andererseits indessen eine nachdrücklichere Bestrafung namentlich roher Kindermißhandlungen und Tier­quälereien vorschlagen. Ueber den Zeitpunkt, zu welchem dieser Entwurf dem Bundesrate zugehen wird, ist noch nichts bestimmtes bekannt.

Berlin, 6. Jan. Die Jnseratensteuer ist nunmehr von allen Handelskammern ab gelehnt worden.

Berlin, 6. Januar. Die Jankschen Wand­bilder im Sitzungssaale des Reichstages, die von verschiedenen Seiten heftigen Angriffen begeg­neten, sind nun aus dem Saal entfernt worden.

Berlin. 7. Jan. Das Neueste auf dem Ge­biet der Bekämpfung von Luftschiffen ist die Kon­struktion eines Schrapnells, das mit einer besonderen Vorrichtung versehen ist, um die getroffene Ballon­hülle gleichzeitig auch zu zerreißen. Das neu kon­struierte Artilleriegeschoß ist ein Bodenkammer­schrapnell, dessen größte Schußweite 7800 Meter beträgt. Bestimmt sind diese Geschosse für ein 5 Zentimeter-Schnellfeuergeschütz, das seinen Platz am besten in einem Panzerautomobil zur Bekämpf­ung von Luftschiffen erhält.

Petersburg, 5. Jan. Wie zuverlässig ver­lautet. wird der russische Minister Jswolski am russischen Neujahr zurücktreten und zum Botschafter in Berlin ernannt werden.

In Frankreich haben die Ergänzungs­wahlen zum Senat stattgefunden und mit dem Siege der Ministeriellen geendigt, da Clemenceau nicht nur sein Mandat behauptete, sondern auch noch 15 neue Anhänger in den alten Luxemburg-Palast einziehen sieht.

Derweil die türkische Kammer ihre Tätigkeit in vollem Umfang ausgenommen hat und sich ohne allzuviel Worte mit löblichem Fleiße an die Riesen­aufgabe gemacht hat, den Augiasstall zu reinigen, kann das andere islamitische Reich immer noch nicht zu seiner Verfassung kommen, denn die Revolution dauert in Persien unverändert fort und hat in den jüngsten Tagen zu blutigen Kämpfen in Jspahan geführt, Kämpfe, die wohl nicht eher ein Ende nehmen werden, als bis der meineidige Schah das Schicksal, das er längst verwirkt hat, erfährt, wenn anders nicht auch er in letzter Stunde einsehen lernt, daß die Völker dazu geschaffen sind, sich selbst zu regieren und daß selbst der Orient heute nicht mehr den Boden bildet für eine anders geartete als eine konstitutionelle Monarchie.

Für die Nutzbarmachung derWasserkräfteder Aare und ihrer Zuflüsse, die auf 58000 Pferde­stärken berechnet sind, ist beim Schweizer Bundesrat ein Konzessionsgesuch eingereicht worden.

Berlin, 7. Jan. Heute morgen drang ein noch unbekannter Mann von der Straße her in den Kassenraum des Rathauses in Köpenick ein; ihm fielen 600 Mk. aus der Wechselkasse in die Hände. Der Spitzbube ist sicher bei seinem Werke gestört worden und hat unter Zurücklassung seines Hand­werkzeugs die Flucht ergriffen.

Köln a. Rh. 7. Jan. In der heutigen Sitzung der Stadtverordnetenversammlung teilte Oberbürger­meister Wallraf mit, daß der Geh. Kommerzienrat Heinrich v. Stein seiner Vaterstadt Köln 50000 ^ gestiftet habe zum Bau eines Erholungsheims für mittlere Beamte der städtischen Verwaltung, mittlere Beamte des Staats, sowie für Privatbeamte von eingesessenen Kölner Firmen, deren Gehalt eine gewisse Höhe nicht übersteigt.

800000 Mk. Steuerstrafe sind in Nieder­ingelheim in Rheinhessen von den Erben einer reichen Witwe bezahlt worden, die ihr Einkommen nicht richtig angegeben hatte. Eine halbe Million fiel dem Staat, 300000 Mk. der Gemeinde zu.

