ersucht wird, bei Einführung des obligatorischen Zeichenunterrichts einmal auf die besonderen Verhältnisse und Schwierigkeiten einzelner Gemeinden in der Uebergangszeit Rücksicht zu nehmen, sodann bedürftigen Gemeinden entsprechende Staatsbeiträge zu verwilligen und hiebei solche, die die Zeichen­materialien unentgeltlich liefern, besonders zu berück­sichtigen. Hierauf wurde in die Beratung des Art. 2 eingetreten, der von der Dauer der Schul­zeit handelt. Nach dem mit dem Regierungsentwurf übereinstimmenden Antrag der Kommission ist eine örtliche Ausdehnung der Schulpflicht auf 8 Jahre zulässig. Es wird somit in das Ermessen der Ge­meinden gestellt, ob sie das 8. Schuljahr einführen wollen oder nicht. Diesem mit 8 gegen 7 Stimmen gefaßten Kommissionsbeschluß steht entgegen ein An­trag der Volks Partei, wonach die Schulpflicht und zwar obligatorisch für alle Gemeinden 8 Jahre dauern soll. Der Antrag sieht also einen doppelten Schulbeginn vor. Während der die ganze Sitzung ausfüllenden Debatte wurden namentlich drei Hauptbedenken gegen den volks- parteilichen Antrag geltend gemacht. Es wurde gesagt, daß die Verlängerung der Schulzeit nach unten, d. h. ein früherer Eintritt des Kindes in die Schule gesundheitsschädlich sei, wobei man sich besonders auf ein ausführliches Gutachten des Ober- medizinalrats Dr. Scheurlen berief. Dann wurden wirtschaftliche Bedenken erhoben. Landwirtschaft, Arbeiter und Mittelstand hätten ein großes Interesse daran, daß die Kinder mit dem 14. Lebensjahr eine Berufstätigkeit beginnen. Das gelte besonders für die Landwirtschaft, wo eine notorische Leutenot herrsche. Schließlich wiesen die Gegner des 8. Schul­jahrs noch auf die zurzeit bestehende Finanzkalamität und darauf hiu, daß das 8. Schuljahr nach einer Erklärung des früheren Kultministers v. Weizsäcker die Neueinstellung von 600 Lehrern, einen jährlichen Mehraufwand von 1400 000 Mk. und dazu noch bedeutende Ausgaben der Gemeinden für Wohnungen der Lehrer und neue Schullokale erforden würde. Diese Gründe wurden von den beiden Bericht­erstattern Löchner (Vp.) und Schrempf (B.K.) vorgetragen, allerdings nur von dem letzteren als richtig zugegeben, während Löchner sich auf den Standpunkt seiner Partei stellte. Schrempf hob noch hervor, daß die Einführung des 8. Schuljahres einen solchen Widerspruch Hervorrufen würde, daß sie bald wieder rückgängig gemacht werden müßte. Auch der Abg. Maier-Rottweil (Ztr.) schloß sich den erwähnten Gründen an. Dr. Elsas (Vp.) begründete den Antrag seiner Partei. Man müsse sich hüten, durch die fakultative Einführung des 8. Schuljahrs den Gegensatz zwischen Stadt und Land noch zu verschärfen. Nur die reicheren und städtischen Gemeinden würden dann von diesem Kulturfortschritt Gebrauch machen. Er erinnerte daran, daß von 18351858 das 8. Schuljahr bestauden habe, und daß nicht einzusehen sei. warum nur in Württemberg allein das 8. Schuljahr nicht möglich sein solle, während es in den übrigen großen Bundesstaaten, von Bayern abgesehen, bestehe. Leb­hafte Unterstützung fand der volksparteiliche Antrag

ihm beinahe willenlos. Er hörte und merkte kaum noch, was um ihn her geschah.

Als beide vor Schröders Zimmer still standen, schüttelte er gutmütig dessen Hand und sagte:

Nun, nun, Herr Hauptmann, nehmen Sie sich die Sache nicht allzusehr zu Herzen. Besser das fürchterliche Erwachen vor als nach der Hochzeit. Gute Nacht!"

