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Da indessen noch mehrere Familien ihre Angehörigen vermissen, die den Unglückszug benützten, so muß man befürchten, daß die Zahl der Opfer noch größer ist. Bisher wurden 84 Leichen agnosziert. Dem Lokalanzeiger" zufolge ist ein Commis Alfred Wermelinger die einzige Person deutscher Abstamm­ung unter den Toten. Der Bahnhof Menilmontant, wo die beiden Züge in Brand gerieten, ist fast voll­ständig zertrümmert. Die wenigen Ueberreste sind ausgebrannt. Die Feuerwehr wirft noch immer Wassermengen in die Trümmer. Wie noch der Vossischen Zeitung berichtet wird, befanden sich in dem Unglückszuge 350 Personen. Alle hätten sich retten können, ehe der Rauch eingedrungen war Ein großer Teil der Fahrgäste wollte aber den Zug nicht verlassen, ehe ihnen der Schaffner nicht das Fahrgeld zurückerstattet hatte.

Berlin, 12. August. Der Lokal-Anzeiger meldet aus Paris: Das Bild im Tunnel der Rue de Couronnes ist heute noch ein furchtbares. Längs des rauchgeschwärzten Mauerwerks, dessen geborstene Fayence-Platten den Boden bedecken, beleuchten Fackeln die Ueberreste der Waggons. Immer noch werden Gegenstände gefunden, die den Opfern ge­hörten.

Berlin, 13. Aug. Einer Pariser Depesche des Lokal-Anzeigers zufolge ist der am schwersten Heimgesuchte unter den bei der Eisenbahnkatastrophe zu Schaden Gekommenen der in Allgier garniso- nirende Soldat Didon, der Vater, Mutter, zwei Schwestern und seine Tante verlor. Das Gerücht von neuen Leichenfunden ist bisher unbestätigt.

Berlin, 13. August. In der Nacht zum Montag ist auf dem Tegeler See ein Bot gekentert, wobei der 22jährige Sohn eines Restaurateurs seinen Tod fand.

Braunschweig, 13. Aug. Von den Kin­dern, die während der Ferien an den Ausflügen in die Umgebung teilgenommcn haben und bedenklich erkrankten, ist heute ein 12jähriges Mädchen gestor­ben. Als Todesursache ist ärztlicherseits nun doch Typhus angegeben worden. Der Grund der Er­krankung wird darin gefunden, daß Kindern Milch dargereicht worden ist, die angeblich mehrere Stun­den der glühenden Sonnenwärme ausgesetzt und total verdorben gewesen sein soll.

Neu-Ruppin, 13. August. Ein Gefreiter Namens Dräger hatte vom Manöver von Jüter- Logk heimlich einen Zünder mitgenommen und machte sich damit zu Hause zu schaffen, als eben sein Freund, der Unteroffizier Erich Krauß aus Berlin, ihn besuchen wollte. Krauß, der erst kurz zuvor einem Kameraden ein gleiches Sprengstück fortgenommen hatte, um es vorschriftsmäßig abzu­liefern. sah bei seinem Eintritt, daß Dräger den Zünder in den Schraubstock gespannt hatte und darauf schlug. Während er ihm zurief, dies zu unterlassen, erfolgte die Explosion. Als die An­

gehörigen der Familie Dräger herbeieilten, fanden sie beide Freunde in ihrem Blut schwimmend. Sie waren bei vollem Bewußtsein. Krauß schleppte sich in die nahegelegene Küche; er tröstete noch seinen Freund. Eine Bauchfellentzündung raffte beide kurz nach einander dahin. Unter großer Beteiligung wurden sie in einem gemeinsamen Grade beigesetzt.

Paris, 12. August. Gestern abend 6'/- Uhr geriet neuerdings infolge Kurzschluß ein Motor­wagen der Metropolitan-Bahn in Brand. Es ent­stand eine Panik unter den Passagieren. Dieselben verließen schleunigst den Wagen, wobei zwei Frauen verletzt wurden. Das Feuer wurde sofort gelöscht. Die Behörden haben nach eingehender Untersuchung den Verkehr zwischen den vier Stationen in der Umgebung der Unfallstelle bis auf Weiteres verboten. Die republikanische Garde wurde gegen Mitternacht vom Nachtdienst au der Unglücksstelle abgelöst und die Polizei übernahm wieder den Ordnungsdienst.

Paris, 13. Aug. Tie heute Nachmittag statt findende Beisetzung der bisher nicht reklamierten 25 Opfer der Bahnkatastrophe wird einen ganz offiziellen Charakter tragen. Das Musiker- Korps der republikanischen Garde wird an dem Leichenzuge teilnehmen. Außer Combes wird auch der Vorsitzende des Gemeinderates sowie daS diplomatische Korps vertreten sein. Aus dem Aus­lande trafen von allen Seiten Beileidskundgebungen ein. So hat unter Anderem die italienische Re­gierung ihren hiesigen Botschafter beauftragt, dem Pariser Gemeinderat ihr Beileid wegen der Kata­strophe auszudrücken. Auch der Wiener Gemeinde­rat sandte ein Condolenztelegramm. Der Metro- politanbahn-Ausschuß ernannte eine 12 gliedrige Kommission, welche neben der gerichtlichen auch ihrerseits eine Untersuchung einleiten soll. In der gestrigen Sitzung der Kommission wurden alle er­denklichen Vorschläge zur Verhütung einer ähnlichen Katastrophe gemacht. Allgemein war man geneigt, die auf der Berliner Untergrundbahn getroffenen Einrichtungen einzuführen. Außerdem soll auf jeder Station ein eiserner Vorhang zur Abschließung angebracht werden.

