vermischtes.

Französische Erinnerungen an 1870. Anknüpfend an die kürzlich veröffentlichten Memoiren Olliviers, die in Frankreich die Geister lebhaft be­schäftigen, veröffentlicht jetzt der bekannte französische Politiker und Akademiker A. de Mun imGaulois" Erinnerungen an jene bewegte Zeit, die besonderes Interesse gewinnen, weil in ihnen sich der Geist des französischen Offizierskorps vor dem Kriege spiegelt. De Mun war Leutnant bei den Chasseurs d'Afrique. Waren wir Soldaten töricht? Gewiß, uns fehlte vieles. Wir verließen uns allzublind auf die Jnitiativkraft und den Elan der französischen Armee. Seit 1866 hatte sich allerdings die Neigung zum Studium vermehrt: viele Offiziere lasen mit wahrer Leidenschaft die Geschichte des böhmischen Krieges, um sich zu bilden. Aber der Antrieb von oben fehlte. 1869 nahm ich an den Truppenübungen von Chalons teil, den letzten vor dem großen Drama: das war eine blendende Parade, die den Ruhm Bourbakis, des Kommandeurs, emportrieb, aber sonst nichts. Die Kavallerie übte sich in un­nützen Bewegungen. In Versailles, wo ich die letzten Monate vor dem Kriege in Garnison stand, gab es eine prachtvolle Division leichter Kavallerie. Aber nach der Ausbildungszeit vergeudete man die Kraft an unfruchtbaren Dingen. Als der Krieg ausbrach, waren wir damit beschäftigt, uns auf die große Parade vom 15. August vorzubereiten l Fast ohne Uebergang ging es aufs Schlachtfeld. In Metz fand ich nur mit vieler Mühe am 20. Juli eine Generalstabskarte der Grenzgegrnd, die ich für meinen General kaufte. Er besaß keine und sorgte sich auch nicht viel darum. Während bei Forbach die Kanonen dröhnten, klebte ich diese Karte bei Saint-Avold zum Gebrauch auf Stoffetzen . . ." Trotzdem zog man voll Vertrauen ins Feld, des Sieges sicher.Wir hatten das Vertrauen, als Sieger über die feindliche Grenze zu ziehen, und wir mußten es auch haben. Als am 6. Juli der Herzog von Gramont auf der Parlamentstribüne die erste Erklärung über die Hohenzollernkandidatur verlas, gab es viele Offiziere, die ihn schriftlich be­glückwünschten. Auch ich gehörte zu ihnen. Seit drei Jahren warteten wir darauf, solch stolze Sprache zu hören. Neun Tage später, am 15. Juli, stand ich im Parlamentshof am Quai d'Orsay, als der diensttuende Hauptmann die Tür öffnete, sein Käppi schwang und rief:Der Krieg ist erklärt!" In meiner Nähe stand der General de Clerembault: er umarmte mich. Die Menge draußen hinter dem Gitter applaudierte.

Vom Wirbelsturm entführt. Eine tragische Variante zum fliegenden Robert aus demStruwel­peter" hat sich am Dienstag in dem Alpendorf Sera in der Nähe von Savona in den Seealpen abgespielt. Dort befand sich ein angesehener Ein­wohner aus Savona bei einer befreundeten Familie zu Besuch. Als sich ein Wirbelsturm mit Hagel­wetter erhob, verließ Signor Buccelli aus Neugier das Haus, um sich den Hagelschaden zu besehen. In diesem Augenblick wurde er von dem Orkan

Münch warf einen unruhigen Blick auf den Gerichtshof, den Angeklagten und die Zuhörer und antwortete auf die Fragen, die an ihn gerichtet wurden, daß Karl sich ganz eigentümlich berührt fühlte.

Münch hatte acht Jahre bei Hollmann gedient. Er konnte nichts gegen den Neffen aussagen, aber er sprach doch von unbestimmten Befürchtungen, die der Handelsherr in Beziehung auf den jungen Mann geäußert hätte. Nach seiner Erklärung war der junge Mann mißtrauisch gegen Karl, hielt vieles vor ihm geheim, unterhielt ihn niemals von seinen Geschäftsangelegenheilen und hatte seinen Diener mehr als einmal beauftragt, Erkundigungen nach Karls Lebensweise einzuziehen und zu erforschen, ob und welche Veranlassungen er zu großen Aus­gaben habe.

Münch sagte nichts bestimmt aus.

Wollte der Präsident einer Sache auf den Grund gehen, so erklärte er stets, daß er nicht genau genug unterrichtet sei. Ob es zwischen den Kaufherrn und seinem Neffen ernste Zerwürfnisse in Beziehung auf Geldangelegenheiten gegeben habe, konnte er nicht behaupten. Er wußte nichts Sicheres darüber und beschränkte sich auf mißtrauische Vermutungen. Auf die Frage, aus welchem Grunde er selbst das Haus des Kaufherrn verlassen habe, antwortete er, daß seine verstorbene Mutter ihm ein kleines Vermögen hinterlassen, und er sich in seinem Heimatdorfe damit angekauft habe. Seine zurückhaltende Aussage zer­störte durch geschickt angebrachte Zögerungen und wohlberechnete Schweigsamkeit den günstigen Ein­

erfaßt und durch die Lüfte entführt. Alle Versuche, in Erfahrung zu bringen, wo der Sturm den Be­sucher hingetragen hat, waren bisher erfolglos.

