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Schultheiß Reichert (Kons. u. Bbd.) und Handschuhfabrikant Sperka (Soz.).
5. Wahlkreis (Eßlingen, Kirchheiin, Nürtingen,
Urach): Stichwahl zwischen Gastw. Schlegel (Soz.) und Priv. K. Lang (Bbd.)
6. Wahlkreis (Reutlingen, Rottenburg, Tübingen):
Stichwahl zwischen Kammerpräsident Payer (Vp.) und Expedient Herrmann (Soz.).
7. Wahlkreis (Calw, Herrenberg, Nagold, Neuen
bürg): Stichwahl zwischen Schrempf (Kons, u. Bbd.) und Schweickhardt (Vp.).
8. Wahlkreis (Freudenstadt, Horb, Oberndorf,
Sulz): Stichwahl zwischen Kommerzienrat A. Junghans (D.P.) und Raisschreiber Wagner (Vp.).
ö. Wahlkreis (Balingen, Rottweil, Spaichingen, Tuttlingen): Stichwahl zwischen LandtagSabg. Rechtsanwalt K. Haußmann (Vp.) und Rechtsanwalt Schellhorn (Z.).
10. Wahlkreis (Gmünd,. Göppingen, Schorndorf,
Welzheim): Stichwahl zwischen Gröber (Z.) und Schriftsteller I)r. Lindemann (Soz.).
11. Wahlkreis (Backnang, Hall, Ochringen, Weins-
berg): Gewählt Landlagsabgeordn. Landwirt Vogt (Bbd.).
12. Wahlkreis (Crailsheim, Gerabronn, Künzelsau,
Mergentheim): Stichwahl zwischen Kupferschmied Augst (Vp.) und Schulth. Vogt (Bbd.).
13. Wahlkreis (Aalen, Ellwangen, Gaildorf, Neres-
heim): Pfarrer Hofmann (Z.) gewählt.
14. Wahlkreis (Geislingen, Heidenheim, Ulm):
Stichwahl zwischen Rechrsanw. Storz (Vp.) und Gcmeinderat Dietrich (Soz).
15. Wahlkreis (Blaubeurcn, Ehingen, Lauphcim,
Münsingen): Gröber (Z.) gewählt.
16. Wahlkreis (Biberach, Leutkirch, Waldsee, Wan
gen): Redakteur Erzberger (Z.) gewählt.
17. Wahlkreis (Ravensburg, Niedliugen, Saulgau,
Tettnang): Kämmerer Leser (Z.) gewähli.
Stuttgart, 17. Juni. Die Reichstagswahl in Württemberg. Bis zur Mitternachtstunde trafen im Laufe des abends noch die Resultate aus allen 17 württ. Reichstagswahlkrcisen ein, so daß man sich schon ein Bild vom Ausfälle der Wahlen machen konnte, wenn auch die Einzelergebnisse aus den meisten Bezirken noch fehlten. Die Wahlbeteiligung war durchweg eine recht schwache, so stimmten z. B. in Stuttgart, wo die Agitation eine ziemlich rege war, nur ca. 65 °/° der Wähler. Am besten abgeschnitten haben bei den Wahlen, wie von verschiedenen Seiten vorausgesagt wurde, die Sozialdemokratie und der Bauernbund. Außer den 4 von vornherein als sicher betrachteten Zentrumswahlkreisen (Ellwangen, Ehingen, Biberach, Ravensburg) ist der Wahlkampf nur in 2 Kreisen gleich im ersten Wahlgang entschieden worden, nämlich in Stuttgart, das die Sozialdemokratie behauptete und in Hall, das der Bauernbund der Volkspartei abnahm. In den übrigen 11 Wahlkreisen kommen in die Stichwahl: die deutsche Partei dreimal und zwar in Cannstatt und Göppingen gegen die Sozialdemokraten (Tauscher und Or. Lindenmann) und in Frendenstadr gegen die Volkspartei (Wagner); die Volkspartei fünfmal, nämlich zweimal und zwar in Reutlingen und Ulm gegen die Sozial
