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139.

Neuenbürg, Montag den 30. August 1909.

67. Jahrgang.

KZMAZehau.

L IH auf -er Fahrt nach Berlin.

Ueber die Fahrt des 2 III nach Berlin sind nach Ausgabe des Samstagsblattes bis heute früh eine Reihe telegr. Nachrichten eingegangen, welche wir durch Anschlag am Hause bekanntgegeben haben und nun nachstehend folgen lassen. Eine solche Menge von ausführlichen Nachrichten, wie sie die heutige Frühpost aus Berlin gebracht hat, haben wir bis jetzt noch nicht erlebt. Wir geben hiernach die Telegramme in ihrem Wortlaut und die weiteren Nachrichten über 2 III in gedrängter Kürze, dem knappen Raume unsr. Blattes entsprechend, der Zeitfolge nach.

Bitterfeld, 28. August. (Telegramm an den Cnztäler, 5.15. nachm.). Nach einer hier einge­gangenen Meldung von 2 III aus Schmölln soll er zwischen Krimmitschau und Altenburg wegen Propellerbruchs niedergegangen sein, näheres fehlt. Graf Zeppelin meldete dem Kaiser, die Ankunft in Berlin werde heute wegen starken Gegenwindes nicht mehr stattfinden.

Leipzig, 28. August. (Telegramm an den Cnztäler, 6.12 abends). 5.30 Uhr fuhr 2 III, der bei Schmölln einen Propeller verloren hat, aber nicht gelandet ist, langsam über die Stadt nach Bitterfeld, wo er 5.55 gesichtet wurde.

Bitterfeld, 28. August. (Tel. abds. 7.10.) Das Luftschiff ist 6.25 abends in Gegenwart des Grafen Zeppelin und des deutschen Kron­prinzen glatt gelandet.

Bitterfeld, 28. Aug. Der Kronprinz ist im Automobil hier eingetroffen und im Hotel Kaiser­hof abgestiegen, wo er sofort dem Grafen Zeppelin einen Besuch abstattete, um mit ihm im Auftrag des Kaisers die Einzelheiten der Fahrt nach Berlin u besprechen. Mit Rücksicht auf die lange Kreuz- ahrt in Oberfranken und über dem Fichtelgebirge hat sich als notwendig herausgestellt, in Bitterfeld eine Neufüllung mit Gas vorzunehmen. Alle Vor­bereitungen dazu sind bis ins kleinste Detail getroffen und man glaubt deshalb, daß die Füllung höchstens eine Stunde dauern werde. Mil dem Kronprinzen traf auch die Kronprinzessin ein.

Berlin, 28. Aug. Nach einem Privattelegramm von hier scheint2 III" auf seiner Fahrt zurück­getrieben worden zu sein. Um 4 Uhr morgens waren bereits 120 Kilometer zurückgelegt -und der Ballon wurde auf der Höhe von Hof gesichtet. Seltsamerweise ist diese Tatsache in den Meldungen der Telegraphenbureaus nicht enthalten gewesen. Um 5 Uhr 30 Minuten war das Luftschiff auf der Höhe von Plauen, dort scheint es irgend einen Un­fall erlitten zu haben oder einer besonderen Schwie­rigkeit begegnet zu sein. Es mußte landen, wenn auch nur für wenige Minuten. Nach dem neuer­lichen Aufstieg wurde es zurückgetrieben und passierte um 7 Uhr Münchberg. 10 Uhr 30 Minuten war es zum zweiten Mal über Hof und kam dann 11 Uhr 40 Minuten das zweite Mal nach Plauen, wo es bis 12 Uhr kreuzte.

Bitterfeld, 29. Aug. Auf die gestrige An­frage des Grasen Zeppelin an den Kaiser sandte der Kaiser ein langes, äußerst liebenswürdiges Telegramm, in dem er die Hoffnung ausspricht, den Grasen um 12 Uhr über dem Tempelhofer Felde zu sehen.

