Gesuch eines Meisters um Gewährung einer staatlichen Subvention für die Ausbildung von Lehrlingen wurde auf Grund der angestellten Erhebungen befürwortet; ebenso wurde einem Gesellen zu den Kosten des Fachschulbesuchs ein Beitrag in Höhe von 60 Mk. verwilligt. Festgestellt wurde sodann der Entwurf für den der kommenden Vollversammlung vorzulegenden Haushaltplan auf das Jahr 1909/10. Weiterhin beschäftigte sich der Vorstand mit der Frage der Abänderung des Kinderschutzgesetzes in der Richtung, daß Kinder über 12 Jahren auch künftig wieder von vormittags 6^/s Uhr zu Botengängen und zum Austragen von Waren verwendet werden dürfen. Im Interesse des Bäckergewerbes, von welchem gerade in Süddeutschland regelmäßig die Zustellung frischer Backwaren in der Frühe verlangt werde und denen die Anstellung erwachsener Personen für diesen Zweck meist nicht möglich sei, wurde der erwähnten Aenderung zugestimmt. Für viele Familien bedeute außerdem der kleine damit verbundene Verdienst und das den Kindern zu- fallende ordentliche Frühstück eine nicht zu unterschätzende Unterstützung. Einem Handwerker, der aus Anlaß der heurigen Gesellenprüfung als Kon- trollmeister eine unrichtige Beurkundung abgegeben hatte, soll eröffnet werden, daß ihm künftig derartige Ehrenämter von der Handwerkskammer nicht mehr übertragen werden. Beschlossen wurde sodann u. a., die Meisterprüfungen nur noch einmal im Jahr und zwar in den Wintermonaten November, Dezember, Januar und Februar abzuhalten.
Böckingen O/A. Heilbronn, 24. Juli. Ein gräßliches Unglück ereignete sich heute nacht auf dem hiesigen Rangierbahnhof. Der in den 50iger Jahren stehende verheiratete Schuhmacher und Zuckerwarenhändler Christof Mößner von hier benützte den Zug 10 Uhr ab Heilbronn--Böckingen zur Heimfahrt. Beim Verwaltungsgebäude im Rangierbahnhof mußte der Zug warten, weil das Einfahrt- Signal im Bahnhof Böckingen noch nicht gestellt war. Durch diesen Umstand glaubte Mößner, der Zug halte schon am Bahnhof und stieg aus, im gleichen Moment kam der Schnellzug von Stuttgart her, erfaßte und verstümmelte ihn total, so daß Kopf, Arm und Rumpf auf dem Geleise umherlagen. Der Leichnam wurde noch nach Mitternacht in die hiesige Leichenhalle verbracht. Dem Unglücklichen, der als fleißig und sparsam galt und Frau und zum Teil noch kleinere Kinder hinterläßt, wendet sich allgemeine Teilnahme zu.
Rottweil, 23. Juli. Hrn. Otto Wagner (Sohn des Hrn. Verw.-Aktuar Wagner hier), bisher Obergärtner der Konsul Wessel'schen Gartenverwaltung in Bonn a. Rh., ist als O bstbauinspektor der Landwirtschaftskammer für die Rheinprovinz in Bonn angestellt worden. Sein Antritt erfolgt am 1. August ds. Js.
Freudenstadt, 23. Juli. Die 5. Kurliste verzeichnet 2968 Fremde.
Von der Jagst, 23. Juli. Alles irgendwie entbehrliche Heu wird gegenwärtig verkauft und geht nach Norddeutschland' Zum Preise von 3.50 hat niemand Lust Heu zur Spekulation aufzukausen. Mit Recht befürchten aber die erfahrenen Landwirte, daß im kommenden Frühjahr das Heu rar und teuer sein wird. Die Ernte der Wintergerste hat begonnen und liefert gute Stroherträge. Die Qualität der Körner ist gering und als Handelsware nicht brauchbar; solche Gerste wird am besten als Schweine- futter Verwendung finden.
