die einzelnen Glieder der Luftpumpe auseinanderzogen. Am 15. März 1910 wurde der Junge wieder hergestellt und arbeitsfähig entlassen. Der entfernte Fremdkörper stellt eine Radfahrpumpe dar, deren Länge 18 Zentimeter, mit Gummiansatz 26 Zentimeter, in ausgezogenem Zu­stande 48 Zentimeter und deren Durchmesser 2,5 Zentimeter beträgt.

Freuden st ad t, 15. August. Von der König!. Strafkammer in Rottweil wurden jüngst wieder 15 Wirte, zumeist von Freudenstadt, wegen ge­werbsmäßigen Glücksspiels zu je 1 Tag Gefäng­nis verurteilt. Es handelt sich um die bekannten Geschicklichkeits-Automaten", welche die Wirte in ihren Wirtschaften aufgestellt hatten. Die Eingabe des Landesverbands der Wirte Württembergs an das Justizministerium betr. die Umwandlung der Geld- und Gefängnisstrafen, die über eine große Anzahl von Wirten im ganzen Lande von ver­schiedenen Gerichten wegen Aufstellung von sogen. Glückspielautomaten verhängt wurden und die weitere Bitte um Festsetzung einer Norm, nach welcher auch der Laie Geschicklichkeit- und Glücksspielautomaten zu unterscheiden vermag, ist vom Justizministerium abschlägig beschieden worden. In der Begründung dieses ablehnenden Bescheides wird zu demjenigen Punkt der Eingabe, welcher die Umwandlung gericht­licher Strafen in Ordnungsstrafen betrifft, u. a. aus­geführt, daß die Verpflichtung zur Aufnahme der von den Gerichten wegen strafbarer Handlungen aus­gesprochenen Verurteilungen in das Strafregister auf reichsgesetzlicher Vorschrift, nämlich auf einer Verord­nung des Bundesrates, beruhe; sie trage nicht den Charakter einer Strafe an sich, sondern sei eine aus rechtspolizeilichen Gründen angeordnete Feststellung der Tatsache der Verurteilung. Dem ferneren Ge­suche, mittels einer allgemeinen Verfügung diejenigen Automatensysteme zu bezeichnen, die als Geschicklich­keitsautomaten anzusehen sind und demgemäß nicht unter den Begriff strafbarer Glücksspiele fallen, könne schon aus dem Grunde keine Folge gegeben werden, weil erfahrungsgemäß die Namen der Spielautomaten häufig gewechselt werden und weil sodann auch die maßgebende Entscheidung darüber, ob im einzelnen Falle ein Spielautomat unter den Begriff des Geschicklichkeit- oder des Glückspiels falle, lediglich den Gerichten zukomme. In der Deutschen Wirtszeitung wird dazu bemerkt, daß solch harte Strafen, wie sie verhängt wurden, in gar keinem Verhältnis zur Schwere des Vergehens stehen. Ungerecht sei nicht allein die Geld- oder Gefängnis­strafe, sondern ganz besonders die Wirkung der Strafe, die in der Folge für den Bestraften sehr große Nachteile haben könne. Es könne z. B. für einen Wirt eine Vorstrafe wegen Glückspiels den Grund zur Verweigerung einer Konzessionsverlegung resp. zur Erteilung einer Konzession bilden, ja sie könne sogar im Zusammenhang mit einigen anderen unbedeutenden Strafen die Konzessionsentziehung im Gefolge haben.

Breitenholz O/A. Herrenberg, 15. Aug. Letzt­hin war eine 32 Mann starke Abteilung mit ebenso vielen Pferden von dem in Stuttgart garnisonieren- den Dragoner-Regiment Nr. 26 hier. Die Dragoner mußten zu dem Kaiserpreisritt im Schönbuchwald Hindernisse erstellen und nachher wieder entfernen. An dem Kaiserpreisritt beteiligten sich 30 jüngere Offiziere von den Kavallerie-Regimentern des 13. (württ.) Armeekorps. Sie gingen morgens 3 Uhr in Abständen von je siebeneinhalb Minuten in Stutt­gart weg und kamen über Böblingen und Herren­berg hier an. Von einem Rittmeister wurde ihnen Instruktion erteilt. Die durch schwieriges Gelände