seinen Beziehungen zum Weinbau vorausschickte. Das Ergebnis der Ernte 1906 sei das schlechteste seit Menschengedenken gewesen. Von der gesamten im Ertrag gestandenen Weinbaufläche mit 16 743 Im wurden im ganzen 34320 bl geerntet, das macht auf 1 Im 2,05 bl gegen 23,01 bl im Jahr 1905. Bei der im nächsten Jahr in Cannstatt stattfindenden Ausstellung der deutschen Landwirtschaftsgesellschaft wird sich der Verein, da die Weinbauschule den württ. Weinbau in Theorie und Praxis zur Darstellung bringen werde, auf eine Kollektivausstellng von Weinen aus den hervorragenderen Produktionsorten beschränken. Die Zahl der Mitglieder beträgt 1300 gegen 1068 bei der letzten Generalversammlung. Anschließend an den Rechenschaftsbericht sprach Landesökonomierat Schosser über die Bedeutung der Sortenwahl für den Weinbau. Redner wies auf die gefährliche Konkurrenz, die den württemb. Weinen durch die feineren Weine und die feineren Biere entstanden ist, sowie auf die geänderte Geschmacksrichtung und die vermehrten Ansprüche der Weinkonsumenten hier. Württemberg sei das sortenreichste Land, mancher Weinberg gleiche einer Farbenschachtel. Den besten Wein gebe es in den Weingegenden, wo man einen einheitlichen Satz in den Weinbergen habe, daher fort mit den vielen Sorten. Seine Ausführungen faßte Redner in folgende Punkte zusammen: 1) Mit Rücksicht auf die geänderte Geschmacksrichtung und die vermehrten Ansprüche der Weinkonsumenten muß auf eine bessere Sortenwahl größeres Gewicht gelegt werden. 2) Traubensorten, welche Massenerträgnisse und dabei geringwertigen Wein liefern, sind vom Weinbau auszuschließen. 3. Die Zahl der zum Anbau ausgewählten Traubensorten ist möglichst zu beschränken. 4) Die schlechten zum Weinbau nicht geeigneten Lagen sind vom Weinbau auszuschließen, dieselben schädigen den Weinbau und die guten Lagen. 5) Weine von guten Sorten und guten Weinberglagen sollten mehr Berücksichtigung und bessere Preise finden. 6) Zu frühe Weinlese hebt die Vorteile einer guten Sortenwahl wieder auf. Schultheiß Maulik machte sodann Mitteilungen über die Bekämpfung des Sauerwurms auf der Markung Mundelsheim. Innerhalb acht Tagen seien von 40—50 Schulknaben 22 465 Motten und Schmetterlinge gefangen worden. Nun folgten die Berichte der Vertrauensmänner über den Stand der Weinberge in den verschiedenen Weinbaugegenden des Landes. Nach denselben ist ein schwacher Mittelherbst zu erwarten. An die Verhandlungen schloß sich ein gemeinsames Mittagsmahl.
Stuttgart, 31. Mai. Es kommt vor, daß Bären und andere gefährliche Tiere aus ihrem Gefängnis entrinnen und durch ihre Anwesenheit Schrecken verbreiten, daß aber eine lebende, ca. 1 Meter große Schlange sich in einem Postwagen vorfindet, dürfte äußerst selten Vorkommen: dies war in den letzten Tagen, wie es heißt, in einem zwischen Frankfurt a. M. und Stuttgart verkehrenden, um Mitternacht hier ankommenden Postwagen der Fall. Man kann sich den Schnecken des Schaffners denken, als er des ca. 1 Meter langen, seiner Art und Gefährlichkeit nach unbekannten, offenbar einer Paketsendung entschlüpften Reptils ansichtig wurde. Bis jetzt konnte man des Reptils, das sich offenbar verkrochen hat, nicht habhaft werden.
