ständiges Referat, in dem er die Bedürfnisfrage für den Bahnhofumbau als unbestreitbar bejahte und nachwies, daß auf einem anderen als dem von der Regierung vorgeschlagenen Weg eine Abhilfe nicht möglich fei. Er legte dann die gegen die Verlegung des Hauptbahnhofs nach Cannstatt sprechenden finanziellen und betriebstechnischen Nachteile dar und begründete schließlich die Bevorzugung des Schillerstraßenprojekts vor dem Schloßstraßenprojekt durch die Ersparnisse von 13 Millionen infolge Verkaufs des freiwerdenden Geländes um den Preis von 21 Millionen Mark, sowie durch die Erweiterungsmöglichkeit dieses Projekts und die leichtere und sichere Ausführung des Umbaus. Die gegen das Schillerstraßenprojekt geltend gemachten Mängel und Bedenken seien teils überhaupt nicht, teils nicht in dem behaupteten Umfang vorhanden und keinesfalls von einer für die allgemeinen Landesinteressen vorwiegenden Bedeutung. Auch gab er eine Verschiebung der Privatwerle in der Nähe des Bahnhofs zu, doch würden alte und bewährte Geschäfte keineswegs lahmgelegt werden. Mitberichterstatter Kraut trat ebenfalls für das Schillerstraßenprojekl ein, sah in der Hinausverlegung des Bahnhofes um etwa 330 Meter einen wenn auch nicht zu vermeidenden Nachteil, desgleichen in der Verlegung der Bahnpost- anlage. Ministerpräsident Dr. v. Weizsäcker dankte den Stuttgarter Beamten angesichts der großen Betriebsunsicherheit für die Aufrechterhaltung der Ordnung auf dem Bahnhof. Es sei höchste Zeit, daß man ans Werk gehe. Der Umbau des Stuttgarter Bahnhofes gehöre zu den schwierigsten technischen Aufgaben Deutschlands. Die Ingenieure verdienten daher auch die größte Anerkennung. Das Schillerstraßenprojekt sei von der Generaldirektion einstimmig bevorzugt worden. Sein Wunsch sei, daß der Umbau sich möglichst rasch vollziehe. Als entscheidend für die Wahl des Schillerstraßenprojekts bezeichnete der Minister die finanzielle Frage, ferner die Betriebssicherheit während des Umbaus. Die Bahnpostanlage hätte er auch lieber am Bahnhof gehabt, doch werde die Verbindung durch elektrischen Betrieb aufrecht erhalten werden. Das freiwerdende Areal sei eine Bereicherung ersten Ranges für Stuttgart und dessen Entwicklung. Der Minister legte dann dar, daß in den letzten 15 Jahren nur 38 llm Hauptbahnen, dagegen 579 km Nebenbahnen gebaut worden seien. Für Erweiterungen und neue Betriebsmittel seien in diesem Zeitraum 167 Millionen ausgegeben worden, wovon auf die Nebenbahnen 46 Mill. entfallen. Der Ueberschuß der Eisenbahnen sei von 1890 an von 13 Millionen auf 21,4 Mill., also um 65°/o, das Anlagekapital von 484 auf 697 Mill. — 35,7 0/o, die Rente von 2,76 auf 3,54 °/o gestiegen. Der Stuttgarter Bahnhof habe 13 Mill. gekostet; berechne man das Gelände mit 6 Mill. und ziehe man diese 19 Mill. von dem Verkaufspreis von 21 Mill. ab, so verbleibe ein Gewinn von 2 Millionen. Jedenfalls habe der Stuttgarter Bahnhof nicht übermäßig viel gekostet. Der Minister schloß: Wenn in unserem engeren und weiteren Vaterland eine weitere glückliche Entwicklung statt-
Trugglück.
Erzählung von Helene Voigt.
4) - (Nachdruck verboten.)
