die wirkliche Ursache nicht kannten, ergingen sie sich während der Fahrt in allerlei anzüglichen Bemerkungen. Nach Passieren der Station Feuerbach wurden die Fahrkarten visitiert und sämtlichen Fahrgästen, die Karten 4. Klasse besaßen, diese vom Schaffner abgenommen behufs Anzeige in Stuttgart. Wie mehrfach, insbesondere auch von zwei Arbeitern aus Zuffenhausen bezeugt wurde, hatte Pfarrer Seeger von der Abfahrt an beständig nach dem Schaffner ausgeschaut, um demselben den Sachverhalt mitzuteilen, auch dem Schaffner als er nach der Abfahrt von Feuerbach erschien, seine beiden Karten sofort entgegengehalten. Der Schaffner und der Zugführer waren von den in Feuerbach aussteigenden Arbeitern aufmerksam gemacht worden durch die Worte: „Da drinnen sitzen Leute mit Karten 4. Klasse, wir, die Arbeiter werden sonst auch immer bestraft." Auf dem hiesigen Bahnhof hatte der Geistliche auf seine Erläuterungen des Sachverhalts nur die Fahrpreisdifferenz von 40 Pfg. nachzuzahlen. Die nach ihm gesondert vernommenen Frauen mit Fahrkarten 4. Klasse sollten je 6 Mk. Strafe bezahlen, worüber sie aufgebracht waren, auch schienen sie es ihrem Pfarrer übel zu nehmen, daß er nicht sofort für sie eintrat. Er tat dies aber nachträglich in persönlicher Audienz hier mit dem Erfolge, daß die Strafverfügungen aufgehoben wurden. Inzwischen waren aber aus der dadurch geschaffenen Mißstimmung heraus die unter Anklage gestellten Artikel in die Tagwacht gelangt. — Nachdem durch die Zeugenvernehmungen der Sachverhalt in dieser Weise zu Gunsten des Pfarrers Seeger aufgeklärt war. erklärte sich Redakteur Sauerbeck auch zu der weitergehenden Veröffentlichung im Zuffenhausener Blatte bereit. Der Angeklagte trägt sämtliche Kosten, einfchließlich der dem Beleidigten durch die Nebenklage erwachsenen Auslagen. — Die Erklärung stellt den Sachverhalt richtig und schließt: „Insbesondere bedauern wir den verletzenden Ton, in welchem die beiden Artikel gehalten sind, und nehmen die beleidigende Unterstellung, als ob Herr Pfarrer Seeger im Bewußtsein einer strafbaren Handlung gehandelt hätte, mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück." Auf Grund des Vergleichs wurde mit Zustimmung des Staatsanwalts der Strafantrag zurückgezogen und das Schöffengericht verkündete den Beschluß auf Einstellung des Verfahrens.
Backnang, 3. Juni. Am Samstag wurde hier ein zehnjähriger Knabe beerdigt, der sogenannte Storchenschnabel (Ziegenbart) gegessen hatte, der auf einer mit Kunstdünger gedüngten Wiese gewachsen war. Der Knabe bekam nach dem Genuß heftige' Leibschmerzen und starb bald darauf unter Vergiftungserscheinungen.
Rottweil, 3. Juni. Nach dem Vorgang anderer Städte soll auch hier der infolge des Automobilverkehrs lästig wirkenden Staubplage entgegengetreten werden. Zwei Hauptstraßen werden zu diesem Zweck mit „Westrumit", einer teerähnlichen Flüssigkeit, besprengt, deren Anwendung eine Staubentwicklung auf der Straße verhindert.
Vom Schwarzwald, 3. Juni. In Schwenningen wurde auf den 15. ds. Mts. die Aussperrung der Schreinerarbeiter angekündigt. Sollte bis dahin eine Einigung nicht erzielt werden, soll die Aussperrung lt. „Vill. Volksblatt" auf den ganzen Schwarzwald ausgedehnt werden.
