Ulm, 11. Aug. In der letzten Zeit waren in der Presse, insbesondere auch in auswärtigen Blättern Mitteilungen enthalten, daß ein Unteroffizier von hier einen zusammenlegbaren Kahn erfunden habe. Nach Erkundigungen desUlmer Tagblatts" an zu­ständiger Stelle soll von einer solchen Erfindung nichts bekannt fein.

Rottenburg a. N., 12. Aug. Während eines schweren Gewitters wurde der 6 Jahre alte Knabe des Landwirts Steinhilber in Ofterdingen unter einer Kastanie in der Nähe des Friedhofs vom Blitze erschlagen. Ein 8jähriger Bruder und die Mutter des Kindes, die gleichfalls unter der Kastanie Schutz gesucht hatten, waren einige Zeit bewußtlos, erholten sich aber wieder.

Vom Zabergäu, 12. Aug. Durch ein gestern über den oberen Teil des Zabergäus niedergegangenes schweres Gewitter mit wolkenbruchartigem Regen wurde großer Schaden angerichtet. Starke Regen­ströme gingen nieder und rissen Unmassen von Erde aus den höhergelegenen Weinbergen herab. In Leonbronn traf der Blitz vier auf dem Felde ar­beitende Personen, von denen zwei, der Knecht und die Magd des dortigen Ochsenwirts, sofort tot waren. Die beiden anderen wurden am ganzen Körper gelähmt; der eine von ihnen ist bis zur Un­kenntlichkeit entstellt und am ganzen Leib schwarz gefärbt. Die geschnittene Frucht ist großenteils ver­nichtet. In Maulbronn schlug der Blitz in den Neubau des Kaufmanns Bäuerle und tötete den auf einer Leiter stehenden ledigen Arbeiter König.

Gerabronn, 11. Aug. Der außerordentlich seltene Fall, daß ein Dienftbote ununterbrochen 63 Jahre in einem und demselben Hause im Dienst stand, wird von Brettheim hiesigen Oberamts ge­meldet. Dort starb im Alter von 77 Jahren Katha­rina Gackstatter, die 63 Jahre hindurch im Gast­haus zum Lamm daselbst bei 3 Generationen der Familie Krauß im Dienst stand. Nach 36 jähriger Dienstzeit wurde sie im Jahr 1883 von der Königin Olga durch das silberne Verdienstkreuz ausgezeichnet und an Weihnachten 1897 wurde ihr anläßlich ihres 50 jährigen Dienstjubiläums von unserer jetzigen Königin das goldene Verdienstkreuz verliehen.

Heidenheim, 5. Aug. Ein Mann von echtem Schrot und Korn war der Schultheiß Lindenmaier von Bergenweiler hiesigen Oberamts. Er war unter dem SpitznamenSchwertmann" überall bekannt. Diesen Namen gab ihm der Graf v. Maldeghem in Bergenweiler, der große Stücke auf seinen Orts­vorsteher hielt. Die beiden verstanden sich sehr gut und der stets zu Scherzen aufgelegte Graf ließ sich gern mitseinem" Ortsvorsteher in ein Gespräch ein. Manchmal aber war der sonst so gemütliche Graf auch übler Laune, wenn er nach Bergenweiler kam und in solcher Stimmung suchte er in die Ver­waltung des Schultheißen allerhand dreinzureden. Da kam er aber bei dem Alten schön an.Hier bin i Schuttes", sagte Lindenmaier.Als Graf sind Sia uf d'Welt komma, aber zum Schuttes mueß ma' earscht g'wählt werda. Hier Han is' Schwert in der Handl" Der Graf, der auch einen derben Spaß verstand, war entwaffnet. Leutselig

bar zu einem Stehschoppen nach derKrone" lenkte. Auch das noch! In derKrone" war ein Schank­mamsell, die allen Männern den Kopf verdrehte. Um ihn auf frischer Tat abzufassen, entschloß sie sich, an der Schenkstube vorbeizugehen und einen Blick durch die offene Tür zu werfen.

Von der Kellnerin war nichts zu sehen. Dagegen machte sie eine andere Entdeckung. Sie sah ihren Mann in der Gesellschaft des übelbeleumundeten Viehhändlers Bodanski. Beide tuschelten eifrig zu­sammen. Was mochten sie nur Geheimnisvolles^ besprechen haben!

Inzwischen traf Marie mit dem GeliebtenAhres Herzens an der Station zusammen, der ihr in großer Erregung entgegenkam. Es gelang ihr unter vielen Tränen, seinen Zorn zu stillen. Ehe sie sich trennten, wurde abgemacht, daß er am nächsten Morgen vor der Arbeitszeit den Vater aufsuchen und^mit ihm alles erledigen solle.

Im Hause gab es am Spätabende einen un­erquicklichen Auftritt zwischen dem Vater und der Mutter, die in ihrer Erregung immer wieder auf ihren Gatten einredete, bis dieser sich in die Schlaf­kammer zurückzog, wo er. ermüdet von der Arbeit, bald einschlief, während Mutter und Tochter beide eine unruhige Nacht hatten. Namentlich war dies bei der Mutter der Fall, die vor Argwohn und Furcht bei dem geringsten Geräusch in die Höhe fuhr.

