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Der Lnzlöler.
Anzeiger für das Enztal und Umgebung.
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^ 141.
Neuenbürg, Freitag den 6. September 1907.
6s. Jahrgang.
ZmnSschau
Das Echo der Kaiserrede. Wiedereinmal hat der Kaiser geredet — aber anders als je. Kaiserreden haben sich bisher dem Gedächtnis meist eingeprägt durch irgend eine Spitze, gegen die sich alsbald irgend ein Teil des Volkes wehrte; sie haben bisher meist den Schall von Fanfaren gehabt, auf die wiederum mannigfaches Echo lärmte, im Kampf des Alltags. Die westfälische Kaiserrede klingt eher wie ein Choral und sie wird diesmal der Zustimmung weitester Kreise sicher sein. Der Kaiser erhebt sich mitten in Westfalen, das Konservative und Liberale, Sozialdemokratie und Zentrum in den Reichstag schickt, für seine Person über die Gegensätze und die Interessen der Parteien und der Konfessionen und weist auf das Gemeinsame und Einigende hin. Bauer und Städter, Landwirtschaft und Industrie: sie gehören zusammen, sie leben von einander, und nur eine falsche Agitation verwischt gewissenlos die gegenseitige Abhängigkeit. Protestanten und Katholiken — und alle anderen Konfessionen (dürfen wir hinzufügen): sie soll gegenseitige Toleranz versöhnen; nur mißbräuchliche und berechnende Verhetzung schafft eine trennende Kluft. Indem der Kaiser diese Erfahrungen andeutet, vermeidet -er doch jegliche Spitze: er gelobt die soziale Fürsorge für die Arbeiterschaft, ohne gegen die Sozialdemokratie zu polemisieren; er begrüßt die Katholiken und ignoriert die politische Organisation des Zentrums. Der Kaiser spricht sich diesmal so intersozial aus, daß er über das kirchliche Dogma die Bedürfnisse des praktischen Lebens stellt, und daß er sich selbst einsügt in diese Gemeinschaft des Volks: statt des unnahbaren Gottesgnadentums das demokratisch klingende Bekenntnis „Alle sind Menschen wie Du!" Daraus will der Kaiser Verständnis und Milde holen, aber auch die Mitarbeiterschaft aller, „er sei wer und wes Standes er wolle", bei der Aufgabe, daß das Wort des Dichters sich erfülle: Am deutschen Wesen wird die Welt genesen. Aus dem Ganzen dieser Anschauungen spricht so viel edler Sinn, guter Wille und ernster Akut, daß diese Kaiserrede zu den erfreulichsten Proklamationen Kaiser Wilhelms gehört: möchte sie fruchtbar werden!
Der Aufstand in Deutsch-Ostafrika ist jetzt auch amtlich als vollkommen erloschen erklärt worden. Im Nordwesten von Ssongea ist nun auch der Kriegszustand aufgehoben worden. Es war der letzte Gebietsteil der Kolonie, wo er noch bestand. Gleichzeitig ist auch die Sperrung des nordwestlichen Teils des Bezirks Ssongea zurückgezogen, d. h. also für den Durchzug von Europäern wieder freigegeben worden.
Nach einem Telegramm des Gouverneurs von Schuckmann aus Windhuk haben siebzig bei Morenga befindliche Bondels um Aufnahme in das mit den Bondels im Dezember 1906 geschlossene Unterwerfungs-Abkommen gebeten. Um Morenga Kräfte zu entziehen, sind Verhandlungen eingeleitet worden. Morenga selbst befindet sich bisher abwartend auf englischem Gebiet.
London, 4. Septbr. Zu der gestern von den Franzosen unternommenen Rekognoszierung wird dem Reuterschen Bureau aus Casablanca gemeldet: General Drude sandte um 4 Uhr morgens eine große Truppenmacht aus, die parallel der Seeküste vorging. Diese Truppe wurde um 8 Uhr morgens auf allen Seiten von Marokkanern in großer Zahl angegriffen. Gegen 1 Uhr mittags hatten die Franzosen alle Angriffe zurückgeschlaaen und sich nach dem Lager zurückbegeben.
Casablanca, 4. Septbr. Eine gestern nachmittag außerhalb der Vorpostenkette vorgenommene Erkundung führte zu einem heftigen Kampfe mit den in der Umgegend der Stadt lagernden Stämmen. Diese hatten große Verluste. Die Franzosen hatten
8 Tote und 17 Verwundete. Unter den Toten befinden sich Major Prävost vom 1. Regiment der Fremdenlegion und ein Leutnant von den Schützen.
