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Der LnzlSler

Anzeiger für das Lnztal und Umgebung.

Amtsblatt tür Sen Vberamtsbezirk Neuenbürg.

^ 104.

Neuenbürg, Samstag den 4. Juli 1908.

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Fernsprecher Nr. 4.

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66. Jahrgang.

Die Kieler Sportwoche, welche auch dies­mal durch die Gegenwart des Kaisers und der Kaiserin, sowie einer Anzahl anderer Fürstlichkeiten unter ihnen der König von Sachsen mit seinen beiden ältesten Söhnen ihren besonderen Glanz erhielt, ist zur Stunde beendigt. Am Dienstag hatten der Kaiser und die Kaiserin an Bord der MachtenMeteor", resp.Iduna" die Jachtenwett- fart Kiel-Eckernförde mitgemacht; am Mittwoch besuchte der Kaiser in Kiel den russischen Kreuzer Aurora", welcher dort nebst dem Kriegsschiffe Diana" aus Libau eingetroffen ist. Am kommen­den Montag gedenkt der Kaiser von Kiel aus seine Nordlandreise anzutreten.

Der Reichskanzler Fürst Bülow ist am Mitt­woch, begleitet von der Fürstin, wiederum auf der Insel Nordeney zu einem längeren Erholungs­aufenthalt eingetroffen. Die letzte amtliche Hand­lung des Fürsten Bülow vor Antritt seines Sommer­urlaubs war der von ihm als Ministerpräsident Preußens am Dienstag mittag vollzogene Schluß des neugewählten preußischen Landtags, der im ganzen fünf Tage zu seiner ersten Session zusammen war. Völlige Sommerruhe in den inneren politischen Angelegenheiten Deutschlands will indessen selbst jetzt noch nicht eintreten. Ganz abgesehen davon, daß noch immer verschiedene einzelstaatliche Parlamente trotz der sommerlichen Glut forttagen, so zieht namentlich die Frage der Reichsfinanzreform fort­gesetzt ihre Wellenkreise. In der abgelaufenen Woche fand in Berlin wiederum eine Konferenz der Finanz­minister der Einzelstaaten und von Bundesrats­mitgliedern unter Vorsitz des Reichsschatzsekretärs Sydow in Sachen der Reform des Reichsfinanz­wesens statt. Ueber ihren Verlauf wird von amt­licher Berliner Seite noch Stillschweigen bewahrt, doch nimmt man, daß hierbei die Steuerpläne des neuen Schatzsekretärs von der Versammlung im all­gemeinen gebilligt worden sind. Die abgelaufene Woche brachte ferner eine Reichstagsersatzwahl, die­jenige im posenschen Wahlkreise Colmar-Czarnikau. Das Ergebnis war, daß eine engere Wahl zwischen dem konservativen Ritter und dem Polen Lubenski zu entscheiden hat, wobei die besseren Chancen auf Seiten des elfteren liegen.

Die Reichsfinanznot hat schon wieder eine Kon­ferenz der bundesstaatlichen Finanzminister nötig gemacht, der auch der württ. Finanzminister v. Geßler anwohnte. Man zerbricht sich noch immer den Kopf über den Inhalt der Reform. Hat es doch der Kaiser selbst ausgesprochen, daß der Inhalt vorläufig ein Geheimnis bleiben müsse und hat er doch mit der scherzhaften Androhung einer Junggesellensteuer, die nicht zu dem Steuerbukett gehört, sich an dem Versteckspiel beteiligt. Die Rede, bei der der Kaiser diese Aeußerung tat, war im übrigen ganz unpolitisch und diente lediglich dem Ausdruck seiner Sportsfreude, die ihn. wie alle Jahre, zu den Regatten auf der Unterelbe und in der Kieler Förde geführt hat. Bemerkenswert aber war, daß dabei Fürst Salm-Horstmar, der in Danzig wiedergewählte Präsident des Deutschen Flotten­vereins, der Gast des deutschen Kaisers war. Noch ist bekanntlich die Frage nicht entschieden, ob Fürst Salm die Wahl annimmt oder ob der für diesen Zweck bereitgestellte Großadmiral v. Köster künftig die Geschicke des Deutschen Flottenvereins lenken wird. Man hatte allgemein nach der Einladung, die Fürst Salm zum Kaiser erhalten hatte, erwartet, daß nunmehr eine endgültige Entscheidung erfolgen werde. Diese ist aber bis jetzt ausgeblieben, sodaß man annehmen muß, auf Schwierigkeiten gestoßen zu sein, die trotz aller Verbrüderung in Danzig doch noch vorhanden sein dürften. Auch Prinz Rupprecht von Bayern hat das Protektorat über den bayer. Landesverband noch nicht wieder übernommen, viel­