Die Tür siel hinter ihm ins Schloß, und kopf­schüttelnd blickte Zehlen ihm nach.

Als Schröder sich allein sah, ergriff es ihn fast wie Tobsucht. Es toste in seinen Schläfen, vor den Augen zuckten blutrote Flämmchen.

Darauf folgte trostloseste Apathie. Er setzte sich an den Schreibtisch und schrieb. Qckalvoll auf­stöhnend schob er das Briefblatt ins Kouvert und schrieb den Namen der Mutter darauf.

Nachdem er noch mehrere kurze Briefe geschrieben, setzte er ein Telegramm auf, gleichfalls an seine Mutter. Es enthielt nur die wenigen Worte: Komme sogleich. Georg."

Dann stand er auf, in seinen schönen, ernsten Augen flackerte der Wahnsinn.

Ich gehe hinauf", murmelte er dumpf vor sich hin,zur Muttergotteskapelle, denn heute steht der ! Himmel offen. Vielleicht mag sie auch für einen elenden, feigen Selbstmörder beten!"

Er verstummte und ließ den hervorgezogenen Revolver wieder in die Tasche gleiten, dann trat er ! aus dem Hause. Im Hellen Mondlicht sah er ? wenige Schritte vor sich ein farbloses Mädchenantlitz, '

durch den Abg. Hildenbrand (Soz.), der behauptete, daß seit dem Jahre 1858 die Volksbildung von Jahr zu Jahr in Bezug auf tieferes Wissen und Können zurückgegangen sei. Der Arbeiter wolle lieber ein Jahr wirtschaftlichen Nachteils, um dann dem Kinde für das ganze Leben wirtschaftliche Vor­teile zu ermöglichen. Dasselbe gelte auch vom Bauer, denn wer über einen besseren Schulsack verfüge, sei zweifellos wirtschaftlich im Vorteil. Wenn es sich um eine möglichst gute Volksbildung handle, dürfe es an den nötigen Geldmitteln nicht fehlen. Häffner (D. P.) erinnerte daran, daß bei den letzten Wahl­kämpfen das 8. Schuljahr keine Rolle gespielt habe, sonst würde der Widerspruch dagegen deutlich heroor- getreten sein. Auch müsse beachtet werden, daß Württemberg mit seinen bald ins Leben tretenden Gewerbeschulen einen Vorteil vor anderen Ländern habe. Seine Partei werde einem Ausbau der all­gemeinen Fortbildungsschule zustimmen. Dr. Späth (Ztr.) hob hervor, daß alle Parteien eine möglichst gute Bildung des Volkes wünschen. Nur über die Mittel zu diesem Ziele gingen die Ansichten aus­einander. Er legte besonders Gewicht auf die finan­zielle Seite der Frage. Minister v. Fleischhauer machte gegen den volksparteilichen Antrag geltend, daß früher die Abgg. Betz und Schmidt-Maulbronn für das fakultative 8. Schuljahr sich ausgesprochen und letzterer es als einen wesentlichen Fortschritt der Regierung empfohlen habe. Schlechter sei die Volks­schule seit 1858 keineswegs geworden. Den Wert des 8. Schuljahrs dürfe man nicht überschätzen. Die Ausbildung unseres Volkes für den wirtschaftlichen Kampf sei nicht schlechter als die in anderen Staaten. Es würde gar nicht die nötige Zahl von Lehrern vorhanden sein, um das 8. Schuljahr obligatorisch einführen zu können. Die Leutenot auf dem Lande ergebe sich am deutlichsten aus dem ständigen Rück­gang der Schülerzahl, die gewerbliche Fortbildungs­schule werde erhebliche Kosten verursachen. Die Erfahrungen mit ihr müßten abgewartet werden, ehe man an eine Reform der allgemeinen Fort­bildungsschule gehen könne. Auf dem Wege der Freiwilligkeit werde das 8. Schuljahr sich am leich­testen einführen lassen. Das obligatorische 8. Schul­jahr möge je das Bessere sein, oft sei aber das Bessere der Feind des Guten. Ich bitte Sie, schloß der Minister, das Gute zu nehmen. Später wird uns dann das Bessere als reife Frucht in den Schoß fallen. Löchner (Vp.) trat nochmals den finan­ziellen Bedenken entgegen, worauf die Weiterberatung

es sind noch 9 Redner vorgemerkt auf Mon­tag nachmittag vertagt wurde.

