sei die Regierung nicht in der Lage, schon jetzt über ihre Stellungnahme zu dem Entwurf, die eine end- giltige abgeschlossene nicht ist, in Her Oeffentlichkeit nähere Mitteilung zu machen. In der Diskussion erklärten sich die Abgg. Kübel (D.P.) und Schaible (B.K.), sowie Reichel (Soz.) für Arbeiterkammern, dagegen die Abgg. Rembold-Gmünd (Ztr.) und Haußmann (Bp.) für Arbeitskammern. Der Abg. Mattutat stellte noch einen Antrag, wonach die Regierung im Bundesrat für die Schaffung von Arbeiterkammern auf territorialer Grundlage mit Abteilungen für die wichtigsten Industrie- und Ge­werbezweige als gesetzlich anerkannte Arbeiterver­tretungen eintreten soll. Dieser Antrag wurde noch nicht für spruchreich erklärt und deshalb an die Kom­mission für die innere Verwaltung verwiesen. In der nun folgenden Fortsetzung der Generaldebatte über die Volksschulnovelle sprachen die Abgg. Körner (B.K.) und Hildenbrand (Soz.). Elfterer trat insbesondere für die Erhaltung des konfessionellen Charakters für die Schule ein. Letzterer erging sich in einer längeren Polemik gegen den Abg. Schrempf und befürwortete im übrigen die Schaffung einer staatlichen Einheitsschule. Zum Schluß der Sitzung gab Präsident Dr. Payer folgende Erklärung ab: Mit größtem Interesse und freudigem Stolz hat das Haus in den letzten Tagen die Nachrichten über die erfolgreichen Aufstiege des Grafen Zeppelin ver­nommen (bravo!) Ich weiß, daß ich im Sinne des hohen Hauses handle, wenn ich mir vom Haus die Ermächtigung erbitte, dem Grafen Zeppelin zu der bahnbrechenden und glänzenden Lösung des groß­artigen Problems der Durchsteuerung der Luft den Glückwunsch und den Dank des Hauses zu über­mitteln (bravo). (Der Präsident ließ sofort dem Grafen Zeppelin eine telegraphische Mit­teilung zugehen.) Nachmittags 5 Uhr wurde die Generaldebatte über die Volksschulnovelle fortgesetzt. Diese Debatte brachte zunächst eine weitere Rede des Kultusministers v. Fleischhauer. Der Minister konstatierte zunächst mit Befriedigung, daß alle Par­teien des Hauses sich zur positiven Mitarbeit aus Grund des vorliegenden Entwurfs bereit erklärt haben und ging dann auf die am meisten umstrittenen Fragen der Simultanschule und der Schulaufsicht ein, wobei er sich namentlich gegen die Ausführungen der Abg. Heymann und Späth wandte. Er betonte das ständige Wachsen des Staatsaufwands für die Volksschule, bezeichnte die Behauptung von der Rückständigkeit unserer Schule als ein Schlagwort und stimmte dem Abg. Hieber bezüglich der Simul­tanschule zu. Er besprach weiterhin den Religions­unterricht, der durch den neuen Lehrplan eine wesent­liche Einschränkung erfahren habe, und hielt an der doppelten Oberschulbehörde, sowie an der Forderung des Examens für die Bezirksschulaufsicht fest. Zum Schluß warnte der Minister vor einer allzuschweren Belastungsprobe des Entwurfs. Die Regierung werde sich von der als richtig anerkannten mittleren Linie nicht abbringen lassen und sei innerhalb dieser Grenzen zur positiven Mitarbeit in der Kommission gerne bereit. Der Abg. Weber (Ztr.) vertrat in längerer Rede den Standpunkt des Zentrums und

Der grüne Schlips.

Novellette von Auguste Werner.

- (Nachdruck verboten.)

Schluß.

