Erscheint

Montag, Mittwoch, Freitag und Samstag.

^reis vierteljährl.: tn Neuenbürg ^.20. Vurch d' Post bezogen: im Grts- und Nachbar, orts - Verkehr 1.15; im sonstigen inländ. Verkehr 1.25; hiezu je 20 «i Bestellgeld.

Abonnements nehmen alle Postanstalten und Postboten jederzeit entgegen.

Der Lnztälsr.

Anzeiger für das Enztal und Umgebung.

Amtsblatt kür Sen Vberamtsbezlrk Neuenbürg.

Anzeigenpreis:

die 5 gespaltene Zeile oder deren Raum 10 ^; bei Auskunfterteilung durch die Lxped. 12 Reklamen die Sgesp. Zeile 25

Bei öfterer Insertion entsprich. Rabatt.

Fernsprecher Nr. 4.

Telegramm-Adreste: Enztäler, Neuenbürg".

^ 87.

Reuenbürg, Montag den 3. Juni 1907.

65. Jahrgang.

NunSschau.

Die bayerischen Landtagswahlen haben keine Ueberraschung gebracht. Das neue Parlament wird ungefähr dasselbe Bild darbieten wie das alte. Das Zentrum hat die Majorität behalten, wenn es auch drei Mandate verloren hat. Die Liberalen haben zwei, die Sozialdemokraten acht Sitze zu den alten gewonnen. Im bisherigen Landtage, der 159 Mandate hatte, besaß das Zentrum 102, die Liberalen 23, die Sozial­demokraten 12, die Freie Vereinigung (16 Bund der Landwirte u. Bauernbund und 4 Konservative) 20 Sitze; zwei Mandate (in der Pfalz) waren un­besetzt, da dort eine Wahl nicht zustande gekommen war. Der neue Landtag hat 163 Sitze, die in folgender Weise verteilt sein werden: Zentrum 99, Liberale 25, Freie Vereinigung 19, Sozialdemokraten 20. Die Wahl des Pfarrers Graudinger in Nordhalben-Naila, die mit nahezu 2000 Stimmen Mehrheit erfolgte, erregte dort großen Jubel. Es wurde ihm ein Fackelzug mit Musik gebracht. In der Pfalz wurden insgesamt gewählt 13 Liberale, 5 Zentrumsmitglieder, 4 Sozialdemokraten.

Berlin, 1. Juni. Den Bäckermeistern, welche die Forderungen des Gesellenverbandes an­erkannten, soll demnächst die Mehl- und Hefe­lieferung gesperrt werden. Eine Versammlung der Hefelieferanten faßte bereits einen dahingehenden Beschluß.

Berlin, 1. Juni. DemBerl. Tageblatt" zufolge verließ die Witwe Mayer, Besitzerin eines Restaurants, ihre Wohnung und ließ ihre zwei Kinder unter der Aufsicht eines Dienstmädchens zurück. Bei der Rückkehr mußte die Tür gewaltsam geöffnet werden. Man fand beide Kinder völlig entkleidet auf einer Matratze liegen. Das 9 Monate alte Mädchen röchelte und war nach Aussage eines Arztes durch Salzsäure vergiftet. Das drei­jährige Kind hatte die Annahme des Gifttrunkes verweigert. Das Dienstmädchen hatte sich unter Mitnahme von Kleidungsstücken und 160 Mk. ent­fernt. Es muß Helfershelfer gehabt haben.

Beuthen, 31. Mai. In dem Mordprozeß Liberka wurde heute der Roßschlächter Liberka wegen zweifachen Mords zweimal zum Tod und wegen Beihilfe zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt. Sem Knecht Kioltyka wurde wegen zweifachen Mords zum Tod und die Frau des Liberka wegen Unterlassung der Anzeige eines beabsichtigten Mords in zwei Fällen zu je 3 Jahren, zusammen zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt. Außerdem wird sich die Liberka vor dem nächsten Schwurgericht am 17. Juni wegen Meineids in zwei Fällen zu verant­worten haben. Liberka hat die Mordtaten, es handelt sich im ganzen um drei Fälle, aus Rach­sucht begangen, in einem Fall auch aus Furcht, wegen Meineids angeklagt zu werden. Kioltyka war dabei sein Helfershelfer. Die beiden haben ihre Opfer in der grausigsten Weise hingemordet und in einem der Fälle die Leiche zerstückelt und in einem Sack auf den von vielen Juden besuchten Heumarkt in Beuthen niedergelegt, wodurch das Gerücht von einem Ritualmord entstand. Eine zeitlang bestand auch der Verdacht, Liberka sei der Mörder des Gymnasiasten Winter in Könitz. Doch hat sich diese Vermutung bald als hinfällig erwiesen. Die Verhandlung, welche einige Tage dauerte, ent­rollte ein entsetzliches Bild menschlicher Entartung.

