Rutesheim und Renningen beim Passieren eines Waldes ein räuberischer Ueberfall ausgeführt. Ein Mann schwang sich mit den WortenGeld heraus" auf den Wagen. Dabei soll der Täter einen Stich gegen den Fuhrmann geführt haben, der aber durch einen Riemen und die Kleider aufgehalten wurde. Der Ueberfallene wehrte sich mit einer Laterne, worauf der Räuber von seinem Opfer abließ. Als dann der Hund des Fuhrmanns den Täter stellte, entfernte sich dieser schleunigst. Der Fuhrmann trug etwa 20 Mk. bei sich. Unter dem Verdacht, den Raubanfall begangen zu haben, wurde einige Tage darauf der Angeklagte festgenommen. Bei der Ver­handlung wie auch in der Voruntersuchung bestritt er die Täterschaft. Der Fuhrmann konnte den An­geklagten nicht mit Bestimmtheit als Täter bezeichnen. Festgestellt wurde, daß Seeger vor und nach dem Ueberfall in Rutesheim war; eine Zeugin hat ihn außerdem vor dem Fuhrwerk die Landstraße hinaus­gehen sehen. Die Geschworenen sprachen auf Grund des Indizienbeweises den Angeklagten des versuchten schweren Raubes schuldig unter Versagung mildernder Umstände. Der Verteidiger, Rechtsanwalt Stotz, beantragte hierauf, den Fall an das nächste Schwur­gericht zu verweisen, da sich die Geschworenen zweifellos zu Ungunsten des Angeklagten geirrt hätten. Das Gericht war jedoch der Ansicht, daß dies nicht zutreffe. Das Urteil lautete auf 1 Jahr 4 Monate Zuchthaus und 5 Jahre Ehrverlust; 1 Monat 15 Tage Untersuchungshaft gehen an der Strafe ab.

Stuttgart, 10. Febr. Mit der Eingemeind­ung Degerlochs dürfte es jetzt Ernst werden. Am Freitag hat eine Stuttgarter Kommission, mit Ge­meinderat Dr. Mattes an der Spitze, die Deger- locher Gemeindeeinrichtungen besichtigt. Man scheint den Eindruck gewonnen zu haben, daß die Deger- locher Verwaltung und Vermögensverhältnisse im allgemeinen recht günstig sind.

Stuttgart, 8. Februar. Im Interesse der Fleischversorgung ist zweifellos das Vorgehen des landw. Bezirksvereins Ludwigsburg in Verbindung mit der Stadtgemeinde Ludwigsburg gelegen, die anläßlich des am Donnerstag den 13. ds. Mts. statt­findenden Ludwigsburger Viehmarkts eine Prämier­ung von fetten Ochsen ausgeschrieben haben. Die Preise betragen bis 20 Mark und werden, wie bei der Farrenprämierung, an die Käufer ausbezahlt.

Schwieberdingen, 8. Febr. Auf dem hiesigen Bahnhof waren heute die mit dem 12'/2 Uhr-Zug nach Stuttgart Reisenden Zeugen einer aufregenden Szene. Als der von Weissach kommende Zug ein­lief, sprang ein etwa 25jähriger Mann aus dem Wartsaal und warf sich vor die Lokomotive. Wunder­barerweise kam der Lebensmüde mit unbedeutenden Verletzungen davon. In Kornwest he im sprang ein Bürger, der vom Schaffner mit einer Fahrkarte 4. Klasse in einem 3. Klasse-Wagen betroffen wurde, kurz vor der Station aus dem in Bewegung befind­lichen Zuge und erlitt dabei sehr schwere Kopfver­letzungen.

In Backnang passierte beim Rodeln ein schweres Unglück. Ein 19jähriger Mann wurde gegen eine Holzbeige geschleudert. Aus dieser ragten mehrere spitzige Pfähle hervor, die dem Unglücklichen in den Kopf drangen, so daß das Gehirn zu Tage trat. Der junge Mann dürfte kaum mit dem Leben davon kommen.

