Zweites

Blatt.

Der Enztälen

Zweites

Blatt.

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Neuenbürg, Samstag den 8. Zuni 1967.

65. Jahrgang.

RimSschau.

Die wirtschaftliche Lage im Lichte des Kohlen« und Eigenbedarfes.

Für die wirtschaftliche Konjunktur jedes modernen Kulturlandes gibt es immer einen Gradmesser, der sich aus den wachsenden und hochstehenden oder aus den sinkenden und niedrigstehenden Zahlen des Kohlen- und Eisenbedarfes, kurz aus der Lage des Kohlen- und Eisenmarktes ergibt, denn die Kohle mit ihrer unübertrefflichen Heizkraft für alle Dampf­maschinen und das Eisen samt seiner Verfeinerung, dem Stahl, sind in der Industrie und den Gewerben und heutzutage auch in der Landwirtschaft so allge­meine und so unentbehrliche Bedarfsartikel, daß man nach ihrem Verbrauche die wichtigsten Schlüsse auf die ganze wirtschaftliche Lage ziehen kann. Es muß nun aber gesagt werden, daß in Deutschland der Bedarf an Kohle und Eisen in einer Stärke anhält, daß man von einer rückläufigen Bewegung im wirt­schaftlichen Leben zurzeit nicht reden kann, sondern auf die Fortdauer der günstigsten Konjunktur in diesem Jahre rechnen darf. In welch gewaltiger Weise der Verbrauch an Kohlen und Eisen im Vergleich zur letzten Aufschwungsperiode gestiegen ist, das tritt recht deutlich zutage, wenn man die Produktionsziffern eines einzelnen Monats im laufen­den Jahre mit den entsprechenden Ziffern aus dem Jahre 1901 vergleicht; hier folgen zunächst die Ziffern aus dem Kohlenbergbau. Es wurden ge­wonnen in Tonnen im April:

1901 1907

Steinkohlen . 8455 737 11460 255

Braunkohlen . 3 366 205 4 896 398

Koks .... 785303 1177457

Preßkohlen . . 715 969 1306 976

Vor allem fällt die starke Zunahme bei Preß­kohlen auf, deren Absatzgebiet sich erheblich erweitert hat. Aber auch die Steigerung der Koksgewinnung war in der kurzen Periode sehr stark. Auch die Zunahme in der Gewinnung von Roheisen läßt noch mehr auf die gewaltige Kraft der wirtschaftlichen Entfaltung Deutschlands während der letzten Jahre schließen. Es betrug nämlich in Tonnen die Ge­winnung während des Monats April:

1901 1907

Thomasroheisen . . . 362 613 704244

Puddel- und Spiegeleisen 117 298 148 571

Gießereiroheisen . . . 129113 184605

Bessemerroheisen . . . 42 920 40 238

Die Produktion von Thomasroheisen hat sich fast verdoppelt, während die Zunahme bei Gießerei-,

Trugglück.

Erzählung von Helene Voigt.

1) - (Nachdruck verboten.)

Goldene Sonnenstrahlen brachen durchs Gebüsch und flimmerten auf dem kleinen Teich, an dessen Ufern ein junger Marineoffizier und ein schönes junges Mädchen bunte Lampions an roter Schnur anhängten. Ihr silberhelles Lachen, ihre glänzenden Augen und schwarzen Flechten schienen ersteren völlig erobert zu haben; er sah und hörte nur sie und richtete eine unverzeihliche Geschmacklosigkeit unter den Papierlampen an.

Aber Vetter, wo sind Deine Gedanken", rief die "junge Dame schmollend,ich werde bei der Tante über Dich klagen; hier hast du blaue und lila Lampion dicht neben einander aufgehangen."

Hm, das sieht gar nicht schlecht aus", lachte der Offizier lustig,aber wenn Du befiehlst, Cousin­chen, so hänge ich einen maigrünen dazwischen."

Margot hob entsetzt beide Hände in die Höhe. Das wäre vom Regen in die Traufe gekommen I Was seid Ihr Seebären denn für Menschen? Ich möchte Dir Unterricht in der Farbenlehre geben."

