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Neuenbürg, Freitag den 16. Juli 1909.

67. Jahrgang.

Berlin, 16. Juli. Der Kaiser und die Kaiserin hatten sich für Donnerstag abend beim Fürsten und der Fürstin Bülow zum Diner an­gesagt. Hiezu hatten Einladungen erhalten: Reichs­kanzler v. Bethmann-Hollweg, Generaloberst und Generaladjutant v. Pleffen, die kgl. Staatsminister Frhr. v. Rheinbaben, Delbrück und v. Moltke, der kommandierende General des Gardekorps General der Infanterie v. Löwenfeld, Staatssekretär Frhr. v. Schön. Der Kaiser wird am Freitag abend nach Kiel reisen, um von dort aus seine Nordland­reise anzutreten.

Die Lage im Reiche ist nun so gut wie ent­schieden. Der Reichstag hat in dem Galopp­tempo, das der neuen Mehrheit geboten schien, die Finanzreform zu Ende geführt. Der Bundesrat,. der einst sein dröhnendesUnannehmbar" für alle möglichen Steuern erklärt hatte, ist dem neuen Block entgegengekommen" und hat sichin das Unver­meidliche" gefunden. An Stelle des Reichskanzlers Fürsten Bülow, der einen gnädigen Abschied nebst Schwarzem Adlerorden mit Brillanten erhalten hat, ist, wie wir noch in der letzten Nr. unsr. Bl. als Telegramm mitteilen konnten, der bisherige Staatssekretär des Innern v. Bethmann-Hollweg, den man schon längst als den kommenden Mann ansah, getreten. Außerdem gabs noch einen großen Schub in den Berliner hohen Instanzen. An Beth- mann-Hollwegs Stelle ist der preußische Handels­minister Delbrück getreten, der einst als Ober­bürgermeister von Danzig die Aufmerksamkeit seines Königs und Kaisers auf sich gelenkt hat. Sein bis­heriges Portefeuille ist wiederum auf den bisherigen Reichsschatzsekreiär Sydow übergegangen, der bei allem Eifer und Fleiß in seinem letzten Amt so wenig glücklich debütierte. Auch das längst in der Schwebe befindliche preußische Kultusministerium ist nun endgültig durch die Verabschiedung Holles er­ledigt und mit dem bisherigen Oberpräsidenten von Brandenburg, v. Trott zu Solz, neu besetzt wor­den, auf dessen Posten der bisherige Unterstaats­sekretär in der Reichskanzlei, v. Loebell, der na­türlich mit seinem Herrn und Meister auszuscheiden hatte, einen Unterschlupf gefunden hat. Durch das Ausscheiden Sydows war auch der Posten eines Staatssekretärs im Reichsschatzamt neu zu besetzen. Er ist in die Hände des bisherigen Unterstaats­sekretärs im Reichsamt des Innern, Wermuth, gelegt worden, womit er sich unseres Erachtens in geschickteren Händen befindet, als bisher. Erwäg­ungen darüber anzustellen, was der neue Reichs­kanzler wohl für eine Politik machen werde, wäre müßig, und über den scheidenden Fürsten Bülow viel zu sagen, hat hier auch keinen Zweck. Der Nachfolger des Fürsten Bülow steht im 53. Lebens­jahr. Er ist ein Studiengenosse des Kaisers und war mit dem damaligen Prinzen Wilhelm gleichzeitig Mitglied des Korps Borussia in Bonn. Später trat er in den Verwaltungsdienst und wurde schon im Jahre 1886, also im 30. Lebensjahr, Landrat des Kreises Oberbarnim. Bereits im Jahre 1896 kam er als Oberpräsidialrat nach Potsdam. * Der Kaiser hatte Gelegenheit, seine ausgezeichnete Verwaltungs­kraft kennen zu lernen, und von diesem Augenblick an datiert seine schnelle Kariere. Im Juli 1899 wurde er zum Regierungspräsidenten von Bromberg ernannt, und als dann kurz darauf der damalige Oberpräsident von Brandenburg, Hr. v. Achenbach, starb, rückte er im Oktober desselben Jahres in seine Stellung ein. Im März 1905 wurde er Mi­nister des Innern als Nachfolger des Hrn. v. Ham­merstein. Der neue Reichskanzler ist zweifellos ein Mann von starker Begabung; ein Redner, dessen Befähigungen weit über das Mittelmaß hinausgehen und dessen Reden ein hohes Maß von allgemeiner Bildung verraten. Im Verkehr rühmt man ihm