Doch was hatte das zu bedeuten? Schon beim ersten Morgengrauen erhob Papa Prietzke vorsichtig

klopfte er seinemSchultes" auf die Schulter: Brav gesprochen, Schwertmann, ich werde mirs merken!" Von da an war Schultheiß Lindenmaier derSchwertmann". Jedes Kind kannte ihn unter diesem Namen.

Dürrmenz-Mühlacker, 11. Aug. Bei der Schlußvorstellung der Menagerie Wieser ging der Malermeister Wilhelm Essig von hier unter großem Beifall des zahlreichen Publikums in den Löwenkäfig, in dem sich drei Berberlöwen befanden, und spielte mit zwei Löwenbändigern eine Partie Karten. Dabei tranken die drei Männer eine Flasche Wein.

vermischtes«

Schramberg, 11. Aug. Einen denkwürdigen Beweis von Kunstsinn lieferte gestern nachmittag, lt. Schwarzwälder Tagblatt" ein Rindvieh, das vom Schlachthof tiefsinnig hinter seinem Führer die Berneck­straße hinunter trottete. Die hübschen Auslagen von Ansichtskarten und Bildern im Schaufenster einer Buchbinderei hatten es ihm angetan, und gleich lag die ganze Spiegelscheibe im Wert von 120 in Trümmern.

Bittelbronn, 7. Aug. Waldschütz Stehle von hier hat eine seltene Jagdbeute erwischt. Als er auf einen Schwarm Wildtauben schoß, war mitten unter diesen ein seltsamer Vogel, den sich Stehle näher betrachtete ein wunderschöner Papagei. Das Tier muß sich schon längere Zeit in Freiheit befinden, da es sehr gut fliegen kann. Glücklicher­weise wurde der Papagei durch den Schuß nur leicht verletzt, er ist wieder ganz frisch und munter. Woher der Papagei stammt und wie er unter die Wildtauben kam, war bisher nicht zu ermitteln.

Zweibrücken, 10. Aug. Ein köstliches Er­lebnis, das die Nachteile der Riesen-Damenhüte drastisch beleuchtet, konnten neulich auf dem hiesigen Bahnhof zwei Damen unter dem schallenden Hallo der Reisenden registrieren. Beide Damen trugen die bekannten Hutformen; eine der beiden verreiste, die andere gab der scheidenden Freundin bis zum Zuge das Geleite. Als die Zeit zum Einsteigen gekommen, wollten beide mit einem zärtlichen Kuß Abschied nehmen. Aber, o weh! Sie drehten und wandten sich und suchten bald rechts, bald links die Lippen aufeinander zu drücken, vergebens, die ungeheuren Hüte stemmten mit Gewalt sich entgegen, so daß es nicht gelang, Mund auf Mund zu drücken. Unter den jubelnden Zurufen der Reisenden mußten sich die Damen mit Händedrücken begnügen, dann ent­führte der Zug die durch die Tücke der Mode um einen süßen Kuß gekommene Freundin.

Wort-Rätsel.

Im Winde schwankt mit A es hin und her. Das Köpfchen senkend, wenn es gar zu schwer; Und wer es ohne A nicht heilig hält.

Verzichtet auf das Höchste in der Welt.

Auflösung des Scherz-Rätsels iu Nr. 127.

Alt, Alter. Altan, Altar.

das^'Haupt. Als er seinebessere Hälfte" scheinbar schlafend fand, stand er rasch und geräuschlos auf und zog sich an. Kaum waren seine Schritte im Flur verhallt, als Mutter Prietzke sich hinter einem Laden auf die Lauer legte. Eben trat ihr Mann auf die im Dämmerlicht graue Straße. Er warf einen durchdringenden Blick auf den geschlossenen Laden und schritt dann mit pfiffigem Lächeln weiter. In aller Hast ging Frau Prietzke durch das Garten- pförtchen, um durch die Laubenkolonien ihrem Manne unbemerkt folgen zu können.

Kaum hatte sie ein paar hastige Schritte getan, da stockte ihr Fuß. Was war das, drang nicht durch die Stille des Morgens ein schnarchendes Geräusch? Sie lauschte und wollte eben weilergehen, als wiederum abgebrochene Flüstertöne zu ihr herüber­zukommen schienen. Da setzte der Morgenwind ein und die Miniaturwindmühlen auf den Dächern der kleinen Lauben begannen lustig zu klappern, und den Osten säumte ein lichtes Rosenrot. Frau Prietzke schritt rüstig aus, um ihren Mann nicht aus dem Gesichte zu verlieren.

Plötzlich wie aus der Versenkung stieg da ein zweifelhaftes Jndividium vor ihr auf und, seinen erdbeschmutzten Rock in aller Eile überziehend, war es mit einem Satze neben ihr. Die wie Lots Frau zur Salzsäure erstarrte Mutter Prietzke wurde von ihm unsanft auf die Seite gestoßen, und als sie ihm in hilfloser Verzweiflung nachstarrte, sah sie noch vier verdächtige Subjekte mit affenartiger Geschwindigkeit den schmalen Laubenweg auf sich zukommen.

