nächst in Stuttgart unter dem Titel „Meine ! LVelt" in autorisierter Uebersetzung ein neues Buch, i in dem die Verfasserin von neuem Kunde gibt von ' dem reichen Innenleben, das sich in der von der ' Außenwelt fast Abgeschnittenen entwickelt hat. Mit I den beiden Sinnen, der Tastempfindung und dem Geruch, die ihr geblieben, hat sie sich ein umfassendes Weltbild erbaut, das mehr Schönheiten aufweist, als viele Menschen im Vollbesitz ihrer fünf Sinne ! je kennen lernen. Sie scheint völlig ausgesöhnt mit ihrem herben Geschick, und sie weiß mit wundervoller Beredsamkeit von den sWundern, die sie in jedem Augenblick erlebt, zu erzählen. „Das zarte Zittern eines Schmetterlingsflügels in meiner Hand", so schreibt sie an einer Stelle, „die weichen Blumenblätter der Veilchen, die sich einschmiegen in die kühleren Falten ihrer Blätter oder sich sanft aus dem Wiesengras erheben, die klaren festen Linien von Gesicht und Gliedern, die leise Krümmung eines Pferdehalses und die Berührung seiner Nüstern, die sammetweich erscheinen — alles das und tausend Kombinationen, die sich in meinem Geist bilden, sie setzen meine Welt zusammen. Mit meinen Händen kann ich sowohl das Komische wie das Schöne in der äußeren Erscheinung der Dinge fühlen. Denken Sie daran, daß Sie, der Sie ganz von ihrem Gesicht abhängig sind, keine Ahnung davon haben, wie die Dinge auf das Gefühl wirken. Das Sammetweiche der Rose ist anders als das eines reifen Pfirsichs oder der Grübchen in eines Kindes Wangen. Die Härte des Felsens verhält sich zur Härte des Holzes wie die tiefe Baßstimme eines Mannes zu einer tiefen Frauenstimme." Helen Keller entwirft feinsinnige Beschreibungen von Kunstwerken, die sie doch nie hat sehen können. Sie empfängt ganz bestimmte Eindrücke von dem Charakter von Leuten, deren Hände sie berührt. „Bisweilen", schreibt sie, „erkenne ich mit deutlicher Ahnung die freundliche, aber geistig beschränkte Hand von jemand, der mir mit großem Wortschwall Neuigkeiten erzählen will, an denen nichts Neues ist. Ich habe einen Bischof mit einer lustigen Hand, einen Humoristen mit einer Hand von bleierner Schwere, einer mit seiner Tapferkeit prahlenden Mann mit einer furchtsamen Hand und einen friedlichen Mann mit einer Faust von Eisen kennen gelernt". Ein anderer Weg, durch den Helen Keller die Welt kennen lernt, ist der „durch Vibrieren". Sie fühlt die Tritte und erkennt genau das Trippeln eines Kindes, den festen freien Schritt eines jungen Mannes, den „schweren gelassenen Schritt eines Mannes im mittleren Alter" und das — „Knarren neuer Schuhe". Sie „fühlt" Töne mit ihren Händen. „Die Tierlaute sprechen deutlich zu mir", sagt sie; sie erkennt das Gebell eines Hundes und weiß, ob er zornig ist oder freudig bewillkommnet, und sie nimmt das Fauchen einer Katze deutlich wahr. „Jeder Atem meines Körpers ist ein Vibroskop". Dann aber erzählt sie einen der kleinen Zwischenfälle in ihrem täglichen Leben, der wieder zum Bewußtsein bringt, daß die Schreiberin, die so schön von allem erzählt, was sie „sieht", doch in ewiger Nacht dahinlebt. „Ich streckej.meine Hand aus, und meine Finger berühren etwas Pelzartiges, das herumhüpft, sich duckt, als wollte es springen, und sich wie ein Tier bewegt: ich fühle noch einmal zuversichtlicher, und ich merke, daß es ein Pelzmantel ist, der vom Winde bewegt wird . . ."
