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Der Enztäler.
Anzeiger für das Enztal und Umgebung.
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Fernsprecher Nr. 4 .
Telegramm-Udreffe: „Lnztäler, Neuenbürgs.
29.
Neuenbürg, Freitag de» 21. Februar 1908.
66. Jahrgang.
Württemberg.
Kus ^taSt» Bezirk uns U^igedung
Berlin, 19. Februar. Der preußische Kultusminister Dr. Holle hielt heute dem Kaiser einen einstündigen Vortrag über die körperliche Ausbildung der Jugend.
Berlin, 19. Februar. Heute abend fand im Kultusministerium eine Versammlung von Verwaltungsbeamten, Geistlichen, Aerzten, sowie von Kolonial- und Missionsfreunden statt, in der die Verbesserung der gesundheitlichen Verhältnisse in den evangelischen Missionsgebieten, besonders aber in den deutschen Kolonien durch die Entsendung von entsprechend vorgebildeten Aerzten, Hebammen und Krankenpflegepersonal einmütig gefordert wurde. Die Gesundmachung der Schutzgebiete sei eine dringende Notwendigkeit und eine unerläßliche Voraussetzung für ihre wirtschaftliche Erschließung. Man war einig darin, daß die Aerzte und die ärztlichen Hilfspersonen mit den Missionsgesellschaften Hand in Hand gehen und in gemeinschaftlicher Arbeit tätig sein müßten. Zur Beschaffung der Mittel wurde ein Verein gegründet unter dem Namen: „Berliner Verein für ärztliche Mission", der in den Hilfsgebieten der Berliner Missionsgesellschaft tätig sein soll. Von maßgebender Seite wurde dabei zum Ausdruck gebracht, daß die Kaiserin den Zielen des Vereins ein warmes Interesse entgegenbringe und daß die Kolonialverwaltung dem Verein ihre Unterstützung nicht versagen werde.
Berlin, 19. Febr. Der Gesamtvorstand des Nationalvereins für das liberale Deutschland tritt am Sonntag den 23. Februar in Stuttgart zu einer Sitzung zusammen, um eine Kundgebung zur gegenwärtigen Lage zu beschließen. In der Zeit zwischen dem 20. und 26. Juni wird der Nationalverein einen großen liberalen Kongreß in München veranstalten.
Dem Landtag zu Braunschweig ging eine Vorlage zu, wonach die Serien- und Prämien- losgesellschaften verboten werden sollen. Ferner soll der Handel mit Lotterielosen und Loosanteilen ohne staatliche Ermächtigung unter Strafe gestellt werden. Damit wird eine „blühende Industrie" zerstört.
Berlin, 19. Febr. In Schöneberg bei Berlin hat die Frau eines Kaufmanns aus Nahrungssorgen unter dem Druck unglücklicher Familienverhältnisse ihre beiden Kinder und sich selbst getötet.
Berlin, 20. Febr. Aus Wien wird berichtet, daß dort gestern abend 10 Uhr 14 Min. ein heftiges Erdbeben verspürt wurde. In der inneren Stadt fanden mehrere starke Erdstöße statt, welche die Möbel und Bilder ins Schwanken brachten.
München, 19. Febr. In dem niederbayerischen Dorfe Stefansposching zogen gestern nacht gegen ffs4 Uhr zwei Männer mit Gewehren durch das Dorf, feuerten mehrere Schüsse ab und zertrümmerten an vielen Häusern die Fenster. Die Störenfriede zogen hierauf zum Friedhof, wo sie in entsetzlicher Weise hausten. Kreuze wurden aus der Erde gerissen und zertrümmert, massive Grabsteine wurden umgeworsen und zerschlagen, Kreuze auf Kindergräbern in Stücke gehauen. Ein im Weg stehendes großes Kruzifix wurde demoliert. Der Kirchhof gleicht einem wütenden Trümmerhaufen. Dann zogen die zwei Vandalen vor das Pfarrhaus, warfen sämtliche Fenster ein und zertrümmerten hierauf die kostbaren Fenster der Kirche und der Sakristei. Als sie drei Stunden lang gewütet hatten, bewaffneten sich endlich einige Ortsbewohner mit Gewehren und schossen auf die Frevler, worauf sie im Dunkel der Nacht spurlos verschwanden. Die Gendarmerie hat bis jetzt die Täter nicht entdeckt.
