Zweites

Blatt.

Der Lnztäler

Zweites

Blatt.

88 .

Neuenbürg, Mittwoch den 5. Juni 1907.

65. Jahrgang.

RunSschau.

Moderne Sprachen im Offizierkorps. Um die Kentnisse der modernen Sprachen im Offi­zierkorps zu heben, ist für die Sommermonate die Kommandierung einer größeren Reihe von Kapitän­leutnants nach dem Auslande erfolgt, die bisher die Marineakademie besucht haben. In Frage kommen Frankreich, England, Rußland und die Schweiz.

Berlin, 3. Juni. Auf der Hauptversamm­lung des bayrischen Kanalvereins in Lin­dau empfahl, nach dem Lokalanzeiger, Prinz Lud­wig, nach dem Muster Schwedens den Bodensee durch Anschluß an die Rheinschiffahrt mit dem Meer in Verbindung zu bringen.

Der millionste Besucher fand sich auf der Mannheimer Ausstellung am Samstag nach­mittag um halb 3 Uhr ein. Es war der Kaufmann Karl Laux jun., dem eine goldene Herrenuhr über­reicht wurde.

München, 3. Juni. Der in der Nacht zum 31. Mai aus dem Zuchthaus Ebrach ausgebrochene Raubmörder Weißkopf von Ansbach ist gestern nacht wieder aufgegriffen und in das Zuchthaus zurückgebracht worden.

Bühl, 2. Juni. Die gestern hier abgehaltene Bürgermeisterwahl ist genau so ausgefallen, wie es vorausgesagt war: ergebnislos. Von 71 Wahlberechtigten stimmten 34 ab. Der vom Zen­trum vorgeschlagene Bürgermeister Hüfner aus Ettlingen erhielt 33 Stimmen und eine Stimme fiel auf Gemeinderat Knörr-Bühl. Der bisherige Bürger­meister und die 36 liberalen Bürgerausschußmit­glieder enthielten sich geschlossen der Abstimmung. Zur vorgeschriebenen absoluten Mehrheit wären 36 Stimmen erforderlich gewesen.

Trier, 1. Juni. Als Mitschuldiger an dem vor kurzem in Antwerpen verübten schweren Einbruchsdiebstahl, bei dem in einem Wechsel­geschäft ein Kassenschrank erbrochen und 160 000 Fr. geraubt wurden, ist in dem Luxemburger Jndustrie- ort Esch der Sohn eines Wirts Kißling verhaftet worden. Nach einer Haussuchung, bei der man 85000 Franken fand, wurden die Mutter des Be­schuldigten und eine Frau Hermann unter dem Ver­dacht der Hehlerei gleichfalls verhaftet.

Metz, 1. Juni. Während es immer noch nicht gelungen ist, desHüftenstechers" habhaft zu werden, hat sich, derMetzer Ztg." zufolge, neuerdings ein anderer Bursche den rohen Scherz erlaubt, mit einer auf der Straße gefundenen langen Hutnadel einem Dienstmädchen in die Hüfte zu stechen. Der Kerl ein Offiziersbursche wurde festgenommen; er hat seine Tat sofort eingestanden, die er aus reinem Uebermut begangen haben will.

Berlin, 4. Juni. In Weizen in Ungarn flüchtete ein Hutmacher, der im Streit seinen eigenen Sohn erschlagen hatte, in ein Haus und verteidigte sich den ganzen Tag lang durch Revolverschüsse gegen die Polizei, sowie die zur Hilfe herbeigeeilte Feuerwehr und Gendarmerie, die durch die Fenster schoß, ohne zu treffen. Erst als die Kugeln aus­gingen und die Zimmereinrichtung in Brand geraten war, ergab sich der Mörder freiwillig.

Aus der Schweiz, 3. Juni. Im Dorf Gun dis (Wallis) wurden 30 Gräber freigelegt, die aus dem 3. Jahrhundert n. Ehr. stammen. Man fand darinnen Skelette und Waffen.

Leutnant Krause ist von seinem Distanzritt Bukarest-Rom in Rom gesund eingetroffen und hat abends an der Festversammlung der römischen Ab­teilung des Deutschen Flottenvereins als Gast teil­genommen. Leutnant Krause hat seine Wette mit 8 Stunden Differenz verloren; allein das Unwetter, das ihn auf den Höhen des Ciminischen Waldes erreichte, zwang ihn abzusitzen und sein Pferd 10 Stunden lang am Zügel zu führen. Seine reiter­liche Leistung ist gleichwohl ausgezeichnet, denn er hat in 22 Reittagen 2300 km zurückgelegt, und sein Pferd ist frisch und munter, als hätte es den Stall eben verlassen. Leutnant Krause wird dem König

vorgestellt werden. Sein Fuchs Triumph ist beim 13. Artillerieregiment in Pflege und befindet sich in ausgezeichneter Verfassung. Der Weg, den Leutnant Krause zurücklegte, ging von Bukarest die Donau und Save entlang nach Semlin, Agram, Laibach, Nabresina, Cervignano, Mestre, Bologna, Florenz, Siena, Radicofani, Viterbo nach Rom. Einen Tag um den andern wurden 60 bezw. 120 km zurück­gelegt.

