Wür ttem berg.
Friedrichshafen, 2. Sept. Der Besuch der Mitglieder des Reichstags beim Grafen Zeppelin am Samstag den 4. setzt sich wie folgt zusammen: Vom Zentrum 68, Konservative 31, Reichspartei 14, Nationalliberale 35, Sozialdemokraten 17, Freisinnige Volkspartei 15, Wirtschaftliche Vereinigung 12, Freisinnige Vereinigung 10, Polen 9, Volkspartei 5, bei keiner Fraktion 9. Unter den Nationalliberalen befinden sich: Bassermann, Dr. Heinze-Löschwitz, Justizrat Dr. Junck-Leipzig, Dr. Paasche-Berlin, Geh. Regierungsrat Schwabach- Beriin, unter den Konservativen die Abgg. Arendt, Graf v. Kanitz, unter den Sozialdemokraten Kaufmann Bohle - Straßburg, Emmel-Mülhausen, Geschäftsführer Fischer-Berlin, Redakteur Hildenbrand- Stuttgart, Schriftsteller Ledebour-Berlin. Vom Zentrum Becker-Köln, Erzberger-Berlin, Dr. Heim- Regensburg, Dr. Spahn-Kiel, Roehren-Köln und Dr. Schädler.
Stuttgart, 1. Sept. Zur Teilnahme an der Kaiserparade sind bis jetzt vom Württ. Kriegerbund 9000 Mitglieder angemeldet.
Stuttgart, 1. Sept. Auf dem Fangelsbachfriedhof fand heute abend wie in früheren Jahren eine Totenfeier an den Gräbern der dort beerdigten Krieger statt. Unter dem herrlichen Geläute sämtlicher Kirchenglocken setzte sich um 6 Uhr der Zug vom Vorplatz aus nach dem mit Pflanzen geschmückten Kriegerdenkmal in Bewegung. Voraus schritt die Stadtgarde, dann folgten Mitglieder der bürgerlichen Kollegien, das Präsidium des Württ. Kriegerbundes, die Veteranen- und Militärvereine mit umflorten Fahnen, Kriegsminifter v. Marchtaler mit dem Stadtkommandanten, aktive und inaktive Generale und zahlreiche Offiziere aller Waffengattungen. Der Krieger- und Sängerbund „Herzogin Wera" eröffnete die Feier mit dem Lied „Uebe: den Sternen", worauf Stadtpfarrer Stockmayer die Gedächtnisrede hielt. Sodann wurden namens her Stadtverwaltung und der militärischen Vereine Groß-Stuttgarts Kränze niedergelegt. Mit dem Lied „Auferstehen, ja Auferstehen" schloß die ernste Feier.
Stuttgarts. Sept. Aus Anlaß des National- festes zeigen sämtliche öffentliche Gebäude reichen Flaggenschmuck, auch viele Privatgebäude sind beflaggt.
Stuttgart, 30. August. Der neue Schlacht- und Viehhof in Gaisburg, ein großartiges Werk der Stadlgemeinde, hat heute seine Pforten geöffnet und dies Ereignis war wohl wert, durch eine kleine Feier begangen zu werden. Es haben sich hiezu eingefunden Oberbürgermeister v. Gauß mir den bürgerlichen Kollegien, Vertreter der staatlichen Behörden, darunter Präsident v. Haag vom Ministerium des Innern und der Präsident der Generaldirektion der Staatseisenbahnen v. Stieler, sowie Vertreter der Korporationen der Metzger und Viehhändler. Der Oberbürgermeister begrüßte die Erschienenen und wies auf die große sanitäre Bedeutung des neuen Schlachthofs für die ganze Stadt hin. Er schloß mit einem dreifachen Hoch auf den König. Sodann wurden sämtliche Anlagen besichtigt: Der große Viehhof, der Schlachihof, die Laderampen, Ställe, das Kühlhaus, das Börsen- und Wirtschaft^, sowie das Verwaltungsgebäude. Alles, was nur irgend wie an praktischen Neuerungen auf dem Gebiete der Technik und der Hygiene zur Anwendung gebracht werden kann, ist hier praktisch verwertet worden und Fachleute, die schon viele derartige Anlagen im In- und Auslands gesehen haben, erklärten den neuen Stuttgarter Schlacht- und Viehof für eine in jeder Beziehung mustergültige Einrichtung, auf die die Residenzstadt stolz sein könne. Es herrschte nur eine Stimme des Lobes und der Bewunderung für die großartige Durckführung des bedeutsamen Projekts. Nach der Besichtigung fand in dem geräumigen Börsensaal ein von der Stadtverwaltung gegebenes Frühstück statt, bei welchem Gemeinderat Dr. Rettich. Obermeister Häußermann, Präsident v. Haag und namens des Vereins Viehhändler Autenrieth Ansprachen hielten, in denen es auch an spitzen polemischen Bemerkungen nicht fehlte. Schließlich kam aber die persönliche Stimmung wieder zum Durchbruch und so verlief die Feier in würdigster Weise.
