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111 .

Neuenbürg, Montag den 12. Znli 1969.

67. Jahrgang.

Berlin, 10.Juli. Reichstag. Präsident Graf Stolberg eröffnet die Sitzung um lO^/i Uhr. Am Bundesratstisch sind die Staatssekretäre Sydow, v. Bethmann-Hollweg und preuß. Finanzminister v. Rheinbaben erschienen. Staatssekretär v. Beth­mann-Hollweg erklärte zu Beginn der Sitzung: Die bereits gefaßten und noch zu erwartenden Be­schlüsse des Reichstags in der dritten Lesung würden zwar den Bedarf an Steuern decken, aber in der Art der Vorbereitungen sei der Reichstag den ver­bündeten Regierungen nur zum Teil gefolgt. Trotz­dem hätten sich die verbündeten Regierungen ein­stimmig entschlossen, die vereinbarten Verbrauchs­abgaben, zugleich mit den zugestandenen Besitzsteuern unter Ausschluß der für sie unannehmbaren Ko­tierungssteuer als ein einheitliches Ganzes zu: Ver­abschiedung zu bringen, da keine Bürgschaft dafür gegeben sei, daß die Reform später oder bei anderer Zusammensetzung des Reichstags in einer die Be­dürfnisse des Reichs mehr beWedigenden Gesamt­gestaltung überhaupt zustande kommen würde. Die Verschiebung würde also nicht nur die Finanznot s)es Reichs, auf Monate verlängern, sondern das ganze Werk ins Ungewisse stellen. (Sehr richtig!) Der Zwang, die Einnahmen des Reichs zu festigen und zu vermehren, ist von der ganzen Nation er­kannt (erneutes sehr richtig I bei der Mehrheit),, deren Lebensinteresse fordert, daß der Unsicherheit, die nun seit Jahren auf den Finanzen und den Gewerben ruht, ein Ende gemacht wird (Unruhe links), nicht durch einen Aufschub in die Zukunft, sondern durch eine Tat der Gegenwart. (Lebh. Beifall der Mehr­heit.) Abg. Hieber (natl.): Die Traditionen meiner Partei bürgen dafür, daß unsere ablehnende Halt­ung das Ergebnis reichlicher, ernsthafter, politischer und sittlicher Erwägungen war. Von einer or­ganischen Neuordnung des Reichsfinanzwesens ist gar keine Rede mehr. Die Konservativen haben sich vom Zentrum einfangen lassen zu einem Rachefeldzug gegen den Reichskanzler. Bei der jetzigen Reform stand das Zentrum zunächst höhnend bei Seite, bis es die Stelle fand, wo seine Mit­arbeit eingreifen konnte mit dem Endzweck, den Block zu sprengen und den Reichskanzler zu stürzen. Schon früher haben sich maßgebende Stellen des Zentrums für die Erbanfallsteuer ausgesprochen. Daraus er­hellt, daß seine Haltung nicht von sachlichen, sondern von taktischen Erwägungen bestimmt wurde. Der Gedankt einer Erbanfallsteuer hat geradezu einen Siegeszug gemacht und diese Steuer wird wieder­kommen. Wir haben uns erst ausgeschlossen, als wir ausgeschaltet wurden. Mit dem Fürsten Bülow sehen wir mit Bedauern einen von konstitutionellem, modernem Geist erfüllten Staatsmann von den Reichsgeschäften zurücktreten. Seiner Blockpolitik wurde mit Bewunderung zugestimmt. Auf dieses Leitmotiv dürften seine Nachfolger zurückgreifen. Aus dem Kampf scheiden wir als Besiegte. Auch die Regierung hat eine Niederlage erlitten. Das Urteil über den Sieg der Gegner überlassen wir unseren Wählern und der Geschichte. Das Werk ist Stückwerk und schreit nach Verbesserung. Bei der nächsten Reform werden die Besiegten von heute die Sieger sein. Nach längerer Debatte wurde ein Schlußantrag angenommen. Es folgte die Spezial­debatte. Sieben namentliche Abstimmungen waren beantragt. Die Wertzuwachssteuer wurde in einfacher Abstimmung abgelehnt. Der Kaffee­zoll wurde in namentlicher Abstimmung mit 191 gegen 158 Simmen bei 2 Stimmenthaltungen an­genommen. Die Erhöhung des Teezolls auf 100 Mk. wurde mit 214 gegen 143, die Besteuer­ung der Beleuchtungsmittel unter Annahme eines Antrags Rösicke in einfacher Abstimmung, die Zünd­holzsteuer mit 196 gegen 157 Stimmen bei 1 Ent­haltung, das Inkrafttreten der Herabsetzung der