O ja, Margot, tue das", rief der Vetter eifrig, es kann mir von großem Nutzen sein", und er griff nach der kleinen weichen Hand, als wolle er sie nie wieder loslaffen. Sie befreite sich hastig von dieser Berührung, doch sie lächelte dabei vielsagend, immer fester zog sich das Netz um Leutnant Hasso

Puddel- und Spiegeleisen einen recht ansehnlichen Grad aufweist. Zurückgegangen ist allerdings die Gewinnung von Bessemerroheilen. Insgesamt betrug die Roheisengewinnung im April 1907 1077 703 t gegen 651944 t im April 1901. Das ist eine Steigerung in 6 Jahren um ca. 66 Prozent. Wenn gegenüber 1906 die Zunahme der Produktion im laufenden Jahre nicht der durchschnittlichen Pro­gression der Periode 1901/07 entspricht, sondern er­heblich hinter ihr zurückbleibt, so ist das unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen weit er­freulicher, als wenn die Produktionszunahme in zu starkem Grade erfolgte. Sie beträgt gegen 1906 nur zwischen 4 und 5 Prozent. Man ersieht daraus, daß das Tempo der Produktion zwar noch immer recht lebhaft ist, daß aber doch das planlose Vor­wärtsdringen verhindert wird. Man mag gegen die Syndikate und Verbände noch soviel einzuwenden haben, aber daß sie das stürmische Nebeneinander­produzieren bis zur Uebererzeugung dort, wo sie stark genug sind, zu verhindern gewußt haben, das ist ein Erfolg, den auch ein erbitterter Gegner der Kartelle ihnen wohl nicht mehr absprechen kann.

Ueber das große Ereignis, der millionste Besucher in der Mannheimer Jubiläums- Ausstellung, lesen wir noch in den Mann­heimer Blätter:Schon im Lauf des Samstag nachmittag und Sonntag vormittag waren die Kontrolleure an den verschiedenen Eingängen die reinsten Auskunfteien, da jeder zweite Besucher sich nach demMillionsten" undob er schon herein sei?" erkundigte. Seitens der Ausstellungsleitung waren die Herren Redakteur Schade und Revisor Wanner beauftragt, den Glücklichen festzustellen. Es sei bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen, daß im Publikum vielfach die Meinung verbreitet ist, eine genaue Fixierung der Besucherzahl sei bei dem Vorhandensein mehrerer Eingänge unmöglich. Diese Annahme ist irrig. Sämtliche Durchlässe sind mit Tourniquets versehen, diese wiederum stehen mit Zählapparaten in Verbindung, die jede Um­drehung der eisernen Sperrhaken fixieren. Die Eingänge sind überdies telephonisch mit einander verbunden. Am Sonntag nachmittag kurz vor halb 3 Uhr ließen die beiden oben genannten Herren die bisherige Besucherzahl feststellen; diese betrug 999850. Hierauf wurden durch telephon­ischen Auftrag alle Eingänge einschließlich des Haupteingangs geschlossen, nur der von letzteren rechts befindliche Seiteneingang blieb offen. An diesem staute sich naturgemäß die Menge, die zum

zusammen, ohne daß er auch nur das Geringste

ahnte.

Aus einem Seitenwege kam jetzt ein ältlicher Herr näher und betrachtete über die Brillengläser hinweg fast feindselig die jungen Leute.

Armer Hasso", murmelte er vor sich hin,wenn ich Dich doch warnen könnte vor dem schönen Un­hold, sie trieb vor Dir schon mit drei anderen das­selbe Spiel."

Nachdenklich betrachtete er den jungen Offizier, dessen elegante Erscheinung, liebenswürdiges Wesen und sympathische Stimme ihn überall zum gefeierten Damenliebling machten.

Nimm Dich in acht, Hasso", klang jetzt Mar­gots Stimme herüber,der Ballon wackelt und der Stern daneben wird gleich ins Wasser fallen."

Cousinchen, das kommt im Leben oft vor, daß uns die Sterne ins Wasser fallen", klang Hassos Antwort und der alte Mann nickte trübe bestätigend dazu:Ja, ja, mein armer Junge, es wird Dir auch so gehen. Dein Stern fällt aus schimmernder Höhe und verliert dabei seinen märchenhaften Glanz"

Er ging weiter, indes die jungen Leute lachend die übrigen Lampions weiter anhingen.

