Die alten Fünfzigpfennigstücke mit Wert­angabe50 Pfennig" gelten vom 1. Oktober 1908 nicht mehr als gesetzliches Zahlungsmittel. Doch werden sie noch bis zum 30. September 1910 bei den Reichs- und Landeskasfen angenommen und umgetauscht.

In Mülhausen i. E. haben bei den Nach­wahlen zum Gemeinderat die Bürgerlichen sämt­liche noch zu besetzenden fünf Sitze des Ge­meinderats erobert. Nunmehr besitzen die Sozialdemokraten ebenso wie in Straßburg keinen Sitz mehr im Gemeinderat.

Württemberg.

Stuttgart, 7. Juli. Das Amtsblatt der Verkehrsanstalten veröffentlicht eine Bekanntmachung des K. Ministeriums der Auswärtigen Angelegen­heiten (Verkehrsanstalten), wonach der König sämt­lichen bei der Bewältigung des Personen-, Tier- und Gepäckverkehrs anläßlich der Landesausstellung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft in Cannstatt beteiligten Beamten, Unterbeamten und Arbeiter für ihr pflichttreues und umsichtiges Verhalten seine allerhöchste Anerkennung aussprechen läßt.

Stuttgart, 7. Juli. Mit den Arbeiten für den Umbau des Hauptbahnhofs Stuttgart wird nunmehr begonnen. Die württ. Eijenbahn- verwaltung hat bedeutende Erd-, Betonier- und Maurerarbeiten und einen Tunnel von 680 m Länge mit einem Kostenaufwand von mehreren Millionen Mark zur Vergebung ausgeschrieben. Diese Arbeiten sollen binnen 2^/2 Jahren ausgeführt werden. Hieran anschließend kommen im Verlauf der nächsten Jahre weitere größere derartige Arbeiten zur Vergebung.

Zur Oberndorfer Ersatzwahl. Die Mit­teilung, daß die volksparteiliche Kandidatur Fischer perfekt geworden sei, ist nicht zutreffend. Arbeiter­sekretär Fischer von Reutlingen, welcher sich zurzeit aus Gesundheitsrücksichten Schonung auferlegen muß, hätte den Wahlkampf nicht sofort selbst aufnehmen können, weshalb die Volkspartei mit einer anderen Persönlichkeit Unterhandlungen auf Uebernahme der Kandidatur einleitete. Die Volkspartei hat nun die Kandidatur dem Redakteur Roth in Stuttgart an­getragen. Dieser hat angenommen.

Heilbronn, 6. Juli. Vom schönsten Wetter begünstigt, begann gestern das 22. württembergische Landesschützenfest. Eine Vertretung der Ulmer Gilde brachte die seit dem letzten Schützenfest dort befindliche Bundesfahne mit. Oberschützenmeister Ehrmann-Heilbronn nahm die Fahne entgegen und übergab sie der Stadt Heilbronn in Verwahrung. Oberbürgermeister Dr. Göbel nahm das Banner namens der Stadt entgegen und hieß alle Schützen in Heilbronn herzlich willkommen. Er mahnte zur Liebe zur schwäbischen Heimat, auf die eben die ganze Welt blicke, nachdem im Kampf um die Er­oberung der Luft in Schwaben der Meisterschuß ge­fallen sei und schloß mit einem Hoch auf die schwä­bische Heimat. Darnach bewegte sich ein prächtiger Festzug durch die reichgeschmückten Straßen der Stadt. U. a. hatten die Radler, die Weingärtner, die Turner, Jäger, Schwimmer und Gärtner Fest­wagen gestellt, die aufs reichste geschmückt waren.