Stuttgart, 1. Sept. Der vorgestrigen Feier zur Einweihung des neuen Stuttgarter Schlachthauses sind die sozialdemokratischen Mitgliederder bürgerlichen Kollegien fern geblieben. Als Grund dafür gibt die „Schwäb. Tagwacht" an: „Mit der bürgerlichen Feier einer Gemeindeanstalt ist von der „demokratischen" Stadtverwaltung eine Monarchenhuldigung verbunden worden. Das hat die sozial-
> demokratische Fraktion der bürgerlichen Kollegien zu dem Beschluß veranlaßt, der Feier fernzubleiben." — Die „Monarchenhuldigung" bestand darin, daß die Eröffnungsrede des Oberbürgermeisters v. Gauß in ein Hoch auf den König ausklang.
Stuttgart, 31. August. Ein unglaublicher Kartenwucher wird mit den Platzkarten zu der offiziellen Tribüne für die Kaiserparade auf dem Cannstatter Wasen getrieben. Ganz besonders wird den Hotelportiers verschiedener hiesiger größerer Hotels der Vorwurf gemacht, einen Schacher mit Platzkarten zu treiben, der alles bisher Dagewesene in Stuttgart in Schatten stellt. Auch dem Generalkommando wird der Vorwurf gemacht, daß es gegen die beispiellose Wucherei nicht eingeschritten sei. Es darf nicht wundernehmen, daß tausende von Plätzen innerhalb weniger Stunden verkauft wurden. Die Plätze gingen an wenige Einzelne über, während das Publikum das Nachsehen hat. Erfreulich ist es deshalb, daß neben der offiziellen Tribüne eine zweite errichtet werden wird, zu der zur Stunde noch Plätze zu müßigen Preisen zu haben sind.
Stuttgart, 25. August. Der Schwäbische Sängerbund hat die zur Aufführung bei dem 29. Allgemeinen Liederfest in Heilbronn im Jahre 1910 bestimmten Chöre bekanntgegeben. Als Massenchöre kommen zum Vortrag: „Bin i net a Bürschle", Satz von Silcher; „Es fliegt manch' Vöglein", Lied von Silcher; „Ich habe den Frühling gesehen" von Silcher: „Rosenfrühling" von Jüngst; „Geweihte Liebe" von Beines; ferner der neue Wahlspruch des Schwäbischen Sängerbundes. Diese Lieder werden von sämtlichen Vereinen gesungen. Für die Vereine in Abteilung 2—5 sind bestimmt: „Beim Wandern" von Wörz; „Sonntags am Rhein" von Veit; „Das alte Mütterlein" von Schwartz; „Maientag" von Schauß; ferner die Vereine Abteilung 3—5: „Waldeinsamkeit" von Pache; „Waldesweise" von Engelsbsrg; „Braun's Mägdelein", Altdeutsches Volkslied, bearbeitet von Wörz; „Elslein". alte Volksweise, Satz von Speidel; „Das deutsche Lied" für Männerchor und großes Orchester von E. Wendel, sodann für die Vereins der Abteilungen 4—5: „Chor der Winzer" mit Orchester aus Herders; „Entfesselter Prometheus" von Franz Liszt und „Apotheose des Hans Sachs" aus der Oper „Die Meistersinger von Nürnberg".