Die photographische Kamera als Auto­mobilfalle. Den sportfreudigen Automobilisten, deren größter Genuß im Ueberschreiten der erlaubten Geschwindigkeit besteht, machen zwei amerikanische Erfinder, die Herren Comstock und Kalmus in Massachuttes, einen bösen Strich durch die Rechnung: sie haben eine sinnige Maschine erfunden, die mit unbedingter Sicherheit die Geschwindigkeit eines fahrenden Automobils ermittelt und gleichzeitig dessen Nummer photographisch festhält. Es handelt sich um eine Anpassung des Apparates an die Absichten der Polizei. Sobald ein Automobilgefangen" werden soll, stellt sich der mit dem Apparat bewaffnete Polizist auf den Weg, sobald es vorbei ist; er hat nichts nötig, als zu knipsen. Dann macht seine Maschine in bestimmtem Zeitabstand hintereinander zwei Augenblicksaufnahmen auf einer Platte. Nach dem Entwickeln kann man natürlich aus den Größen- verhältnissen der beiden zum Teil übereinander­liegenden Bilder genau berechnen, welche Strecke das Automobil in der Zeit zurückgelegt hat, die zwischen den beiden Aufnahmen gelegen hat, und diese Zeit ist ja bekannt. Der sinnreiche Apparat soll bereits mehrfach von amerikanischen Polizisten erfolgreich verwendet worden fein; es wird übrigens versichert, Vergleiche der mit dem Apparat gemessenen Geschwindigkeiten mit den Ergebnissen bei un­mittelbarer Messung hätten sehr günstige Ergebnisse geliefert.

Die kleinste Uhr der Welt dürfte wahrschein­lich jenes winzige Uehrchen darstellen, das soeben bei einer Auktion von einem Moskauer Juwelier erstanden worden ist. Diese Miniatur-Uhr wird mit 120 000 Mk. bewertet, und sie kann bequem an einem gewöhnlichen Fingerring getragen werden!

Was ein chinesischer Postbeamter wissen muß. Die französischen Postbeamten, deren Streik glücklich beigelegt ist, haben sich wahrlich nicht zu beklagen, wenn man ihre Lage mit der ihrer chinesischen Kollegen vergleicht. Ein Chinese, der seinem Vaterlande als Postbeamter dienen will, muß eine gefährliche Prüfung ablegen, ehe ihm Briefe und Geld zur Beförderung anvertraut werden. Nicht seine wissenschaftlichen Kenntnisse werden einem Examen unterworfen, sondern er muß seinen Mut, seine Stärke und seine Ausdauer im Laufen dadurch beweisen, daß er große Prüfungsmärsche über steile Gebirge, durch wilde Schluchten und gefahrvolle Wälder, in denen noch Raubtiere und Wegelagerer Hausen, ausführt. Hat er diese allein und in einer bestimmten Zeit zurückgelegt, dann muß er des Nachts die gefährlichsten und verrufensten Orte der chinesischen Großstädte aufsuchen, um zu zeigen, daß er auch die in diesen Winkeln auf ihn lauernden Verbrecher nicht fürchtet. Erst wenn er auch diese Prüfung glücklich und ohne Gefahr bestanden hat, wird er als Postunterbeamter ausgenommen und darf seinen gefährlichen Dienst versehen.

Ueber das A^bschneiden der Rosen. Es herrscht die Ansicht, man schone dadurch seine Rosen­druck, den Karls Verhör hervorgebracht hatte. Schließlich ließ Münch den guten Charaktereigen­schaften Karls Gerechtigkeit widerfahren. Der junge Herr habe die Dienerschaft stets gut behandelt, er wäre zwar immer etwas hochfahrend gewesen, allein im allgemeinen hätte doch niemand Veranlassung, das geringste Böse ihm nachzusagen.

Schwinger bedeckte die Stim mit beiden Händen. Ohne zu wissen warum, fühlte Karl, daß sein Kampf jetzt vergeblich sei, daß die Bemühungen des Ver­teidigers an dieser Aussage scheitern müßten, die, ohne direkt belastend zu sein, doch geeignet war, jedermann zu dem schwärzesten Verdacht zu berech­tigen. Er betrachtete Schwinger und glaubte auf dem Gesicht seines Freundes dieselbe traurige Vor­empfindung zu lesen.

Nun erhob sich der Staatsanwalt, um seine Anklagerede zu halten.

