Zweites

Zweites

Blatt.

Der Enztäler

Blatt.

^ 100 .

Neuenbürg, Mittwoch den 23. Zuni 1009.

67. Jahrgang.

Württemberg.

Die Deutsche Reichspost gibt ihren Lesern folgendes bekannt:Mit dem 1. Juli 1909 geht aus Grund freundschaftlichen Uebereinkommens zwischen der Firma I. F. Steinkopf und der Konser­vativen Partei Verlag und Druck der Deutschen Reichspost auf Th. Körners Buchdruckerei über. Die Redaktion der Zeitung, die künftig nur der Konservativen Partei verantwortlich istz wird durch den Eintritt des Hrn. Adam Röder, früher lang­jähriger Chefredakteur der konservativen Badischen Post in Karlsruhe und des Rheinischen Kuriers in Wiesbaden, verstärkt. Da der verdiente, seither verantwortliche Redakteur Fr. Schrempf wegen seiner Inanspruchnahme als Sekretär der Konservativen Partei und als Landtagsabgeordneter sich nicht ge­nügend der Zeitung widmen kann, wird künftig Hr. Adam Röder als verantwortlicher Leiter des Blattes zeichnen. An der Tätigkeit des Hrn. Schrempf bei der Zeitung wird durch diese in seinem vollen Einverständnis erfolgende Uebertrag- ung der Verantwortung nichts geändert."

Stuttgart, 22. Juni. Der Anbau von Zucker­rüben in Württemberg im Jahre 1909 erfolgt von den drei württ. Zuckerrübenfabrikanten auf 971 du Land (Vorjahr 973). Außerdem sind für diese Fabriken von Privaten 2442 uu mit Zuckerrüben bepflanzt worden (Vorjahr 1953). Die Gesamt­anbaufläche Württembergs mit Rüben beträgt Heuer 3413 du gegen 2926 du im Vorjahr.

Ulm, 22. Juni. Die Kgl. Generaldirektion der württ. Staatseisenbahnen bringt am 8. August einen Sonderzug von Stuttgart nach Ulm zur Aus­führung. Der Zug geht 5.40 Uhr früh in Stutt­gart ab und kommt 7.48 Uhr hier an. Die Rückfahrt wird um 9 Uhr abends angetreten. Die Ankunft in Stuttgart erfolgt 10.58 Uhr.

Heilbronn, 21. Juni. Am 20. ds. Mts. war Meldeschluß für das württ. Kreisturnfest. Ueber Erwarten zahlreich 'sind die Meldungen einge­laufen. Es haben sich nämlich 222 Vereine mit über 3500 Turnern angemeldet. In Heidenheim waren es im letzten Jahr 152 Vereine mit 2500 Turnern. An den Stabübungen dürften etwa 4500 Turner teilnehmen.

Heilbronn, 21. Juni. Im städtischen Ver­sorgungshaus ist ein Insasse an den Schwarzen Pocken erkrankt und ein anderer pockenverdächtig. Die Krankheit wurde vermutlich von einer russischen Arbeiterin eingeschleppt.

Cannstatt, 21. Juni. Gestern nachmittag wurden auf der Landstraße in der Nähe Fellbachs auf ein Automobil zwei Revolverschüsse abgegeben, ohne jedoch einen Insassen zu verletzen. Obwohl der Täter mit Hilfe der Fellbacher Polizei sofort verfolgt wurde, konnte er noch nicht ermittelt werden.

Feuerbach, 22. Juni. Der Stollen des neuen Tunnels FeuerbachNordbahnhof ist durchgebrochen. Die Arbeiter trafen heute nacht zusammen. Die Eingänge des Tunnels sind mit Bäumchen geschmückt. Mil der Ausmauerung wird sofort begonnen; sie wird mit Backsteinen durchgeführt.

Zuffenhausen, 22. Juni. Einen Selbstmord verhütete am Samstag abend ein 15jähriger Maler­lehrling von hier. Er war Zeuge wie eine in der Rosenstraße wohnhafte Frau zum Bahndamm in der Nähe der Hördtstraße eilte und sich über die Schienen legte. Der beherzte Lehrling sprang herbei und drängte die Lebensmüde mit festen Griffen vom Gleis. Gleich darauf passierte ein Zug die Strecke. Zwei Frauen brachten die Widerwillen dem Tode entgangene in ein Haus an der Stammheimer- straße. Dort versuchte die Lebensmüde aus dem Fenster zu springen, wurde jedoch daran gehindert. Schlechte Behandlung durch ihren Mann sollen die 'Frau auf die Selbstmordgedanken gebracht haben.