Zuckersteuer erst am 1. April 1914 mit 217 gegen 121 Stimmen bei 15 Enthaltungen, die Beibehalt­ung der Fahrkartensteuer mit 205 gegen 149 Stimmen angenommen/ Das Gesetz tritt, soweit es sich auf den Kaffee- und Teezoll bezieht, am 1. August 1909, die Beleuchtungssteuer am 1. Okt. 1909, die Zündholzsteuer am 1. August 1909, für den übrigen Teil mit dem Tag der Verkündigung ik Kraft. Darauf wurde über das Finanzgesetz im ganzen abgestimmt. Es stimmten dafür 226, da­gegen 127 bei 2 Enthaltungen. Das Fiuanzgesetz ist damit definitiv angenommen. E8 folgt die Schaumweinsteuer. Ein Antrag Kreth (kons.), die Skala dahin zu ändern, daß Schaumweine bis zu vier Mark die Flasche mit 1 Mk., bis 5 Mk. mit 2 Mk. und darüber mit 3 Mk. zu besteuern sind, wurde angenommen. Die Schaumweinsteuer wurde mit dieser Aenderung mit 232 gegen 120 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen. Es folgte das Reichstempelgesetz und zwar zunächst die Umsatzsteuer auf Immobilien. Graf Westarp (kons.) begründet einen Antrag, in dem die Vorlage einer Wertzuwachssteuer bis 1. April 1911 verlangt wird. Bis 1. April 1911 soll eine Reichs­abgabe von dem Wertzuwachs auf Immobilien ein­geführt werden, die so zu bemessen ist, daß sich ein Jahresertrag von mindestens 20 Millionen Mark erwarten läßt. Den Gemeinden mit Wertzuwachs­steuer ist der bis zum 1. April 1909 erreichte jähr­liche Durchschnittsertrag auf mindestens 5 Jahre zu belassen. Die Einzelheiten dieses Gesetzes sind durch die für den 1. April 1911 verlangte Gesetzesvorlage zu regeln. Der Antrag Westarp wird schließlich in namentlicher Abstimmung mit 222 gegen 128 Stimmen bei zwei Enthaltungen angenommen. Ein Antrag des Grafen Carmer (kon^,) auf Ein­beziehung der Fideikommisse in die Umsatzsteuer wird einstimmig angenommen. Ferner wurden das Reichsstempelgesetz angenommen und die No­velle zum Wechselstempelgesetz. Damit ist die Reichsfinanzreform in dritter Lesung defi­nitiv angenommen.

Man kann nicht sagen, daß die preußische Eisenbahnverwaltung sich in letzter Zeit be­sonders populär gemacht hat. Das Speisewagen­verbot für die Passagiere dritter Klaffe wurde von vielen Staatsbürgern als eine schwere Kränkung empfunden. Selbst die Zulassung von kleinen Ferkeln im Sack in die vierte Klasse konnte nicht als ge­nügender Ausgleich dafür angesehen werden. Jetzt aber hat sich die Verwaltung auf ihr demokratisches Herz besonnen. Sie will alle Klassen gleich behan­deln, wenigstens was den äußeren Anstrich der Wagen betrifft. Ein sanftes Blau soll sie allesamt verklären. Werden nun die unzufriedenen Gemüter beschwichtigt sein? Oder wird gerade der Gegensatz zwischen der äußeren Gleichheit draußen und der scharf markierten Ungleichheit drinnen im Wagen und im Speisewagen noch mehr böses Blut machen?

Ein Kellnerinnenstreik ist in Bingen aus­gebrochen. Dort verfügte die Stadtobrigkeit, daß alle Wirtshäuser mit weiblicher Bedienung schon 10 Uhr abends zu schließen hätten. Kurz entschlossen verließen sämtliche Kellnerinnen das undankbare Bingen, und die Folge ist, daß die Männerwelt fortab in geschlossenem Zuge nach dem benachbarten Rüdesheim pilgert, wo die Kellnerinnen größere Freiheit genießen.