große persönliche Liebenswürdigkeit nach. Bis jetzt hat man ihn als Vertreter der Blockpolitik betrachtet; ist er ja doch von Fürst Bülow in der Aera der Blockpolitik in den Reichsdienst herübergenommen worden. Wie er sich zu der neuen Mehrheit des Reichstags stellen will, das muß die Zukunft lehren. Man muß nun abwarten, wie die neuen Steuern im Volk ausgenommen werden. Wir versprechen uns von der Wirkung dieser Finanzreform wirklich nicht viel Gutes, denn sie ist keine Reform, sondern doch nur ein Notbehelf. Der Gedanke einer der Gerechtigkeit entsprechenden gleichmäßigen Besteuer­ung aller Arten von Besitz ist nicht in die Tat um­gewandelt worden. Die Besteuerung ist weder mäßig noch allgemein. Darüber werden sich auch die Mehrheitsparteien keinem Zweifel hingeben. Handel und Industrie sind im Vergleich zum agrar­ischen Besitz stark bevorlastet und der Mobiliarbesitz ist nur ungleichartig getroffen, wozu noch kommt, daß der Besitz von Reichs- und Staatspapieren, sowie von Hypotheken ganz steuerfrei bleibt. Auch die Bewertung der industriellen und agrarischen In­teressen bei der Gestaltung der indirekten Steuern ist ungleich ausgefallen. Die jetzige Form der Branntweinsteuer zeugt von einer Ueberspannung des agrarischen Standpunktes, der wirtschaftlich und politisch gleich bedenklich ist. Besonders unbefriedigend scheint uns die Tabaksteuer ausgefallen zu sein, denn ihr Ertrag erschöpft die Steuerfähigkeit des Tabaks so wenig und ihre Form ist so gar nicht einwand­frei, daß damit sicher noch nicht das letzte Wort ge­sprochen ist. Also nicht ein planmäßig nach allen Richtungen hin gut abgewogener Ausbau des Steuer­systems im Reiche, sondern ein Notbau liegt vor.

Berlin, 12. Juli. Es wird von Interesse sein, die verschiedenen Termine für das Inkraft­treten der neuen Steuergesetze kennen zu lernen. Das Braufteuergesetz wird am 1. August ds. Js. in Kraft treten, die Bestimmung über die Abgabenerhebung von Bier für Rechnung von Ge­meinden dagegen erst am 1. April 1910. Das Tabaksteuergesetz wird am 15. August 1909, bezüg­lich der Aenderung des Zigarettensteuergesetzes am 1. September 1909 in Kraft treten, das Branntwein­steuergesetz am 1. Oktober 1909, die Reichsstempel­novelle mit Talonsteuer am 1. August 1909, die Bestimmungen über den Scheckstempel am 1. Oktober 1909, die Erhöhung des Kaffee- und Theezolles am 1. August 1909, die Zündholz- und Beleuchtungs­steuer am 1. Oktober 1909, desgleichen die Schaum­weinsteuer.

Berlin, 14. Juli. Zur Besprechung mit dem Kaiser traf heute vormittag 10 Minuten nach 10 Uhr ohne jede Begleitung Fürst Bülow im Schlosse ein und begab sich sofort zur Audienz. Gegen 1(0/2 Uhr erschien auch Staatssekretär v. Bethmann-Hollweg zur Audienz beim Kaiser. Gegen 11 Uhr wurde Handelsminister Delbrück und Unterstaatssekretär v. Wermuth aus dem Reichsamt des Innern zum Kaiser befohlen, sowie der Oberpräsident von Brandenburg von Trott zu Solz. Um '/ 2 I 2 Uhr traf Fürst Bülow von der Audienz im Reichskanzler-Palais in der Wilhelmstraße wieder ein. Vor diesem war ein großes Schutzmannsaufgebot versammelt. Anscheinend rechnete man mit einem Abschiedsbesuch des Kaiser­paares beim Fürsten und der Fürstin von Bülow.

Fürst Bülow hat sich in einer dem Chef­redakteur desHamb. Korresp." gewährten Unter­redung über seinen Rücktritt und die hierdurch geschaffene Lage geäußert. Der Fürst betonte hier­bei, daß ihn sachliche Gründe bestimmt hätten, dem Kaiser keine Auflösung des Reichstages anzuraten. Im weiteren erklärte er offen, daß ihn die Haltung der konservativen Partei, ihr Zusammengehen mit dem Zentrum und den Polen in der Frage der Reichsfinanzreform zum Rücktritt veranlaßt hätte.