Friedrichshafen, 6. Juli. Der Oberingenieur Dürr des Grafen Zeppelin wurde am gestrigen Sonntag zum königlichen Hofe befohlen, woselbst ihm von Sr. Majestät dem König eigenhändig die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft am Bande des Friedrichsordens überreicht wurde. Diese Auszeichnung des noch jugendlichen unermüd­lichen und pflichtgetreuen Mitarbeiters des Grafen Zeppelin hat hier große Freude erregt, zumal Dürr allgemeiner Beliebtheit sich erfreut und ist um so beachtenswerter als Dürr nicht höher geprüft ist. Oberingenieur Ludwig Dürr ist 1878 zu Stuttgart geboren, hat die Baugewerkschule in Stuttgart besucht und dort im Sommer 1898 die Diplomprüfung bestanden. Nachdem er im Jahre 1896 dreiviertel Jahre als Maschinentechniker bei der Maschinen­inspektion Aalen beschäftigt gewesen war, trat er im Jahre 1898 in den Dienst Sr. Exzellenz des Grafen von Zepvelin und leitete den Bau der drei letzten Luftschiffe. Ingenieur Dürr beteiligte sich bisher an allen Aufstiegen, wobei ihm die aeronautische Führung anvertraut war.

Friedrichshafen, 8. Juli. Der bekannte Aeronaut Ferdinand Graf v. Zeppelin vollendet heute sein 70. Lebensjahr. Der Prinzregenl Luitpold von Bayern sandte an den König von Württemberg ein Telegramm, in dem er seiner herz­lichsten Freude über den Erfolg des Grafen Aus­druck gab. In der gestrigen Sitzung der Zweiten badischen Kammer widmete Abg. Dr. Heimburger dem Grafen Zeppelin Worte wärmster Bewunderung.

Der Präsident der Kammer wurde beauftragt, dem Grafen ein Glückwunschtelegramm zu übersenden. Es sind zahlreiche weitere Ehrungen im Laufe des heutigen Tages zu erwarten.

Friedrichshafen, 8. Juli. Mit dem Ueber- schüssigen Gas des Zeppelinschen Ballons wurden heute nachmittag eine Anzahl Kugelballone gefüllt und unternahmen Aufstiege, zuerst der Ballon München" unter der Führung des Prinzen Georg von Bayern, sodann der BallonWürttemberg" vom Württ. Luftschifferverein unter Führung des jüngeren Grafen Zeppelin. Der Straßburger BallonZep­pelin" hat unter der Leitung des Oberingenieurs Dürr eine Nachtfahrt unternommen. Graf Zeppelin nimmt heute in Konstanz vom Jnselhotel aus einen Fackelzug entgegen. Vorgestern war er beim König in Friedrichshafen zur Tafel geladen. Die Stadt Stuttgart hat dem Grafen zu seinem heutigen 70. Geburtstag das Ehrenbürgerrecht verliehen.

Friedrichshafen, 6. Juli. Am Samstag und Sonntag sind schwere Hagelwetter über die Stadt und Umgebung niedergegangen.

Aus ?tadt» Bezirk uns Umgebung

Sommerfest der Volkspartei in Neuenbürg

am 5. Juli 1908.

Neuenbürg, den 6. Juli 1908.