demokraten (Herrmann und Dietrich), einmal und zwar in Balingen gegen das Zentrum (Schellhorn), einmal und zwar in Crailsheim gegen den Bauernbund (Vogt-Büttelbronn), einmal und zwar in Calw gegen den Konservativen (Schrempf), der Bund der Landwirte viermal und zwar dreimal gegen die Sozialdemokratie in Heilbronn (Kittler), in Böblingen (Sperka), in Eßlingen (Schlegel) und einmal gegen die Volkspartei, nämlich in Crailsheim (Augst), die S o z i a ld e m okra tie siebenmal und zwar zweimal gegen die deutsche Partei, nämlich in Cannstatt (Hieber), Göppingen (Köhler), gegen den Bauernbund dreimal, nämlich in Heilbronn (k)r. Wolfs), in Böblingen (Reichert), in Eßlingen (Lang), gegen die Volkspartei zweimal, nämlich in Reutlingen (Payer) und in Ulm (Storz); die Konservativen einmal, nämlich in Calw gegen die Volkspartei iSchweickhardt); daS Zentrum einmal, nämlich in Balingen gegen die Volkspartei (K. Haußmann). Die bemerkenswertesten Erscheinungen im ersten Wahlgang dürften betrachtet werden: das außerordentliche Anwachsen der sozialdemokratischen Stimmen nicht nur in Stuttgart, den Verlust, den die Volkspartei im Wahlkreis Böbtingen- Leonberg erleidet, wo F. Haußmann nicht mehr in die Stichwahl kommt und die stetig wachsende Verbreitung des Bauernbundes, der sogar in Eßlingen, einem industriell stark durchsetzten Bezirk, in die Stichwahl kommen konnte und in Hall sogar die vereinigte Volkspartei und deutsche Partei gleich im ersten Wahlgang aus dem Sattel gehoben hat.
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— Nach den bisherigen Feststellungen haben im deutschen Reich, laut Mitteilung des Dep.- Bureau „Herold", 107 Stichwahlen stanzufinden. Gewählt sind 7 Konservative, 1 Bund der Landwirte, 2 Reichspartei, 43 Zentrum, 4 National- liberale, 1 freis. Volkspartei, 1 Antisemit, 3 Polen, 6 Elsäßer, 54 Sozialdemokraten.
— Am Johannifeiertag den 24 Juni wird, wie bereits berichtet, inCal w die Jahresversammlung des Deutschen L e h re r v e r e i n s für Naturkunde, Landesverein Württemberg, stattfinden. Ein Vortrag über „die natürlichen Verhältnisse des Bezirks" wird die zoologischen Verhältnisse, die Flora und Fauna jener Gegend behandeln. Weiter ist noch vorgesehen ein Vortrag über „der Tannenwald, eine Lebensgemeinschaft". Die Teilnehmer wird weiter eine reiche Ausstellung hübsch und zweckmäßig gruppierter Naturalien erfreuen.