Stuttgart, 20. Dezbr. Ganz Stuttgart war gestern in größter Aufregung. Ein Schreiben bildete allgemein den Gesprächsstoff. In der Straßenbahn, in den Geschäften, in den Bureaus, überall hörte man dieselbe Frage:Haben Sie auch solch einen Brief bekommen?" Viele Leute wandten sich an die Zeitungsredaktionen, um dort näheres über das mysteriöse Schreiben zu erfahren. Tausenden von Einwohnern war nämlich mit der Frühpost ein mit 10 Pfg. frankiertes Schreiben zugegangen, das lautete: Mein verehrter Herr . . . .! Habe soeben den

aus welchem ihn ein paar große, starre Augen ent­setzt anblickten.

Walpurga?" frug er wie abwesend.

Herr Hauptmann!" Das Mädchen schlug halb unwillkürlich ein Kreuz, sie fürchtete sich vor dieser rauhen Stimme.

Was tust du hier, Mädchen? Willst du auch dem Vincenz treulos werden und ihn elend machen für Zeit und Ewigkeit? Nein, sage ich dir, tue es nicht, er ist ein goldtreuer Mensch! Geh zu ihm grüße ihn von mir und bete für mich

hörst du, Kind? Betet für mich zur heiligen Muttergottes daß sie sich meiner erbarme morgen früh Walpurga!"

Hell und klar glänzte am anderen Morgen die Sonne über dem Kaisergebirge. Friede lag rings aus der taufrischen Erde, und nur Walpurgas Ant­litz wußte nichts von solchem Empfinden. Sie saß im Garten und putzte Moorrüben. Die frischen Wangen sahen bleich aus, Tränen hingen an den Wimpern.

Immer wieder mußte sie an die hervorgestoßenen Worte des Hauptmanns denken:Morgen früh!" Was hatte er damit sagen wollen? Sollte ihm ein Unheil zugestoßen sein?

Jetzt kamen langsame Männertritte näher. Hart­mann stand gleich darauf vor ihr, bleich und müh­sam nach Worten ringend.

Grüß Gott, Walpurga! Weißt schon um das schwere Unglück?"