Trier, 19. Febr. Bei Lörchingen stieß heute ein Güterzug mit einem Rangierzug zusammen. Ein Rangierer ist tot, drei Zugbeamte schwer verletzt. Der Materialschaden ist sehr groß.
Stuttgart, 18. Februar. Der lange Urlaub, den der kommandierende General v. Fallois, der erst im vorigen Jahre als Nachfolger des General v. Hugo das Kommando über das 13. (K. Württ.) Armeekorps angetreten hat, wie es heißt, wegen Erkrankung seiner Gattin und zwar gerade über eine Zeit, die ihm, wie bei Kaisers und Königs Geburtstag gewisse repräsentative Pflichten auferlegt, ist in militärischen Kreisen schon längst vielfach kommentiert worden, wenn darüber auch einstweilen noch nichts in die Oeffentlichkeit gedrungen ist. Wenn also schließlich das Gerücht auftaucht, daß Herr v. Fallois seinen Abschied eingereicht habe, so braucht man sich darüber unter bewandten Umständen nicht weiter zu wundern, aber ebensowenig einem auf dem Fuße folgenden Dementi eine gar zu hohe Bedeutung beizumessen. Man weiß ja, daß militärische Personalien, so lange es eben geht, in ein geheimnisvolles Dunkel gehüllt werden.
Stuttgart, 21. Februar. Das Schwurgericht verurteilte heute den Wundarzt Pfizenmaisr von Untertürkheim wegen drei vollendeter Verbrechen der Abtreibung und zehn Verbrechen der Beihilfe zu versuchten Abtreibungen zu 3 Jahren und 6 Monaten Zuchthaus nebst öjährigem Ehrverlust; für die Untersuchungshaft wurden 6 Monate abgerechnet.
Tübingen. 19. Febr. Von den Geschworenen wurde im Wiederaufnahmeverfahren der Kaufmann August Michelfflder von Reutlingen, der vom Schwurgericht am 3. Juli 1907 wegen Mißbrauch von Schulkindern zu 14/r Jahren Zuchthaus verurteilt worden ist und mehr als den dritten Teil der Strafe verbüßt hatte, für nicht schuldig erkannt und freigesprochen. Die .Verteidigung hatte diesmal Oberregierungsrat Dr. Schmal übernommen.
Von der Steinach, 18. Febr. „Das Wiesental begrub ein See." An dieses Dichterwort erinnert zurzeit unwillkürlich unser Tal. Breiten sich doch weite, wogende Wassermassen zu beiden Seiten der sonst fast wasserarmen Steinach aus, entstanden durch andauernden Regen und damit verbundenen Schneeschmelze. Leider scheint das Erdreich noch tief gefroren zu sein, so daß trotz des vielen Wassers die so nötige Feuchtigkeit in den Boden nicht eindringen kann. — In der Nacht vom 18. auf den 19. ist die Temperatur gesunken und das Regnen in Schneien übergegangen. Die Steinach ist ein wenig zurück- gegangen. Die Witterung hellt sich aber jetzt zusehends auf.
Herrenberg, 19. Febr. In Unter-Jnsingen kam der Schlosser Buhler, Sohn der hiesigen Messerschmiedswitwe Bühler, mit der elektrischen Hochspannung in Berührung, was seinen sofortigen Tod zur Folge hatte. Es ist dies der dritte Sohn, den die Frau in kurzer Zeit auf tragische Weise verliert.
Aus Oberschwaben, 16. Febr. Prinz Wald- burg-Wolfegg-Waldsee ist im Besitz eines ungeheuer wertvollen Atlasses. Nicht weniger als 1200000 Mark forderte er für diesen Atlas bei der amerikanischen Buchhändlerfirma Stevens u. Stiles. Der Band enthält zwei einzig dastehende Weltkarten, die in den Jahren 1507 und 1516 gestochen wurden und die Professor Fischer vor sechs Jahren in der Bibliothek des Schlosses Wolfegg entdeckt hat. Die Karte von 1507, die lange für verloren galt, wurde von Martin Waldseemüller, einem Geographen, gezeichnet. Das besondere Interesse dieser großen Wandkarte in zwölf Blättern liegt in der Tatsache, daß auf ihr Amerika mit seinen heutigen Namen bezeichnet ist. Von den tausend Kopien, die gedruckt wurden, existiert nur noch diese einzige. Die spätere, fast ebensögroße Karte von 1516 rührt von demselben Geographen her.