Zuffenhausen, 31. Mai. Gestern nachmittag kam einer hiesigen Bauersehefrau, welche im sog. Wiesert hiesiger Markung mit Distelrupfen beschäftigt war, ihr Portemonnaie mit einem größeren Geldbetrag abhanden. Die Frau hatte das Oberkleid, in welchem sich der Geldbeutel befand, vor der Arbeit ausgezogen und in einer Ackerfurche niedergelegt. Als sie sich des Abends ankleidete, vermißte sie den Geldbeutel. Der Verdacht fiel auf drei in der Nähe mit Kartoffelfelgen beschäftigte Taglöhner, welche sofort nach ihrer Heimkehr von der Polizei deswegen vernommen und untersucht wurden, jedoch ohne Erfolg. Mittlerweile stellte sich heraus, daß die drei Taglöhner den Hund ihres Arbeitgebers bei sich gehabt hatten, und daß dieser nach den Angaben des Besitzers, welcher sich auf der Polizeiwache eingefunden hatte, schon öfters auf dem Felde liegende Kleidungsstücke durchsucht und die in den Taschen befindlichen Gegenstände fortgetragen habe. Heute früh wurde der fehlende Geldbeutel mit Inhalt, ca. 50 Meter von der Stelle entfernt, wo das betreffende Kleid gelegen ist, in einem Haberseld aufgefunden. Der Hund hatte, um zu dem Portemonnaie zu gelangen, die Tasche aufgerissen. Den Hund kann man wegen seiner Handlung nicht zur Verantwortung ziehen; jedenfalls wird sich aber sein Herr wegen einer Verfehlung gegen das Vogelschutzgesetz zu verantworten haben. Das Umherschweifenlassen von
Hunden und Katzen im Felde ist vom 1. März bis 15. September verboten.
Heilbronn, 1. Juni. Gestern mittag kurz vor 1 Uhr brach in einem der Gebäude der Cichorien-, Korn- und Malzkaffee-Fabriken von Emil Seelig A.-G., Heilbronn, ein bedeutendes Schadenfeuer aus, welches sehr schnell um sich griff und den größeren Teil des betreffenden Gebäudes vollständig einäscherte. Durch das tatkräftige Eingreifen der Heilbronner freiwilligen Feuerwehr blieb der Brand auf seinen Herd beschränkt, so daß die angrenzenden Haupt-Fabrik-Gebäude der Firma Emil Seelig A.-G. nicht ergriffen wurden. Der Betrieb wird daher ungestört aufrecht erhalten und sämtliche Arbeiter werden weiterhin voll beschäftigt. Der Schaden an Gebäuden, Maschinen und Vorräten wird sich schätzungsweise auf mehr als 100 000 ^ belaufen, der durch Versicherung gedeckt ist.
Horb, 31. Mai. Bei der Wegüberführung Horb-Lochstetten, unter der die Züge verkehren, stürzten heute mittag beim Anbringen von Rauchschutzvorrichtungen vier Arbeiter infolge Reißens einer Kette mit einem 22 Zentner schweren Eisenteil in die Tiefe. Der Arbeiter Schneiderhahn aus Nordstetten fiel sich den Schädel entzwei und war sofort tot. Zwei Arbeiier wurden schwer und einer leicht verletzt.
Dürrmenz-Mühlacker, 30. Mai. Heute fand nach 2 Monaten wieder der erste Monatsvieh markt statt, der mit nahezu 700 Stück Vieh aller Gattungen sehr gut befahren war. Der Handel war mittelmäßig, da die Preise, besonders auch für das stark vertretene Jungvieh, sehr hoch waren. Mit der Bahn wurden 11 Wagenladungen versandt.
