Slus StaSt, Bezirk unS Umgebung.

HH Neuenbürg, 1. Dezbr. (Sitzung der bürgerl. Kollegien am 30. Nov.) Der Ge- meinderal erledigte zunächst die Neuwahl des Waisengerichts und der Jnventurbehörde. Es wurden gewählt zu Waisenrichtern die HH. Gollmer, Bauer, Weil, zum Jnventierer Hr. Essig. Hierauf erfolgte durch die bürgerl. Kol­legien die Wahl der Kommissionsmitglieder für die Bürgerausschußwahl; gewählt wurden die HH. Gollmer und Mahler. In der bekannten Halte­punkt-Angelegenheit reichte der Gemeinderat vor einigen Wochen bei dem K. Ministerium der Aus­wärtigen Angelegenheiten ein Gesuch ein, es möchten die Kosten der Bahnsteigsperre auf die Eisenbahn­kasse übernommen werden; dieses Gesuch wurde nun aber abschlägig beschieden mit der Begründung, daß der Eisenbahnverwaltung aus der Bedienung des Haltepunkts fortlaufende Ausgaben Erwachsen und daß auch sonst die Kosten für Bahnsteigsperren auf den neu zu errichtenden Haltepunkten von den In­teressenten zu tragen seien; überdies bedeute die Errichtung des Haltepunkts ein einseitiges sehr großes Entgegenkommen der Eisenbahnverwaltung gegenüber der Stadt. Entsprechend den bisher gefaßten Be­schlüssen wurde hierauf die Ausführung des Projekts durch die Eisenbahnverwaltung auf Kosten der Stadt nachgesucht. Bestimmt wurde noch, es solle bei der Vorlage der Akten betont werden, daß es der Wunsch der Stadtverwaltung sei, es möchten bei der Ver­gebung der Arbeiten die hiesigen Geschäftsleute, so­weit möglich, in erster Linie Berücksichtigung finden. Anläßlich der Bekanntgabe des Ergebnisses der oberamtsärztlichen Visitation wurde die baldige Inangriffnahme der Arbeiten für den neuen Fried­hof angeregt im Hinblick darauf, daß dadurch eine weitere Arbeitsgelegenheit geschaffen werde. Längere Zeit nahm die Beratung des von dem hiesigen Arbeiter - Wahlverein und dem Komitee zur Errichtung eines Gewerbegerichts im Oberamt Neuenbürg eingereichten Gesuchs in diesem Betreff in Anspruch. Die Kollegien sind einhellig der Meinung, daß das Bestehen einer solchen Institution im Interesse sowohl der Arbeiter als der Arbeit­geber gelegen wäre, verkennen aber die Schwierig­keiten, welche der Erlangung derselben im Wege stehen, nicht. Davon ausgehend, daß es sich nach der Lage der Verhältnisse nur um die Errichtung eines Gewerbegerichts für den ganzen Oberamts­bezirk, also nicht etwa bloß für einzelne Ortschaften, handeln könnte, wurde beschlossen, das Gesuch der Amtsversammlung zur Berücksichtigung zu unterbreiten.

3 Grüfenh ausen, 1. Dez. Gestern vormittag entstand in dem Wohn- und Wirtschaftsgebäude des Bärenwirts Jordan auf bis jetzt unaufgeklärte Weise ein Kaminbrand. Durch den Besitzer und einige Nachbarn konnte das Feuer noch im Keimen erstickt werden. Der entstandene Gebäudeschaden beläuft sich auf etwa 150

<3 Schwann, 1. Dezbr. Am letzten Sonntag nachmittag zündete der hier wohnhafte Sägewerks­arbeiter Rudolf Binder von Kieselbronn sein Bett an, nachdem er es vorher mit Erdöl begossen hatte. Er zog sich hiebei bedeutende Brandwunden zu, welche seine Ueberführung ins Krankenhaus ver- anlaßten. Vermutlich handelte es sich um einen Selbstmordversuch. Ein Gebäudebrand konnte ver­hindert werden.