Ein schneller Gedanke an den fernen, ernsten, treuen Mann durchzuckte das erblassende Mädchen; nein, er war nicht treulos! Aber sie, die reizende Undine? Schon dies kokette Spiel war ein Treubruch. —
Und doch lächelte sie schon wieder den General an.
„Wie soll ich das entscheiden können, Herr General?"
„Sie wissen, daß ich morgen fort muß, Margot?"
„Ja!" nickte sie leise mit stockender Stimme.
„Und — tut es Ihnen ein wenig leid?"
„O ja — bitter leid!" Und wieder der bezaubernde Blick.
„Aber Margot, wissen Sie denn nicht, daß es ganz in Ihrer Macht steht, mich zu ihnen zurückzuführen — für immer und alle Zeiten, als Ihren gehorsamen Sklaven?"
Das Spiel war ernst geworden, sehr ernst, Margots Pulse flogen wie im Fieber, es brauste und klirrte in ihren Ohren und eine melancholische Stimme flüsterte aus weiter, weiter Ferne: „Undine, meine Undine —"
„Margot, es liegt bei Ihnen einen einsamen, alten Mann glücklich zu machen."
Zischend stieg eine goldene Rakete in die Luft, prassend zerstob sie hoch oben in der Luft in zahl-
vorzunehmenden Verbesserungen des Herzens unserer > Eisenbahnverwaltung nicht bloß notwendig, sondern auch finanziell nicht zu fürchten sind. Dem Lande möge eine solche Entwicklung beschieden sein! Abg. v. Gauß sah sich in der unangenehmen Lage, gleich in seiner Jungfernrede pro Domo sprechen zu müssen. Er vertrar den Standpunkt der Stuttgarter bürgerlichen Kollegien, die für das Schloßstraßenprojekt eingenommen sind, namentlich mit Rücksicht auf die Verschiebung der Privatwerte. Für die Ansiedlung von Geschäftshäusern sei genügend Platz vorhanden. Eine forcierte Entwicklung der Stadt bringe die Gefahr einer Krisis. Durch die infolge des Schillerstraßenprojekts notwendig werdenden hohen Dämme werde das Stadtbild nicht verschönert, die Benutzung der unteren Anlagen infolge von Rauch und Ruß und die Einführung der linksufrigen Neckarbahn in den Bahnhof Stuttgart unmöglich gemacht werden. Die 12 Mill. würden erspart auf Kosten Stuttgarts.
Stuttgart, 13. Juni. Heute geht in der 39. Sitzung der Zweiten Kammer die Beratung über den Bahnhofumbau in Stuttgart weiter. Zunächst spricht Dr. Nübling, dem Staatsrat v. Balz erwidert. Weiter ergreift das Wort Hildenbrand und Kübel.
Stuttgart, 12. Juni. Zu Ehren des Kammerpräsidenten v. Payer, der heute seinen 60. Geburtstag begeht, veranstaltete der Volksverein Groß- Stuttgart gestern abend iin Bürgermuseum ein Bankett, zu welchem die Fraktion der Volkspartei und Parteifreunde von hier und auswärts erschienen waren. Auch eine Abordnung des 6. Reichstagswahlkreises war anwesend. Der Vorsitzende des Volksvereins, Redakteur Schmidt, bewillkommnete die zahlreiche Versammlung. Mit unermüdlicher Ausdauer und Elastizität walte der Jubilar seines nicht immer geistig erfrischenden Amtes im Halbmondsaal. Die Festrede hielt Landtagsabgeordneter Liesching, der die Glückwünsche der Partei und der Landtagsfraktion zum Ausdruck brachte. Er wolle nicht viel reden, denn Reden, gute und schlechte, letztere aber in größerer Anzahl, habe der Jubilar in großer Menge über sich ergehen lassen müssen, namentlich in letzter Zeit. Es sei nur zu hoffen, daß der gesunde Volkssinn und das allgemeine