Aus New-Aork wird, wie schon kurz gemeldet, berichtet, daß in dem sogenannten Millionärsdistrikt von Long-Branch in New-Aersey die Sommerwohn­ung des reichen Zigarrenfabrikanten Walter Schiffer unter tragischen Umständen abbrannte. Beide Töchter des Millionärs im Alter von 14 und 10 Jahren kamen in dem Hause ums Leben, ebenso ihre Gouvernante und zwei Dienstmädchen. Herr und Frau Schiffer erlitten bei dem Versuch, die Kinder zu retten, furchtbare Brandwunden und liegen lebensgefährlich krank darnieder. Sie wissen bisher noch nicht, daß ihre Kinder tot sind. Der Brand brach in der Nacht im Keller aus; in dem großen, ganz aus Holz gebauten Haus griffen die Flammen reißend schnell um sich. Schiffer und seine Frau versuchten die brennende Treppe emporzueilen, um ihre Kinder zu retten, wurden aber vom Feuer zu­zurückgetrieben. Die beiden Mädchen fand man eng umschlungen in ihrem Schlafzimmer auf dem Boden liegend. Sie waren erstickt.

Württemberg.

Stuttgart, 1. Juni. Die 47. Wander­versammlung württ. Landwirte fand heute im reichgeschmückten Reutlingen statt. Unter den Er­schienenen wurden besonders bemerkt die Präsidenten Graf v. Rechberg-Rothenlöwen und v. Payer, Staatsrat Frhr. v. Ow, Ministerialdirektor v. Haag und verschiedene Mitglieder der Ersten und Zweiten Kammer der Landstände. Der Vorsitzende Frhr. Schenk v. Stauffenberg begrüßte in kurzen Worten die Versammlung und gab seiner besonderen Befriedigung über das Erscheinen von Vertretern der K. Staatsregierung Ausdruck. Oberregierungsrat Beißwänger-Stuttgart spräche über dieSchweine­seuche", ihre Erkennung und Bekämpfung" in einem rein wissenschaftlichen Vortrag. Oberamtmann BÜrner referierte darauf überWanderarbeitsstätten" und besprach in breiter Ausführung die Denkschrift der Regierung. Es sei wohl der Mühe wert, einen derartigen Versuch zu machen, wenngleich der Ein­richtung auch große Bedenken entgegenstehen. Die Hauptsache sei, daß bezüglich des Strafvollzugs Wandel geschaffen wird. Redner sprach sich für Sammelgefängnisse, Arbeitshäuser und planvolle Durchführung des Wanderstraßensystems, unablässige Pflege und Ueberwachung der Stationen aus. Zum Schluß empfahl Redner die Annahme einer Reso­lution, in der sich die Versammlung mit der Ein­führung der Wanderarbeitsstätten im Grundsatz ein­verstanden erklärt, aber die dringende Bitte an die K. Staatsregierung richtet, Maßregeln, besonders in strafrechtlicher Beziehung hinsichtlich des Strafvoll­zugs, zu treffen, die eine wirksame Durchführung dieser Neuerung gewährleisten. Landtagsabgeordneter Haug sprach sich dahin aus, daß es fraglos sei, daß in dieser wichtigen Frage etwas geschehen müsse. Es müsse aber streng unterschieden werden zwischen Arbeitswilligen und gewohnheitsmäßigen Stromern. Das Stromertum solle nicht unterstützt werden, man wolle denjenigen, die absichtlich betteln, auf den Leib rücken und sie zu einem geordneten Lebenswandel zurückführen. Die Einrichtung sei nicht als Staats­einrichtung, sondern als Einrichtung der Bezirksver­bände und Kommunen gedacht. Wirksam könnten die Wanderarbeitsstätten jedoch nur dann sein, wenn die Einrichtung auf die Nachbarländer und das Reich ausgedehnt würden. Er stimme der Resolu­tion zu. Nachdem sich Landtagsabgeordneter Andre, Stadtschultheiß Eber-Urach und Oekonomierat Klein gegen die Resolution ausgesprochen hatten, teilte Frhr. Schenk v. Stauffenberg, kurz bevor man ur Abstimmung schreiten wollte, mit, daß der Re- erent die Resolution zurückgezogen habe. Dann

sprachen noch Landesökonomierat Fecht-Stuttgart über die Aenderung des Farrenhaltungsgesetzes und Professor Dr. G melin-Stuttgart überErstrebtes und Erreichtes in der württembergischen Pferdezucht". Zum Ort der 48. Wanderversammlung 1909 wurde Ravensburg bestimmt. Zum Vorsitzenden der nächsten Tagung wurde Fürst von Waldburg- Wolfegg, zu dessen Stellvertreter Freiherr von Süßkind-Schwendi gewählt.