O b stp r e i s e auf dem Stuttgarter Engros. Markt am 24. Juli: Walderdbeeren 30—40 Himbeeren 25—30
Johannisbeeren 7—10 Stachelbeeren 6-8 Kirschen 10—12 Pfirsiche 30—35 Pflaumen 18—25 Apri- kosen 25-35 Aepfel 18—32 Birnen 15—25 grüne Nüsse 12—14 Heidelbeeren 15—16 <^!, alles per 50 KZ. Zufuhr stark, Verkauf lebhaft. Ausländische Ware zahlreich angefahren, Pfirsiche gehandelt zu 28 Aprikosen zu 18 Weintrauben zu 28—35 ^
Bus TtaSt» Bezirk uns Ungedims Aus der Sitzung der Zweiten Kammer
vom 18. Juni 1909.
I.
8. Neuenbürg. Wie den Lesern des „Enz- tälers" schon bekannt sein wird, wurde am 18. Juni ds. Js. von den Mitgliedern der Zweiten Kammer des württ. Landtages eine Bitte der Arbeitervertreter von in Pforzheim beschäftigten aber auswärts wohnenden Arbeitern um Einführung von Arbeiter-Wochenfahrkarten mit fünf- und viertägiger Gültigkeit behandelt. Diese Bitte geht kurz gefaßt dahin:
1. Arbeiterwochenfahrkarten mit sechs-, fünf- oder viertägiger Gültigkeit sind allgemein während
der Dauer des ganzen Jahres auszugeben und zwar derart, daß am Montag solche für sechs, am Dienstag solche für fünf, am Mittwoch solche für vier Tage der laufenden Kalenderwoche gültig zur Ausgabe gelangen;
2. bei den Fahrkarten mit beschränkter Gültigkeit ist der Preis entsprechend um ein Sechstel oder zwei Sechstel zu verringern;
3. Für die Festtagswochen bleiben die jetzt bestehenden Ausnahmebestimmungen beibehalten.
Daß diese Bitte zur Zeit des schlechten Geschäftsgangs in Pforzheim eine berechtigte Bitte ist, wird jedem Leser ds. Bl. leicht erklärlich sein und es ist auch deren Genehmigung von der hohen Ständeversammlung entsprochen worden. Der Gang der bezüglichen Kammerverhandlung war nach amtlichem Stenogramm ungefähr folgender:
Berichterstatter Dr. v. Kiene: Ich habe an dieser Stelle eine Eingabe der Arbeitervertreter von in Pforzheim beschäftigten, aber auswärts wohnenden Arbeitern vom 18. Mai 1909 betreffend Einführung von Arbeiterwochenfahrkarten mit fünf- und viertägiger Gültigkeit zu behandeln. In dieser von einer größeren Zahl von Arbeitern — von denen ein Teil außerhalb Württembergs, im Badischen, wohnt — Unterzeichneten Eingabe, deren Betreff ich schon mitteilte, wird eine Berechtigung für die erwähnte Bitte, daß statt der 6tägigen Arbeiterwochenfahrkarten auch 5- und 4tägige ausgegeben werden, darin speziell gesehen, daß die Verwaltung schon bisher für diejenigen Wochen, in welche feststehende Feiertage fallen, derart beschränkte Arbeiterfahrkarten habe zur Ausgabe gelangen lassen, wobei 18 Feiertage als feststehende in Frage kommen, die eventuell in 16 Kalenderwochen fallen; die in diesen Wochen auszugebenden Fahrkarten haben dann eine 4- oder 5tägige Gültigkeit und der Preis ist unter der üblichen Abrundung um je '/s oder ^/« des sonstigen Wochenfahrkartenpreises verringert. Es wird auch darauf hingewiesen, daß zur Regelung der Sache und leichteren Kontrolle eingeführt sei, daß diese Fahrkarten vergrößert und mit dem Stempel der laufenden Kalenderwoche in großer, deutlicher, lesbarer Schrift versehen seien, bei den nur auf 5 Tage gültigen Fahrkarten sei ein breiter roter Strich eingedruckt und bei den auf 4 Tage gültigen eine Ecke abgeschnitten, wobei dann der kontrollierende Beamte bei Hochhalten der Karte am Bahnsteig sofort sieht, ob die Karte gültig ist oder nicht; es sei also eine Erleichterung für die Kontrolle an der Bahnsteigsperre damit gegeben. Zur Begründung der Bitte wird nun ausgeführt, daß in vielen Betrieben in Pforzheim die Arbeit schon seit langem auf 5, 4 oder sogar 3 Tage wöchentlich beschränkt sei und daß die Arbeiter, indem sie auf 6 Tage lautende Karten lösen müssen, darin eine Schädigung und ein gewisses Unrecht erblicken, wenn sie gezwungen sind, außer in den vorerwähnten Ausnahmefällen für 6 Tage gültige Fahrkarten zu lösen, die sie aber nur an 5, 4 oder 3 Tagen tatsächlich benützen können. Die Schlußbitte geht dahin, Arbeiterwochenfahrkarten mit 6-, 5- und 4tägiger Gültigkeit allgemein während der Dauer des ganzen Jahres auszugeben, dann bei den Fahrkarten mit beschränkter Gültigkeit den Preis entsprechend um ^/« oder ^/e zu verringern.