Stuttgart. 2. Sept. In vielen Wirtschaften sieht man keine Zündhölzer mehr auf den Tischen. Die Wirte haben Gasschläuche zum Anzünden der Zigarren anbringen lassen.
Göppingen, 31. August. In dem Schnellzug Nr. 19 Stuttgart—Ulm—München, der mit einer Geschwindigkeit von 70 Kilometer die Station Göppingen durchfuhr, befand sich auch der Bäckermeister Leinz von hier, der nur eine Fahrkarte bis Göppingen hatte. Er sprang aus dem Zug. wobei er so zu Boden geschleudert wurde, daß er schwere Verletzungen davontrug.
Crailsheim, 29. August. Von der hiesigen Stadtverwaltung wurden kürzlich die Arbeiten für die erhöhten Nebenwege an der Wilhelmstraßs zur Vergebung ausgeschrieben und von 4 Handwerksmeistern Offerte eingereicht. Die Eröffnung hat Preisunterschiede ergeben, wie sie wohl einzig dastehen. Für die Handarbeit von 650 gw Beton und ca. 200 laufende Meter Randfassung, sowie das Verlegen von ca. 650 gw Zementplatten verlangte nämlich der Höchstfordernde 1259 Mk., der Niederstfordernde 609 Mk., also, 650 Mk. oder 51,62"/» weniger als der elftere. Welcher von beiden sich da verrechnet hat, wird am genauesten der erfahren, dem die Arbeiten übertragen wurden. Bemerkt sei noch, daß die beiden andern Offerten auf 1008 Mk. und 1141 Mk. lauteten.
Freudenthal OA. Besigheim, 1. Sept. Einen Beweis von der großen Masse Wespen auf hiesiger Markung liefert die Tatsache, daß von zwei hiesigen Männern innerhalb 10 Tagen 150 Pfund gut bevölkerter Wespen- und Hornissen-Waben an die Gemeindepflege abgeliefert wurden, von welcher per Pfund 60 Pfg. aus der Gemeindekasse dafür bezahlt werden. Trotz dem gefährlichen Geschäft ein netter Verdienst.
Von der Hornisgrinde, 31. August. Am neuen Hornisgrindenturm wird seit Ostern ds. Js. tüchtig gearbeitet. Gegen 30 Mann sind beschäftigt, so daß der massive Steinbau bis zur ersten Stockhöhe gediehen ist. Die Steine liefert der Rücken des Berges in herrlicher Beschaffenheit und ausreichender Menge. Eine improvisierte Drahtseilbahn, über welche der Weg zum Mummelsee mit Hilfe einer kleinen Holzbrücke führt, schafft die Steinblöcke an Ort und Stelle. Die Hornisgrinde wurde in
den letzten Wochen von Touristen viel besucht. Die Aussicht war an einzelnen Tagen großartig, meist aber bot sich dem enttäuschten Auge des Wanderers ein — wogendes Nebelmeer. Auch die Heidelbeer- sammler waren zahlreich an Ort und Stelle, da die Beeren gerade in den höheren Lagen eine reiche Ausbeute boten.
Vom Lande. 1. Sept. Was auf Kinderaussagen zu geben ist, dafür folgendes Beispiel: Eine Arbeiterin aus Rinteln war auf Anzeige einer mit ihr verfeindeten und auf die Aussage eines zehnjährigen Waisenkindes, das sie in Pflege hatte, zu einem Jahr Zuchthaus verurteilt worden, weil sie das Kind angehalten haben sollte, unzüchtige Handlungen von einem inzwischen Verstorbenen 80jährigen Greis zu erdulden. Vergebens waren alle ihre Beteuerungen und alle Versuche ihres Verteidigers, durch Revision und Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens die Unschuld der Frau zu erweisen. Kurz vor seiner Einsegnung hat nun das einstige Pflegekind der Frau dem Seelsorger unter Tränen unaufgefordert gestanden, daß die Frau unschuldig im Zuchthaus gesessen habe. Die Frau ist jetzt im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen und auch vom Staat entschädigt worden, soweit eine äußerliche Entschädigung hier helfen kann.