Mannheim, 5. Januar. Bei dem Kaufmann Alois Bräunig in Neckarau wurde heute Nacht ein schwerer Einbruchsdiebstahl verübt. Die Diebe erbrachen den Kassenschrank, entwendeten einen Be­trag von 8000 Mk. in bar und entkamen unerkannt. Sie müssen mit den örtlichen Verhältnissen vertraut gewesen sein.

Großrinderfeld, 5. Januar. Der Brand­stiftung an dem großen Brande am 31. Dezember dringend verdächtig ist ein 68 jähriger Witwer. Mit ihm wurde noch eine Person verhaftet.

Wie dieRoma" meldet, wurden der Banca d'Jtalia in Messina 4 Millionen Lire gestohlen.

In Wilna ist eine Gaunerbandeausgehoben worden, die durch Handel mit Eisenbahnbilletten besonders auf den Stationen der Südwestbahn den russischen Staat um mehrere Millionen Rubel geschädigt hatte.

In Libau wurde ein Geizhals schlimmster Art, der berüchtigte Millionär Wetwagis, in seiner Wohnung erfroren aufgefunden.

Auf der Farm Willow Glen in der Nähe von Womelsdorf (Pennsylvanien) wurde der preußische Staatsangehörige Wilhelm Ignatius verhaftet, der im Jahre 1906 in Rawitsch in Posen drei Männer ermordet hatte. Die Verhaftung des Ig­natius gelang erst nach schwerem Kampf. Er ver­barrikadierte sich in seinem Hause und schoß aus drei Gewehren, mit denen er bewaffnet war, auf die Gendarmen. Schließlich gelang es einem Offizier, über eine Barrikade in das Haus zu dringen und dort im Dunkel der Morgenfrühe Ignatius zu ver­haften.

Württemderg.

Stultgart, 6. Jan. Die Landesversamm­lung der süddeutschen Volkspartei fand heute unter überaus zahlreicher Beteiligung im Konzertsaal der Liederhalle statt. Professor L. Hoffmann, der die Versammlung begrüßte, machte gleich zu Beginn derselben Mitteilung davon, daß die Führer der Partei am Erscheinen verhindert wurden. Kammer­präsident Friedrich Payer leidet an einem fieberhaften Erkältungszustand, Konrad Haußmann ist an Rheu­matismus erkrankt, Naumann wurde telegraphisch an das Krankenbett seiner Tochter gerufen und auch Dr. Elsas war durch Unwohlsein genötigt, der Versamm­lung fernzubleiben. Abg. Henning wurde zum Vorsitzenden gewählt. Prof. Hummel-Karlsruhe überbrachte die Grüße der badischen Demokraten. Bei der Erstattung des Parteiberichts hob Professor Hoffmann das Zustandekommen der freisinnigen Fraktionsgemeinschaft und des Vereinsgesetzes hervor, das einen großen politischen Fortschritt bedeute. Der Beobachter" könne seit einer Reihe von Jahren sich selbst erhalten, während die Parteipresse im Lande größerer Unterstützung seitens der Parteifreunde be­dürfe. Landtagsabg. Liesching erörterte darauf die neuen Statuten, deren wesentlichste Acnderung in der neuen Zusammensetzung des engeren Ausschusses be­steht, dessen 24 Mitglieder zur einen Hälfte ihren Wohnsitz in Groß Stuttgart, zur anderen Hälfte im übrigen Lande haben müssen. Dadurch sollen mehr Parteifreunde im Lande an den Arbeiten des engeren Ausschusses teilnehmen. Aus dem Lande wurden sodann in den engeren Ausschuß gewählt: Carle- Vaihingen, Betz-Heilbronn, Leibfried - Sindelfingen, Henning-Metzingen, Liesching-Tübingen, Sckock-Gail- dorf, Meisel-Neuenbürg, Käß-Backnang, Augst- Gerabronn, Mayer-Ulm, Krauß-Göppingen und Stremer-Biberach. Einem aus der Mitte der Ver­sammlung zum Ausdruck gebrachten Wunsch, auch einen Arbeiter in den engeren Ausschuß zu wählen, soll bei nächstem Anlaß entsprochen werden. Der Vorsitzende drückte hierauf den Reichstagsabgeord­neten, besonders Payer und Haußmann, den wärm­sten Dank und die Anerkennung dafür aus, daß sie unermüdlich bestrebt waren, die Forderungen der Demokratie zu verwirklichen. Landtagsabg. Mayer- Ulm erstattete den Landtagsbericht. In Würt­temberg befinde sich an der Spitze der Staatsver­waltung ein Beamtenministerium, dessen Mitglieder die Geschäfte ihrer Ressorts gewissenhaft aufzuarbeiten hätten, sich also von keinem weltbewegenden Ge­danken leiten ließen. Der Ministerpräsident sei ein vielgewandter und kluger Mann, der den Gedanken der Einführung einer parlamentarischen Regierung abgelehnt habe. Wenn aber einmal eine Partei die Majorität erlange, müsse die Regierung derselben Rechnung tragen oder abgehen. Jetzt habe keine Partei eine überragende Stellung. Die Fraktionen der Linken und der Rechten stünden sich gleich stark gegenüber. In der Mitte stehe die nationalliberale Partei. Jedenfalls sei die Regierung gehindert, konservativ zu regieren. Bei der Besprechung der Bauordnung bezeichnte Redner den Minister des Innern als einen Mann, der im Grund seines

