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reiche Kirchenschatz der kath. Stadtpfarrkirche be­sichtigt und nachher ein gemeinschaftlicher Spazier­gang über den Salvator zum Lindenfirst unter­nommen. Abends vereinigten sich die Festteilnehmer zu einem Konzert der vorzüglichen Stadtkgpefle und und des Liederkranzes, wobei sich namentlich der letztere durch Vorträge seiner schönsten Lieder reichen Beifall und Dank erwarb. Am Festessen beteiligten sich auch das Offizier-Corps des dortigen Regiments, die Staats- und städtischen Beamten und bürger­lichen Kollegien mit Damen, und erst lange nach Mitternacht schloß ein Tanz diesen schönen genuß­reichen Tag. Am andern Morgen wurden die Festteilnehmer von Hrn. Fabrikant Böhm in liebens­würdiger Weise zur Besichtigung seiner großen Gold- und Silberwarenfabrik eingeladen, ebenso wurde die schöne Städtische Badanstalt besichtigt, woran sich dann ein Frühschoppen mit Musik im Gasthof zum Josephle" anreihte. Nachmittags war gemein­schaftlicher Ausflug per Wagen auf den Hohenrech- berg und abends trennten sich die Gäste voll LobeS über das schön^Mrangement und das vortreffliche Gelingen deS T, Verbandtages in Gmünd mit einem frohen: .Auf Wiedersehen nächstes Jahr auf dem Schwarzwald in Calw. U.

(Vom Stuttgarter Wochenmarkt.) Auf dem heutigen Donnerstagsmarkt herrschte schon zu sehr früher Stunde regstes Leben. Die Zufuhr ließ nichts zu wünschen übrig. Die Preise waren im allgemeinen die alten, teilweise noch hohen. Man verlangte für Kirschen im großen 28 bis 35 --Z, im kleinen 35 bis 45 A, für Prestlinge 25 bis 5l> ^ im großen und 35 bis 80 A das Pfund im kleinen. Tie ersten Träuble wurden im einzelnen das Pfund zu 40 ^ verkauft: Heidelbeeren kosteten 30 A, Him­beeren 40 und 50 das Pfund. Walderdbeeren waren reichlich zu 50 bis 1 20 A zu haben.

Auf dem Gemüsemarkt zahlte man für Kopfsalat 46 A Endivien 6 bis 15 A Blumenkohl (hies.) 10 bis 50 A, Wirsing 10 bis 20 A, Kohlrabi 4 bis 6 e), Gurken 20 bis 50 ^ je für das Stück. Weiter­hin kosteten schöne gelbe Wachsbohnen 50 bis 70 A, hiesige breite Bohnen 50 bis 60 A badische Bohnen 28 bis 35 Brockeler 16 bis 25 A Zuckerschoten 20 und Tomaten 50 je das Pfund. Der Bund Rhabarber wurde mit 15 und 20 A bezahlt, die hiest Karotten verkaufte man zu 3 bis 5 A während man für das Büschel französischer Karotten 30 be­zahlen mußte. Untertürkheimer Spargel bot man den Bund von 60 bis 80 Schwetzingen dss Pfund zu 60 A an. Der Fischmarkt verzeichnet^ Felchen zu 90 bis 1 20 das Stück, Hecht zu 90 A,

Aal zu 1 ^ 50 A, Rotzunge zu 50 und 60 A Schellfisch zu 35 bis 45 A doS Pfund. Eine GanS kostete noch 4 80 ^ bis 5 50 A eine

Ente 2 50 A ein Rehschlegel 4 50 bis 6

ein Ziemer von 5 bis 8 (Schw. M.)

Vom Bodensee. Die Maikäfrrplage ist kaum jemals so groß gewesen, wie Heuer. Wäh­rend die gefräßigen Käfer sonst regelmäßig in der

ersten Juniwoche wieder verschwanden, sind sie in diesem Jahre noch in der letzten Juniwoche in un­geheurer Anzahl vorhanden. Man sucht sich diesen Ausnahmefall durch die große Trockenheit, die gegen Ende Mai,und Anfang Juni herrschte, zu erklären. Der Boden war durch die Trockenheit so hart ge­worden, daß die Maikäferweibchen ihre Eier nicht in die Erde legen konnten. Als die bevorzugten Bäume und Sträuche: kein Laubwerk mehr zum Fräße boten, suchten die Maikäfer die, Weinberge heim, wo sie am Johannitag noch in erschreckender Anzahl die zarten Blätter vernichteten. Man fand an den einzelnen Weinstöcken bis zu zehn und noch mehr Maikäfer. Wohl hat man allerorten den Mai­käferfang eifrig betrieben, doch scheint dies der großer: Zahl gegenüber immer noch ungenügend zu sein. Jedenfalls geschieht das Auftreten des schädlichen Käfers in den sog. Maikäferjahren gleich milliar­denweise.