Das Ende der Pferde. Paris ist die erste ! Stadt der Welt, in der die Pferde von Tag zu Tag überflüssiger werden. Im Verkehr nehmen die Taxameterdroschken infolge der Zunahme der Automobile von Jahr zu Jahr ab und die großen Pferdeomnibusse werden langsam durch Aytomobilomnibusse ersetzt. Bei der Feuerwehr schließlich sind die Pferde bereits völlig abgeschafft worden, da zu den bestehenden Automobilfeuerspritzen vor einigen Tagen 80 neue Feuerwehrautomobile eingestellt sind. So wird der Tag nicht mehr ferne sein, wo in den Tagen der französischen Metropole ein Pferd ebenso angestaunt werden wird, wie vor 20 Jahren ein Automobil.
Die pfundweise verkaufte Braut. Es handelt sich nicht etwa um eine Riesendame, sondern um ein hübsches, junges, normal gebautes Ungarmädchen aus dem Dörfchen Kalked. In der dortigen Gegend herrscht seit undenklichen Zeiten die Sitte, daß der Bräutigam den Eltern seiner Erwählten vor der Hochzeit eine kleine Entschädigung zahlt. In diesem Falle nun konnte sich der reiche Bauer Koetvois mit den Eltern seiner Braut nicht über den Kaufpreis einig werden. Da des Handelns kein Ende abzusehen war, so rief man schließlich die Entscheidung des Bürgermeisters von Kolked an.
Da war man glücklicherweise an den Rechten gekommen! Der Herr Bürgermeister, ein Viehhändler von Beruf, schätzte die Braut kurzerhand auf 2,50 Mark pro Pfund ein. Da sie 86 Pfund wog, so bezahlte der glückliche Bräutigam 215 Mk. und war froh, so leichten Kaufes davongekommen zu sein.
Eine wenig bekannte Heldin. Anna Lux geb. Lühring, genannt das Heldenmädchen von Bremen, ruht auf dem neuen Hammer Kirchhof in Hamburg, und kürzlich brachten Hamburger Blätter Hinweise, daß doch etwas geschehen solle, um die Erinnerung an diese Heldin der Vergessenheit zu entreißen. Anna Lühring war die Tochter eines Bremer Zimmermeisters. Als die große Begeisterung der Freiheitskriege die männliche Jugend erfaßte, ward auch sie erfüllt von dem Wunsche, sich persönlich an den Kämpfen zu beteiligen. Unter dem Namen eines Musketier Krause ließ sie sich in die preußische Armee einreihen. Sie machte zahlreiche Schlachten mit, und ihr Geheimnis wurde erst entdeckt, als sie in Frankreich, schwer verwundet, vom Arzte verbunden wurde. Schlicht und still lebte sie späterhin in Hamburg, wo sie sich auch vermählte und ihr Leben beschloß.
40000 Mark für Muff und Stola. Die Preise für Pelzwaren steigen mit einer solchen , Schnelligkeit, daß ein Pelzhändler heute ein gutes Stück gern zu dem dreifachen Preise zurückkaust, zu dem er es vor vier Jahren verkauft hat. Dazu kommt, daß das Format der Muffen und auch der Stolen bedeutend sich vergrößert hat. Die Folge sind völlig phantastische Preise für Pelzwerk. Zu den vornehmsten Pelzarten gehört gegenwärtig der Silberfuchs, eine Tatsache, die es natürlich sämtlichen Millionären der alten und neuen Welt zur Anstandspflicht macht, einen Silberfuchsmuff und eine Silberfuchsstola zu haben. Der Preis eines guten Silberfuchsfelles beträgt etwa 5000 Mk., und zu einer Stola braucht man kaum weniger als vier Felle. Dies macht nach Adam Riese allein 20000 Mk. für die Stola; Muff und Stola aus Silberfuchs kommen im Ganzen auf etwa 40 000 Mk. Vorausgesetzt nämlich, daß es sich um echten Silberfuchs handelt; ein Muff aus geringeren Sorten oder in Nachahmungen ist schon für 400 Mk. etwa käuflich.