Herzens liberal sei. Doch nehme er sein Amt etwas zu gewissenhaft, da er bei einem liberalen Gesetz sich nicht genug tun könne im Erlaß von Aus­führungsbestimmungen. Es sei gelungen, das Ver­ordnungsrecht des Ministeriums in weitgehendem Maße einzuengen, sowie einen entschiedenen Fort­schritt im Sinne der Gemeindeautonomie herbei­zuführen. Die Verhandlungen hätten sich dadurch sehr in die Länge gezogen, weil das Zentrum

immer sein Licht leuchten lassen wolle, immer gescheiter sein will wie Andere und immer

versucht, weil es seine Existenzberechtigung durch die Fabel von der Bedrohung der katholischen Religion nicht bei allen Fragen zu beweisen

in der Lage ist, die Beratungen zu verzögern. Sozialdemokratie und Zentrum benutzten bei der Be­ratung über die Ausführungsbestimmungen zum Vereinsgesetz die Gelegenheit, nach der feierlichen ' Erklärung des Ministers, die bisherige Freiheit auf

dem Gebiet des Vereinsrechts wie bisher hochzu­halten, noch zwei Tage lang Reden zum Fenster hinauszuhalten, um ihre verfassungsrechtliche Notdurft zu befriedigen. Zur Volksschulgesetznovelle über­gehend, die doch recht bescheiden fei, sagte Redner, der Kultminister mag in Schulsachen ein aufgeklärter, auch fortschrittlich gesinnter Mann sein, doch sei er allzu vorsichtig. Es solle bei der konfessionellen Schule, beim Religionsunterricht, wie bisher, bei sieben Schuljahren und der Erteilung des Religions­unterrichts durch die Lehrer bleiben. Das Zentrum kämpfe erbittert um jeden Absatz, fast um jedes Wort der Novelle. Es will den Braten beseitigen und dem Volk nur Knochen bieten. Bezüglich der Schul­schwestern habe niemand etwas gegen Anstellung katholischer Lehrerinnen einzuwenden, nur sollen keine Angehörige von Kongregationen Unterricht in der Schule erteilen. Der neue Finanzminister, der als scharfsinniger Mann gelte, müsse seine Fähigkeit in der kommenden Zeit beweisen. Die Aufgabe der Volkspartei müsse es sein, daß künftige Wahlen auf Kosten des Zentrums und der Konservativen eine im Interesse des Liberalismus absolut zuverlässige Mehrheit bringen. Reichstagsabg. Wieland dankte für die Vertrauenskundgebung an die Abgeordneten im Reichstag. Die Frage der Reichsfinanzreform sei eine schwierige, da sich verschiedenartige Inter­essen dabei geltend machen. Die Notwendigkeit der Reform müsse anerkannt und diese zum Besten des Volkes erledigt werden. Die politische Richtlinie der Parteizugehörigkeit könne nicht immer aufrecht erhalten bleiben. Man werde die Reform erledigen, ohne daß die Opfer für das Volk zu große werden. Mit der Aufforderung Hennings, die bürgerlich­demokratischen Ideale immer hochzuhalten, wurde die Versammlung geschlossen. Payers beab­sichtige Rede über Reichspolitik wird demnächst imBeobachter" veröffentlicht werden.