Bitterfeld, 29. August. Der dichte Nebel, der schon bei Sonnenaufgang herrschte, verdichtete sich immer mehr, so daß das Luftschiff nur teilweise sichtbar war. Graf Zeppelin, der sehr wohl aussah, unterhielt sich freundlich mit zahlreichen Herren, die ihn begrüßten. Nachdem man die Motors viermal zur Probe hatte anlaufen lassen, gab Punkt ff-8 Uhr der Graf durch das Sprachrohr den Befehl: An­

lüften I, worauf sich das Luftschiff allmählich hob. Auf das Kommando: Los! ließen die Mannschaften die Leinen los, die Schrauben setzten sich in Beweg­ung und das Luftschiff entfernte sich mit großer Schnelligkeit in der Richtung nach Berlin unter brausendem Jubel des Publikums. In der vorderen Gondel befinden sich die Grafen Zeppelin sen. und jun., Oberingenieur Dürr, Oberingenieur Kober, Ingenieur Lau, Steuermann Hacker und die Mon­teure Schwarz und Labourda. In der Hinteren Gondel sitzen Direktor Colsmann, Ingenieur Stahl und der Monteur Käst.

Jüterbog, 29. Aug. Das Luftschiff wurde um 9.24 vom Truppenübungsplatz aus gesichtet.

Beelitz, 29. Aug. Das Luftschiff überflog die Stadt um 9.50 Uhr in der Richtung nach Wildpark.

Potsdam, 29. August. 2 III erschien 10.15 über Potsdam, manövrierte über Sanssouci und verschwand 10.30 in der Richtung nach Berlin.

Berlin, 29. Aug. (11.15 Uhr.) Bei der An­näherung an die Stadt über Schöneberg verringerte das Luftschiff seine Geschwindigkeit. Man konnte deutlich sehen, wie verschiedene Manöver ausgeführt wurden, augenscheinlich um die Ankunft des Kaisers aus dem Tempelhofer Felde abzuwarten. Die Dächer der Häuser waren dicht besetzt von Menschen, die Tische und Stühle aufgestellt hatten, um gemütlich die Bewegungen des Luftkreuzers beobachten zu können.

Berlin, 29. Aug. Um i/sl Uhr begrüßte das Luftschiff über dem Tempelhofer Feld den Kaiser. Es neigte sich mehrmals und fuhr sodann unter dem Glockengeläute der benachbvrten Kirchen und den Jubelrufen Hunderttausender über das Tempelhofer Feld, über die Straßen und Dächer der Gebäude in weitem Bogen nach dem Kreuzberg und kehrte dann wieder nach dem Standplatz des Kaisers zu­rück, wo es die verschiedensten Wendungen, Dreh­ungen und Manöver ausführte. Der Rathausturm war von Mitgliedern des Magistrats, der Stadtverord­netenversammlung, Beamten und Gästen dicht besetzt. Eine Musikkapelle auf dem Turm begrüßte das Luftschiff mit dem LiedDeutschland, Deutschland über alles." Der Ballon umfuhr sodann den Turm der Petrikirche, wandte sich von hier zur Straße Unter den Linden und fuhr über diese hinweg bis zum Brandenburger Tor, wo es ebenfalls einen Kreis beschrieb, die Spitze tief abwärts gerichtet. Hierauf fuhr es in großem Bogen über die nördliche Friedrichsstadt und die Oranjenburger Vorstadt und wendete sich dann wieder dem Schloß zu. Das Luftschiff wandte sich hierauf nach dem Friedrichshain, wo eine große Menge Schulkinder zur Begrüßung des Ballons Aufstellung genommen chatte. Es machte dort verschiedene Wendungen und nahm dann wieder die Richtung über das Rathaus nach der Leipziger­straße, über die Friedrichsstraße hinweg nach dem Tiergarten und wandte sich dann wieder über Moabit nach dem Norden.

Schießplatz Tegel, 29. Aug. Um 1.15 Uhr kamen in Automobilen vom Tempelhofer Feld der Kaiser und die Kaiserin mit Prinzessin Viktoria Luise, der Kronprinz und die Kronprinzessin, Prin­zessin Eitel Friedrich und die unverheirateten Prinzen nebst Gefolge. Kurz vorher war Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg eingetroffen, der von Geheimrat Lewald begrüßt wurde. Mit der kaiser­lichen Familie war Generaloberst v. Kessel einge­troffen, ferner der Chef des Generalstabs, General v. Moltke, der Chef des Mililärkabinetts, General Frhr. v. Lyncker, und Fürst Fürstenberg. Gleich bei ihrer Ankunft überreichte Bürgermeister Dr. Reicks der Kaiserin einen Blumenstrauß. Nachdem der Bürgermeister seine Rede geschloffen hatte, sagte der Kaiser:Seine Exzellenz Graf Zeppelin Hurra! Hurra! hurrah!" Die Anwesenden stimmten begeistert ein. Alsdann besichtigte der Kaiser, während die

Kapelle konzertierte, die Gondeln und die Art der Verankerung. Die Herrschaften begaben sich ge­meinsam ins königliche Schloß, wo Frühstückstafel stattfand. Graf Zeppelin und der Kaiser waren auf dem ganzen Wege Gegenstand stürmischer Huldigungen.

