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Der Lnztäler.
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Celegramm-Udreffe: „Enztäler, Neuenbürg".
181.
Neuenbürg, Freitag den 15. November 1907.
65. Jahrgang.
«irmSschau»
London, 13. Nov. Lange bevor irgend einer der Gäste 'im Schloß Windsor daran dachte, aufzustehen, war der Kaiser gestern morgen schon unterwegs und machte einen längeren Spaziergang durch die Gärten und Parks des Schlosses. Im Laufe des Vormittags ging er dann mit dem König, dem Prinzen von Wales und einer Anzahl geladener Gäste auf die Jagd, wobei der Kaiser von 3 Büchsenspannern bedient wurde. Nicht weniger als 700 Stück Wild wurden erlegt. Das Hauptergebnis des gestrigen Tages bildet indessen das große Staatsbankett mit den offiziellen Toasten des Königs und des Kaisers, die heute überall in der englischen Presse auf das freundlichste kommentiert werden. Die Vorbereitungen in der Stadt übertreffen an Pracht alles, was in den letzten Jahren nach dieser Richtung in London geleistet wurde. Deutsche und englische Begrüßungsworte sind überall in langen Guirlanden von Haus zu Haus über die Straße gezogen. Mit erstaunlicher Einmütigkeit erklären heute die englischen Zeitungsmacher und Journalisten in Fleetstreet, daß unzweifelhaft der heutige Besuch des Kaisers in London ein Ereignis von nie dagewesenem Enthusiasmus sein werde. Die Stimmung in der englischen Presse ist überhaupt erfreulicherweise, auch da, wo im allgemeinen Deutschfeindlichkeit vorliegt, sei es nur für diese Tage, sei es mit dauernder Wirkung, bedeutend besser geworden.
London, 13. Novbr. Mit dem großartigen Empfang, der dem deutschen Kaiserpaar heute mittag von der Bevölkerung und den Stadtbehörden Londons bereitet wurde, erreicht sein Besuch auf englischem Boden gewissermaßen seinen Höhepunkt. Jeder etwa noch mögliche Zweifel an der außerordentlichen Herzlichkeit der Aufnahme, die dem Kaiserpaare am Hofe von Windsor zu teil geworden ist und die auch der Gesinnung des englischen Volkes entspricht, wurde schon durch den beispiellosen Enthusiasmus hinfällig, mit dem die kaiserliche Kavalkade auf dem ganzen weiten Wege vom Paddington- Bahnhof nach dem City-Rathause von einer nach Zehntausenden zählenden Menschenmenge begrüßt wurde. Die fast eine deutsche Meile lange Via Triumphalis, die vom Hyde-Park in Westend Oxford Street entlang bis ins Herz der Altstadt führte, war für die in dieser Beziehung ziemlich anspruchslosen Londoner Verhältnisse unerhört reich mit Fahnen, Girlanden und Trophäen aller Art geschmückt, die einem furchtbaren Unwetter, das mit Sturm und Hagelschlag während der Nacht über die Stadt niedergegangen war, wacker standgehalten hatten. Nur einige der ausgesuchtesten Dekorationen, wie die des Hauses Baring, das für den Blumenschmuck seines Hauses allein 20 000 Mk. ausgegeben hatte, bedurften einiger Auffrischung. Obwohl die Londoner sonst Langschläfer sind, begannen zur selben Zeit auch schon die Schaulustigen sich einzufinden. Als der eigentliche Zug mittags in Paddington eintraf, standen die Menschenmassen zu beiden Seiten der Straße hinter den Rotröcken der spalierbildenden Gardetruppen Kopf an Kopf und von den zahlreichen Fenstern mit dem Blick auf die Feststraße war kein einziges leer. Während dann die vierspännige offene Karosse mit dem Kaiserpaar, gefolgt von 5 Staatskutschen mit dem kaiserlichen Gefolge, unter den brausenden Zurufen aus tausend und abertausend Kehlen langsam der City zufuhr und der Kaiser beim Oxford-Zirkus die Huldigung des Bürgermeisters von Westminster entgegennahm, versammelte sich im Bibliotheksaal des Rathauses, der. sogenannten Guild- hall, eine glänzende Gesellschaft, um das deutsche Herrscherpaar dort willkommen zu heißen: der Lordmayor mit dem großen Beamtenstabe der Oberbürgermeisterei in ihren altfränkischen, goldgestickten und pelzverbrämten Gewändern, die Minister und hervorragende Mitglieder des Oberhauses, Hofchargen,
Richter, Generale, viele mit ihren Damen, vereinigten sich zu einer über 800 Köpfe zählenden Versammlung, die den Glanz der englischen Gegenwart eindrucksvoll repräsentierte. Die Szene in der Guild- hall war eine der glänzendsten, welche das historische Gebäude je gesehen hat. Unter den Geladenen befanden sich neben der Elite Englands die hervor- vorragendsten Mitglieder der deutschen Kolonie. Das Kaiserpaar wurde mit außerordentlicher Begeisterung begrüßt. Kaiser Wilhelm, der deutsche Husarenuniform trug, sah vorzüglich aus und erwiderte die Ovationen lebhaft. Der Monarch war sichtlich bewegt über die Wärme des Empfanges seitens der englischen Hauptstadt.