Neuenbürg. Wie wir hören, wird die so sehr beliebte Reise nach der Wasserkante auch in diesem Jahre wieder, zum 4. Mal, vom Passage- Bureau Rominger zur Ausführung gebracht werden und zwar werden Heuer die Teilnehmer auf dem bekannten allerneuesten Luxus - Doppelschraub en- SchnelldampferKronprinzessin Cecilie" des Nord­deutschen Lloyd einmal Wohnung nehmen. Die Fahrt wird voraussichtlich während der Zeit vom 13.19. August stattfinden. Ferner beabsichtigt das Passage-Bureau Rominger, in diesem Jahr eine Anzahl billiger und interessanter Sonderfahrten nach dem Mittelmeer und Orient zu veranstalten und sind Programme hierüber bei der gen. Firma in Stuttgart und bei Kaufmann W. Lutz in Neuenbürg zu haben.

Stuttgart. lLandeSProduktenbörse.t (Bericht

vom 10. Febr.) Wohl war die Temperatur im Wochenlauf schwankend, allein die Witterung hat ihren winterlichen Charakter beibehalten. Dagegen ist der Wafferstand erheb, ltch zurückgegangen, lieber den Geschäftsgang, sowohl auf dem Weltmarkt wie auch in unserem Berichtsgebiet, sind wesentliche Veränderungen nicht sestzustellei»., es sei denn, daß die Verschiffungen aus den Vereinigten Staaten von Amerika etwas abgenommen haben. Dagegen betragen die argentinischen Abladungen, welche gegen die Vorwoche wieder zugenommen haben, gegenüber dem Vorjahr fast das Doppelte und die Offerten von daher bleiben zu etwas erhöhten Prei­sen anhaltend am Markt. Man gewinnt den Eindruck, daß die inländischen Vorräte nunmehr stark gelichtet sind. Heutige

Börse verkehrte in unveränderter ruhigee Tendenz. Die heimischen Mühlen klagen fortgesetzt über schleppenden Mehl« absatz. Mehlpreis e per lvv Kilogramm inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 34 Mk. - Psg. bis Mk. - Psg., Nr. 1: 33 Mk.

Psg. bis 34 Mk. Psg., Nr. 2: 32 Mk. Psg. bis 33 Mk. Psg., Nr. 3: 31 -,n> k. - Psg. bis 32 Mk. - Psg., Nr. 4: 29 Mk. 50 Psg. bis 30 Mk. 50 Psg. Kleie 1l Mk.

Psg. (ohne Sackt

Kus ^taSt, Bezirk uns A-ugedung

Neuenbürg, 10. Februar 1908.

Zur Stuttgarter Wasserversorgungsfrage

wird demSchw. B." weiter folgendes geschrieben:

Wildbad, 5. Februar. Ein an die Adresse des Hofrats Dr. Distler gerichteter Artikel imN. Tagbl." über das Stuttgarter Wasserversorgungs­projekt sucht verschiedene Punkte der Ausführungen über das Projekt imSchwarzw. B.", (die im Enz- täler Nr. 21 wiedergegeben sind), zu entkräften. Hof­rat Dr. Distler hat sich bekanntlich imSchwab. M." für Herstellung einer Wasserversorgung Stuttgarts aus dem Bodensee ausgesprochen und dabei die voll­ständig berechtigte Befürchtung geltend gemacht, daß das Enztalprojekt für Stuttgart wieder keine genügende Wasserversorgung bringe. Hierauf erwidert der Stutt­garter Artikel:

Wos nun das für die Undurchsührbarkeit der Enztal- anlage ganz besonders augesührle Moment der Unzuläng­lichkeit der Waffermenpe anbelangt, so ist dazu folgendes zu sagen: Die Enztalwasserversorgung soll aus einen Verbrauch von durchschnittlich 300 Sekundenliter angelegt werden. Die Leistungsfähigkeit soll auf 500 Sekundenlitcr gesteigert wer­den können, wenn im Hochsommer große Hitze einen ver­mehrten Wasserverbrauch zur Folge hat. Im Winter aber wird der Verbrauch auf etwa 150 Sekundenliter zurückgehen. Durchschnittlich wird also die Menge von 300 Sekunden­liter nicht überschritten werden. Bei Zugrundelegung dieser Wassermenge wird dem Enztal noch lange nicht alles ent­zogen werden. Im Gegenteil, es soll dabei sogar die sür die jetzt vorhandenen Triebwerke nötige Wasserkraft erhallen bleiben."