Nachdem Dr. Aßmuth sich im Namen Goethes dafür bedankt, schob er seinen Finger in einen Spalt des Buches, um zunächst einen kleinen Vortrag zu halten. Er sprach mit Wärme und edler Begeister­ung und hatte die Genugtuung, daß die drei Damen mit ergebungsvoll gefalteten Händen seinen Worten folgten, die von dem erhebenden Bewußtsein ge­tragen wurden, die heimlich Geliebte ihrer Alltags­sphäre zu entrücken und mit ihm emporzuschweben in eine höhere Gedankenwelt. Georg Aßmuth fing an, sich selig zu fühlen da sandte der Himmel einen Sonnenstrahl in das Zimmer es war der erste am Tage, und er fiel gerade auf den jungen Mann, der mit schwärmerisch emporgerichteten blauen Augen von Tassos Liebe zu Leonore d'Este sprach. Und der freundliche Sonnenstrahl schien auf sein glattgescheiteltes, blondes Haar und auf seine gras­grüne, gelbgesprenkelte Kravatte, die in dem bis­herigen Dämmerlicht des Zimmers noch niemanden ausgefallen war.

Marion von Wenkhaus hob plötzlich die Lorg­nette vor die Augen und stieß leise ihre Schwester an mit einem bezeichnenden Blick auf des Doktors Halsschmuck. Eva von Wenkhaus sah einen Augenblick hin und hielt rasch das Taschentuch vor den Mund, um, wie es schien, nicht laut aufzulachen

namentlich die geistliche Schulaufsicht. Samstag Fortsetzung der Generaldebatte und Vertagung des Landtags.

Stuttgart, 3. Juli. Der königliche Hof ist heute von Bebenhausen zum Sommeraufenthalt nach Friedrichshafen übergesiedelt.

Die Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft hat einen glänzenden Erfolg erzielt. Ueber 200 000 Mk. wurden an Preisen verteilt und wohl die Hälfte davon ist in Württemberg geblieben. Unsere Landwirtschaft hat demnach nicht nur eine kräftige Anregung, sondern auch eine hübsche Unterstützung uud Belohnung für ihr tüchtiges Streben gefunden. Eine ganz besondere Freude wurde der Viertelmillion Besucher dadurch bereitet, daß unser Königspaar den weiten Weg von Bebenhausen nach Cannstatt nicht scheute und fast jeden Tag angefahren kam, um sein Interesse für die landwirtschaftliche Sache zu bekunden.

Stuttgart, 3. Juli. Der Männergesang­verein Arion von Brooklyn trifft auf seiner Deutsch­landsreise voraussichtlich am 22. Juli hier ein. Abends besuchen die Sänger den Stadtgarten und am folgenden Tag (23.) findet in der Liederhalle ein Festkonzert statt. Am 24. Juli erfolgt die Weiterreise.

Friedrichshafen, 3. Juli. Graf Zeppelin erhielt vom Kaiser anläßlich der vorzüglich gelungenen Schweizerfahrt noch am gleichen Abend ein herz­liches Glückwunschtelegramm, worin dieser die Fahrt als eine neue, nationale Tat begrüßt.

DerAusflug" des Grafen Zeppelin in die Schweiz. Mit jedem Tage macht sich die Erkenntnis von der Bedeutung der Schweizerfahrt des Zeppelinschen Luftschiffes mehr geltend. In der gesamten Presse kommt die Bewunderung über die einzigartige Leistung des Grafen Zeppelin zum Aus­druck. So schreibt dieThurgauer Post": Graf Zeppelin, des Luftmeers großer Beherrscher, hat uns gestern sein lenkbares Luftschiff auf Besuch geschickt. Es war eine Liebenswürdigkeit, welche der greise Meister wohl als Antwort erteilen ließ auf das systematische Huldigungs-Telegramm, welches der Schweizerische Technikeroerein von Schaffhausen nach Dresden sandte. Vielleicht auch ein freundlicher Dankesgruß an das schweizerische Volk, welches von Anbeginn der aufopfernden Arbeit Graf Zeppelins das sympathischste Interesse entgegenbrachte. Ohne daß jemand eine Ahnung hatte, stieg er am 1. Juli in Friedrichshafen auf, um unversehens in Schaff­hausen um V-11 Uhr zu erscheinen und schon um 11 Uhr nach einem bedeutenden Umweg rheinabwärts Neftenbach in großer Höhe zu umschweben. Da wurde dann links und rechts, vor-, rück-, auf- und abwärts exerziert, was man von den Hängen der Winterthurer Hügel und den Dächern aus sehr gut beobachten konnte. Es nahm sich aus der Ferne aus, als würde sich ein silberheller Fisch lustig im Meeresblau herumtummeln. Dann plötzlich nahm er eine gerade Richtung und verschwand mit Schnell­zugseile hinter den Waldhügeln. 12 Uhr 30 Min. grüßte er schon Luzern, dann schwebte er zum frohen Verblüffen der Schweizer über den Bahnhof,