Das Stuttgarter Wasserleitnngsprojekt aus dem Euztal.
Neuenbürg, 19. Februar 1908.
Wie uns mitgeteilt wird, hat am Dienstag den 18. ds. Mts. in Sachen der Enztalwasser- versorgung der Stadt Stuttgart bei der K. Forstdirektion unter Leitung des Staatsministers der Finanzen, Dr. v. Zeyer. eine Konferenz stattgefunden. Zu derselben waren außer den Vertretern der Stadt Stuttgart mit Oberbürgermeister v. Gauß und den Vertretern des K. Finanzministeriums und der K. Forstdirektion, sowie des K. Ministeriums des Innern beigezogen, der Präsident der K. Zentralstelle für Gewerbe und Handel v. Mosthaf, der Präsident der K. Kreisregierung in Reutlingen v. Hofmann, Obermedizinalrat Dr. Scheurlen, der K. Badearzt von Wildbad Geh. Hofrat Dr. Weizsäcker, Oberamtmann Hornung von Neuenbürg, der Staatstechniker für das öffentliche Wasserversorgungswesen, Bauinspektor Groß, und die Professoren Dr. Lueger, Dr. Fraas und Dr. Sauer. Wir glauben annehmen zu dürfen, daß die Nachteile, welche der Badestadt Wildbad, den Werksbesitzern, sowie den Gemeinden des Enztals aus dem Unternehmen der Stadt Stuttgart drohen, gebührende Würdigung gefunden und daß eine eingehende Prüfung darüber stattgefunden hat, ob die Stadt Stuttgart nicht andere Möglichkeiten hat, sich mit Wasser zu versorgen, als gerade aus dem Enztal.
Zur Stuttgarter Wasserversorgung. Wie wir bereits mitteilten, war am letzten Freitag eine Deputation des Bezirksrats Neuenbürg zu einer Audienz beim Finanzminister und Minister des Innern, um wegen des Stuttgarter Wasserversorgungsprojektes aus dem Enztal vorstellig zu werden. Gestern fand nun bei der Kgl. Forstdirektion wieder eine Konferenz in dieser Angelegenheit statt, an der Oberbürgermeister v. Gauß mit den zuständigen städtischen Behörden teilnahm. Die Beratungen dauerten sieben Stunden. Ueber den Verlauf der Versammlung im einzelnen soll von den Teilnehmern Stillschweigen beobachtet werden, nur so viel kann mitgeteilt werden, daß die Frage einer zureichenden Versorgung der Stadt Stuttgart wohl noch auf lungere Zeit vertagt ist. Der „Schwäb. Merkur" berichtet darüber: Bei der K. Forstdirektion fanden gestern vormittag und nachmittag eingehende Beratungen unter der Leitung des Staatsministers der Finanzen, Dr. v. Zeyer, statt. Außer verschiedenen Mitgliedern der Ministerial- Abteilung für Straßen- und Wasserbau, der Forst- und Domänendirektion waren Vertreter der Stadt mit dem Oberbürgermeister, der Präsident der Zentralstelle für Gewerbe und Handel, v. Mosthaf, der Vorstand der Kreisregierung in Reutlingen, Präsident v. Hofmann, Obermedizinalrat Dr. Scheurlen, der K. Badarzt in Wildbad, Geh. Hofrat Dr. Weizsäcker, Oberamtmann Hornung in Neuenbürg, der Staatstechniker für öffentliche Wasserversorgung, Bauinspektor Groß, sowie die Professoren Dr. Lueger, Dr. Fraas und Dr. Sauer anwesend. Aus der Zuziehung des Professors Dr. Lueger wird man schließen dürfen, daß auch die Wasserversorgung aus dem Jllergebiet und nötigenfalls aus dem Bodensee in gebührende Erörterung gezogen wurden. Auffallend ist es, daß die Stadt Stuttgart ihr Schwarzwaldprojekt nicht mit allen Einzelheiten in die Oeffentlichkeit gibt. Die Stadtvertretung hat schon mehrfach erklärt, die Stuttgarter Wasserversorgung sei eine Frage nicht bloß der Stadt, sondern des ganzen Landes, also sollte man doch auch dem Lande beizeiten genaue