Gegen Schnupfen und Katarrh. Es scheint wenig bekannt zu sein, daß die gewöhnliche Kochzwiebel sich als eines der besten Mittel gegen die besonders im Frühjahre und Herbst so häufig herrschenden epidemischen Katarrhe, als Schnupfen und Husten bewährt hat. Die Zwiebeln werden gevierteilt, mit Kandiszucker, oder noch besser mit ungehopfter Bierwürze, gedämpft und von dem Saft alle zwei Stunden ein kleiner Teelöffel voll genommen. Diesen eingekochten Saft sollte man in gut verkorkten Gläsern im Hause vorrätig halten. Man würde damit in den meisten Fällen, besonders wenn die Anwendung zeitig geschieht, ein gutes Resultat erzielen, ehe aus einem einfachen Husten ein hartnäckiger chronischer Bronchial- und Lungenkatarrh entsteht.
Dezember.
Der letzte Monat des Jahres, der Dezember, hält seinen Einzug. Bei den alten Römern war er der zehnte Monat, und von dem lateinischen Zahlwort äeeem — zehn hat er auch seinen Namen.
! Frost und Schnee wünscht sich der Landmann in diesem Monat nach den alten Bauernregeln:
Auf kalten Dezember mit tüchtigem Schnee
Folgt ein fruchtbares Jahr mit reichlichem Klee, und
Dezember kalt mit SÄnee
Gibt Korn auf jeder Höh.
Dagegen
Dezember lind und naß
Gibt leere Speicher und Faß.
Unseren Kindern ist der Dezember unzweifelhaft der liebste Monat, bringt er doch das liebe Weihnachtsfest. Sie können es jetzt kaum noch erwarten, bis es heißt: der heilige Christ hat beschert. Die Knecht Rupprecht-Poesie leuchtet in die Kinderstube. Am 6. Dezember, dem Niklastage, gibt es in manchen Gegenden schon einen kleinen Vorgeschmack der weihnachtlichen Freuden. So füllt der St. Niklas hier und dort den artigen Kindern über Nacht das Schuhwerk mit allerlei Süßigkeiten. Aber auch die Großen sind freudig angeregt. Zwar bringt der Dezember etliche Extraausgaben, aber nur einmal im Jahre ist es, daß Weihnachten aufstrahlt, das hohe Fest der Familie. Und auch für die Armut öffnen sich in diesem Monat Herzen und Hände in besonderm Maße. Den Handwerkern und Geschäftsleuten bringt der Dezember viel Mühe und Arbeit,
hoffentlich auch recht gute Einnahmen. Den Kauflustigen aber ist immer und immer wieder die Mahnung zuzurufen: Kauft am Orte! — Für unsere heidnischen Vorfahren, die alten Germanen, begann im Dezember eine hohe, glückverheißende Zeit. Erst spätere Jahrhunderte haben die Wintersonnenwende und die „Zwölf Nächte" mit düsterem Spuk erfüllt. Nun, für alle Fälle haben wir den Christbaum. Cr ist zwar verhältnismäßig noch jungen Datums, aber sein beglückendes Zauberlicht redet doch von jenem uralten menschlichen Hoffen und Sehnen, das immer wieder vorwärts und aufwärts treibt. Eine fröhliche, selige Weihnachtsmelodie, möchte sie in diesem letzten Monate des Jahres durch recht viele Menschenherzen klingen!
(Exotisch.) Mutter (entsetzt): „Warum habt ihr denn den armen kleinen Fritz ganz mit Senf beschmiert?" — „Wir spielen Menschenfresser, Mama, und der soll gerade gefressen werden."
Telegrapheu-Rätsel.
Dante — Erz — Geier — Genthin — Kern Mast — Reue — Wien.
Die Striche und Punkte entsprechen den einzelnen Buchstaben der obigen in anderer Reihenfolge angeführten Wörter. Diese Wörter sind so zu ordnen, daß die auf die Punkte treffenden Buchstaben im Zusammenhang gelesen einen Sinnspruch ergeben.