Herrenberg, 2. Juni. Der 62 Jahre alte Friedrich Bahlinger genannt „Zieglers Frieder" wollte Latrine auf einen auf der Straße nach Oberjettingen befindlichen Acker führen, wobei ein Pferd durch das Heransausen eines Automobils scheu wurde und auf die Seite sprang. Der „Frieder" wollte das Pferd aufhalten, geriet aber unter den Wagen, wobei ihm die Räder über die Brust gingen und ihn derart verletzten, daß er schon abends um 10 Uhr im Bezirkskrankenhaus, wohin er verbracht wurde, verschied.
Stuttgart. sLandesproduktenbörse.j (Bericht vom 3. Juni.) Die Witterung war auch in dieser Berichtswoche dem Wachstum der Pflanzen sehr förderlich. Sonnenschein und Regen wechselten ineinander ab und kamen der Entwicklung der Saaten sehr zu statten, so daß der jetzige Stand derselben aus dem ganzen Land durchaus befriedigend gemeldet wird. Vom Ausland dagegen sind Nachrichten eingelaufen, die weder einheitlich sind, noch von hier aus nach- geprüst werden können und diese Umstände dürften auch unfern internen Verkehr bis zu unserer nächsten Ernte mehr oder weniger beeinflussen. Man kann sagen, daß die Preise auf der ganzen Linie ein wenig abgebröckelt sind, daß eine ruhigere Auffassung der Dinge Platz gegriffen hat und daß demgemäß die Gesamttendenz als eine ruhigere zu bezeichnen ist — Mehlpreise per 100 KZ inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 31 Mk. 50 Pfg. bis 32 Mt. — Psg., Nr. 1: 30 Mk. - Pfg. bis 30 Mk. 50 Pfg., Nr. 2 : 28 Mk. 50 Psg. bis 29 Mk. — Psg., Nr. 3: 27 Mk. — Psg. bis 27 Mk. 50 Pfg., Nr. 4: 25 Mk. — Pfg. bis 25 Mk. 50 Psg. Suppengries 31 Mk. 50 Psg. bis 32 Mk. — Psg. Kleie 10 Mk. — Pfg. (ohne Sack).
DermlschiLs.
Zun Zwei her, 2. Juni. Ein hiesiger junger Mann wollte mit einem Flobertgewehr Ratten schießen. Cr traf unglücklicherweise das 3jährige Söhnchen des Steinbrechers Möschle. Das Kind erlitt eine Schußwunde am Kopfe, die den Tod herbeiführte. Der Täter wurde festgenommen.
An Wurstgift erkrankten in Frontenhausen in Bayern 30 Personen. Auch im Rettungshaus Veilhof bei Nürnberg wurden 35 Zöglinge nach der Mahlzeit krank. Ein Knabe soll gestorben sein.
Belohnte Höflichkeit. Der „Voss. Ztg." wird folgendes erzählt: Vor mehreren Jahren stand in der Königstraße in Berlin eine alte Dame und schaute ängstlich auf den riesigen Wagenverkehr, durch den sie sich nicht hindurch wagte. Ein junger Mann bemerkte ihre Verlegenheit, bot ihr den Arm und geleitete sie sicher auf die andere Seite. Es fiel ihm damals kaum auf, daß die Dame neben überhöflichem Danke sich nach seiner Adresse erkundigte. Er hörte nie wieder etwas von ihr und vergaß bald den kleinen Vorgang. Wie erstaunte er nun, als er kürzlich in Erbschaftsangelegenheiten eine gerichtliche Vorladung erhielt. Die alte Dame war gestorben und hatte unter ausdrücklicher Berufung auf die höfliche Hilfeleistung des jungen Mannes diesem eine namhafte Summe vermacht.