Stammheim, 15. Juni. Gestern feierte hier der Westliche Gäusängerbund sein XVI. Gaufest. Mit demselben war ein PreiS- wettsingen verbunden. In der Frühe kündigten Böllerschüsse und Tagwache der hiesigen Musikkapelle das Erwachen des Festtages an. Hatte auch ein in der Nacht vorher hier niedergegangener wolkenbruchartiger Gewitterregen die Hoffnung auf Abhaltung des Festes sehr nieder sinken lassen, so konnte man am Morgen des Festtags doch mit Zuversicht dem Tag entgegenblicken und in der Tat um '/-10 Uhr brachen die Sonnenstrahlen durch das düstere Gewölk des Himmels. Der Festort erstrahlte im schönsten Festgewande, halte doch die hiesige Einwohnerschaft in ihrer großen Mehrheit darin ge- wetteifert, ihre Häuser mit Guirlanden, Kränzen, Inschriften und Fahnen zu schmücken, und auch der
festgebende Verein hatte keine Mühe und Kosten gescheut um den zu erwartenden Gästen einen schönen Festplatz zuzurichten und ihnen einen ehrenvollen Empfang zu bereiten. An den Straßcneingängen und dem Eingang zum Festplatz waren Ehrenpforten errichtet und herzliche Willkommgrüße ließen eine überaus gastliche Aufnahme der Sänger und Gäste erhoffen. Von '/-10 Uhr ab rückten dieselben denn auch von allen Richtungen her an. Um V-11 Uhr nahm das Preissingen seinen Anfang nachdem der festgebende Verein den stimmungsvollen Eröffnungs- chor: Erhabne Macht der Töne rc. hatte erklingen lassen und der Bundesvorstand Schullehrer Bickel unter Hinweisung auf den hohen Wert des Preiswettgesangs die preissingenden Vereine begrüßte. Am Wetrgcsang beteiligten sich 5 Vereine: Gesangverein Ostelsheim, Freundschaft Neuhausen, Eintracht Merklingen, Liederkranz Gsch in gen und Liederkranz Deckenpfronn. Waren es auch nur wenig Chöre, so zeugte ihr Vortrag doch fast durchweg von richtiger Auffassung, ernstem Fleiß der Herren Dirigenten und tüchtiger Schulung der Sänger und es zeigte so das Wettsingen ein ehrliches Streben nach Vervollkommnung namentlich nach der technischen Seite hin. Aber auch das psychologische Moment die innere Beteiligung der Sänger, die Verschmelzung eigenen, lebendigen, inneren Gefühlsinhalts mit der im Liede gegebenen musikalischen Form kam mehr oder weniger zum Ausdruck, obwohl ja der Männergesang gerade in dieser Beziehung seine Klippen hat. Als Preisrichter waren tätig die Herren: Mnsiklehrcr Haasis in Maulbronn, Schullehrer und Komponist Wenaert aus Stuttgart und Musikdirektor Epp aus Pforzheim. An das Preissingen schloß sich unmittelbar die Probe der Gesamtchöre an, welche unter der bewährten Leitung des Bundcsdirigenten Herr Kohlmann aus Döffingen flott und eindrucksvoll gesungen wurden. Nach der Probe rückten die Sänger in ihre Quartiere zum Mittagstisch ab, während später an- kommende Vereine mit Sang und Klang im Fcst- ort einzogen. Um 2 Uhr stellte sich der Festzug beim Rathaus auf. An demselben beteiligten sich 24 Vereine mit ca. 500 Sängern. An der Spitze desselben ritten 2 Herolde, ohngesühr in der Mitte 2 „echte" Gäubauern vom „alten Schrot und Korn". Unter den Klängen der hiesigen Musikkapelle bewegte sich der stattliche Festzug durch die mit Tannenbäum- chen geschmückten Siraßsn. Zwölf schmucke Festjungfrauen gingen den Vereinen voran und bildeten den Gegenstand fortgesetzter Ovationen. Auf dem schöngelegenen, schattigen Festplatz angekommen eröffnte der festgebende Verein „Liederkranz Stammheim" mit dem feurigen Begrüßungschor: „Laßt den Sängergruß ertönen, deutsche Männer seid gegrüßt" v. Joh. Strauß, den eigentlichen Festakt. Diesem folgte die Begrüßung?- und Festrede durch den Bundesvorstand Hrn. Schullehrer Bickel in Stammheim. In zweierlei Hinsicht, führte derselbe aus, äußere sich der Zweck der Gäusängerfeste: sie seien ein vorzügliches Mittel, den Gesang zu verherrlichen und zu pflegen und im Menschen das soziale und nationale Moment herauszubilden und zu befestigen, in elfterer Beziehung hätten die Sänger- feste an Bedeutung alle andern ähnlichen Feste über- troffcn. Weiter verbreitete sich Redner über das Wesen des Gesangs. Die Gabe des Gesangs stamme von Gott und der Sänger stehe eben darum in Ausübung seiner Kunst in „des größeren Herren Pflicht".
zu mir, bis die Aerzte herüberkommen, mich abzurufen; erzählen Sie mir, wann und wo Sie unseren Arnold gesehen und gesprochen haben. Gewiß auf einem der Hofbälle? Er tanzte immer so gern dort, der gute Junge."