Der Antrag der Kommission geht dahin, die Eingabe der Staatsregierung zur Erwägung mitzuteilen. Wir gingen nämlich davon aus, daß, wie auch der Redner der Sozialdemokratie in der Kommission ausführte, zunächst noch Erhebungen bei der Handelskammer von Pforzheim zu machen seien über die tatsächlichen Unterlagen, auf welche die Bitte aufgebaut ist. Von der Eisenbahnverwaltung wurde ausgeführt, daß die bisherige Einrichtung der sechstägigen Arbeiterfahrkarten sich bewährt habe und zu einer weiteren Rücksichtnahme eigentlich für die Verwaltung ein genügender Anlaß nicht bestehe, daß sich bei Erfüllung des Wunsches auch so wie so Schwierigkeiten ergeben würden, wenn z. B. der Samstag ausfalle. Es ist nämlich in der Eingabe der Vorschlag gemacht, daß die 6tägigen am Montag, die 5tägigen am Dienstag und die 4tägigen am Mittwoch ausgegeben werden sollten. Von Mitgliedern der Kommission wurde noch darauf hingewiesen, daß auch andere Arbeiter, die eine Otägige Karte lösen müssen, manchmal nicht alle 6 Tage arbeiten können, wenn z. B. schlechtes Wetter eintrete, müssen sie auch früher nach Hause fahren oder haben keine Arbeit mehr. Von anderer Seite wurde auf die ganz besonderen Arbeiterverhältnisfe in Pforzheim hingewiesen, wo nur Stundenlohn und nicht Wochenlohn bestehe, und jeder Fabrikant, sobald weniger Aufträge vorliegen, sofort einen oder zwei Tage nicht arbeiten lasse und zwar teilweise das ganze Jahr
hindurch. Wie schon gesagt, hielt die Mehrheit es für wünschenswert, daß noch weitere Erhebungen in der Sache gemacht werden und wir sind von diesem Standpunkt aus dazu gekommen, die Uebergabe zur „Erwägung" als die geeignetste Form der Erledigung dieser Eingabe zu erachten und ich habe in diesem Sinne den Antrag der Kommission Ihnen zu empfehlen.
Neuenbürg, 24. Juli. Die Reichsbank macht darauf aufmerksam, daß sie schon jetzt keine nach dem 1. August fälligen Wechsel annimmt, die nicht entsprechend den neuen Bestimmungen des Wechselsteuergesetzes gestempelt sind.