mehr erklären lassen, er wolle erst sehen, wie sich die Dinge weiter entwickeln. Es wäre aber doch an der Zeit, daß diesen offenen oder geheimen Zwisten nun ein Ende gemacht würde, denn Deutsch­land darf in Tagen der Gefahr, wie wir sie, wenn auch jetzt nicht mehr durchleben, so doch erst kurz hinter uns haben, dem Ausland nicht das Bild der Zerrissenheit in so eminent nationalen Dingen, wie die deutsche Flotte, zeigen. Steht es doch fest, daß die Einkreisung ruhig weitergeht und daß nur unsere eigene Kraft, wie sie in dem Heere und der Marine verkörpert ist, uns vor den Anschlägen, die da seit Jahresfrist gesponnen werden, zu schützen vermag. Der rasche Aufschwung freilich, den unser Luft­schifferwesen nimmt, mag seinerseits dazu beitragen, daß der Respekt vor unseren Waffen im Auslande noch erhöht wird und darum ist es mit doppelter Freude zu begrüßen, daß Graf Zeppelin einen glän­zenden Erfolg erzielt und sein Luftschiff zum ersten­mal in ausländischer Luft auf einem wohlgelungenen Ausflug in die Schweiz erprobt hat. Dazu gesellt sich ferner ein sehr günstiges Ergebnis des Militär­motorballons, den Major Groß von der Lustschiffer­abteilung neu konstruiert und der alle in ihn gesetzten Erwartungen bis jetzt erfüllt hat. Unser Vorsprung vor dem Auslande in dieser Hinsicht steht außer jedem Zweifel und kann jederzeit dem Zweck unserer Landesverteidigung dienstbar gemacht werden.

Berlin, 3. Juli. Heute vormittag lief beim Flottenverein die offizielle Ablehnung des Prä­sidiums durch den Fürsten Salm ein.

Der bayerische Eisenbahnminister Frauen­dorfer äußerte sich in der Abgeordnetenkammer zu der Frage der Betriebsmittelgemeinschaft und der Güterwagengemeinschaft. Letztere werde kommen und wir werden die Freizügigkeit der Güter­wagen erhalten. Aber etwas anderes sei es mit der Betriebsmittelgemeinschaft, bei der auch noch andere Fragen in Betracht kämen. Die Fahrkarten­steuer habe ihm nie eine Freude gemacht. Wenn es auf ihn allein ankäme, würde die Steuer schon morgen aufgehoben werden. Er denke nicht daran, die vierte Wagenklasse in Bayern einzuführen. Er habe mit der Klasse 3b wohl das Richtige getroffen. Auch aus sozialen Gründen sei eine weitere Teilung nicht wünschenswert. Man habe ja auch auf der Straßenbahn nicht verschiedene Klassen und finde sich doch zurecht.

Berlin, 3. Juli. Die gestrige Verhandlung gegen den Fürsten Eulenburg machte die Ladung von 23 weiteren Zeugen durch die Staatsanwalt­schaft nötig. Infolgedessen wird der Prozeß min­destens einen Monat dauern.

Berlin, 3. Juli. DieVoss. Ztg." berichtet aus Innsbruck: In den Kreisen der freiheitlichen Studentenschaft macht sich die Los von Rom- Bewegung in stärkerem Maße geltend. In fast sämtlichen Hochschulstädten Oesterreichs sind in letzter Zeit Massenübertritte von Studenten zum Protestan­tismus erfolgt.

In Schleswig fuhr das Automobil des Arztes Dr. Hillig aus Hamburg gegen einen Chausfeebaum. Das 2'/-jährige Töchterchen und die Schwägerin des Arztes erlitten schwere Verletzungen, denen sie bald erlagen. Die übrigen Insassen des Automobils wurden nur leicht verletzt.

In England sind große Flottenmanöver ins Werk gesetzt worden, wobei die Annahme eines feindlichen Flottenangriffes auf die Ostküste Eng­lands und einer versuchten Landung feindlicher Truppenmassen die Hauptrolle spielt. Als Angreifer ist natürlich Deutschland gedacht.