Stuttgart, 3. Juni. Im Konzertsaal der Liederhalle fand heute unter zahlreicher Beteiligung die XV. General-Versammlung des Württemb. Brauerbundes statt. Anwesend waren Präsident v. Payer, Vertreter der staatlichen und städtischen Behörden, der Handels- und Handwerkskammer. Oberamtmann Beutel wünschte den Verhandlungen namens des Ministeriums des Innern und der Zentralstelle für Gewerbe und Handel und zugleich auch namens der Eisenbahnverwaltung und der Steuerbehörden einen ersprießlichen Verlauf. Prof. Windisch-Hohenheim hielt darauf einen Vortrag über die Frage:Wie können sich die Klein- und Mittelbrauer konkurrenzfähig erhalten?" Er teilt nicht die Anschauung, daß die Kleinbrauerei sich neben den Großbrauereien nicht existenzfähig erhalten könne. Bei den Revisionen, die er in den ver­schiedensten Landesteilen vorgenommen, habe er sich von dem im großen und ganzen recht günstigen Stand des württemb. Brauereigewerbes überzeugen können. Der Kleinbetrieb müsse vor allem rationell arbeiten und sparen. Dies geschehe durch größt­mögliche Ausnützung des Rohmaterials, durch Sparen von Zeit und Arbeit. Der Redner gab zum Schluß noch eine Reihe praktischer Winke, die sich auf den ganzen Brauprozeß erstrecken. In einem Vortrag über die FrageNach welchen Normen werden die Brauereien eingeschätzt?" betonte Finanzassessor Müller-Stuttgart insbesondere den Wert einer richtigen Buchführung mit jährlichem Abschluß und jährlicher Inventur. Brauereibesitzer Bräuchle-Aalen sprach über die Einführung des Flaschenpfands, indem er auf den Unfug, der mit leeren Bierflaschen getrieben werde, hinwies. Einige Redner führten noch Beschwerde darüber, daß die Brauer vielfach zu den Handels- und Handwerks­kammer-Beiträgen herangezogen werden.

Stuttgart, 29. Mai. (Schöffengericht.) In derSchwäbischen Tagwacht" vom 20. und 22. Dez. v. I. erschienen unter der Aufschrift:Der Pfarrer in der Klemme" zwei eingesandte Artikel, durch welche sich Pfarrer Seeg er von Zuffenhausen (vor­her langjähriger Pfarrer in Birkenfeld) beleidigt fühlte. Die Folge war die Erhebung einer öffent­lichen Anklage wegen Beleidigung durch die Presse gegen den für den betreffenden Teil des Blattes verantwortlichen Redakteur Sauerbeck, welche heute vor dem Schöffengericht zur Verhandlung ge­langte. Pfarrer Seeger hatte sich der öffentlichen Klage als Nebenkläger angeschlossen. Schon auf Grund der im Vorverfahren erhobenen Ermittel­ungen hatte Redakteur Sauerbeck sich zur Veröffent­lichung einer Erklärung zu Gunsten des Beleidigten bereit erklärt. Da aber heute verlangt wurde, daß diese Erklärung nicht bloß in der Tagwacht, sondern auch in einem Zuffenhausener Blatte auf seine Kosten veröffentlicht werden solle, weigerte er sich zunächst, auf den vom Vorsitzenden angeregten Vergleich ein­zugehen. Es wurde deshalb die Beweisaufnahme vorgenommen. Der Angeklagte verweigerte die Nenn­ung des Einsenders. Wie Pfarrer Seeger, be­zeugte, fuhr er am 19. Dez. v. I. in Begleitung seiner Frau und seines Töchterchens nach Stuttgart. Für sich und seine Frau hatte er zwei Fahrkarten 3. Klasse am Bahnhofschalter in Zuffenhausen ver­langt, irrtümlicher Weise aber solche 4. Klaffe er­halten und, da er sehr kurzsichtig ist, die Verwechs­lung nicht sofort entdeckt. Er stieg mit den Seinigen zunächst in einen Wagen 4. Klasse ein, dann aber, da dieser überfüllt war, gleich einer ganzen Anzahl anderer Zuffenhausener Fahrgäste in den nächstfol­genden Wagen 3. Klasse über. Einigen der Mit- sahrenden war nicht entgangen, daß ihr Pfarrer nur mit Fahrkarten 4. Klasse versehen war, und da sie