König Eduard und der neue Spazierstock. Bei aller politischen Geschäftigkeit findet König Eduard doch noch Zeit, sich, alter Gewohnheit treu, als Modeschöpfer zu betätigen. Schon jetzt hat er der Mode der kommenden Saison den Weg gewiesen: Er führt den großen Spazierstock ein. Dieser neue Stock ist nicht so unförmlich, wie der der letzten Dandys, aber doch erheblich höher, als die Spazierstöcke die gegenwärtig getragen werden. „Während seines Aufenthalts in Biarritz", so plaudert ein Mitarbeiter der Wochenschrift „M. A. P.", hat der König diesen neuen Stock sorgsam erprobt, denn es ist bekanntlich keine leichte Kunst, einen Stock elegant zu tragen und auch hierin fällt kein Meister vom Himmel; mit dem neuen hohen Stab aber hat der König sich so trefflich abgefunden, daß er ihn im Sommer noch in die englische Gesellschaft einführen will. Freilich, ohne die Gabe eines würdigen Auftretens und ohne die unterstützende Eleganz eines feinfühligen Schneiders wird man mit dieser neuen Mode nie etwas Ersprießliches zu beginnen wissen. Die Hand wird durch den Stock bis zur Brusthöhe gehoben; Anmut und ruhige Grazie in der Armlage ist da unentbehrlich, und wer das nicht aufbringt, wird keine gute Figur machen." — Wer möchte bezweifeln, daß King Edward mit diesem neuen Spazierstock ein Bild der vollendeten Grazie bietet!
Herzvergrößerung durch Radfahren. Die Schädigung des Herzens durch übermäßiges Radfahren ist eine feststehende Tatsache, und wenn sich die klinischen Untersuchungen immer noch mit Vorliebe mit dieser Materie beschäftigen, so geschieht es bloß, um das Maß und den Umfang dieser Schädigung genauer festzustellen. In einem Aufsatz über Herzvergrößerung im Kindesalter betont Dr. Hochfinger in Wien, daß man schon bei Kindern von einem Sportherz sprechen könne. Er fand dies bei Kindern zwischen dem 10. und 14. Lebensjahr, welche andauernd dem Radfahrfport gehuldigt und insbesondere die Bergfahrten forciert halten. Wenn das Radfahren rechtzeitig eingestellt wird, dann kann sich bei diesen Kindern die Herzstörung wieder ausgleichen. Recht interessante Untersuchungen veröffentlicht Stabsarzt Dr. Schieffer, die er in der Gießener Klinik anstellte. Er untersuchte die Herzen einer großen Anzahl Soldaten, welche früher Radfahrer gewesen, und verglich sie mit den Soldaten, welche diesen Sport nicht getrieben, wobei für die Feststellung durchweg die Durchleuchtung mit dem Röntgenapparat benützt wurde. Cs waren durchweg gesunde Männer, bei denen aus anderen Ursachen entstandene Herzstörungen ausgeschlossen waren; die meisten der Untersuchten waren Rekruten im ersten Dienstjahr. Sämtliche Untersuchten wurden in 3 Klaffen eingeteilt; die erste Klaffe bildeten diejenigen, welche länger als 3 Jahre eifrig dem Sport gehuldigt hatten, die zweite Klaffe diejenigen, welche 1—3 Jahre gefahren, die dritte Klaffe diejenigen, welche einige Monate das Rad benützt hatten. Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchungen sind nun folgende: Die Herzen der Radfahrer waren immer im allgemeinen größer, wie die sonstigen Herzen. Die Soldaten, die nicht Rad fuhren, obwohl sie körperlich sehr angestrengt sind, wiesen keine Herzvergrößerung auf. Bei den Leuten, die nur 1—3 ! Monate gefahren, fehlt die Herzvergrößerung, bei
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denjenigen, die 1—3 Jahre gefahren, überschreitet das Herz den Durchschnitt bezüglich seiner Größe, dagegen weisen die Radfahrer, welche länger als 3 Jahre geradelt, durchweg eine Herzvergrößerung auf. Das Herz nimmt demnach genau im Verhältnis zur Dauer des Radfahrens an Größe zu. Diejenigen Rekruten, welche früher zwar anstrengende körperliche Arbeit geleistet, aber nicht Radfahrer gewesen waren, wiesen kleinere Herzen auf wie die Radfahrer, selbst wenn ihr Beruf ein körperlich wenig anstrengender war. Die Herzvergrößerung tritt bei den Radfahrern offenbar ganz allmählich ein.