Der zu einem Fest unter freiem Himmel wie geschaffene Maienplatz wird überragt von ulten hohen Tannen, am Bergeshang schließt sich ein lästig grüner Laubholzbestand an, während sich davor ein herrlicher Wiesengrund ausbreitet, umspielt von der rauschenden Enz, über welche sich die im Bogen konstruierte Eisenbahnbrücke hinzieht. Ein hübsches, malerisches Bild. Auf dem terassenförmig angelegten Platz sind außer der festlich geschmückten Redner­tribüne Wirtschaftstische und Sitzplätze errichtet. Zum Rasten und Festen ein geradezu idealer Platz. Hier beging, wie schon in der letzten Nr. ds. Blattes be­richtet, die Württ. Volks Partei am gestrigen Sonntag ihr diesjähriges Sommerfest. Von Parlamentariern waren unter der Versammlung zu bemerken die Reichstagsabgeordneten Schweickhardt- Tübingen und Wagner-Calw, die Landtagsabgeord- neten Beuerlen, Käß, Liesching, Leibfried, Löchner, Nägele, Schmid - Freudenstadt und Staudenmeyer- Calw. Den Führern der Partei war ein Erscheinen nicht möglich, da Kammerpräsident v. Payer aus Gesundheitsrücksichten absagen und Konrad Hauß- mann in seinem Wahlkreis in Tuttlingen sprechen mußte. Von bekannten auswärtigen Mitgliedern der deutschen Volkspartei waren anwesend Bank­direktor Kayser und Dr. Richter-Pforzheim. Stadt­schultheiß Stirn hielt die Begrüßungsansprache. Kaufm. Fieß begrüßte die Versammlung im Namen der Parteifreunds des Bezirks, berührte dabei auch das Verhalten der Deutschen Partei bei der letzten Landtagswahl und ließ das deutsche Vaterland und das Schwabenland, den Musterstaat der Demokratie, hochleben. Reichstagsabgeordneter Schweickhardt sprach über Reichspolitik. Nachdem die Machtstell- uug des Zentrums gebrochen, sei ein großer Erfolg in der Einigung der drei liberalen Gruppen zu ver­zeichnen. Auch die Demokratie sei damit zu einer ausschlaggebenden Stellung gelangt. Sie mache aber ihre Stellungnahme nicht von Augenblicks­stimmungen abhängig. Redner wies dann auf die Angriffe der Sozialdemokratie hin, die der Volks­partei den Vorwurf mache, nach rechts abgeschwenkt zu sein. Dies sei jedoch unrichtig, denn es sei eine Linksschwenkung der Nationalliberalen festzustellen. Bülow habe von der konservativ-liberalen Paarung gesprochen. Wenn sich das auch nicht erreichen lasse, so habe man doch keinen Grund, an den Ab­sichten des Reichskanzlers, in liberalem Sinn zu regieren, zu zweifeln. Daß Ansätze für ein liberaleres Regime vorhanden sind, das bewiesen die Erledig­ung des Börsengesetzes, die Aenderung des Majestäts- beleidigungsparagraphen und das neue Reichs­vereinsgesetz. Bethmann-Hollweg werde ganz in den Fußstapsen des Grafen Posadowsky wandeln. Wer Payers Fahrt nach Norderney mißbillige, dürfe nicht vergessen, daß er im Interesse der Demokratie han­delte, als er dem Ruf des Reichskanzlers folgte. In der preußischen Wahlrechtsfrage sei die Stellung der preußischen Regierung unverständlich. Man hätte wenigstens der Einführung der geheimen Wahl zustimmen müssen. Wenn man immer sage, jene preußische Wahlrechtsfrage ginge die Süddeutschen nichts an, so müsse darauf erwidert werden, daß Preußen im Reich den maßgebenden Einfluß ausübt. Zu den heftigen Angriffen gegen Payer bezüglich seiner Stellung zum Reichsvereinsgesetz übergehend.