Auf jeden ruhigen Beurteiler muß es einen kuriosen Eindruck machen, wie hier um die Ziffern des mutmaßlichen Wasserbedarfs Stuttgarts (150 bis 500 Sekundenliter) ein Eiertanz aufgeführt wird. Es beweist dies, daß man in Stuttgart selbst von der Leistungsfähigkeit der geplanten Anlage im Enz- tal nicht voll überzeugt ist, daß man dort selbst die Befürchtung hegt, zeitweise nur ca. 150 Sekunden­liter dem Enztale entziehen zu können.

Und in der Tat verhält es sich so! Kommt das Enztalprojekt je zustande, so muß seitens der Re­gierung für die Badestadt Wildbad und die Enztal- wasserwerke einExistenzminimum" an Wasserzufluß anbedungen resp. garantiert werden. Dieses Existenz­minimum wird so lange durch die Talsperre auf­gebracht, als sie hiezu imstande ist. Nachher geht es auf Kosten des nach Stuttgart abfließenden Wasser­quantums. Und da haben wir in unserem Artikel (in Nr. 21 ds. Enzt.) klar und deutlich bewiesen, daß Stuttgart bei den heurigen Witterungsverhältnissen seit Oktober 1907 ohne Wasser wäre. Zahlen be­weisen! Die Stadt Stuttgart möge doch einmal mit den Resultaten ihrer Wasserstandsaufnahmen, die sie seit 1906 am Ort der geplanten Talsperre mittels einer selbstregistrierenden Pegelvorrichtung macht, an die Oeffentlichkeit treten!

Jede Stadtverwaltung kann ein Lied darüber singen, daß der in den Entwürfen der Techniker herausgerechnete Wasserbedarf der Gemeinden sich stets als unzulänglich erwiesen hat. Stuttgart wird es nicht anders gehen. 300 Sekundenliter kann für Stuttgart niemals zureichen I Wenn ein zur Großstadt sich entwickelndes Gemeinwesen, wie Stutt­gart, 12 Millionen für seine Wasserversorgung auf­wendet, muß es hinsichtlich seines Wasserverbrauchs aus dem Vollen schöpfen können und muß für ein paar Hundert Sekundenliter Mehrverbrauch von vorn­herein nach jeder Hinsicht vorgesorgt sein. Das kann aber mit dem Enztalprojekt niemals erreicht werden.

Den höchsten Wasserverbrauch mit 500 Sekunden­liter sieht der Stuttgarter Artikelschreiber für den Hochsommer vor, wenn große Hitze einen vermehrten Wasserverbrauch zur Folge hat. Erfahrungsgemäß haben aber die Enz und die Euztalquellen gerade im Hochsommer ihren geringsten Wasserstand und es ist nicht daran zu denken, daß zu dieser Zeit Stuttgart dem Enztal bis zu 500 Sekundenliter ent­ziehen kann. Außer acht gelassen ist hiebei auch die hervorstechendste Eigenschaft sämtlicher Enztalquellen, schon wenige Tage nach eingetretener Trockenheit in ihrer Ergiebigkeit rapid nachzulassen, was wohl seinen Grund in der großen Durchlässigkeit des das Enztal umgebenden Buntsandsteingebirges hat.

Schließlich möchten wir noch auf folgendes auf­merksam machen: Nach Mitteilungen von kompetenter Seite hat Stuttgart im Falle der Erbauung der - Talsperre sich für allen Schaden haftbar zu machen,

der aus der Anlage für die Thermalquellen Wild­bads erwachsen könnte. Die Thermen Wildbads entspringen dem Urgestein, einem stark zerklüfteten Granit, der die Sohle des Enztales bildet und sich vom Ursprung der Thermen bis zu der ca. 3 Kilo­meter entfernten künftigen Talsperre bei der Gulden­brücke erstreckt. Der Zusammenhang dieses Granit­geschiebes an beiden Stellen kann also nicht bezweifelt werden und es gehört nicht zu den Unmöglichkeiten, daß infolge des von dem 5ffs Millionen obm fassen­den Staubecken ausgeübten Druckes vermittels der Granitspalten Wasserdurchbrüche in das Wildbader Quellengebiet erfolgen könnten, die eine Versäufung der Thermen oder ihr völliges Ausbleiben zur Folge hätten. Ein ziffernmäßig gar nicht zu bemessender Schaden würde hiedurch entstehen, dessen Vergütung die Stadt Stuttgart dem Ruine nahe bringen müßte.