Kriegschronik von 187071.

tS.I1». Axguft 187«.

Herny. Das große Hauptquartier rückte gestern abend von Falkenberg nach hier vor. Die Linie der Mosel ist von den Unfern schon überschritten. Die 500 000 Mann dringen mit Macht vorwärts; der Feind wird sich wahrscheinlich auf Chalons stützen und Paris selbst als Soutien wählen. Der König ernannte heute den Grafen v. Bismarck-Bohlen, Gouverneur von Berlin, zum General-Gouverneur des Elsasses.

Herny, 15. August, ^/r8 Uhr abends. Um 3 Uhr vom Schlachtfelde vor Metz zurück. Die Avantgarde des VII. Korps griff gestern abend gegen 5 Uhr den abziehenden Feind an. Dieser stellte sich und verstärkte sich zusehends aus der Festung. Die 13. Division und Teile der 14. unterstützten die Avantgarde, desgleichen Teile des I. Armmeekorps. Ein sehr blutiges Gefecht entspann sich auf der ganzen Linie, der Feind ward auf allen Punkten geworfen und die Verfolgung bis vor das Glacis der Außen­werke fortgesetzt. Die Nähe der Festung gestattete dem Feinde vielfach, seine Blessierten zu sichern. Nachdem unsere Blessierten geborgen waren, zogen die Truppen in ihre alten Biwacks mit Tagesanbruch. Die Truppen sollen sich alle mit unglaublicher und bewunderungswürdiger Energie und mit Lust ge­schlagen haben. Ich habe viele gesehen und ihnen von Herzen gedankt. Der Jubel war ergreifend. Ich sprach mit General Steinmetz, Zastrow, Man- teuffel, Göben. Wilhelm.

Stuttgart. Der württ. Regierung ist Nachricht von der Ausweisung der Württemberger aus Frank­reich zugegangen. Es sind Maßregeln zur Unter­stützung der Ausgewiesenen durch Vermittlung der Schweizer Regierung, des württembergischen Gesandten in Bern und des württembergischen Konsuls in Genf getroffen worden.

Paris. Heute ist der Napoleonstag, während der Glanzzeit des Kaiserreiches einnationaler Fest­tag" und mit großartigem Gepränge gefeiert. Heuer denkt niemand daran. Ja, wäre der Cäsar siegreich gewesen!

Paris. DerNordd. Allgem. Ztg." wird ge­schrieben:Großer Sieg der Franzosen! Großer Sieg für einen Sou! Kaufen Sie den großen Sieg! Mit diesem Ruf betäuben die Verkäufer von Extra­blättern seit heute früh die Ohren von Paris. Aber das Volk ist mißtrauisch geworden. Seit der Komödie von Saarbrücken glaubt es nicht mehr an diegroßen Siege", welche ihm für einen Sou verkauft werden.

Dasckourim! oktieiel" bringt folgende Depesche: Der Präfekt des Meuse-Departements an den Mi­nister des Innern:15. August, 3 Uhr 10 Min. mittags. Es sind in Commercy Ulanen gesehen worden. Sie begaben sich nach Bar-le-Duc. Ich habe die Eisenbahn abschneiden lassen."

«-- ,

Aus den EnMer LLw".L

» . - -- - ... - . »

Flucht, nur rasche Flucht war ihr einziger Ge­danke und schnell schlug sich die korpulente Frau seitwärts in die kleinen Anwesen. Hier stieß sie eine mangelhaft geschlossene Gartentür auf, kroch durch einen Stacheldrahtzaun, nahm mit kühnem Anlauf die Höhe eines Komposthaufens. Jetzt nahte ein Lattenzaun. Wieder ließ sich der Schritt eines Verfolgers hören. Sie wagte gar nicht, sich umzu­blicken, aus Furcht, daß sie straucheln könnte. In halber Höhe des Zaunes stand ein zugedecktes Regen­faß. Die Geängstigte sprang darauf und wollte sich eben anschicken, über den Zaun zu setzen, als der Deckel dumpf krachend zusammenbrach und sie mit einem schrillen Aufschrei in der Wassermaffe versank. Zwei mächtige Arme umfingen in diesem Augenblick die arme Frau. Als sie die Augen wieder auftat, flimmerte die blanke Spitze einer Pickelhaube und die Knöpfe einer Uniform zu ihr herab. Schon wollte sie aufatmen, als die Anrede des Polizisten sie von neuem in Entsetzen brachte.

Vorwärts, alte Tippelschickse l" rief der Mann höchst unwirsch,zum Baden hat es Zeit, wenn wir drinnen am Alexanderplatz dich eingeliefert haben."

Da bekam die entgeisterte Frau die Sprache wieder und unter Tränen begann sie:Für wen halten Sie mich? Ich bin eine ehrsame Frau, der Vorarbeiter Prietzke ist mein Mann, und da drüben ist unser Haus!"

(Schluß folgt.)

Redaktion, Druck und Berlag von L. Me eh t« Reneubürg.