Baden-Baden, 23. Juni. Die Fisch­kulturan st alt Gaisbach (Lichtenthal) ist heute nacht bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Das Feuer griff mit solcher Schnelligkeit um sich, daß die zur Hilfe herbcigeeilte Abteilung Oberbeuern der Lichtenthaler Feuerwehr die Gebäulichkeiten nicht mehr retten konnte. Ein Teil der Fischbrut ist gerettet und in den Weiher geworfen, ein großer Teil dagegen vernichtet worden. Man vermutet Brandstiftung und hat einen verdächtigen Italiener dingfest gemacht.

Leipzig, 25. Juni. Seit heute vormittag stehen die Mühle, die Tischlerei und die Bäckerei des Konsumvereins in Leipzig-Plagwitz in Flammen. Durch den Wind begünstigt, sprang das Feuer auf die Bäckerei und Müllerei über, dann weiter auf die Lagerräume der Kolonialwaren, überall große Vorräte vernichtend und einzelne Gebäude in Trüm­mer legend. Die gesamte Feuerwehr Leipzigs war stundenlang in Tätigkeit. Sie hatte Mühe den Brand, durch welchen die Fabrik - Etablissements von Unruh und Liebig, sowie Teurzsch schwer ge­fährdet erschienen, zu lokalisieren.

Berlin, 26. Juni. Bei Besprechung der Stichwahlrcsultate herrscht übereinstimmend die An­schauung, daß das Resultat im Allgemeinen zu er­warten war. Nur hatte man vielfach doch noch auf größere Erfolge der Sozialdemokratie gerechnet. Auch die anfänglich ausgesprochene Ansicht, daß keine wesentliche Verschiebung auf Seiten der Mehrheits­parteien eintrcten werde, hat sich bestätigt. Die Kreuzzeitung giebt ihrer ganz besonderen Freude darüber Ausdruck, daß vr. Barth, der seinen sicheren Wahlkreis in Wittenberge aufgegeben hat, in Kolberg, das er den Konservativen abnehmen wollte, durchgefallen sei. Die Nationalzeitung schreibt: Tie Regierung kann trotz des Wachstums der Sozialdemokratie verhältnismäßig zufrieden sein. Sie ist von einer Anzahl der ärgsten Schreier befreit und kann sowohl gute Handelsverträge wie

die notwendigen Militär- und Marinevorlagen' mit der Aussicht auf Annahme, bezw. Verständigung einbringen. Vor allen Dingen hat sie,die Lehre erhalten, daß die agrarische Macht eine Grenze hat und daß die Zugeständnisse an die Agrarier nicht nur nicht vermehrt zu werden brauchten sondern vielmehr eine Ablenkung von den gar zu agrarischen Bahnen sich empfehle. Auch für die nationalliberale Fraktion ist diese letztere Lehre der Beachtung dringend zu empfehlen. Das Blatt bedauert das Ausscheiden vr. Baffermanns wie vr. Hasses durchaus nicht, da sich seine Wege weit von der Politik dieser Herren getrennt hätten. Die Vos - fische Zeitung führt aus: Der Eindruck, den die Hauptwahl gemacht hat, wird nach zwei Richtungen durch das Ergebnis der Stichwahlen bestätigt. Die Sozialdemokratie hat einen mächtigen Aufschwung genommen, der Bund der Landwirte eine schwere Niederlage erlitten. Der Bann unter dem der Bund der konservativen Partei eine Zeit lang zusammenzuhalten vermochte ist gebrochen. Nicht ganz so übel, aber doch übel genug ist die freisinnige Partei gefahren. Das Berliner Tageblatt sagt: Wird sich schon durch das Ausscheiden der Bündler und das Anwachsen der sozialdemokratischen Fraktion das Aussehen des Reichstages ändern, so kann auch nicht geleugnet werden, daß insgesamt sich der Schwerpunkt des Reichstages mehr nach links bewegt hat. Es ist kein Ruck, aber doch eine Verschiebung nach links. Die Neuesten Nach­richten schreiben: Ein arger Optimist wäre der­jenige, der das Ergebnis des Stichwahltages in irgend einer Weise befriedigend nennen wollte, denn es bestätigt fast alle Befürchtungen die schon nach der Hauptwahl, ausgesprochen werden mußten. Die Sozialdemokratie hat wahrhaft erschreckende Erfolge zu verzeichnen, selbst in manchen Kreisen, zu deren Verteidigung alle anderen Parteien sich verbündet hatten. Aehnlich äußert sich diePsst". Für die Deutsche Tageszeitung ist es selbstver­ständlich, daß die liberale und sozialdemokratische Presse in ein Jubelgeheul über die Verluste des Bundes der Landwirte ausbricht, so wenig berechtigt dies auch sein mag. Der Einfluß des Bundes im neuen Reichstage sei derselbe geblieben. Von einem Zurückgehen des agrarischen Gedankens sei absolut keine Rede, wenn auch einige Führer zur Zeit nicht dem Reichstage angehörten. Diesen Herren ständen Gott sei Dank auch noch andere Mittel und Wege zu Gebote, um außerhalb des Reichstages für die Sache der deutschen Bauern zu wirken.