Und wie steht es mit der Haftbarkeit Stuttgarts im Falle eines Bruches der Staumauer? Nach dem Wassergesetz wäre Stuttgart auch hier schadenersatz­pflichtig! Zerstörungen von Talsperren sind schon häufig vorgekommen, so 1864 des Dammes von Bradfield, wo 238 Menschenleben und 800 Häuser zum Opfer fielen. 1890 des Wallnutgrove Dammes in Arizona (150 Menschenleben), 1889 des Sammel­weihers von Johnstown (4000 Menschenleben und unberechenbarer Schaden an Eigentum), 1887 der Staumauer der Hebra-Sperre in Algier (400 Men­schenleben), 1885 der Staumauer bei Grand Cheur- fas. 1895 Sperrmauer von Bouzei in Frankreich (90 Menschenleben) u. a.

Da mit der Möglichkeit solcher Zerstörungen auch infolge von Erdbeben also zu rechnen ist, hat es bisher vernünftigerweise als Grundsatz gegolten, Talsperren in solchen Tälern nicht zu bauen, welche zahlreiche menschliche Ansiedlungen, teuere industrielle Anlagen, wertvolle Kulturen und dergleichen aufweisen.

Ein Durchbruch der geplanten Enztalsperre hätte ein unermeßliches Verhängnis, Vernichtung von Tau­senden von Menschenleben und Zerstörung von Hab und Gut bis ins badische Land hinein zur Folge. Auf Hunderte von Millionen würde sich die Schaden­ersatzpflicht berechnen; der Ruin Stuttgarts wäre besiegelt! Wie stellt sich die Einwohnerschaft Stutt­garts zu dieser Seite des Enztalprojekts? Ist sie geneigt, diese ungeheure Verantwortung zu tragen, die für alle Zukunft wie ein Damoklesschwert über ihr schweben würde?

G Neuenbürg, 11. Febr. Bezirksrats­sitzung vom 10. Februar 1908. Genehmigt wur­den die Wirtschaftskonzessionsgesuche von Johann Friedrich Wankmüller zum Löwen in Schwann; Christine Fichtler, Metzgers Ehefrau zum Rößle in Unterniebelsbach und Uhrmacher Wilhelm Grözinger z. Bären in Ottenhausen. Das Ge­such des Goldarbeiters August Kappler in Unter­niebelsbach um die Erlaubnis zum Betrieb einer Gartenwirtschaft wurde, mangelnden Bedürfnisses halber, abgewiesen. Die Ausführung der Zentral­heizungsanlage für das neue Bezirkskrankenhaus ist dem Eisenwerk Kaiserslautern übertragen worden. Als Straßenwärter für die Straßenstrecke Höfen- Langenbrand wurde Mathäus Schnürle, fr. Amts­diener in Langenbrand, bestellt. Die Gemeinde Birkenfeld erhält zur Verbesserung ihrer Orts­bibliothek einen Beitrag von 20 ^ aus Mitteln der Amtskorporation.

G Gräfenhausen, 11. Febr. Am Sonntag den 9. Februar ds. Js. veranstaltete der hiesige Militärverein seinen Mitgliedern und Freunden einen Familienafbend mit Lichtbildervortrag im Saale des Gasthauses z.Rößle" hier, der sehr zahlreich besucht war. Es wurden die vom Württ. Kriegerbund den einzelnen Bundesvereinen zur Ver­fügung gestellten LichtbilderDie württ. Division im Kriege 1870/71" zur Darstellung gebracht. Der Apparat, von Hm. Uhrmacher Braunwart in Neuenbürg in wirklich tadelloser Weise bedient, funktionierte ausgezeichnet, es war nur eine Stimme des Lobes über die schönen und deutlichen Bilder. Hr. Ernst Keller, der Vorstand des hiesigen Mi- litärvereins, wies in seiner Ansprache darauf hin, wie notwendig es in unserer heutigen, schnell vor­wärts eilenden Zeit ist, der jetzigen Generation in das Gedächtnis zurückzurufen, wie unser einiges deutsches Reich entstanden ist. Man ist so gern bereit, alles das zu vergessen, was unsere Veter­anen in heißem Kampfe erstritten haben. Es ist deshalb unsere große und heilige Pflicht, nament­lich dem Heranwachsenden Geschlecht gegenüber, die Tage der nationalen Wiedergeburt Deutschlands in die Erinnerung zurückzurufen. Aus diesem Grunde wurden die Bilder auch am Sonntag nachmittag 3 Uhr den Schulkindern von hier, Obernhausen und