Mittel gegen Meltau. Durch plötzliche Temperaturschwankungen entsteht leicht auf unseren Rosen, ja fogar auf den Beerenobststräuchern und Obstbüumen der Meltaupilz, ein ganz gefährlicher Wucherer, der Laub, Blüten und Früchte verdirbt. Ein wirkfames Mittel dagegen ist Schwefelblüte, es ist nur bei großen Bäumen recht kostspielig und. wenn nicht genügend aufgetragen, wirkt es nicht. Sehr billig und vorteilhaft für diesen Zweck hat sich Ofenruß bewiesen. Man muß ihn des Morgens, wenn der Tau noch auf den Blättern liegt und ein Heller, sonniger Tag in Aussicht steht, geschickt mit einer Wurfschaufel ausstreuen, die Wirkung macht sich sehr bald bemerkbar.
Wilhelm Busch als Liebeskünstler. Ueber die Kunst, zu lieben und zu heiraten, gibt der vor kurzem 75 Jahre alt gewordene geniale Humorist und lachende Philosoph Wilhelm Busch nachstehende Winke:
Ratsam ist und bleibt es immer Für ein junges Frauenzimmer,
Einen Mann sich zu erwählen Und womöglich zu vermählen.
Erstens will es so der Brauch,
Zweitens will man's selber auch.
Freilich auch, wenn man auch möchte,
Findet sich nicht gleich der Rechte!
Auch — die Liebe per Distanz,
Kurz gesagt, mißfällt mir ganz.
Liebe'ist der Inbegriff,
Auf das and're Pfeife ich.
Ost wohl kam's, daß du die schöne Zeit verglimmtest und vergrolltest,
Nur weil diese oder jene Nicht gewollt, so wie du wolltest.
Dennoch hast du dich vergebens Meistenteils Herumgetrieben,
Denn die Summe unsres Lebens Sind die Stunden, wo wir lieben.
Werde niemals Ehemann,
Denn als solcher, kann man sagen,
Muß man viel Verdruß ertragen,
Sie hat nichts und du desgleichen;
Dennoch wollt ihr, wie ich sehe,
Zu dem heil'gcn Bund der Ehe Euch bereits die Hände reichen.
Kinder, seid ihr denn bei Sinnen?
Ueberlegt euch das Kapitel:
Ohne die gehörigen Mittel Soll man keinen Krieg beginnen.
Sätze zum Schnellsprechen.
Schnelle Schüler schlittern gern.
Sieben Schneeschipper schippen Schnee.
Im Zwickauer Zwinger zanken sich zwanzig Zwerge in Zwangsjacken.
Der fixe Max exerzierte auf dem Exerzierplatz zu Tanten.
Ich weiß das, daß das „daß", das Bindewort, miß „ß" geschrieben wird.
Die große Gasglühlichtlampe glüht im Glassaal.
Der Bäcker Bäckl trügt auf seinem Buckel en Pickel und en Packl. Hintennach geht der Bummler Bäckl mit seinem Hund Backl. Aus einmal packt Bäckl fei Backl dem Bäcker Bäckl sei Packl und reißt's samt Pickel vom Buckel.
(Schön heraus.f „Der einzige Mann, den ich für meine Gesellschaft mit 100000 ^ versicherte, starb nach zwei Wochen." — Was haben Sie denn da gemacht?" — „Ich habe die Witwe geheiratet!"
Aufgabe.
Addiert man in einem bekannten Gedicht von Goethe zu der Anzahl der Verszeilen noch die Anzahl der Wörter und auch die der Silben, so erhält man als Summe die Zahl 182. Multipliziert man die Zahl der Verszeilen mit der der Wörter, so ist das Resultat gleich der 16fachen Zahl der Silben. Multipliziert man die Zahl der Verszeilen mit der der Silben, so ist das Resultat gleich der 25fachen Zahl der Wörter. Wieviel - Verszeilen, wieviel Wörter, wieviel Silben hat das betr. Gedicht?
Auflösung des Trennungs-Rätsels in Nr. 86. Einfall.