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Neuenbürg, 1. Septbr. Mit dem heutigen Tag ist das neue Weingesetz in Kraft getreten. Die wichtigsten Neuerungen sind: die räumliche Begrenzung der Zuckerung bis zu höchstens einem Fünftel der ganzen Flüssigkeit, jedoch auch nur unter gewissen Bedingungen und Voraussetzungen, die zeitliche Beschränkung des Zuckerns bis zum 31. Dezember des Jahres, dann die Ueberwachung der Betriebe in allen Teilen des Reichs durch Sachverständige im Hauptberuf, endlich die Verpflichtung zur Buchführung als dem wirksamsten Mittel zur Unterstützung der Kontrolle.
Neuenbürg, 2. Sept. Die neueste Nummer des „Gewerbeblattes" enthält eine Bekanntmachung der K. Zentralstelle betr. eine von der Zentralstelle unter Leitung ihrer Auskunftsstelle für gewerblichen Rechtsschutz für Anfang des Jahres 1910 geplante. Ausstellung von Erfindungen in dem Ausstellungsgebäude der Zentralstelle, sowie einen auf diese Ausstellung vorbereitenden Artikel von dem Vorstand der genannten Auskunftsstelle, Walter Schwaebsch, über dis Verwertung gewerblicher Schutzrechte.
T Feldrennach, 3. Sept. Heute nacht '/-3 Uhr brach in dem Wohn- und Oekonomiegebäude des Bauern Ludwig Friedrich Merkle Feuer aus, welchem in kurzer Zeit das gesamte Anwesen zum Opfer fiel. Das angebaute Wohnhaus des Bauern Wilhelm Mitschele ist stark beschädigt worden und konnte nur mit größter Mühe dem verheerenden Element entrissen werden. Der entstandene Gebäudeschaden beläuft sich auf etwa 6000 Mk. Der Mobiliarschaden des versicherten Besitzers beträgt etwa 4000 Mk. Brandstiftung wird vermutet.
Nagold, 30. Aug. Auf letzten Samstag nachmittag hatte der Verbandsvorsitzende der Ueberlandzentrale vom Bezirk Calw und Umgebung, Stadtschultheiß Müller von Neubulach, die Interessenten zu einer Versammlung eingeladen. An der Versammlung nahmen teil: Regierungspräsident v. Hofmann-Reutlingen, Baudirektor v. Leibbrand- Stuttgart, die Regierungsräte Voelter-Calw und Ritter-Nagold, Professor Veesenmayer-Stuttgart und Ingenieur Wahlström, sowie eine stattliche Anzahl von Schultheißen vom hiesigen Oberamt und den Oberämtern Calw, Neuenbürg und Leonberg. Es handelte sich in der Hauptsache um den am 17. Juni in Neuenbürg gefaßten Beschluß des Ausschusses betr. Eingabe um Erlaubnis zum Bau der Ueberlandzentrale Calw und Umgebung. Die Kgl. Kreisregierung machte die Genehmigung von einem Gutachten der K. Zentralstelle abhängig. Vor acht Tagen ist nun dieses Gutachten eingelaufen. In demselben ist die Rentabilität des Unternehmens bestritten und der Erbauung der Zentrale wenig günstige Aussichten gestellt. Baudirektor Leibbrand- Stuttgart, sowie Prof. Veesenmayer und Ingenieur Wahlström suchten an der Hand von genauen Berechnungen zahlenmäßig nachzuweisen, daß die Berechnungen in dem Gutachten der K. Zentralstelle zum größten Teil unrichtig und die aus den Berechnungen gezogenen Schlüsse nicht stichhaltig seien, daß im Gegenteil die im Vorschlag enthaltenen Sätze für Baukosten und Betrieb höher angesetzt seien als der wirkliche Bedarf wohl ausmache und daß demnach die Rentabilität des Unternehmens gesichert sei.