Von der Schreckensregierung des Schahs Mo- hamed Ali von Persien werden jetzt neue schauder­hafte Einzelheiten bekannter. Im Militärlager des Schahs sind schandbare Greuel an einer Anzahl hervorragender Gefangenen begangen worden, mehrere von ihnen wurden von der Soldateska zu Tode

gemartert. Dabei ist ein Europäer, der russische Oberstleutnant Liahoff, Militärgouverneur von Teheran mit unbeschränkter Vollmacht! Ueber die Lage in der Provinzialhauptstadt Täbris, dem eigentlichen Hauptquartier der persischen Revo­lutionäre, herrscht noch immer Unklarheit. Nach einer offiziösen Petersburger Meldung aus Täbris haben sich mehrere dem Schah oppositionell gesinnte Stadtbezirke ergeben. Am Dienstag ist nach einigem Widerstand Reiterei in die Stadt eingezogen. Den längsten Widerstand haben die Einwohner des Stadt­bezirks Khiaban geleistet, sie sind jedoch von der Reiterei gezwungen worden, sich zu ergeben. Da­gegen wird nach Londoner Privatdepeschen in Täbris noch Tag und Nacht gekämpft; die Bevölkerung hat auf den Straßen Barrikaden errichtet.

In Hanoi in Tonking ist ein seltsamer ver­brecherischer Anschlag gegen die dortigen europäischen Soldaten der Kolonialinfanterie ausgeführt worden. Etwa 200 von ihnen erkrankten unter Vergiftungs­erscheinungen, man glaubt, daß eingeborene Unter­offiziere eine Massenvergiftung der französischen Soldaten ins Werk setzen wollten, um dann eine revolutionäre Erhebung gegen die Franzosen zu predigen.

Aus Semalia (Missouri) kommt die Nachricht, daß in Knobnoster, 20 Meilen von dort, zwei Schnellzüge infolge dichten Nebels, der die Signale nicht erkennen ließ, zusammengestoßen sind. Die Maschinen sind zerstört. Die Wagen fingen Feuer. 8 Passagiere sind tot, 20 verletzt.

Murllemberg.

Stuttgart, 3. Juli. Der Landtag hat die Bauordnung und das Ziehkindergesetz glücklich ver­abschiedet, letzteres nicht ohne daß es mehrere Tage hindurch zu lebhaften Auseinandersetzungen zwischen dem Zentrum und der Linken gekommen wäre. Da­mit war das richtige Vorspiel für die dreitägige Redeschlacht über die Volks schulnovelle gegeben. Der Kultusminister eröffnete den Reigen mit längeren sehr überzeugend gehaltenen Ausführungen, die darin gipfelten, die Parteien möchten an der Vorlage nicht zu viel herumdoktern, weder nach der fortschrittlichen, noch nach der andern Seite hin, nach der fortschritt­lichen schon deswegen nicht, weil die Siege, die da etwa über die Regierung errungen würden, sich in der Ersten Kammer nachher leicht als Pyrrhussiege Herausstellen würden. Damit hat der Minister den Nagel auf den Kopf getroffen. Der Ruf nach der Simultanschule oder der Einheitsschule mag manches für sich haben, aber in der jetzigen Zeit ist er ver­früht, weil er der ersten Kunst des Politikers, der Erkenntnis des Erreichbaren, nicht entspricht. In unserer Zeit mit ihren scharfen konfessionellen und sozialen Gegensätzen ist es untunlich, ein Experiment, wie es die Simultan- oder die Einheitsschule dar­stellt, vorzunehmen. Man würde damit die be­stehenden Gegensätze nur noch verschärfen und außer­dem praktisch nichts weiter erreichen, als daß sich massenhaft Privatschulen auftun, die den Zweck der Simultan- oder Einheitsschule in der Hauptsache wieder zunichte machen.

Stuttgart, 3. Juli. Die Zweite Kammer befaßte sich heute zunächst mit einer sozialdemo­kratischen Interpellation in der die Regierung gefragt wird, welche Stellung sie im Bundesrat zu dem im Reichsanzeiger veröffentlichen Entwurf eines Gesetzes über Arbeitskammern einzunehmen gedenke. Der Abg. Mat tutat (Soz.) betonte, daß der Entwurf in Arbeiterkreisen eine allgemein weitestgehende Ent­täuschung hervorgerufen habe, da er nicht Arbeiter­kammern, sondern eine Arbeitskammer bringe. Ministerpräsident v. Weizsäcker gab namens der Regierung die Erklärung ab, eine Beschlußfassung des Bundesrats über den Entwurf habe bis jetzt nicht stattgefunden. Der Entwurf befinde sich im Stadium der Vorbereitung. Unter diesen Umständen