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Anna suchte unwillkürlich die Hand ihrer Gesell­schafterin und drückte sie. Es schien, als ob sie in der zärtlichen Berührung ihrer Freundin eine Stärk­ung in diesem so bedeutungsschweren Augenblicke suchen wollte. Herr v. Walmoden war sehr blaß. Er fühlte, wie der Blick seiner Tochter auf ihm ruhte. Die Worte, die sie am Abend vorher ge­sprochen, hallten noch jetzt an seiner Seele wider. Er ahnte, daß Anna den Angeklagten liebte. Er hatte einen Augenblick die Empfindung, als ob er nicht Hollmann, sondern seine Tochter Anna anklagte,

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stücke, daß man die einzelnen Rosen verblühen lasse. Das ist eine irrige Ansicht, denn gerade in der Zeit des Abblühens entzieht die Blume ihrem Stocke die meiste Nahrung. Es ist daher zu raten, die Rose so bald abzuschneiden, als sie ihre schönste Form zeigt, und sollte man sie nur zur Zimmer­zierde usw. benützen können. Eine abgeschnittene Rosenblume hält sich stets länger, wenn sie ordentlich gepflegt wird, als wenn sie am Stocke belassen wäre. Der Rosenstock aber entwickelt, wenn fleißig die erblühenden und erblühten Blumen abgeschnitten werden, eine Menge neuer Knospen.

Warum überwinterten die Rosen so schlecht? Der praktische Ratgeber erörtert diese Frage und kommt zu dem Schluß, daß nicht der lange Winter, sondern der frühe Frost im vorigen Oktober die Schuld trägt. Deshalb haben alle Sorten ge­litten, die nicht zeitig den Trieb abschließen. Für Erzielung gesunden, kernigen Holzes ist es viel wichtiger, daß der Boden noch rosenfrisch ist, noch roh und jungfräulich, als daß gedüngt und gewässert wird. Daher wird man mit Einbringen frischer, lehmiger Erde in die Roosenbeete und um die einzelnen Rosen herum besser dienen als mit Dünger und Jauche.

Sommersanfang.

Der Sommer ist da! Gestern am 22. Juni, pünktlich um 3 Uhr morgens, hat er seinen kalender­mäßigen Einzug gehalten, und das Jahr hat seine Höhe erreicht. In üppigem Grün prangt die Natur, und bunte Blütenkränze aus Rosen und allerlei Feldblumen schmücken das grüne Kleid der Mutter Erde. Die Rose steht in voller Pracht; wie eine Königin schaut sie über ein ganzes Gefolge von blühenden, duftenden Schwestern im Garten und Walde, auf Wiese und Feld. Wogendes Korn wird nun bald zur Ernte bereit sein, und es ge­währt einen eigenartigen Anblick, wenn die Halme, vom leichten Winde berührt, einem weiten, leise bewegten Meeresspiegel gleichen. Im Walde ist reges Leben; überall raschelt's und summt's und zirpst's und singt's. Sommer ist strahlende, kräftige, lebenbejahende Jugend. Aus den Urtiefen der immer wieder aus sich selbst erstarkenden Natur will der vielgeplagte Berufsmensch neue Daseins­freude schöpfen, deshalb treibt's ihn hinaus ins Freie.

jDer wohlwollende Chef.sIch würde Sie ja gerne aufbesfern, aber dann müssen Sie ja wieder mehr Steuer zahlen und ich bin ein prinzipieller Gegner jeder Mehrbelastung des Mittelstandes!"

Bnchstabeu-RStfel.

Ich berg' in mir gewaltige Kraft

Bin ich entfesselt meiner Hülle,

Hab ich schon manchen hingerafft Aus seines Lebens höchster Fülle.

Doch wenn man mir den Kopf vertauscht.

Ist meine Jugendzeit verrauscht;

Das Alter kommt dann schnell herbei. Verblüht ist längst des Lebens Mai.

als ob er nicht einen Mörder der gebührenden Strafe, sondern seine Tochter der Verzweiflung über­antwortete. Seine Hand zitterte, als er das Akten­stück ergriff, das Anna ins Feuer geworfen haben würde, wenn sie Karl damit hätte retten können. Endlich sammelte er sich. Das Bewußtsein seiner amtlichen Würde trug in ihm den Sieg davon.

Ein tiefes Schweigen herrschte in dem großen Saale. Der Vortrag des Staatsanwalts fesselte die Aufmerksamkeit und beschäftigte die Gemüter. Leiden­schaftslos und ohne besonderen Aufwand von Worten schilderte er den Vorgang und seine Darstellung machte einen um so tieferen Eindruck, je mehr der Gerichtshof die Rechtschaffenheit seiner Gesinnung und den Ernst seiner Ueberzeugung zu schätzen wußte. Karl hielt seine Sache für verloren, als er den Redner mit folgenden Worten den Vortrag schließen hörte:

Der Kommerzienrat Hollmann besaß ein erheb­liches Vermögen, dessen einziger Erbe sein Neffe war. Der Hang zu einem genußreicheren Leben, vielleicht Leidenschaften, die sich unfern Nachforsch­ungen entzogen haben, trieben den Unglücklichen zum Verbrechen. Das Verbrechen war vorbedacht. An dem zur Vollziehung des Mordes bestimmten Tage speiste er bei dem Greise, geht nach Hause und verabschiedet gegen alle Gewohnheit seinen Diener.

Fortsetzung folgt.