Auflösung des Rätsels in Nr. 186.
Speiche — Speicher.
Richtig gelöst von Erwin Mayer und Eugenie Meeh in Neuenbürg; Rosa Pfeifer in Bernbach und Martha Keßler in Ottenhausen.
Literarisches.
Die Himmelsgabe Humor.
Wo nehmen Sie nnr Ihre» Knmor her! Das weiß der liebe Himmel, wenn man Sie trifft, sind Sie immer lustig und fidel. So sprach in ekwas griesgrämiger Stimmung der Apotheker Müller zum Dr. Fridolin, dem gesuchten und geschätzten Arzte der Stadt. Ja, erwiderte der Gefragte mit heiterem Lachen, das weiß ich eigentlich selbst nicht, woher mein Humor kommt, wahrscheinlich hat mir diese Göttergabe eine gütige Fee in die Wiege gelegt —> und außerdem warum soll ich Trübsal blasen? — Ich meine, sprach der Apotheker, Sie hätten in Ihrer Praxis oft viel Verdruß und manchen Aerger zu überwinden. — Stimmt, stimmt, aber die Wirkung der Verdrießlichkeiten ist bei mir eine andere als bei vielen meiner Mitmenschen. Ich suche jeder Sache die angenehme Seite abzugewinnen und finde denn bald mein Gleichgewicht wieder, ja, ich schmeichle mir, Laß gerade diese Lebensphilosophie, die ich auch meinen Patienten beizubringen suche, für diese der größte Heilfaktor ist. Und außerdem, liebes Apothekerchen, treiben sie Musik, singen Sie ein fröhliches Lied, Humor ist die Würze des Lebens. — Sie haben gut reden, Musiktreiben, Liedersingen, da gehörte vor allen Dingen auch die nötige Anregung dazu! Hahaha, lachte der Doktor. Ihnen fehlt es an Anregung zum Humor, mein lieber Apotheker! Wissen Sie denn noch nicht, daß man die Anregung zum Humor heutzutage in reichster Auswahl schön und billig kaufen kann. Schreiben Sie sofort an C. F. Teich Leipzig, Lindenstraße 14 und verlangen Sie gratis und franko den Katalog von Teichs Musikalischer 2« Pf« nnig-Bibliothek, worin sich wunderhübsche Klavierstücke, Lieder moderner und klassischer Richtung befinden. Haben Sie Lust, sich mal gründlich auszulachen, dann verlangen Sie auch den Katalog der neuesten Couplets, Witzbücher etc., den Ihnen diese renommierte Firma ebenfalls gern gratis liefert.
Ohne Reklame, ohne Bekanntgabe dessen, was man dem Publikum zu bieten in der Lage ist, kann heute kein Geschäft, sowohl am großen wie am kleinsten Platze mehr existieren und jeder intelligente Geschäftsmann bedient sich deshalb dieses unentbehrlichen Mitarbeiters so oft und so viel er kann. Aber auch jeder sonstige Bewohner kommt in kürzeren oder längeren Zwischenräumen in die Lage, irgend etwas, eine Familiennachricht, ein Stellenangebot oder Gesuch, einen Verkauf re. öffentlich bekanntgeben zu müssen und da ist auch in diesen Fällen der einzig gegebene Weg der des Jnserierens im heimatlichen Lokalblatte. Das Zeitungsinserat, ob groß oder klein, kommt vielen Hunderten und tausenden von Lesern vor die Augen, und während ein öffentlicher Ausruf oder Anschlag, wie man solchen von manchen Seiten, trotzdem er im heutigen Zeitalter des Verkehrs durchaus veraltet und unmodern, noch beliebt, nur von wenigen gehört oder beachtet wird, kann man, das Inserat in seinem Lokalblatte — das gilt aber nicht nur für die Einwohner unserer Stadt, sondern auch für die der umliegenden Orte — so und so viele male und zu jeder Zeit in Ruhe durchlesen und für vorkommende Fälle zur Hand haben.