Die diesjährige Landesversammlung der Nationalliberalen Partei, Deutschen Partei, findet, wie schon berichtet, am Sonntag den 10. Jan., vormittags 11 Uhr, in Stuttgart in den Sälen des Stadtgartens statt. Es werden sprechen: Reichstags­abgeordneter Dr. Junck (Leipzig) überDie poli­tische Lage im Reich", Reichs- und Landtagsabgeord­neter Professor Dr. Hieb er überDie politische Lage in Württemberg". An die Landesversammlung schließt ein gemeinsames Mittagessen (Gedeck ü 2 Mk.) im Stadtgarten an.

Stuttgart, 7. Januar. Der württembergische Volksschullehrerverein wird laut Beschluß seines geschäftsführenden Vorstandes dem Antrag eines Bezirksvereins, eine außerordentliche Vertreterver­sammlung wegen der Volksschulnovelle einzuberufen, nicht entsprechen.

Stuttgart, 5. Januar. In der Nacht vom 3. Januar ist hier der Bildhauer und Stukkateur­meister Alfred Hilliger sev. gestorben. Mit ihm ist ein hervorragender Vertreter des Stuttgarter Kunstgewerbes dahingeschieden. Die Firma, deren Chef der Verstorbene war, hat er durch rastlosen Fleiß und hohe berufliche Tüchtigkeit zu großer Blüte gebracht. (Der Verstorbene war der Vater des Bauwerkmeisters Hilliger, z. Zt. in Neuenbürg.)

Stuttgart, 5. Jan. Seit einigen Tagen treibt hier ein Schwindler in der Weise sein Unwesen, daß er angeblich für die bei der Erdbebenkatastrophe in Italien Verunglückten Beiträge sammelt. Der Mann, der eine Liste in einem blauen Umschlag bei sich führe, wird beschrieben: ca. 25 Jahre alt, mittel­groß, schlank, blonde Haare, ebensolchen kleinen Schnurrbart, mageres, bleiches Gesicht, bunten, ab­getragenen Ueberzieher, schwarzen steifen Hut, goldenen Zwicker, spricht jedenfalls keinen süddeutschen, sondern mehr, aber nicht ausgesprochenen Dialekt und hat gewandtes, sicheres Auftreten.

Stuttgart, 5. Jan. Im hiesigen Hauptbahn­hof spielte am Montag abend */-8 Uhr ein auf­regender Vorgang ab. In einem Abort machte ein etwa 25 Jahre alter Mann einen Selbstmord­versuch, indem er mehrere Revolverschüsse auf sich abfeuerte. Er wurde schwer verletzt in Hospital gebracht.

Cannstatt, 7. Jan. In voller Rüstigkeit und Geistesfrische vollendete heute der Senior der evangel. Geistlichkeit Württembergs, Dekan a. D. Härlin, (Vater von Oberamtsarzt Dr. Härlin in Neuenbürg) sein 90. Lebensjahr. Der Jubilar war nach Beendigung seiner philosophischen und theologischen Studien zuerst Vorstand der Lateinschule in Besig­heim, aus der unter seiner Leitung manch bedeutende Männer, Schriftsteller, Staatsbeamte, Aerzte, her­vorgegangen sind, dann 2. Stadtpfarrer in Weilheim- Teck, später in Nürtingen, zuletzt 25 Jahre lang Dekan in Marbach. An allen diesen Orten, zumal