TendenzromanDoppelte Moral" gelesen un­glaublich ein Skandal schlimmster Art. Man sieht wieder,, daß der Staatsanwalt da, wo erforder­lich, versagt,, denn sonst dürfte ein solches Buch nicht bis in die Oeffentlichkeit dringem Oder soll es politische Klugheit sein? Und wer mag nur hinter dem anonymen Verfasser stecken? Jeden­falls sind U. und II. auf das fürchterlichste mit­genommen und zur Klage direkt gezwungen. Werden auch Sie sich der Klage anschließen? Ich bin leider auch mit hineingezogen. Fürchterlich! In Eile Ihr ergebenster" (unleserliche Unterschrift.) Die meisten Empfänger dieses handschriftlich hergestellten Briefes gerieten in große Aufregung, zumal die Art der Aufmachung für den ersten Augenblick darauf hindeutete, daß das Schreiben von einem Freunde oder Bekannten herrühre. Nur die wenigsten hielten das Skriptum für das, was es tatsächlich war, ein unverschämtes, plumpes Reklamemachwerk, ein grober Unfug, eine Gemeinheit sondergleichen. Der Ro­man, um den es sich dabei handelt, ist ein Schund­roman schlimmster Sorte, 300 Seilen des gewöhn­lichsten Papiers in echtem Kolportage-Einband eine Geschichte aus hohen und höchsten Kreisen". Der deutsche Buchhandel und das deutsche Publikum werden sich dafür bedanken, für solchen Schund den exorbitant hohen Preis von 7.50 oder 8.50 Mk. zu zahlen. Mit ungeheuren Kosten ist das Schwindel­manöver ins Werk gesetzt, das Gott sei Dank durch das Eingreifen des Staatsanwaltes ein schnelles Ende gefunden hat. Großartig war das Werk ja angelegt. Das Schreiben ist, soweit bis jetzt bekannt, im ganzen in 400 000 Exemplaren versandt worden. Außer Stuttgart liegen bisher Meldungen aus Frank­furt, Nürnberg, Leipzig, Berlin, Magdeburg, München und Hamburg vor. Gleichzeitig mit dem Schreibe» ist der Roman zur Versendung gelangt. In Berlin lagern bei einem Spediteur 50 000 Exemplare dieses hochpolitischen Sensationsromans", in Frankfurt a. M. sind 6000 Exemplare von der Polizei beschlagnahmt worden. Der berüchtigte frühere Direktor der Berliner Haus- und Grundbesitzerbank, Peter Ganter, der den Riesenschwindel in Szene setzte, ist am Samstag nachmittag in München wegen Betrugs und schweren groben Unfugs ver­haftet worden. Peter Ganter ist Inhaber eines ziemlich obszönen Verlags in München, eines Ab­legers eines gleichnamigen Züricher Verlags. Unter falschem Namen hat er im Osten der preußischen Monarchie Güterverkäufe vermittelt. Wegen eines dieser Geschäfte geriet er mit dem Besitzer des Gutes in einen Prozeß, der den Kern des vollständig wertlosen Sensationsromans bildet. In Berlin war Ganter seit langem rühmlich bekannt. Er betrieb dort bereits früher eine Darlehens- und Kautions­bank und hatte zu diesem Zweck ein sogenanntes Finanzblatt herausgegeben, das aber durch scharfe Zeitungskritik zu Fall gebracht wurde. Aus Hannover wird gemeldet: Ein Beamter, der eben­falls die bekannte Offerte auf den RomanDoppelte Moral" erhielt, beantragte bei seinem Vorgesetzten das Verfahren gegen sich selbst, um sich gegen et­waige Angriffe in dem Buche verantworten zu können.

Vincenz", schrie sie ahnungsvoll auf,was ist geschehen, sprich schnell!"

Armes Mädchen, auch mir geht's nahe! Der Kohlenbartel hat drunten in der Schlucht einen Toten gefunden unseren armen Herrn Hauptmann!"

Jetzt flog die Schüssel mit den Moorrüben kra­chend zu Boden, das Mädchen schrie jammernd auf.

So hat mich meine Ahnung nicht getäuscht! Er nahm gestern Abschied von mir, als ich ihn traf, und läßt dich noch herzlich grüßen!"

Schaudernd wandte sich Vincenz ab.

Ich Hab' den Knall gehört, als ich bei der Muttergotteskapelle droben war", sagte er,aber dann Hab 'ich nichts finden und sehen können. Wal­purga, ich gehe jetzt mit hinunter, wenn sie ihn holen."

Tot ist er tot!" stammelte das Mädchen, ewiger Gott, ich kann's nicht fassen!"

Walpurga", hier trat Hartmann dicht neben seine Braut,ich weiß, daß du mich um seinet­willen nicht mehr lieb haben konntest." (Forts, folgt.)

(Fein gegeben.) Herr Veiteles schenkt seinem Kommis zum Jubiläum einen verschlossenen Karton. Freudestrahlend eilt Levin an seinen Platz zurück, um mit vor Erwartung zitternden Händen das Päck­chen zu öffnen und gleich darauf im höchsten Grade enttäuscht zurückzufahren: das wohlgelungene Bildnis des Prinzipals lächelt ihm entgegen. Veiteles ist leise von hinten an seinen Kommis herangetreten: Nu, was sage Se zu mei' Geschenk?"Sieht Ihnen sehr ähnlich!"

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