Berlin, 26. Juni. In der Irrenanstalt Herzberge kam es in der Abteilung, wo die geistes­kranken Verbrecher untergebracht sind, dieser Tage zu einem Aufruhr. Zwei zur Beobachtung über­wiesene Verbrecher griffen einen Arzt an, als er ihnen Vorhaltungen machte, ebenso zwei zu Hilfe eilende Wärter, denen sie mehrere Verletzungen beibrachten. Im Anschluß hieran entstand ein Aufruhr, wobei 60 Kranke auf 18 Wärter los gingen und ihnen

Ach io! Der Herr Baron kennen ja die neur- Herrlichkeit noch nicht. Ich alter Esel meine immer, alle Welt muffe m die Dome vernarrt sein. So was von einem Engel in Elfengestalt giebts aus der ganzen Well nicht wieder. Die reine Königin untzi-gar nicht stolz dabei."

Ja, Alter, Du schwärmst ja wie ein Achtzehnjähriger!"

Tu ich auch, wenn ich an sie denke, allen geht es so, Ihnen auch, H:rr Baron, denken Sie an mich!"

Ah-ich bin gefeit, Johann.. An mir ist Hopfen und Malz

verloren."

Na, na, na-Wenn des gnädigen Herrn Wort jetzt eine Brücke

wäre, so ginge ich nicht darüber, meiner Seel nicht."

Ha, ha-. Wo wohnt denn dies Weltwunder? Doch nicht hier in

der Einöde, wo kein Einziger in des Kaisers Rock Fensterparade machen, kann?

Doch, Herr Baron. In derVilla Klara".

Dort? In der Waldidylle, und jetzt im Winter? Ta hat es auch einen Haken mit deiner Angeschwärmten. Eine gefeierte junge Schönheit zieht sich nicht in die Einsamkeit zurück, wenn nicht ein ganz besonderer Grund vorliegt; dafür kenne ich dir Weiber. Vielleicht reichen die Moneten nicht für einen Stadthaus­halt?"

Nein, nein, da irren sich der gnädige Herr. Ganz im Gegenteil: eine Mrllionenerbin."

N?, da brat mir einer 'nen Storch. Und wie kommen denn die Droysigs zu der Ehre? Doch wohl wieder solch ems Augenblicksfreundschaft, das kennen

wir schon längst. Gelt, mein Alter?-Aber sag mal, wo sind denn die

Herrschaften?"

Im weißen Saale, Herr Baron. Noch bei der Tafel."

Arnold zog die Uhr.Halb zwei und roch bei der Tafel? Ein wenig lange, denke ich! Doch, famos! Ta kann ich vom Wintergarten aus unbemerkt einen Blick hinein tun - Hoffentlich wandelt dort niemand unter den Palmen?"

Ich glaube nicht. Doch will ich zuvor Nachsehen."

Der alte Diener schritt unhörbar und vorsichtig umherspähend durch eine einsam gelegene Gallerie und Arnold folgte ihm auf dem Fuße. Der Winter­garten, ein unvergleichlich poesievoller, grünschimmernder blütendurchhufteter Raum mit Springbrunnen und Ruheplätzen lag dicht neben dem Saale. Beide Flügel­türen standen weit geöffnet; Gläserklang, Stühlerücken und das Gewirr vieler Menschenstimmen schwirrten laut herein.

Arnold glaubte zu träumen; eine Stimme schwebte über allen wie Glocken­laut über dem Erdentreiben, rein, süß, melodisch. Gab es wirklich noch jemand auf der Welt, der so schön reden konnte, wie Gesang, wie sie, seine Lori?! Und wer mochte es sein? Forschend, hochklopfenden Herzens, maßlose Aufregung in jedem Zuge seines dunkel erröteten Gesichtes spähte er hinter einer großen Blatt­pflanze und einer Wirrnis von Schlinggewächsen hervor in den Saal. Die Gäste hatten sich eben erhoben; eine zarte, schlanke Mädchengestalt, von welcher nur der dunkellockige, griechisch frisierte kleine Hinterkopf und die in eine lange, spitzenbesetzte Schleppe fallende Watteau-Falte des schweren, cremefarbenen Seidenkleides zu sehen war, schritt drüben über die Schwelle des Musikzimmers. Jäh zusammenzuckend urd fragend, keines Wortes mächtig, blickte Arnold auf Johann, der hinter ihm stand.

Das alte Dienergesicht triumphierte.Die Gräfin Groben," flüsterte er fast unhörbar,was sagt ich denn, gnädiger Herr? Hab ich recht oder nicht? Ist sie nicht wie eine Fee?" (Fortsetzung folgt.)