iff Birkenfeld, 27. Nov. Der Geflügel- und Kaninchenzüchterverein hielt am 21., 22. und 23. November im Gasthaus zumAdler" seine II. Lokalausstellung, die besonders in Hühnern, Tauben und Kaninchen reichhaltig beschickt war. Der Verein erblickt seine Hauptaufgabe in der Züch­tung ausländischer echter Rassen und hat in der kurzen Zeit (2 Jahren) seines Bestehens schöne Er­folge erzielt. Das Preisgericht, das aus den HH. H. Kah von Geroldsau-Baden und Fr. Dietz von Karlsruhe bestand, konnte für ausgestellte Hühner 6 erste, 12 zweite und 9 dritte Preise, für Tauben 4 erste, 5 zweite und 16 dritte Preise, für Kanin­chen 9 erste, 14 zweite und 13 dritte Preise aus­teilen. Ehrenpreise für musterhafte Zuchtleistungen erhielten die Vereinsmitglieder Phil. Rummel, Gold­arbeiter, Ad. Scheurer zum Waldhorn, Karl Kunz­mann, Fr. Ganzhorn, M. Keck, Fr. Fix, Fr. Oel- schläger, Kronenwirts Sohn, Bäckermstr. Ullmann, Wilh. Ochner, Theod. Roth, Herm. Oelschläger, Karl Bacher, Gust. Rockenbauch, Ortssteuerbeamter (Vereinsvorstand) und Wilh. Stumpp. An Wasser­geflügel, waren nur 2 Stämme Laufenten und 1 Stamm Gänse zu sehen.

Calw, 26. November. Allgemein bekannt und berühmt sind die Heldentaten der deutschen

Truppen in den großen Schlachten des Krieges 1870 und 71. Weniger bekannt sind aber kleinere Gefechte aus dem deutsch-französischen Krieg, die ebenfalls Kunde geben von dem Mut und der Tat­kraft der deutschen Heerführer und Truppen. Es war deshalb ein glücklicher Gedanke, daß Oberst­leutnant und Bezirkskommandeur Böhringer als Thema zu einem öffentlichen Vortrag im Georgenäum eine denkwürdige Episode aus den Kämpfen einer kleineren Truppe auswählte und den Zuhörerndie Unternehmung des Detachements von Bolten­stern im Loirtale am 26. und 27. Dez. 1870" in anschaulicher Weise lebendig vor Augen führte. Das Gefecht spielte sich in dem nordwestlichen Teile Frankreichs, in dem Gelände um den Loir, einem Nebenfluß der Loire, ab. Das Detachement von Boltenstern, bestehend aus 6 Kompagnien, einer Eskadron und 2 Geschützen, hatte den Auftrag er­halten, von Vendome aus in das Loirtal vorzu­drängen und den Ort Montoire festhaltend bis Sougä vorzurücken, die Verhältnisse daselbst aufzuklären und Geiseln einzuziehen, welche für die gegen die deutschen Patrouillen durch die Bevölkerung ver­übten Feindseligkeiten zu haften halten. Der fran­zösische General de Jouffroy hatte durch den Maire von les Roches Kenntnis von dem Vorrücken des Detachements Boltenstern erhalten und beschlossen, sich mit allen Kräften auf die deutsche Truppe zu werfen und rückte zunächst nach Fontaine ab, wo er mit 8000 Mann. 3 Batterien und 2 Mitrailleusen ankam. Durch die große Uebermacht wurde das deutsche Detachement vollständig umzingelt und Oberstleutnant von Boltenstern blieb nur die Wahl zwischen Waffenstrecken und gänzlicher Vernichtung, wenn es ihm nicht gelang, die Reihen des Feindes zu durchbrechen. Boltenstern ließ den Mut nicht sinken, kalten Blutes und zum äußersten entschlossen, gab er seine Befehle. Nach verschiedenen Versuchen, sich Luft zu machen, sah er, daß er in einer geradezu verzweifelten Lage war und daß es nur eine Rettung gebe, den Bajonettangriff. Demgemäß ordnete er einen allgemeinen Vorstoß an. Im Sturm warfen sich die Kompagnien, ohne einen Schuß zu tun, auf den Feind. Fast ohne Verluste wird dessen erste Linie durchbrochen; nach kurzem Halt stürmen die Deutschen gegen die 2. Linie an; aber der Gegner hielt Stand, so daß es zum er­bitterten Handgemenge kam. Der Feind eilte aber schließlich in wilder Flucht den Höhen zu. Unter den größten Anstrengungen, unaufhörlich vom Feind beschossen und beunruhigt, erreichte das Detachement Montoire. Munitions- und Krankenwagen wurden unversehrt zurückgebracht; 10 französische Offiziere, 200 Mann, sowie die Geiseln waren mitgenommen worden. Ein französischer Stabsoffizier rief einmal über das andere aus: O, welche Schande für die französische Armee, 2 Bataillone Preußen gegen 8000 Franzosen. Da Boltenstern erkannte, daß er einer starken feindlichen Ueberlegenheit gegenüberstehe und an ein längeres Halten von Montoire nicht mehr zu denken sei, so entschloß er, trotz der Er­müdung seiner Truppen zum unverweilten Rückzug nach Vendome, damit der Feind ihm nicht abermals den Weg verlegen könne. Nach stundenlangem Marsch (die Mannschaften hatten gegen 50 Kilometer zurückgelegt) erreichten die zum Tode ermatteten Truppen glücklich das Ziel. Die deutschen Truppen hatten 10 Offiziere, 150 Mann und 50 Pferde, die Franzosen 450 Mann verloren. An Heldenmut und Kaltblütigkeit steht das Detachement Boltenstern fast unübertroffen da. Der Redner schloß mit der Ver­sicherung, daß dieser tapfere Geist auch heute noch in der deutschen Armee stecke und Deutschland sich jederzeit auf sein schlagfertiges Heer und seine Flotte verlassen könne. Reicher Beifall lohnte den Redner für seine hochinteressanten Ausführungen. Rektor Dr. Weizsäcker verlieh dem Danke noch besonderen Ausdruck, indem er im Namen der Zu­hörer, die mit größter Spannung dem Vortrag lauschten, die packenden Schilderungen rühmend hervorhob und den wohlverdienten Dank hiefür aussprach.