London, 13. Nov. Bei dem Festmahl in der alten Banketthalle der Guildhall saß der Kaiser zur Rechten, die Kaiserin zur Linken des Lordmayors, die Gemahlin des Lordmayors zur Rechten des Kaisers, während die Kaiserin zu ihrer Linken den Prinz von Wales hatte. Der Lordmayor brachte zuerst die Trinksprüche auf den König und die Königin und dann auf den Kaiser und die Kaiserin aus. In letzterem sagte er: Von den mancherlei Ereignissen und Aenderungen, die sich seit der letzten Anwesenheit des Kaisers zugetragen hätten, sei Deutschland anscheinend am wenigsten berührt worden. Es regiere dort immer noch der deutsche Kaiser mit all der bewundernswerten Kraft, dem Geschick und Fleiß, die ihn stets ausgezeichnet hätten. Sein Interesse für Kunst, Wissenschaft, Literatur und Kultur im allgemeinen sei noch genau so lebhaft, als es immer gewesen sei und zu keiner Zeit sei das Ansehen Deutschlands und des Kaisers Volkstümlichkeit größer als jetzt gewesen. Wir hoffen und beten, daß Ew. Majestät und der Kaiserin ein langes Leben beschieden sei, um sich der wohlverdienten Liebe und Ehrfurcht Ihres Volkes und der Achtung und der Ehrerbietung zu erfreuen, auf die Sie durch Ihre vielen Tugenden und Ihren persönlichen Mut überall Anspruch haben. — Auf diese Ansprache erwiderte der Kaiser mit Dankesworten für den herzlichen Empfang und die ihm gebotene Gastfreundschaft. Der Kaiser fuhr fort: Ich bin in der Tat kein Fremder in Ihrer Mitte. Ich bin stolz in dem Gedanken, durch ein enges Band mit dieser Weltstadt verbunden zu sein. Ich bin erfreut, daß ich Ihrer Einladung habe Folge leisten können und noch mehr, daß die Kaisers», die das herzliche Willkommen ebenso würdigt wie ich, mich hat begleiten können. Ich erinnere mich mit Vergnügen daran, daß die Hauptstadt meines Reiches im vergangenen Sommer die Ehre gehabt hat, in ihren Mauern Ew. Lordschaft unmittelbaren Vorgänger zu empfangen und ich hoffe, daß er sich in Berlin ebenso wohl befunden hat, wie ich mich jetzt in der Gesellschaft der Bürger Londons befinde. Jede Vertretung der City von London wird ein herzliches Willkommen in Berlin finden. Als ich an dieser selben Stelle vor 16 Jahren sprach, sagte ich, daß mein Bestreben vor allem daraus gerichtet sei, denFriedenzuer- halten. Die Geschichte wird mir, hoffe ich, die Gerechtigkeit widersahren lassen, anzuerkennen, daß ich dieses Ziel seither unerschütterlich verfolgt habe. Die Hauptstütze und die Grundlage des Weltfriedens ist aber die Aufrechterhaltung von guten Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern. Dann wird die Zukunft glänzende Aussichten zeigen und der Handel zwischen den betreffenden, Nationen, die sich gegenseitig zu vertrauen gelernt haben, sich weiter entwickeln. Der Kaiser schloß mit nochmaligen Dankesworten für den schönen Empfang. — Auf die Rede des Kaisers ergriff der Lordmayor nochmals das Wort und führte insbesondere aus, daß unter den zahlreichen Vorzügen, deren sich die Bürger von London erfreuten, keiner höher geschätzt werde als der, der durch die Anwesenheit des deutschen Kaiserpaares bei dessen zweimaligem Besuch ihnen gewährt wurde.