Paris, 13. August. Die Subscription des Figaro für die Opfer der Eisenbahnkatastrophe er­gab bis gestern abend bereits 19,365 Fr.

London, 13. August. Die Direction der hiesigen Untergrundbahn hat bereits gestern Arbeiten in Angriff genommen, um die Beleuchtung der Untergrundbahn unabhängig von der elektrischen Stromleitung zu machen.

Vermischtes.

sDer deutsche Kronprinz als Rennreiter.s Nach derSportwelt" gewann der Kronprinz auf dem Truppenübungs­platz Döberitz bei dem Rennen der 1. Garde- Jnfanteriebrigade selbst auf eigenen Pferden zwei

Rennen. Das Wetter war wenig günstig, die Be­teiligung jedoch trotzdem eine sehr rege. Die beiden ersten Nummern des Programms bestanden aus Jagdrennen über Hürden und Gräben von ca. 4000 Meter, mit einem Auslauf von 1000 Meter, das dritte war ein Flachrennen. Für 2 Rennen hatte der Kronprinz die Ehrenpreise gestiftet, für das andere Prinz Friedrich Wilhelm einen solchen, die übrigen Preise brachten die beteiligten Regimenter auf. Der Kronprinz gewann gerade die beiden Rennen, für die er selbst die Preise gegeben hatte, die er dann beidemal an den Reiter des zweiten Pferdes abtrat. Das eine Rennen gewann der Kronprinz erst nach schärfstem Kampf unter hartem Reiten, daS andere hingegen ganz leicht.

EineMünchhauseniade. Einen wundersamen Vorfall, der freilich in verdächtiger Weise an die Erzählungen des unsterblichen Frei­herrn von Münchhausen erinnert, berichtet die in London erscheinendeEisenbahnzeitung." An einer Stelle wird die große Nordbahn von einer anderen Bahnstrecke zwischen den Ortschaften Luton und Hert- sort in gleicher Ebene gekreuzt. Auf der elfteren Linie bewegte sich eines Tages an der fraglichen Stelle ein langer Güterzug, dessen Führer plötzlich bemerkte, daß auf der kreuzenden Strecke von Luton her ein Personenzug mit einer durch die Neigung des Gleises verstärkten Geschwindigkeit herangesaust kam. Zunächst gab er das Zeichen zum Anziehen der Bremsen, dann aber änderte er seinen Entschluß und. gab vollen Dampf. Der Bremser auf der Hin­teren Seite des Zuges hatte aber die Bremse schon angezogen und die Folge davon war, daß der Güter­zug in zwei Teile zerriß und zwar genau so, daß der Personenzug durch die Lücke hindurchfuhr, ohne daß ein Schaden verursacht wurde!

Wieviel Haare man auf dem Kopfe hat. Die Statistiker haben auch diese Fragen in Angriff genommen. Die einen haben die Anzahl Haare gezählt, die auf verschiedenen Köpfen einen Quadraizvll bedeckten, und haben so eine Durch­schnittszahl gefunden, die 1076 ergeben hat. Da nun die Oberfläche eines menschlichen Kopfes im Durchschnitt über 20 Quadratzoll beträgt, so würde sich die Zahl der Haare im ganzen 127 920 belaufen. Andere Statistiker, die in ihren Forschungen noch gewissenhafter waren, haben die Dichtigkeit des Haarwuchses nach der Haarfarbe unterschieden. Sie geben uns folgende Ziffern: rote Haare 9200; braune Haare 11800; schwarze Haare 105 050; blonde Haare 143 000. Die blonden Haare wären die feinsten und die roten die dicksten.

Gottesdienste

am 10. Sonntag nach Hrinit., 16. August.

Vom Turm: 842. Predigtlied: 438, Mache dich mein Geist re. Kirchenchor: Der Herr ist mein Hirte rc. 9 Uhr: Vormitt.-Predigt, Herr Dekan Roos. 1 Uhr: Christenlehre mit den Söhnen.

Amtliche Md PrimtmiMtu.

Calw.

Ausstellung vsn Gemälden

aus j)rivatbesitz

im Georgenäum.

Geöffnet bis Sonntag, den 30. Aug., täglich von 106 Uhr.

Kesirks-Handkls- und Gemrdk-Kerck.

Am Samstag, den 15. August, abends 8 Uhr, wird Herr Real­lehrer Strake im Dreiß'schen Saal einen Vortrag halten über:

Den Niedergang des Handwerks und die versuche demselben aufzuhelfen".

Anschließend an diesen Vortrag soll auf Veranlassung der Handwerks­kammer ein Beschluß gefaßt werden, daß jeder Gewerbetreibende, für jede abgelieferte Ware, oder beim Abschluß jeder geleisteten Arbeit, sofort Rechnung darüber auszustellen hat, spätestens aber '/--jährlich. Um diesen Zweck zu erreichen, ist es notwendig, daß sich jeder Gewerbetreibende zu dieser Versamm­lung einfindet.

Der Eintritt sowohl zum Vortrag als der Verhandlungen ist für Jeder­mann frei.

Der Ausschuß.

Eintrittspreis 30 ßsg.

Zum Umtausch der gekündigten 4 o/oigen württög. SLaatsoöligationen

in neue 3'/s ",'oige Schuldbriefe erklärt sich bereit

die Crrditdliuk für lmbwirtschast«. Gewerbe Calw

e. G. m. b. H.

Ich setze mein am Marktplatz gelegenes

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dem Verkaufe aus.

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Dasselbe eignet sich vermöge seiner günstigen Lage und großen Räum­lichkeiten sowohl zur Fortsetzung des seitherigen Geschäfts als zu jedem andern Geschäftsbetrieb.

Louk Schill Witwe am Markt,

Küte, Schuhwaren, Nähmaschinen.