Stimmrecht auch über diese Seuche Herr werde. Die herzlichen Gefühle und Wünsche für den Jubilar bedürfen innerhalb und außerhalb unseres Landes keiner glänzenden Worte. Liesching übergab sodann dem Jubilar einen prächtigen Tafelschmuck aus Meißener Porzellan. Der nächste Redner war Fabrikant Roth-Reutlingen, der den Glückwunsch des 6. Reichstagswahlkreises überbrachte und eine Mappe mit Bildern von Reutlingen, von dem Geburtshaus Payers in Tübingen, von Bebenhausen, Lichtenstein und Rottenburg übergab. Der Vorsitzende der Jungen Volkspartei, Kercher, überreichte eine Adresse. Kammerpräsident v. Payer dankte für die Anerkennung, die Freundschaft und das Vertrauen, das ihm entgegengebracht werde. Nächstens werde er die 900. Sitzung des Landtags leiten; multipliziere man diese Zahl mit 4, so könne man ersehen, was er geleistet und erduldet habe. Er betrachte es als ein großes Glück,
lose bunte Leuchtkugeln und jubelnder Beifall der Gesellschaft wurde laut. Noch immer schwieg das schöne Mädchen, ihr guter Genius sprach zum letzten Mal eindringlich in ihr Gewissen. „O Margot, wars ein Traum gewesen täuschte ich mich? Nun, so muß ich denn traurig und einsam weiter wandern — bis zum Grabe."
Sie atmete schwer. Hassos Bild verdunkelte sich mehr und mehr vor ihrer Seele — ein anderes stieg in blendenden Farben auf. Eine schöne Frau in Samt und Seide gekleidet, mit Brillanten geschmückt, die man mit „Frau Generalin" anredete! Da war alles andere vorüber! Eiseskälte durchrieselte das Mädchenherz. Mit dem süß verführerischen Lächeln, das ihn betört, reichte sie ihm die kleine Hand.
„Kommen Sie zurück. — Undine wird dem Mutigen hold sein — Auf Widersehen — recht bald!"
„Margot, wo bist Du?" rief Lillis Stimme näher kommend, „man geht zu Tisch; rasch, rasch!"
Die kleine, weiche Hand löste sich aus der des Generals, eine bebende Stimme drang wie ein Hauch zu ihm hin: „Auf Wiedersehen!" — dann stand der alte Herr allein mitten im Funkenregen des Feuerwerks, das Herz zum Zerspringen voll, eine Träne des Glücks im Auge. Ging doch noch ein spätes Abendrot an seinem Lebenshimmel auf?
-t-
„Armes, teures Kind!"
daß er den Tag habe erleben dürfen, an welchem die Forderungen einer gerechten Besteuerung, der Abschaffung der Lebenslänglichkeit der Ortsvorsteher und der Beseitigung der Privilegierten aus der II. Kammer verwirklicht worden. Abg. Betz toastete noch auf Frau Payer und der Abg. Nägele trug ein Gedicht auf die Familie Payer vor. Am Schluß der Feier toastete Redakteur Schmidt, nachdem er noch eine Reihe von Glückwünschen aus dem Lande und von auswärts zur Verlesung gebracht hatte, auf das Vaterland.
Die K. württ. Finanzverwaltung hat mit der Württ. Vereinsbank und deren Konsorten ein 4°/» württ. Staatsanlehen von 14000000 Mark abgeschlossen.
Stuttgart, 12. Juni. Professor Dr. K. F. Stein thal, bisher Vorstand der chirurgischen Abteilung der Diakonissen-Anstalt, ist von der Ortsarmenbehörde als Nachfolger Burckhardt's zum Direktor der chirurgischen Abteilung des Katharinenhospitals gewählt worden. Dr. Steinthal, der im 48. Lebensjahre steht, ist ein Schüler Dr. Czerny's und genießt als Chirurg und Arzt einen ausgezeichneten Ruf.