Windsor, 14. Nov. In Begleitung des Kaisers begaben sich der König und mehrere Mitglieder des K. Hauses gegen 11 Uhr vormittags im Automobil zur Jagd nach den bei Windsor gelegenen Jagdgründen.
Windsor, 14. Nov. Die deutsche Kaiserin fuhr heute morgen 9 Uhr 45 in Begleitung von vier Mitgliedern des Gefolges nach London, um dort einige Besuche zu machen. Die Kaiserin besuchte das deutsche Hospital und dann das deutsche Lehrerheim- wo ihr ein Bukett überreicht wurde. Der Kaiser machte früh morgens einen Spaziergang. Nach dem Frühstück erledigte der Kaiser Regierungsgeschäfte, worauf er sich zur Jagd begab.
Berlin, 13. Nov. Der Kaiser wird entgegen seinen ursprünglichen Plänen nach den Festlichkeiten am englischen Hof nicht auf der Insel Wight, sondern in deren Nähe an der Küste des Kanals Wohnung nehmen. Nach einem Londoner Telegramm hat sich der Kaiser jetzt nämlich endgültig zu einem 14tägigen Aufenthalt in Highcliffe Castle bei Christchur ch in der Gmfschaft Hampshire entschlossen. Der deutsche Botschafter Graf Wolfs-Metternich ist gestern dorthin gefahren, um die Vorbereitungen für den kaiserlichen Besuch zu treffen.
London, 12. Nov. Publikum und Presse überbieten einander in Sympathie-Bezeugungen für die kaiserlichen Gäste des Volkes und des Königs und England. Einige Blätter veröffentlichen die Berichte über die Ankunft in Portsmouth und Windsor mit deutscher Ueberschrift. Daily Erpreß bringt sogar einen ganzen Begrüßungsartikel in deutscher Sprache. In fast allen politischen und privaten Kreisen kommt die Erwartung zum Ausdruck, daß für die Reihe der englisch-deutschen und deutschenglischen Höflichkeitsaustauschs- und Freundschaftsbeweise, in letzter Zeit dieser Kaiserbesuch die dauernd erfolgreiche Krönung bedeuten werde.
-Der berühmte englische Leibarzt des Königs, Sir Felix Semon, der den Kaiser zusammen mit einem andern englischen Arzt des Königs untersuchte, erklärte später, daß von irgend einer Erkrankung keine Rede sein könne. Der Kaiser sei nur sehr stark erkältet. Die beiden Aerzte hatten nach der Konsultation noch eine lange Privat-Unter- redung mit Dr. Jlberg, dem Leibarzt des Kaisers, und es scheint, daß die drei Aerzte zu derselben Ansicht über den Gesundheitszustand des Kaisers gekommen sind. Alle, besonders auch in der englischen Presse aufgetauchten Befürchtungen über eine Erkrankung des Kaisers seien als grundlos anzusehen.
Der Kaiser hat dem Kapitän Polack, Führer des Lloydschnelldampfers „Kaiser Wilhelm der Große", der kürzlich bei hoher See und schwerem Sturm das ruderlos gewordene Schiff glücklich die über 1700 Meilen lange Ozeanstrecke und weiter über die noch schwierigere 800 Meilen lange Kanal- und Nordseestrecke ohne fremde Hilfe nach Bremerhaven brachte, in Anerkennung dieser hervorragend seemännischen Leistung den Kronenorden 3. Kl. verliehen.
Berlin, 14. Nov. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Reichskanzler Fürst Bülow hatte am Mittwoch mit dem aus Afrika.zurückgekehrten Staatssekretär des Reichskolonialamts Dernburg eine längere Besprechung.
München, 13. Nov. Der Prinzregent war durch die Nachricht von dem Ableben seines jüngsten Sohnes aufs tiefste erschüttert. Die Leiche des Prinzen wird voraussichtlich iü der Nacht zum Freitag hier eintreffen und nach der alten Hofkapelle in der Residenz gebracht werden. — Die Beisetzung des Prinzen Arnulf wird auf Wunsch des Prinzregenten im engsten Familienkreis erfolgen und es werden daher Vertreter auswärtiger Fürstlichkeiten nicht erwartet. Die Beisetzung erfolgt in der Thealinerhofkirche.