Marion tat dasselbe. Und nachdem Frau von Wenkhaus, welche zuerst unwillig und erstaunt auf die geröteten Gesichter ihrer Töchter sah, durch er­klärendes Augenspiel verständigt worden, griff auch sie nach dem bergenden Tuche.

Nach einem besonders schwungvollen Satz machte der Vortragende eine kleine Pause und sah ver­ständnisheischend auf seine Zuhörerschaft, vor allem hoffte er, auf Evas schönem Antlitz einen Ab­glanz dessen zu finden, das ihm die eigene Seele bewegte. Doch betroffen, verständnislos erstarrte sein Blick. Was war das? Dunkelrot das Ge­sicht, das Taschentuch vor den Mund gepreßt, kämpfte sie mit einer unbezwinglichen Lachlust und gab schließlich den Kampf auf. Sie ließ das Tuch sinken und lachte, lachte silberhell und unaufhör­lich. Und ihre Schwester Marion sekundierte ihr.

Die Mama ward verlegen.

Bester Herr Doktor es sind Kinder Sie müssen verzeihen"

O, bitte". Er wehrte die Entschuldigung ab.Ich verstehe nur gar nicht Tasso bietet so gar keinen Anlaß. Oder waren meine Worte so

so komisch?"

Ihre Worte, nein. Aber Ihre Kravatte ist von einer unwiderstehlichen Komik", erklärte Marion ohne Umschweife.

Meine Kravatte?" Bestürzt sah er auf Eva, die sich mit dem Battisttüchlein die schönen Augen trocknete. Bis zu Tränen hatte sie gelacht über seine Kravatte!