Schramberg, 22. Juni. Gegen die Umwand­lung der seitherigen Firma K. Mayer u. Söhne in Deutsch-Amerikanische Uhrenfabrik hat, wie das Schwarzw. Tagbl." erfährt, die Hamburg-Ameri­kanische Uhrenfabrik wegen Verwechslungen mit ihrer Firma Einspruch erhoben. Vom Amtsgericht Oberndorf ist eine vorläufige Verfügung getroffen worden, nach welcher die Benützung der fraglichen Firmabenennung unter Strafe von 100 Mk. pro Fall verboten ist. Die beklagte Firma hat hier­gegen Einspruch erhoben. Auf den 6. Juli ist Ver­handlung beim K. Landgericht Rottweil angesetzt.

Mün singen, 21. Juni. Aus bisher noch nicht bekannter Ursache wurde am Freitag nachmittag auf einem Schießstand des Truppenübungsplatzes der Soldat Bub eck aus Stuttgart, während er Zeiger­dienst versah, von einer Kugel in den Kopf getroffen und lebensgefährlich verletzt. Der Verunglückte ist anscheinend durch einen Querschläger verletzt worden und ist seiner Verwundung erlegen. Er gehörte der 2. Kompagnie des 7. württ. Infanterie-Regiments an, war Gefreiter und ist gebürtig von Uhlbach.

Balingen, 21. Juni. Ueber den Damm­rutsch der Tübingen-Sigmaringer Bahn bei Laut­ungen verlautet weiter, daß schon seit einiger Zeit

Die Dame mit den Rosen.

Kriminalroman von G. Quis.

10 ) - (Nachdruck verboten.;

(Fortsetzung.)

Karl grüßte seine Bekannten, dann schweifte sein suchender Blick auf die von einem wohlwollenden Sonnenstrahl freundlich beleuchteten Reihen der Frauen und Mädchen, die mit Spannung das Drama erwarteten, das nun vor ihren Augen sich ent­wickeln sollte.

Dann suchte sein Blick unter der Schar der jüngeren Mädchen nach jener rätselhaften Unbekannten, die mit so inniger Liebe an ihm hing, und die, wie eine Ahnung ihm sagte, unter den Anwesenden sein mußte. Er fand aber kein Gesicht, das dem Bilde entsprach, das er sich von dieser geheimnisvollen Freundin gemacht hatte.

Auf einem Tische, der zwischen der Anklage- und der Geschworenenbank stand, lagen, als Beweisstücke, der mit etwas Blut bespritzte Stein, den der Mörder offenbar bei seiner Tat benutzt, ein photographischer Abdruck der im Hofe gefundenen Fußspur und ein Stiefel, der Karl gehörte und genau in jene Spur paßte. Dieser Anblick erregte die peinlichsten Em­pfindungen in Karl, er sank tief bewegt zurück. Beim Eintreten in den Saal ruhten die Blicke der Anwesenden mit der größten Neugier auf ihm. Der persönliche Eindruck, den er machte, war sehr günstig. Man mcchte es nicht glauben, daß ein so junger,

so ahnsehnlicher Mann einen so entsetzlichen Raub­mord begangen haben sollte.

Karl war schwarz gekleidet, er trug Trauer um den Oheim. Seine schönen, dunklen Augen, die gegen die bleiche Farbe seines Gesichts abstachen, seine geistreiche Stirn, wurden von der Damenwelt bemerkt und bewundert.

Mit seinem Verteidiger, dem vor ihm sitzenden Rechtsanwalt Schwinger, tauschte Karl einen leb­haften Händedruck aus.

Nach den einleitenden Formalitäten und Ver­lesung der Anklage, sowie nach der Erklärung Karls, daß er unschuldig sei, wurde zur Beweisaufnahme geschritten. Der Präsident begann mit der Ver­nehmung Karls.

Der Angeklagte antwortete klar und ausdrucks­voll. Sobald irgend eine direkte Frage ihn nötigen wollte, das Verbrechen zu gestehen, machte seine Entrüstung sich rücksichtslos geltend. Der Schrei der Unschuld, der unwillkürlich aus einem lauteren Herzen drang, erschütterte die Ueberzeugungen der Kriminalisten. Aus den Reihen der Zuhörer erhob sich mehr als ein Laut des Mitleids. Die Frauen trockneten ihre Tränen. Mitten in dem allgemeinen Flüstern, dem unwillkürlichen Austausch der An­sichten hörte man plötzlich, aber nur auf einen Augen­blick, den Ton eines liefen Schluchzens. Dieser Ton erregte die allgemeine Aufmerksamkeit; aber man entdeckte nicht, welchem Munde der Schmerzenslaut sich entrungen. Die Ruhe und Würde, mit der der Angeklagte alle an ihn gerichteten Fragen beant­

unbedeutende Risse an dem Dammrutsch bemerkbar waren, die die Züge zu langsamem Fahren nötigten, ohne daß aber eine so schwere Beschädigung des Bahnkörpers, wie sie in der Nacht vom Freitag zum Samstag nach dem Passieren des Schnellzuges ein­trat, zu vermuten gewesen wäre. Die Rutschung soll durch Verstopfung einer Sickerung entstanden sein. Die beschädigte Stelle ist gestern nachmittag von Beamten der Generaldirektion besichtigt worden. Die Bodensenkung ist so stark, daß die Schienen sich vollständig in der Luft befinden. Während der Personenverkehr durch Umsteigen aufrecht erhallen wird und schwere Gepäckstücke umgeladen werden, muß der Güterverkehr vorerst über TuttlingenHorb und umgekehrt geleitet werden.