Es war ein wonniger Sommertag. Vom klaren, tiefblauen Himmel hernieder strahlte die Sonne über den Park und das dahinter liegende Landhaus. Amtsrat Vieregge bewohnte es mit seiner Nichte Margot und augenblicklich weilte die Schwester des alten Herrn, Frau Leutmann, nebst ihrem Sohne

größten Teil von dem bedeutsameü Moment wohl eine Ahnung hatte. Punkt halb 3 Uhr legte Revisor Wanner seine Hand auf den Arm eines den Eingang passierenden Herrn, ihn als dener­warteten Millionsten" beglückwünschend. Zugleich überreichte Redakteur Schade, ebenfalls mit Gratu­lation, dem Ueberraschten, Kaufmann Laux jun. von hier, eine goldene Kapseluhr im Werte von ca. 500 Mk. Vor Beginn des 4 Uhr-Konzerts gab Redakteur Schade vom Pavillon in den Sonder­gärten aus dem Publikum Kenntnis vom erfolgten millionsten Besuch, das Ereignis als einen günstigen Erfolg der Ausstellung bezeichnend. Ein Tusch der Leibgrenadierkapelle und ein dreifaches Hoch auf denMillionsten besiegelte das Ereignis. Als er sich von seiner Ueberraschung einigermaßen erholt hatte, mußte er den ihn umdrängenden Besuchern die Uhr zeigen, und diesen Moment nahm eine Losverkäuserin wahr und verkaufte ihm gleich sechs Lose auf einmal.

Schaffhausen (Rhein), 4. Juni. Zu Schiff von Lindau nach dem Meer. Bei der zu Ehren des Kongresses für Förderung der Flußschiffahrt in Bayern und auf dem Oberrhein im Hotel Schweizer Hof in Neuhausen veranstalteten Festtafel entbot Regierungsrat Keller den bayerischen Gästen den Gruß der Schaffhauser Bevölkerung. Prinz Ludwig gedachte in seinem Dank des ersten Erscheinens schweizerischer Vertreter bei der Beratung der bayer. Gesellschaft zur Förderung der Flußschiffahrt in Bayern und auf dem Oberrhein. Jetzt könne man das Meer erst von Rheinselden aus erreichen; hof­fentlich werde es aber der Zukunft beschieden sein, daß man auch von Lindau aus in das offene Meer hinausfahre. Er wisse, was die Schweiz aus eigener Tüchtigkeit schon geleistet habe, und wenn ihr auch nicht alles gelinge, so wollen die Bayern als Nachbarn getreulich helfen. Aber eins sei auch sicher, daß das schöne Projekt der direkten Verbind­ung mit dem Meere nicht zustande kommen könne, wenn die Schweiz nicht dabei sei.

Vom Rhein, 2. Juni. (Holzwochenbericht.) Am Markte in geschnittenen Kanthölzern war der Grundton im allgemeinen zuversichtlich. Das hatte seinen Grund in dem guten Beschäftigungsstand der Sägewerke. Die billigen Angebote der Schwarz­wälder Sägewerke wurden im allgemeinen seltener, was damit zusammenhängt, daß die Aufträge zahl­reicher einliefen. Mit Rücksicht auf den hohen Preis­stand des Rundholzes will man vorerst auch im Preise kein Entgegenkommen zeigen. Schwarzwälder Werke verlangen heute für den Festmeter mit üb-

zum Besuch in der Villa Vieregge; letzterer kam

zum Abschiednehmen, denn seine Ausreise nach Japan stand in wenig Tagen bevor.

Der Amtsrat, Hasso Leutmanns Mutter und Margots verstorbener Vater waren Geschwister und in treuer, herzlicher Liebe stets verbunden gewesen.

Endlich hingen die bunten Papierlampen, und die jungen Leute besahen sich höchst befriedigt ihr so mühsames Werk.

Komm, Hasso", rief Margot, sich auf eine nahe­stehende Bank niederlassend,wir wollen unser Werk bewundern, ehe die Gäste kommen. Vielleicht auch steigt die Undine selbst herauf, um die frevelnden Menschen zu sehen, welche eine so geräuschvolle Tätigkeit hier an den Grenzen ihres Reiches entfalten."

Undine sitzt schon neben mir", murmelte er halb­laut mit bebender Stimme, und bog sich vor, um ihr rosig glühendes Antlitz zu schauen. Sie schien nichts gehört zu haben und wandte sich dem Hause wieder zu.

Also zwei Jahre bleibst Du fort, Hasso", plauderte sie weiter,wie wird es Dir im Lande des Mikado gefallen?"

Ich werde hierher denken, Cousinchen, und Du ebenfalls?"

Gewiß, ich werde Dich nicht vergessen, Hasso."

Margot, ich danke Dir, so werde ich in der Ferne nicht einsam sein."

Aber Du mußt mir auch etwas mitbringen", bat sie schmollend wie ein Kind,etwas sehr Hüb­sches Vetter Hasso."