drehte sich höflich nach allen Seiten, machte einige Rundtänze, Auf- und Abstiege, und schnurrte dann seeaufwärts, um bald nachher über Brunnen zu manövrieren. Von dort fliegt der Helle Jndustrie- vogel auf einem uns jetzt noch nicht mitgeteilten Weg nach Horgen, tummelte sich froh und lustig gleich einem sonnentrunkenen Adler über dem Zürich­see, begrüßte die Großstadt Zürich, umkreiste im engsten Rundkreis zweimal den Turm der prote­stantischen Kirche in Herlikon und wenige Minuten nach 4 Uhr war er sichtbar in Winterthur, ein sichtbarer Riesenwal, der den Himmelsraum durch­schwirrt. Majestätisch, in ängstlich großen Dimen­sionen, ein himmlischer, übergroßer Riesenwal, schwebt er metallschimmernd heran und faßt Posto über Töß und den beiden großen Jndustriegeschäften der Stadt, deren Arbeiter, gleich wie die Schulkinder, wie aus Bienenkörben herausschwärmen, um das Weltwunder zu bestaunen. Und das Luftschiff läßt sich bestaunen, gelassen schlendert es auf das große Kamin der Firma Gebrüder Sulzer los, schon fürchten ängstliche Gemüter, es möchte der Riesenwalfisch sich am Blitzableiter des Hochkamins den blanken Leib aufschlitzen; da steht der Vogel plötzlich still, steigt senkrecht auf, fährt über den Hochkamin hin, um dann sturmähnlich gegen das Hotel Ochsen hin zu fahren, nicht aber, um sich etwa auf dem Dach fest­zuklammern, sondern schnurrend und surrend über die Häuser an der Stadlkirche vorbei zu fliegen, dann einige Manöver zu machen, als wollte man zu ebener Erde landen, indem man sich bis zu 15 Meter Tiefe über die Erde herabsenkte, und schließ­lich mit Sturmeseile nach Osten hin dem Auge zu entschwinden. Dies war Zeppelins erster freund­nachbarlicher Gruß an die Schweiz. Wir sreuen uns des, hoch und stolz, denn diese Fahrt ist ein weltgeschichtliches Faktum. Neben Stephenson, der die erste praktisch brauchbare Lokomotive gebaut, wird der Name Zeppelin als des ersten wirklichen Beherrschers des Luftmeeres in unvergänglich großer Glorie als Stern erster Größe am Olymp der Welt­geschichte strahlen. Von der Schweizer Meteoro­logischen Zentralanstalt werden folgende in­teressante Geschwindigkeitsmessungen übermittelt: Zur Durchfahrt einer Strecke von 135 Meter gleich der Längsachse des Luftschiffs brauchte Zeppelin 9 Sekunden, welche Zeit einer Geschwindigkeit von 1516 Meter in der Sekunde entspricht. Dabei bewegte sich der Ballon in einer Luftschicht mit einer eigenen Nordostwindgeschwindigkeit von 6 Meter. Diesen Gegenwind wird das Luftschiff auf feiner ganzen Rückfahrt bis zum Bodensee zu überwinden haben. Unter Berücksichtigung dieses Faktors ergibt sich eine absolute Geschwindigkeit von 55 Kilometer in der Stunde.

Friedrichshafen, 3. Juli. (Telefon. 6^ft abds.) Die heutige Fahrt des Luftschiffes machten die Kgl. Majestäten mit. Zuerst bestieg der König den Ballon und machte eine Rundfahrt um den See und die Stadt; hierauf wurde die Königin ausgenommen, worauf sich die Fahrt wiederholte. Alsdann flog der Ballon gegen 5 Uhr mit den Majestäten in der Richtung nach Konstanz.

Es ist ja so natürlich", begütigte die Mama, Sie sind ein gelehrter Herr, den diese Dinge wenig kümmern, und dieses Unverständnis hat eine Laden­mamsell benützt, um Ihnen das erste, beste Mon­strum zu verkaufen nicht wahr?" lächelte sie liebenswürdig.

Doch Doktor Aßmuth sah plötzlich sehr eigen­sinnig aus.O, nein", sagte er,ich selbst habe die Kravatte ausgesucht und habe sie gekauft, weil ich sie hübsch fand."

Sie fanden sie hübsch?"

Entsetzt blickten ihn die drei Damen an.

Gewiß", beharrte er,der Geschmack ist eben verschieden"

Noch einmal forschte ein geheimer Blick in Evas Zügen. Da sah er, wie sie mit der Schwester einen Blick wechselte und mit dem Ausdruck mit­leidiger Geringschätzung die Achseln zuckte. Er nahm seinen Goetheband wieder unter den Arm.

O, mein lieber Herr Doktor, Sie wollen doch nicht schon fort?" rief die Mama beinahe erschrocken.

Es ist etwas spät geworden, und ich habe heute abend noch einer Konferenz beizuwohnen", ent­schuldigte er artig und verneigte sich.

Doch Sie kommen bald wieder, nicht wahr, mein lieber Herr Doktor? Und vielen Dank! Es war sehr genußreich."-

Es waren qualvolle Stunden, die Hilde Mertens seit jenem Moment verlebt, wo Dr. Aßmuth mit der grünen Kravatte in der Tasche hoffnungsfreudig den Laden verließ. Warum hatte sie ihm das an-