Lind ach, OA. Gmünd, 21. Juni. Der 12jähr. Sohn des Goldarbeiters Jakob Baier schwang sich von hinten auf einen Wagen, ohne daß es der Lenker des Gefährts bemerkte, brachte dabei den Kopf zwischen ein Rad und wurde so schwer verletzt, daß er noch in der Nacht starb.

Nebringen, OA. Herrenberg, 16. Juni. Ge­stern abend */ 2 l 1 Uhr brannte eine große mehr als 100 Jahre alte Scheuer, an der 5 Besitzer Anteil hatten, sowie zwei Wohnhäuser ab und nur ganz wenig konnte gerettet werden. Die von dem Schaden­feuer getroffenen 5 Familien haben eine zahlreiche Kinderschar.

Eggenreute, OA. Wangen, 21. Juni. Als der Bauer Dauer Hage von Böschlishans mit seinen Angehörigen unweit seines Hauses auf dem Felde beschäftigt war, machte er die Wahrnehmung, wie ein fremder Mann eines seiner Pferde aus dem Stall führte und sich mit ihm querfeldein davon machte. Mit Hilfe eines Nachbarn verfolgte Hage den Dieb, der, als er sich verfolgt sah, unter Preis­gabe des Pferdes in den Wald flüchtete, und holte ihn nach kurzer Zeit ein. Der Dieb, ein 28jähriger Pomologe von Heißen, schützte nach verschiedenen leeren Ausflüchten totale Betrunkenheit vor und will nicht wissen, wie er zu der Tat gekommen ist.

Stuttgart. ILandeSProduktenbörse.I (Bericht vom 21. Juni.) Hafer ist unverändert fest, während die Preise von Mais sich etwas billiger gestalten; Futtergerste un­verändert. Die Süddeutschen Wochenmärkte melden kleine Zu­fuhren bei abermals erhöhten Preisen. Auf heutiger Börse fand offektive Ware schlanken Absatz. Mehlpreise per 100 Kilo- gramm inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 38 Mk. Pfg. bis

39 Mk. Pfg., Nr. 1: 37 Mk. Psg. bis 38 Mk.

- Pfg., Nr. 2: 36 Mk. - Pfg. bis 37 Mk. - Pfg.,

Nr. 3: 35 Mk. - Pfg. bis 38 Mk. Pfg., Nr. 4:

31 Mk. - Psg. bis 32 Mk. - Pfg. Kleie II Mk. - Pfg. bis 11 Mk. 50 Pfg. (ohne Sack.)

wortete, machte auf alle Anwesenden den besten Eindruck. Man empfand trotz der Gewichtigkeit der erbrachten Belastungsbeweise die erheblichsten Zweifel seiner Schuld, und der Staatsanwalt, dem dieser Eindruck nicht entging, begann schon an die Mög­lichkeit zu denken, daß er einfach durch die schlichten, den Stempel der Wahrheit tragenden Worte des Mannes dort auf der Anklagebank besiegen werden könnte.

Es wurde nunmehr zum Zeugenverhör geschritten.

Jakob wandte sich zu seinem Herrn, als wollte er ihn um Verzeihung bitten, daß gerade er durch seine Aussage die Last, die auf ihm ruhte, noch erschweren mußte. Karl lächelte ihm freundlich zu, um ihm so verständlich zu machen, daß er ihm nicht grolle, wenn er die reine Wahrheit sage. Der Greis wiederholte seine frühere zu Protokoll gegebene Aus­sage und fügte hinzu, daß er nach wie vor von der Unschuld seines Herrn vollständig überzeugt sei.

Als nächster Zeuge wurde ein Mann namens Münch vorgerufen.

Dieser war ein kleiner, gedrungener Mensch, dessen Gesichtszüge einen nicht gerade angenehmen Eindruck machten. Seine Augen hatten einen lauern­den Ausdruck, die Lippen waren auffallend schmal, die Stirn niedrig. Er trug das Gewand eines Landmannes. An den Knien der abgeschabten, blauen Hosen zeigten sich einige plump eingesetzte Flicken. Die Schultern bedeckte ein grober Leinwandkittel und in der Hand hielt der Zeuge seinen ver­witterten Strohhut.