Berlin , 29. Aug. Berlin rüstete sich zu einem Festtag, der durch die Feier des Sonntags und das prachtvolle Wetter noch einebesondere Weihe erhielt. Vergessen war die Enttäuschung von gestern. Da die Morgenblätter die Ankunft des Luftschiffes für ff-1 Uhr angesagt hatten, entwickelte sich der Verkehr in den Straßen in den ersten Morgenstunden nur langsam. Aber als ff-11 Uhr, zwei Stunden früher als erwartet, das Luftschiff über Großlichterfelde und Steglitz gesichtet wurde und diese Kunde sofort telegraphisch nach Berlin gelangte, änderte sich das - Bild mit einem Schlag. Die zehntausende von Fremden, die gestern nach Berlin gekommen waren, hatten im Nu ihre Hotels verlassen und Großberlin eilte auf die Beobachtungsstation. Ein Kampf um Automobile und Droschken begann, wie ihn Berlin noch nicht erlebt hatte und nur wer sich ein Gefährt zum Landungsplatz in Tegel rechtzeitig gesichert hatte, hatte auch Aussicht, dort zurzeit einzutreffen. Zahl­lose Automobile jagten dann auch die endlose Heer­straße entlang, die als Verlängerung der Friedrichs­straße nach Tegel führt. Um 12 Uhr herrschte noch fast lautlose Stille auf dem weiten Platze, auf dem sich nach und nach die Spitzen der Behörden, der Armee und der Gesellschaft und die Vertreter der Presse aller Nationen eingefunden hatten. Gegen 1 Uhr kam Bewegung in die harrende Menge und Autosignale verkündeten die Anfahrt des Kaiser­paares, der Prinzen und Prinzessinnen und deren Gefolge. Der Kaiser erschien in der Uniform des . Luftschifferbataillons. Noch eine halbe Stunde ver­ging, da wandten sich alle Blicke in der Richtung nach Berlin und an dem tiefblauen Himmel erschien in Hellem Glanz des Sonnenlichts das weißschim­mernde Luftschiff über dem Platz. Es war ein wundervoller Anblick, als das Schiff in majestätischer Ruhe langsam auf- und absteigend über dem Platz erschien. Drei Propeller arbeiteten, der vierte vorn links am Luftschiff war das Opfer des Sturms der großen Fahrt geworden. Dem Kaiser gegenüber stand das Luftschiff und ehrfurchtsvoll senkte sich die Spitze zum Gruß. Lautlose Stille ringsum, wie es Graf Zeppelin erbeten hatte. Bald fielen die Taue und in wunderbarer Ruhe erreichte die vordere Gondel den Boden. Da setzte die Militärkapelle zu einem dreifachen Tusch ein und dann zogen die weihevollen Klänge vonDeutschland, Deutschland über alles" über den weiten Platz. Graf Zeppelin, sein Neffe und die treuen Mitarbeiter verließen die Gondeln., Eine überaus herzliche Begrüßung des Kaiserpaares und aller Prinzen und Prinzessinnen folgte und gleich darauf brauste ein Hoch über den Platz, das der Kaiser seinem Gaste ausbrachte. Unter den Klängen der Militärmusik fand eine Be­sichtigung des Luftschiffs durch den Grafen und die geladenen Gäste statt und dann ging es an der Menge vorbei. Im ersten Auto saß der Kaiser und rechts von ihm Graf Zeppelin, auf dem Ehrenplatz, der sonst nur gekrönten Häuptern zuteil wird. So fuhr der Kaiser mit seinem Gast nach Berlin durch die überfüllten Straßen. Strahlend war das Gesicht des Grafen und ebenso strahlten die Mienen des Kaisers. Um 2^/i Uhr trafen die hohen Herrschaften im königlichen Schlosse ein. Sofort drängten Tausende von Menschen, die sich vor dem Schloß angesammelt hatten, nach dem großen Hauptportal am Lustgarten. Zuerst verhielt sich die Menge ziemlich ruhig. Erst allmählich kam große Begeisterung in die Menge, die ihren lebendigen Ausdruck im Absingen von patriotischen Liedern fand, die in den Refrain ausklangen: Heil Zeppe­lin! Wiederholt ertönten Rufe nach dem Grafen.