Wildberg, 30. Novbr. Unser Schloß, der Fürstensitz" im Nagoldtal, ging letzten Freitag durch Kauf in die Hände des Kunstmalers Weißhaar in Cannstatt über. Nachdem es von 18221902 Sitz eines Forstamts war, wurde es 1904 von der Kgl. Domänendirektion durch Architekt Schittenhelm-Stutt- gart gemietet behufs Unterbringung seiner Privat­bauschule, die seither eines guten Besuches sich zu erfreuen hatte. Voriges Jahr erwarb Schittenhelm das Anwesen käuflich. Nun errichtet neuerdings der Staat Bauhandwerkerschulen und für die im nächsten Jahr in Hall zur Eröffnung gelangende wurde Schittenhelm als Lehrer berufen. So nimmt die

Bauschule hier nach Schluß des Wintersemesters ein Ende, was im Interesse unserer Geschäftsleute all» gemein bedauert wird.

Pforzheim, 28. Novbr. Das Eisenbahn­unglück bei Wilferdingen ereignete sich gestem nacht 11 Uhr, als ein Güterzug den Orientexpreß­zug auf einem Nebengeleis vorüberließ. Die Weiche wurde falsch gestellt, worauf der Güterzug im Nebel auf einem Sackgeleis fuhr und die Lokomotive den Damm herabstürzte. Der Zugführer Klein von Karlsruhe, Vater einer zahlreichen Familie, wurde totgequetscht, der Lokomotivführer leicht verwundet, der Heizer rettete sich durch Abspringen.

Pforzheim, 30. Nov. Am Samstag wurde ein 24 Jahre alter Metzger aus Althengstett fest­genommen, weil er seinem Meister 8^/- Pfund Fleisch gestohlen hatte, das er in seinen Koffer ver­steckt hatte. Infolge von Gasausströmung fand man gestern früh im Hause Meiherstr. 14 die Frau und das Kind eines Hausbewohners so stark betäubt, daß es ärztliche Hilfe bedurfte, die Bewußtlosen wieder ins Leben zurückzubringen.