Paris, 4. Septbr. Nach einer Meldung des „Temps" aus Tanger dauerte der gestrige Kampf von 7 Uhr 30 Min. früh bis 2 Uhr nachmittags. Ein Feldwebel der afrikanischen Schützen wurde tödlich verwundet. Die Marokkaner griffen unter dem Gesang von Koransuren an, aber die eingeborenen Freiwilligen hielten ihrem Ansturm ohne zu wanken und zu weichen stand. Das französische Lager wäre beinahe erobert worden. Der Feind kam auf eine kurze Entfernung heran, aber er mußte zurückweichen. Einer Meldung der „Liberia" zufolge wurde die Aufklärungsabteilung bei Casablanca von 6000 Marokkanern angegriffen. Major Pravost wurde erst nach Beendigung des Kampfes bei der Rückkehr in das Lager getötet.
Württemberg.
Stuttgart, 4. Sept. Der König hat der 9. Kompagnie des Infanterie-Regiments Nr. 124 in Weingarten, der 5. Kompagnie des 8. Infanterie- Regiments Nr. 126 in Straßburg i. E. und der 6. Batterie des 3. Feldartillerie-Regiments Nr. 49 in Ulm in Anerkennung der von denselben in diesem Jahr erreichten Gesamtleistungen im Schießen das Königsabzeichen verliehen.
Stuttg art, 4. Sept. Ihre Maj. die Königin hat sich heirte nach Ratiboritz in Böhmen begeben.
Stuttgart, 5. Septbr. Zahlen reden häufig eine recht unangenehme Sprache, namentlich dann, wenn sie ein Defizit für die Steuerzahler oder den einzelnen Geschäftsmann in Aussicht stellen. In letzter Zeit ist eine solche widerwärtige Zahl durch die Presse gegangen, indem gemeldet wurde, daß die Mindereinnahmen der württt. Staatseilenbahnen im Personenverkehr für den Monat Juli mehr als 341000 Mk. gegenüber dem Juli 1906 betragen; während der Güterverkehr erheblich gebesserte Einnahmen gegen den gleichen Zeitraum des Vorjahres aufweist, zeigt der Personenverkehr, was die finanziellen Einnahmen betrifft, einen äußerst betrübenden Rückgang, und das kommt zugestandenermaßen davon her, daß man in Württemberg, gestützt auf die Prophezeihungen mancher Parlamentarier, eine vierte Wagenklasse einführte. Die Zahl der mit der Bahn beförderten Personen hat freilich gegenüber dem Juli 1906 erheblich zugenommen, aber die niedrige Taxe für die vierte Wagenklasse, wobei auch noch jede Verkehrssteuer in Wegfall kommt, hat den erwähnten gewaltigen Ausfall von Einnahmen hervorgerufen. Man darf sich wahrscheinlich auf ein Jahresdefizit von 3 Mill. allein aus dem Eisenbahnverkehr gefaßt machen. Dieses Defizit muß nun irgendwie gedeckt werden, und da andere Einnahmen nicht leicht zu erschließen sind, so dürste die Sache darauf hinauslaufen, daß eben die Steuerzahler ihre Steuerzettel entsprechend erhöht bekommen. Man erinnert sich, daß die Regierung bezw. die Eisenbahnverwaltung sehr ungern an diese Tarifreform herantrat. Schon in der nächsten im Januar.beginnenden Tagung des Landtags wird sich dieser mit der Frage beschäftigen müssen, ob nun wirklich der Zweipfennigtarif für Reisende 4. Klasse aufrecht erhalten werden kann oder nicht. Experimente in Eisenbahnsachen sind immer etwas mißliches, darum gehen auch die Preußen so ungern an soche heran. Die Abschaffung der Retourbillett hat sich auch nicht bewährt. Die allermeisten Leute wollen jetzt nichts mehr davon wissen, doppelte Billett schon bei der Abreise zu kaufen, und wenn sie zurückkehren, namentlich an verkehrsreichen Sonntagen, können die Schalterbeamten den Andrang selbst auf den kleinen Stationen nicht mehr bewältigen ; man will dem Vernehmen nach deswegen die Retourbillete wieder einführen.