„Und will doch brustkrank sein?" fragte Lori atemlos.
„Wie sagen Sie? Brustkrank? Nein, o nein, das ist ein Irrtum. Gott sei Tank — er litt allerdings lange an Gelenkrheumatismus, doch körperlich war er wieder ganz gesund, als er uns verließ."
„Nicht wahr? Ja, Gott sei Dank! Ihr Herr Gemahl sprach jedoch von einer Brusikrankheit."
Der Baron?" fuhr die Baronin erschreckt auf. „Wie kam er dazu? Hat er auch mit Ihnen von Arnold gesprochen? Das wäre zum erstenmale, und dann meine liebe Komtesse, ist er auch ernstlich krank."
Doch Lori beruhigte die Erbebende: „Fürchten Sie das nicht, gnädige Frau! Im Gegenteil, wie Sie ja selbst gehört haben, ist Herr von Brunneck im Begriff, den Sohn heim zu berufen, die Heirat mit dem beneidenswerten Mädchen zu bewilligen. Und ich selbst regte es an. — Freilich, ich wußte nicht, was ich tat, ich kannte ja die Tragweite meiner Fragen nicht. Nur Gewißheit wollte ich, G-wißheit um jeden Preis. Aber — ich fürchte auch, die Aufregung hat dem alten Herrn geschadet, der Stur; wäre nicht erfolgt. — Können Sie mir vergeben, gnädige Frau?"
Die Baronin erbleichte bis in die Lippen; sanft drückte sie Loris zitternde Rechte in der ihren und protestierte in ihrer weichen, klagenden Stimme: „Aber gewiß von ganzem Herzen. Wenn Sie ihn liebten, armes Kind?! Also noch ein Herz mehr, das er unglücklich gemacht durch seine unselige Neigung, der böse,
böse Junge! Lassen Sie uns Freunde sein, liebe Komtesse, und vergeben Sie ihm den Treubruch um seines Elendes willen."
„Tantchen!" winkte Lon der stillweinenden Jungfer Holdermann zu, „jetzt mußt Du mir helfen! Frau Baronin ahnt ja nicht, welche schlimme Komödiantin vor ihr fleht. — Bitte, kommen Sie," wendete sie sich dann an dis kopfschüttelnde Frau von Brunneck und zog sie mit sanfter Gewalt auf den Eck-Divan neben Tante Adel nieder; sie selbst blieb stehen und nestelte an einer zartgeglicderten, goldenen Kette herum, welche sie um den Hals geschlungen trug; eine talergroße Kapsel kam zum Vorschein, der sie nach einem leichten Druck auf die Feder Arnolds Abschiedszeilen entnahm.
„Wollen Sie sich von der Wahrheit meiner Aussage überzeugen?" fragte sie und faltete den kleinen, hundertmal geküßten Zettel vor den Augen der Baronin auseinander.
Diese blickte abwechselnd das zerknitterte Papier und Lori wie geistesabwesend an. „An Fräulein Leonore Holdermann las sie von dem ihr nur zu bekannten, dreieckig gefalteten Umschlags ab. War das der Name jenes armen Mädchens? Aber die da vor ihr stcnd, so rein und schön, die Farbe der Freude auf Wangen und Lippen, war doch d'e kleine Gräfin Grüben.
Verwirrt griff sie an ihre klopfende Schläfe; das Zimmer schien sich mit ihr im Kreise zu drehen. Tonlos sagte sie: „Meine Damen, verzeihen Sie, ich bin wohl meiner Sinne nicht mächtig; von all dem, was Komtesse Grüben mir da so liebenswürdig vorträgt, verstehe ich kein Wort. Aber — den Datum des Schreibens, wenn ich bitten darf."
Lori reichte das Blatt hinüber.
(Forts, folgt.)