G Neuenbürg, 26. Juli. Der Liederkranz hielt am Sonntag abend im Ankersaal ein Konzert ab, das leider sehr schwach besucht war. Das Gebotene hätte einen besseren Besuch verdient. Der Liederkranz hatte dazu sich einen der bekanntesten Stuttgarter Konzertsänger, Hr. Feuerlein, kommen lassen und keine Mühe und Kosten gescheut, um den Neuenbürgern etwas zu bieten. Das Programm war sehr schön zusammengestellt aus Männerchören, Sologesängen und Trios für Klavier, Cello und Violine. Bei den Trios hatten wir nochmals Gelegenheit, Hrn. Stadtvikar Schlipf zu hören, der uns schon so oft durch sein Spiel erfreut hatte. Auch gestern entlockte er seinem Instrument wieder volle, reine Töne, die namentlich im getragenen Tempo zur Geltung kamen. Um auf die einzelnen Nummern einzugehen, so beginnen wir mit den Männerchören. Sie wurden im allgemeinen rein und präzis zum Vortrag gebracht. Einige sind hier schon früher gesungen worden, z. B. „Das Kirchlein", eine ziemlich schwierige, aber auch dankbare Komposition. Am meisten gefielen die beiden kleinen, netten Silcher'schen Volkslieder: „Tanzlied" und „Maidle, laß dir was verzähle". Gut gelangen auch „Morgen im Walde", eine sehr schön durchgeführte Komposition und „Gretula", im Volkston gehalten. Die Trios wurden von den HH. Hilliger, Schlipf und Widmaier in schöner Abrundung vorgetragen; die Herren waren sehr gut zusammengearbeitet. Vor allem gefiel „Frühlingstraum", eine Komposition, in der eine weiche, sentimentale Melodie verarbeitet war. Die Komposition soll mehr die Gefühle der Wehmut, als das Frische und Stürmende des Frühlings zum Ausdruck bringen. Hr. Feuerlein sang im ganzen 9 Lieder verschiedener Komponisten. Mit seinem für den Konzertsaal geschulten Organ brachte er alle Abstufungen, die der Textinhalt und die Komposition erfordern, mit großer Meisterschaft zum Vortrag. Bruchstücke aus Wagners Opern, wie der Gesang Wolframs aus „Tannhäuser", wirken im Konzertsaal nie sehr; sie sind eben für das Theater gedacht und komponiert. Am besten gelangen die „Wolf-Lieder" nach Text von Mörike und „Alt Heidelberg". Im ganzen ist das Konzert wohl gelungen. Die einzelnen Nummern wurden auch dankbar applaudiert. Hr. Reallehrer Widmaier hat sich sehr viel Mühe gegeben, das Konzert richtig vorzubereiten und durchzuführen. Die Klavierbegleitung, dis zum Teil durchaus nicht leicht war, lag ganz in seinen Händen. Dank gebührt auch den Solisten, die sich dem Liederkranz zur Verfügung gestellt haben, HH. Feuerlein, Hilliger und Schlipf. An das Konzert schloß sich noch ein Tanz an, der die Konzertbesucher noch lange zusammenhielt.
Der Kranken- u. Begräbnisunterstützungskasse der Gold- und Silberarbeiter und verwandten Berufsgenossen in Grunbach (eingeschriebene Hilfskasse), ist heute die Bescheinigung erteilt worden, daß sie auch nach der von der K. Regierung des Schwarzwaldkreises am 12. Juli ds. Js. zugelassenen Statutenänderung, vorbehältlich der Höhe des Krankengeldes, den Anforderungen des Z 75 des Krankenversicherungsgesetzes genüge.
/X Herrenalb, 24. Juli. Die Besucher des Bernsteins, des schönsten Aussichtspunkts unserer Umgebung, finden jetzt eine dankenswerte Neuerung, welche ihnen eine Wanderung auf jene freie, landschaftlich einzigartige Höhe gewiß noch anziehender gestalten wird. Eine Stiftung der HH. Wüsthoff und Zobel ermöglichte die Ausführung einer Orientierungstafel, welche jüngst unter Vermittlung der Organe des Württ. Schwarzwaldvereins an Ort und Stelle eingeführt wurde. Ihre künstlerische Darstellung erhielt sie von Hrn. Chr. Münch vom Topographischen Bureau in Karlsruhe. Jeder Tourist, der diese ausgezeichnete Arbeit betrachtet, i ist aufs angenehmste überrascht von der Schönheit und Zweckmäßigkeit in der Lösung einer solch schwierigen Aufgabe, die eine Summe von Fleiß und Hingabe beanspruchte. Ist doch der Künstler nicht weniger als 14 Mal dort droben gewesen, um die