Mit dem in voriger Woche in Paris ver­storbenen General Marquis de Gallifet ist eine der interessantesten Persönlichkeiten Frankreichs von der Bühne der Oeffentlichkeit abgetreten. Marquis de Gallifet war 1830 geboren. Seine ersten mili­tärischen Lorbeeren erwarb er sich im Krimfeldzuge, in dem er vor Sewastopol die Ehrenlegion erhielt. Dann wurde er Ordonnanzoffizier Napoleons III. und spielte, überall wegen seines eleganten Auf­tretens und seines oft beißenden Witzes geschätzt,

eine Rolle in den Tuilerien. Später machte er den Feldzug in Mexiko mit und wurde bei Puebla schwer verwundet; ein Granatsplitter riß jhm den Leib auf, und er trug seitdem einen eigenartigen silbernen Apparat, der das Bauchgewebe ersetzte. Im Jahre 1870 erhielt Gallifet die 2. Brigade der Division Marguerite. Seine Teilnahme an der Durchbruchs-Attacke in der Schlacht bei Sedan, die auch Kaiser Wilhelm I. mit Bewunderung erfüllte, ist bekannt. Bei der Uebergabe von Sedan geriet er dann in Kriegsgefangenschaft und wurde in Koblenz interniert. Nach dem Friedensschluß nach seiner Heimat zurückgekehrt, übernahm er wiederum eine Kavallerie-Brigade. In hervorragender Weise war er an der Niederwerfung der Kommunards be­teiligt. Er befehligte später das 9. Korps in Tours und nachher das 12. in Limoges. Als Boulanger Kriegsminister wurde, entfernte er Gallifet aus dem obersten Kriegsrat. Später aber wurde Gallifet Kriegsminister im Ministerium -Waldeck-Rousseau. Der Verstorbene hat verfügt, daß die Leichenfeier in der denkbar einfachsten Weise und ohne mili­tärische Ehrenbezeugung stattfinden soll.

Konstavtinopel, 10. Juli. Heute wurden neue Exekutionen vorgenommen. An verschiedenen Punkten der Stadt wurden insgesamt 22 Personen gehängt, darunter Generalleutnant Mehmed Tscherkesz und der Chefredakteur desVulkan" Scheich Fahdeti. Hiermit wurden weitere 150 Personen verbannt. Hiermit soll die Tätigkeit der drei Kriegsgerichte zum Abschluß gelangt sein (?).

Cherbourg, 10. Juli. Eine gewaltige Feuers­brunst brach heute nacht im Arsenal aus und zwar in den Werkstätten für Unterseebot-Torpedos. Die ganze Garnison rückte zur Hilfeleistung aus. Die Stadt war taghell erleuchtet. Um Mitternacht war die Gefahr beschworen. Der Schaden beträgt mehrere Millionen Francs.

Auf der kürzlich geschlossenen Hundeausstellung in London war ein chinesischer Hund zu sehen, für den dem Besitzer 100000 Mark (!) geboten wurden. Der Eigentümer weigerte sich jedoch, den kostbaren Vierfüßler zu verkaufen. Das Tier stammt aus der kaiserlichen Hundezucht in Peking.

Württemberg.

Stuttgart, 10. Juli. Die Zweite Kammer hat heute nach zweiwöchigen, vielfach zwecklosen und allzu breitspurigen Verhandlungen, die das Land etwa 20 000 Mk. kosten, die Beratung des Kultetats erledigt. Erwähnenswert ist von den heutigen Er­örterungen nur die Uebergabe eines sozialdemo­kratischen Antrags betreffend die Unterstellung des gesamten landwirtschaftlichen Schulwesens unter das Ministerium des Innern zur Kenntnisnahme an die Regierung. In der dann folgenden Beratung des Eisenbahnbaukreditgesetzes wurde beantragt, für den viergleisigen Ausbau der Strecke Untertürkheim- Plochingen 18 Millionen Mark zu genehmigen und gleichzeitig die Regierung zu ersuchen, im Anschluß an die Erstellung der genehmigten Eisenbahn vom Güterbahnhof Untertürkheim nach Wangen als deren Fortsetzung den Bau einer linksufrigen Neckarbahn WangenHedelfingenEßlingen als einer Igleisigen Nebenbahn, vorbehältlich der Uebernahme entsprechen­der Leistungen durch die Beteiligten, vorzusehen. Dr. v. Kiene beantragte die Vorlegung der Pläne für die Bahnhofgebäude vor ihrer Ausführung. ^Von volksparteilicher Seite wurden Erwägungen über eine teilweise Unterbringung von Beamtungen, die der Generaldirektion unterstehen, außerhalb Stuttgarts gefordert. In der Debatte kam die Ueberzeugung zum Ausdruck, daß das Projekt der Regierung weit­schauend auch späteren Bedürfnissen Rechnung trägt. Mehrfach wurde allerdings bemängelt, daß Güter­und Vorortsverkehr nicht scharf von einander getrennt worden sind, was durch eine Linie vom Münster zum Nordbahnhof möglich wäre. Gegenüber dem