Maulbronn, 29. Mai. Einen köstlichen Einblick in Sorgen und Wünsche, welche eine kleinere Gemeinde bei einer Ortsvorsteherwahl bewegen, gewährt der Wahlkampf, der sich zu der bevorstehenden Ortsvorsteherwahl in Lienzingen abspielt. Den Bewohnern dieser Gemeinde ist es sehr darum zu tun, daß die Wahl des Ortsoberhauptes nicht auf eine Persönlichkeit falle, durch welche die Möglichkeit einer „Vetterleswirtschaft" in der Gemeindeverwaltung gegeben wäre. Während der Wahlbewegung wurde nämlich das Gerücht verbreitet, einer der 4 Kandidaten, die sich um die Stelle beworben haben, werde sich demnächst mit einer Lienzinger Bürgerstochter verloben und nun befürchteten die Lienzinger, „daß dann nicht bloß ein Schultheiß, sondern gleich mehrere in der Gemeindeverwaltung das Wort führen werden". Als dem genannten Kandidaten dieses Gerücht auch zu Ohren kam, gab er schriftlich die Erklärung ab, er werde im Fall seiner Wahl nie eine Lienzinger Bürgerstochter heiraten. Die wegen der „Vetterleswirtschaft" besorgten Wähler dürften damit beruhigt sein, aber für Väter heiratsfähiger Töchter in Lienzingen ist diese mannhafte Erklärung des Kandidaten möglicherweise ein Grund, ihm nicht ihre Stimme zu geben. In denjenigen Wählerkreisen, für welche die Gefahr einer Vetterleswirtschaft das Entscheidende in der ganzen Angelegenheit ist, scheint man sehr skeptisch veranlagt zu sein, denn in der Versammlung, in welcher der Kandidat, der keine Lienzinger Bürgerstochter heiratet, sich seinen Wählern vorstellte, wurde er noch ausdrücklich interpelliert, ob er dieses sein schriftliches Versprechen auch tatsächlich halten werde, lieber diese Anzweiflung herrscht nun bei den Freunden dieser Kandidatur eine große Empörung. Hoffentlich nimmt die Sache für den Kandidaten ein gutes Ende und er wird dann die Lienzinger Bürgerstöchter, auch wenn sie sonst nicht „an den Mann gebracht werden können", ruhig ihrem Schicksal überlassen, damit die Gefahr der Vetterleswirtschaft niemals in der Gemeinde einkehrt.
Älus StaSl» Bezirk uns Umgebung-
? Kapfenhardt, 2. Juni. Das Fest der goldenen Hochzeit feierten heute Gottlieb Friedrich Dürr, Schindeldecker und seine Ehefrau Rosine Barbara geb. Springer. Das Jubelpaar, er 76, sie 70 Jahre alt, erfreut sich noch trefflicher Gesundheit. Ihre Einsegnung geschah in der Kirche zu Langenbrand, wo vor 50 Jahren auch ihr Ehebund geschlossen worden ist. Bei der Feier in Kapfenhardt überreichte der Ortsgeistliche ein königliches Gnadengeschenk zum Ehejubiläum, der Schultheiß eine Jubelgabe der Gemeinde. Die Beteiligung der Gemeinde an diesem Feste war eine sehr rege, und brachte am Abend der Gesangverein dem Jubelpaar noch ein Ständchen.
Pforzheim, 1. Juni. Der heutige Schweinemarkt war mit 197 Stück Milchschweinen befahren.
von denen 100 Stück, das Paar zu 25—35 c/E' verkauft wurden.