Tuttlingen, 11. Juni. Bei der gestern hier abgehaltenen Landesversammlung des Württemb. Krankenkassen-Verbandes waren vertreten 88 Kassen mit 140 Delegierten und ca. 80 weiteren Teilnehmern. Diese 88 Kassen repräsentierten 270 574 Kassenmitglieder. Anwesend waren ferner Ministerialrat Dr. Köhler vom Ministerum des Innern, Oberregierungsrat Biesenberger von der Versicherungsanstalt, Oberamtmann Gottert und Oberbürgermeister Keck von Tuttlingen; vom badischen Krankenkassenverband Direktor Sigmundt. Redakteur Bechtle-Eßlingen leitete die Versammlung. Ministerialrat Dr. Köhler sprach im Auftrag des Hrn. Staatsministers des Innern dem Verbände anläßlich seines 20jährigen Bestehens vollste Anerkennung für seine in dieser Zeit bewiesene segensreiche Tätigkeit aus.
Ludwigsburg, 12. Juni. Die Fachausstellung für Hotel- und Wirtschaftswesen wurde gestern abend nach zehntägiger Dauer geschlossen. Der Besuch war über die ganze Zeit ein überaus reger. Das Ergebnis ist auch finanziell befriedigend.
Reutlingen, 13. Juni. Gestern mittag gegen 3 Uhr ereignete sich durch das Reißen eines Gasbehälters eine schwere Kesselexplosion im Elektrizitätswerk. Ein zweiter Behälter wurde gleichfalls zerstört, wodurch die Gasexplosion einen großen Umfang annahm. Die Wirkung des Unglücks, bei dem Menschenleben nicht zu beklagen sind, machte sich namentlich auch durch das plötzliche Stillstehen vieler Kraftmaschinen in der ganzen Stadt bemerkbar, ebenso war die Stromzufuhr für Beleuchtungszwecke, besonders auf dem Bahnhof, nicht ganz intakt.
Vom Oberamt Leonberg, 12. Juni. Schwere Unwetter zogen gestern über das Quellgebiet von Strudel- und Kreuzbach, welche mehrfache Wolkenbrüche veranlaßten und ein Hochwasser zur Folge hatten wie es seit Menschengedenken noch
Das liebevolle Gesicht einer alten Dame bog sich über ein weinendes Mädchen, ihre milde Stimme, die kühlende Berührung ihrer Hand erweckten den ersten schwachen Schimmer von Trost.
Es war eine elegante Villa, die heute von vielen fremden, neugierigen Menschen betreten wurde; gleichgültige Personen, Polizisten mit kalter Amtsmiene, Gerichtsboten, Männer mit tieferschüttertem Gesichtsausdruck drängten sich über die teppichbelegten Treppen hinein in die reich und geschmackvoll eingerichteten Zimmer.
Es war nicht lange ein Geheimnis geblieben, daß der reiche Holzhändler Linstow Konkurs angemeldet hatte und heute früh —
Die Seele des reichen Hauses war Linstows einzige Tochter Olga; sogar in Geschäftssachen hatte der Vater sich oft Rat bei ihr geholt.
Olga Linstow, das schöne, blonde Mädchen mit dem tiefen, innigen Blick, der frischen, heiteren Natur, war der Stolz und das zärtlich gehütete Kleinod ihres Vaters; für sie lebte und arbeitete er, all sein Reichtum sollte ihr einst das Leben verschönern und ihr einen braven, treuen Mann verschaffen. Bis jetzt indes war ihr Herz noch nicht erwacht, sie meinte, es könne nirgends besser sein, als bei ihrem zärtlich geliebten Vater.
Freilich, in letzter Zeit hatte derselbe oft so kummervoll und gedrückt ausgesehen und Olga erriet, daß der Rückgang seines Geschäftes ihm Sorgen machte. Sie begann deshalb zu sparen, schaffte ihr Pferd ab und verzichtete auf die Loge im Theater.