** Pforzheim, 1. Dez. Heute früh schoß sich der seit einigen Jahren hier tätige Kriminal­schutzmann Paul Linck mit seinem Dienstrevolver eine Kugel in die Stirne und verletzte sich der­art, daß er nach Mündigem Leiden im Krankenhaus starb. Linck, ein Ehemann im Alter von 40 Jahren, scheint die Tat aus Lebensüberdruß und gekränktem Ehrgeiz, weil er nicht befördert wurde, verübt zu haben.

vermischtes.

Der hohe Wert des Bienenhonigs ist von der medizinischen Wissenschaft aufs neue bestätigt worden. Es handelt sich um ein neues Medikament Formagnol mit welchem an der Klinik zu Pisa Versuche von Professor Michalazzi angestellt wurden. Nach ihm besitze das Mittel einen hohen Wert als Herztonikum (d. h. Kräftigungsmittel für das Herz). Bei gestörtem Blutkreislauf (Wasser­sucht), besonders in der Niere, wirkt es waffer- abführend und stärkt die gesamte Muskulatur. Eben­so leistet es die besten Dienste bei Schwächezuständen, wie sie oft nach langwierigen Krankheiten auftreten. Das Mittel wurde teils eingenommen, teils unter die Haut ein gespritzt. Was ist nun Formagnol? Nichts anderes als ameisensaures Natron, welches inbezug auf seine Wirkung im Organismus genau dasselbe vorstellt, wie Ameisensäure. Auf der Hand liegt, daß wir diese auf weit billigere und angeneh­mere Weise im Bienenhonig besitzen, ganz abgesehen davon, daß uns letzterer noch eine Anzahl teils heil­kräftiger, teils nährender Substanzen liefert, welche die günstige Wirkung der Ameisensäure noch unter­stützen. Diese neue indirekte Betätigung der Vor­züge des Bienenhonigs sollte allen durch Krankheit heruntergekommenen. Alten und Jungen aufs an­gelegentlichste empfohlen werden.

Origineller Schwindel. Die französische Polizei hat vor einigen Tagen einen Schwindler verhaftet, der in den Zeitungen folgendes Inserat aufgab:Schicken Sie mir zwei Francs und Sie erhalten ein kostbares Juwel. Lösen Sie dieses Rätsel (folgt ein Rätsel) und Sie gewinnen eine Prämie von 100 Francs." Ein Tag genügte, um dem erfinderischen Schwindler nicht weniger als 8000 Zweifrankstücke einzubringen, aber er vergaß es, die versprochenen kostbaren Juwelen abzuschicken, und sitzt heute im Gefängnis. Diese kleine Episode erinnert an ähnliche amüsante kleine Schwindel­manöver. In London wurden vor einiger Zeit kleine Automatenapparate aufgestellt, die die Inschrift trugen:Wer zwei Pence in die Oeffnung wirft und am Handgriff zieht, erhält eine Ueberraschung." Man steckte das Geld hinein, man zog am Hand­griff und heraus kam nichts. Das war eben die Ueberraschung. Als Volkserziehung war die Erfind­ung wohl zwei Pence wert, allein der kluge Erfinder wurde schließlich verurteilt. Ein anderer Schlau­kopf erbot sich in den Zeitungen, gegen ein Entgelt von 50 ein sicheres Mittel zu verraten, durch das man gegen alle Verluste bei Rennen, an der Börse und bei Hazardspielen geschützt sei. Er versprach, seine Methode, die vertraulich behandelt werden müffe, im gefchlossenen Kouvert mitzuteilen. Un­zählige Gläubige fchickten ihre 50 Pfennig-Stücke. Und sie alle erhielten ein Kouvert, in dem ein Zettel lag mit dem unschätzbaren Rate:Spielen Sie nicht." Aber auch dieser Philosoph fand keine Gnade vor den Behörden und bezahlte seine wohl­gemeinten Ratschläge mit einer Gefängnisstrafe.

Sehen ohne Augen. Von Helen Keller, > der bekannten taubstummen Blinden, erscheint dem-