Berlin, 15. Juli. Die Stadt Berlin will dem scheidenden Kanzler eine Ehrung bereiten. In welche Form diese Ehrung gekleidet werden soll, ist zur Stunde noch nicht entschieden. Im Prinzip scheint sie jedoch beschlossen zu sein.

München, 15. Juli. Derbayerische Courier" mahnt in einem längeren Artikel gegenüber dem neuen Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg die Zentrums-Partei zu großer Vorsicht.

Auch der Gesamtverband der evangelischen Arbeitervereine Deutschlands hat dem Fürsten Bülow die Ehrenmitgliedschast des Verbandes an­getragen und der Fürst hat dem Vorsitzenden D. Weber-München-Gladbach geantwortet, daß er gerne bereit sei, die Ehrenmitgliedschaft anzutreten und sich dieser ihm zugedachten Auszeichnung auf­richtig freuen werde.

Im französischen Senat verhandelte man in den Sitzungen vom Samstag und Sonntag über die geplante Verstärkung der französischen Artillerie. Der Berichterstatter Waddington wies in der Samstagsdebatte auf die Ueberlegenheit der deutschen Artillerie über die französische hin und befürwortete die Annahme des dem Senat vorge­legten Gesetzentwurfes, welcher für jedes Armeekorps 120 Geschütze fordert. Senator Mercier war der Meinung, das französische Geschütz sei besser als das deutsche, weshalb es unnötig für Frankreich sei, Deutschland in der Geschützzahl gleichzukommen. Ein weiterer Redner, General Langlois, befürwortete dagegen die Verstärkung der französischen Artillerie. In der Senatssitzung vom Sonntag verteidigte Kriegsminister Picquard die Artillerie-Vorlage. Schließlich beendete der Senat die Generaldebatte hierüber.

Paris, 13. Juli. Die Armeekommission der Kammer hat beschlossen, trotz des entgegengesetzten Beschlusses des Senats an der Zahl von drei Ar­tillerie-Regimentern für jedes Armeekorps festzuhalten.

Die kriegerische Stimmung in den maß­gebenden jungtürkischen Kreisen von Konstan­tinopel gegen Griechenland ist im Wachsen be­griffen. Es heißt, man sei daselbst entschlossen, den Krieg zu erzwingen, falls die Türkei in der Kreta­frage keinen diplomatischen Erfolg zu erzielen ver­möge. Die militärischen Vorbereitungen der Türkei an der griechischen.Grenze nehmen denn auch ihren Fortgang; 24 Batterien sollen bereits im Epirus zusammengezogen sein. Muschlis Pascha, der Kom­mandeur der 6. Division, ist zum Oberbefehlshaber aller an der griechischen Grenze konzentrierten türki­schen Truppen ernannt worden. Eine offiziöse Athener Meldung versichert, die griechische Regierung werde trotz aller Provokationen der Türkei ruhig bleiben, weil es sein Vertrauen auf die Groß­mächte setze.

Die vier Eventual-Dreadnoughts, d. h. die vier Panzerschiffe, deren Inangriffnahme das englische Parlament der Regierung freigestellt hat, scheinen trotz aller Ableugnungen jetzt doch gebaut werden zu sollen. Wie nämlich demDaily Tele­graph" aus Newcastle gemeldet wird, ist die Firma Armstrong, Witworth u. Cie. in Elswick bereits da­mit beschäftigt, die Geschützmontierungen und die 13,5 ein-Geschütze für die 4 Eventual-Dreadnoughts in Angriff zu nehmen. In der Admiralität soll kürzlich eine Konferenz stattgefunden haben, welcher zwei Direktoren jener Firma beiwohnten. Es kann als sicher angenommen werden, daß eine sehr große Order für Geschütze und Montierungen in nächster Zeit an die Elswicker Firma vergeben wird. Die Firma hat zu diesem Zwecke ihre Fabrikanlagen entsprechend erweitert.

Hamburg, 14. Juli. Die Delegiertenversamm­lung des Deutschen Schützenbundes beschloß heute, das 17. Deutsche Bundesschießen, zugleich 50jähriges Jubiläums - Bundesschießen im Jahre 1912 in Frankfurt a. M. abzuhalten.