betonte Schweickhardt, daß Payer wesentliche Ver­besserungen an dem Entwurf zu verdanken seien. Die Kolonialpolitik sei in ein anderes Fahrwasser gelenkt worden. Es sei erfreulich, daß unter Dern- burg andere Grundsätze zur Anwendung gebracht werden. Neue Steuern würden kommen müssen. Tabak und Branntwein seien dafür in Aussicht ge­nommen worden. Die Volkspartei werde aber nur dann für neue indirekte Steuern zu haben sein, wenn auch direkte, die leistungsfähigen Schultern belastenden Steuern eingeführl werden. Bei der Reichsfinanzreform stünde man vor einer schweren Aufgabe, wo der Block seine Probe zu bestehen habe. Mit einem Hoch auf die Volkspartei schloß Hr. Schweickhardt seine beifällig aufgenommenen Ausführungen. Der Landesvorstand der Partei, Professor Hoffmann, erinnert daran, daß die Volkspartei früher mit ihren Sommerfesten hinauf- gestieaen sei auf die Höhen, während sie jetzt diefe Feste in den bevölkerten Tälern feiere. Er dankte den Reichstagsabgeordneten für ihre Tätigkeit und bekundete ihnen das Vertrauen der Partei. Scharf wandte sich der Redner gegen jene Parteipresse, die Payer und andere Führer wegen ihrer jüngsten poli­tischst! Betätigung im Parlament angegriffen haben. Jene Leute vergäßen, daß das Prinzip etwas Leben­diges ist. Parteidisziplin sei notwendig, und wer dann eigene Wege geht und Andere verleugnet, der beweise damit, daß er ein politisch nicht geschulter Mann, ein ungetreuer Mann ist. Des Redners Hoch galt der gastfreundlichen Stadt Neuenbürg. Landtagsabgeordneter Staudenmeyer-Calw berichtete in halbstündigem Vortrag über die Tätig­keit der volksparteilichen Fraktion im Landtag, be­sonders auf die Beratung der Bauordnung und die dabei hervorgetretene Verschleppungstaktik des Zen­trums eingehend. Was die neue Volksschulnovelle betrifft, so hielt er an dem von den Fraktionsrednern in der Zweiten Kammer dargelegten Standpunkt fest und hob hervor, daß bei der jüngsten General­debatte über diese Novelle der Führer der Deutschen Partei, der Abg. Dr. Hieber, sich ziemlich rückhaltlos für den Gesetzentwurf ausgesprochen habe. Wäh­rend der Versammlung waren von Payer und Haußmann, sowie von den Parteifreunden aus Karls­ruhe Telegramme eingelaufen, die mit einem Schluß­wort von dem Vertrauensmann der Partei im hies. Bezirk. Kaufmann Meisel, verlesen wurden. Zum Schluß sprach noch der Vorstand der jungen Volks­partei, Stadtgeometer Kercher von Stuttgart, der auch den Austritt des volksparteilichen Vereins in Göppingen aus der Landespartei berührte, Mein­ungsverschiedenheiten kommen überall vor, aber das dürfe nicht zum Austritt aus der Partei führen, wodurch eine Zersplitterung der Kräfte und eine Lahmlegung derselben verursacht wird. Er forderte auch zur fleißigen Arbeit in der Partei auf. Die Abendzüge von 6.25 ab führten die auswärtigen Gäste wieder der Heimat zu.

Bezirkssest der Jünglingsvereine.

Neuenbürg, 6. Juli. War's wegen der Jüng­lingsscharen, die von allen Seiten mit ihren Po­saunenchören unserer Stadt zuströmten, war's zum Empfang der Volksmänner, ihr Sommerfest zu feiern, daß die Wimpel von den Fenstern wehten und an der Allee eine Ehrenpforte prangte! ein bewegtes Leben füllte die Straßen. Die einen zogen mit Musik zum Festplatz, für jene aber läuteten zur selben Stunde die Festglocken ihr Bezirksfest ein. Das Gotteshaus füllte sich, die Emporen waren von Jünglingen aller Gaue des nördlichen Schwarz­walds besetzt. Selbst die fern abgelegenen Zweren- berger hatten den mehr als fünfstündigen Marsch nicht gescheut, im Bruderbund mit gleichgesinnten Freunden sich der Erhabenheit des gemeinsamen Strebens festlich bewußt zu werden. Die vereinigten Posaunenchöre eröffneten die Feier mit der Arie: Jehova, deinem Namen sei Ehre, Macht und Ruhm". Hr. Dekan Uh! redete einleitend in schlichten, zu Herzen gehenden Worten von Wachsamkeit in böser Zeit und von echter, brauchbarer Männlichkeit im Anschluß an I. Kor. 16,13. In seiner Festpredigt wußte Bundessekretär Pfarrer Köhler aus Stutt­gart die Gemüter zu erfassen durch seinen markigen Appell an das Volksgewissen. Aus eigener Er­fahrung schöpfend, die Vereinsarbeit illustrierend, entwickelte er die leitenden Gedanken, die aus dem ewigen Gotteswort entspringen. Gelehrtentum haben wir genug; was wir brauchen sind in sich geschlossene christliche Persönlichkeiten, die leben und Leben ent­zünden, die kämpfen und nicht matt werden, die den Gottesfrieden im Herzen tragen, aber mit der Los­ung:Auf Christenmensch, auf auf zum Streit I" Der Weg führte nun durchs Schloßwäldchen zum