Vom Wetter. Von wissenschaftlicher Seite wird geschrieben: Das Sprunghafte, stark Gegensätzliche im Verlauf der diesjährigen Witterung, die nun schon so oft ohne jeden Uebergang von einem Extrem ins andere gefallen ist, beweist in bemerkenswertem Maße die Richtigkeit der Theorie vom Zusammenhang zwischen Witterung und Sonnenflecken, die ja in diesem Jahre wieder ihr Maximum erreicht haben. Was besonders auffällt, ist Heuer der Mangel an großen Depressionen atlantischen Ursprungs und gerade dieser muß der Witterung Europas einen kontinentalen Charakter geben, mit scharfer Ausprägung der einzelnen Wettertypen; intensive Hitze durch langdauernde Verlagerung hohen Druckes im Osten und Süden Europas; starke Abkühlung bei längerem Verbleiben des Maximums im Westen und Norden, wenn es hinter einer nach Osten abgezogenen Depression erst einmal dorthin gelangt ist, und durch das Ausbleiben neuer westlicher Minima aus seiner Lage nicht nach Südwest- oder Mitteleuropa verdrängt wird. Wenn sich nun ein bestimmter Wettertypus erst einmal sehr scharf ausgebildet hat, muß sein Uebergang in einen entgegengesetzten auch stets einen sprunghaften Charakter zeigen, wenigstens im Frühjahr, wenn die Temperaturgegensätze zwischen dem Südosten und dem Südwesten des Erdteils besonders stark sind. Der Gegensatz nimmt aber bis zum Herbst immer mehr ab, so daß im September nordwestliche Winde, wenn sie nicht gerade aus der arktischen Region selbst herstammen, nur noch wenig Kühle bringen. Unter Erwägung dieser Umstände kann man weiter auf einen Sommer mit ausgeprägten Perioden großer Hitze rechnen, der gewitterreich sein und zwischen den Hitzeperioden Zeiten mit recht kühlem Wetter bringen wird. Ein warmer und trockener Herbst und ein frühzeitiger Beginn winterlicher Kälte, etwa von der zweiten Novemberhälfte an, müßte folgen. Dieser Theorie liegt natürlich nur ein Wahrscheinlichkeitswert zu Grunde, und die vorstehenden Angaben sollen nicht etwa als Prognosen betrachtet werden, die die meteorologische Wissenschaft auf so lange Zeit natürlich noch nicht aufstellen kann. Der Verlauf der europäischen Witterung seit sechs Monaten und ganz besondexs das Wetter im Mai beweisen aber für die prinzipielle Richtigkeit der Theorie vom Einfluß der gesteigerten Sonnentätigkeit auf das Wetter zehnmal mehr als alle die fehlschlagenden Jahresprognosen nach der Theorie des seligen Falb.
Vermischtes.
Juni.
Der Juni, der im altdeutschen Kalender den Namen Brachmonat führt, hat am Samstag begonnen und schließt die erste Hälfte des Jahres ab. Es ist der duft- und blütenreichste Monat des Jahres. Die weiße Lilie, das Sinnbild der Unschuld, die anmutige Rose, der Blumen Königin, und viele andere schönen Kinder aus der Flora lieblichem Reiche öffnen ihre Kelche dem Blicke der Sonne. Der Juni bildet diejenige Zeit des Jahres, die man beim Manne die schönsten Lebensjahre zu nennen pflegt. Aber wie der Mensch in dieser Lebenszeit verpflichtet ist, das Leben recht aus dem Vollem durchzuleben und zu genießen, recht zu schaffen und zu wirken, daß er am Abend seines Lebens Kraft und materielle Güter genug besitze, um sorgenlos leben zu können, so muß man auch diese Jahreshöhe ganz ausnützen und nicht achtlos vorübergehen lassen. Das muß auch vor allem denen gesagt sein, denen der herrliche Rosenmonat Erfrischung und Erneuerung der Lebenskräfte bringen soll. Der Juni ist derjenige Monat, der, wenn er sonnig und trocken ist, den angenehmsten Aufenthalt im Freien bieten kann. In ihm sind die kalten Nächte, die oft der Mai noch bringt, geschwunden, und die allzu glutvolle Hitze die erst der Juli zu bringen pflegt, kündigt sich schon leise an. Er ist daher auch der eigentliche Sommerfrischenmonat, der Monat, in dem der jugendfröhliche Frühling mit dem tatkräftigen männlichen Sommer um die Herrschaft kämpft. Auch der Landmann wünscht sich den Juni sonnig und trocken. Eine alte Bauernregel sagt:
Juni trocken mehr als naß Füllt mit gutem Wein das Faß.
Aber
Wenn kalt und naß der Juni war,
Verdirbt er meist das ganze Jahr.
Daß diese trockene und sonnige Eigenschaft dem diesjährigen Juni beschieden sein möge, wollen wir wünschen und hoffen.