Stuttgart, 4. Aug. Ein schreckliches Unglück hat sich heute früh auf der Gänsheide ereignet. Der Inhaber des Restaurants Bubenbad, Herr H. Roos, wollte die Dunggrube leeren. Die emporsttigenden giftigen Gase betäubten ihn, so daß er in die Jauchegrube stürzte. Der Schwager des Verunglückten wollte Hilfe leisten und wurde dabei gleichfalls ohnmächtig, so daß auch er in die Grube stürzte. Beide fanden den Tod. Branddirektor Jacobp stellte vergeblich Wiederbelebungsversuche bei beiden Verunglückten an.
Auf der internationalen Kunst- und großen Gartenbau-Ausstellung in Mannheim hat die Firma Karl Hausmann, Handelsgärtnerei in Stuttaart, 36 erste Preise bekommen, die Vereinigung selbständiger Gärtner Württembergs, e. V., für Gesamtleistung eine silbervergoldete Medaille und einen Ehrenpreis.
Cannstatt, 5. Sept. Cannstatter Volksfest. Nach dem nunmehr festgestellten Programm wird die Stadtgemeinde Stuttgart folgende Veranstaltungen treffen: Am Samstag den 28. Sept., nachmittags 3 Uhr, werden von Schülern verschiedener Lehranstalten Groß-Stuttgarts Freiübungen und Jugendspiele im sog. „Kreis" aufgeführt. Als Preise werden Bücher abgegeben, jeder mitwirkende Schüler erhält eine hübsche Denkmünze und ein Vesperbrot. Am Sonntag den 29. Sept., nachmittags 2lr Uhr, findet eine Prämiierung erstklassiger Arbeitspferde (Gebrauchspferde und Remontepferde) statt, der sich ein Pferde-Wett- rennen, bestehend in Galoppreiten, Trabreiten, Trabwagenfahren und Bauernrennen anschließt.
Tübingen, 5. Sept. Hier soll ein deutsches Institut für ärztliche Mission zur Einrichtung kommen. Ein Freund der Sache hat dazu 30000 Mk. zum Ankauf des Areals bestimmt. Mit dem Bau des Hauses soll erst begonnen werden, wenn 100 000 Mk. beisammen sind.
Balingen, 2. Sept. Eine aus allen württ. Landesteilen, aus Baden und Hohenzollern besuchte Versammlung von Bauwerkmeistern, Baugewerbetreibenden usw. hat die Gründung eines eigenen Zementwerks auf genossenschaftlicher Grundlage (G. m. b. H.) beschlossen. Zu Geschäftsführern wurden bestimmt Stadtschultheiß Hofmann- Balingen und in Vertretung des noch nicht bestellten technischen Direktors L. Kees-Ulm a. D., als Stellvertreter Gewerbebankkassier Rehfuß in Balingen. Der Aufsichtsrat besteht aus sieben Personen und ist so zusammengesetzt, daß sowohl die Interessen der Groß- und Kleinabnehmer, wie auch des beteiligten Privatkapitals vertreten sein werden. Der Gesellschaftsvertrag ist unter Annahme eines Stammkapitals von 700 000 Mk. abgeschlossen worden. Auf dieses Stammkapital wurden sofort 500000 Mark gezeichnet. Die restlichen 200 000 Mk. werden in einigen Wochen zusammengebracht sein, worauf sofort mit dem Bau der Fabrik begonnen wird. Der Zement wird zu den laufenden Tagespreisen abgegeben.
Ulm, 4. Sept. Die Rattenplage ist hier so groß geworden, daß man auf ernstliche Vernichtungsmaßnahmen sinnen mußte. Das städtische chemische Untersuchungsamt will nun eine Probe mit dem neuen Ratten-Vertilgungsmittel „Virus", eine besonders wirsame Art Typhusbazillen, die nur Mäusen und Ratten schaden, machen. Heute wurden mit diesem Mittel getränkte Brotstücke in allen Kanälen, in den Häusern und an den Kehrichtlagerplätzen ausgelegt.
Das Cannstatter Fest des Schwabenvereins in Chicago wurde am 18. August von mindestens 12 000 Festgästen besucht. Auf dem Festplatz herrschte ein ziemliches Gewühl. Für die Stammgäste gab die „Weinbar", in welcher sieben mächtige Fässer standen, den Rendezvousplatz ab.