In der Freitag-Nachmittagsziehung der preuß. Klassenlotterie fiel der Hauptgewinn von 500000 Mk. auf die Nr. 200355.

Goldberg (Schlesien), 1. Juni. Bei einem Brande, der nachts die Besitzung des Maurers Herrsche! in Prausnitz einäscherte, kamen der Be­sitzer, sowie dessen Sohn und Tochter ums Leben.

Bühl (Schwarzwald), 31. Mai. Als vorgestern abend der Mann, welcher am Fronleichnamstag die

Böller zu bedienen hatte, diese lud, entstand plötzlich eine Explosion, durch welche ein in der Nähe stehender, sieben Jahre alter Knabe so schwer ver­letzt wurde, daß er bald darauf starb. Der Mann selbst erlitt keinen Unfall.

Der alte Revolutionskämpfer Karl Blind ist, wie aus London gemeldet wird, am Freitag in seinem Hause zu Hampstead im 81. Lebensjahr in­folge eines Herzschlags gestorben. Wegen seiner Teilnahme an den Struveschen Freischarenzügen zu 7 Jahren Zuchthaus verurteilt, wurde er aus dem Kerker befreit und floh nach Paris, von dort nach Brüssel und 1852 nach London, wo er seither als Schrifsteller lebte.

In Rußland dauern die Eisenbahnüber­fälle fort. So wurde wenige Kilometer von Riga entfernt von Revolutionären ein frecher Ueberfall auf einen Eisenbahnzug verübt. Dieser Ueberfall war, wie ein Bericht sich ausdrückt:Erfolgreich und straflos, wie üblich." Ein eingeschworener Bote hatte 40 000 Rubel für die Löhnung von Eisenbahnbeamten zu überbringen. Er hatte eben in seinem Abteil Platz genommen, als verschiedene Männer erschienen, ihm Revolver vor den Kopf hielten und das Geld verlangten. Der Bote schrie um Hilfe. Die Schaffner drangen in den Abteil ein und die Revolutionäre schossen. Ein Schaffner wurde getötet, ein Heizer schwer verwundet. Auch der Bote erhielt eine schwere Verwundung. Die Räuber ergriffen darauf das Geld, sprangen vom Zuge und verschwanden im Walde. Alle Nach­forschungen blieben vergeblich. Kurz vorher waren, wie gemeldet, einem anderen Kassenboten in Riga 2000 Rubel äbgenommen worden.

Mit der Roheit ganz zielbewußterGe­nossinnen" hatte sich kürzlich eine Gerichtsverhand­lung in Rostock zu beschäftigen, in der mehrere sozialdemokratische Arbeiterfrauen, die bei der Be­erdigung eines dem Verein reichstreuer Arbeiter angehörenden Arbeiters wüste Radau- und Be­schimpfungsszenen verübten und die Leidtragenden tätlich insultierten und beleidigten, zu einer Ge­fängnisstrafe von 6 Wochen bis zu 4 Tagen ver­urteilt wurden. Da werden Weiber zu Hyänen!

New-Uork, 1. Juni. In der Nacht zum Freitag brannte die Villa des reichen Zigarren­fabrikanten Walter Schiffer in Longbranch ab; zwei Töchter Schiffers, zwei Dienstboten und die Erzieherin verbrannten; Herr und Frau Schiffer erlitten bei dem Versuch, ihre Kinder zu retten, schwere Brandwunden.

Houston (Texas), 30. Mai. Mit Wolken­brüchen verbundene Stürme haben das Land meilen­weit unter Wasser gesetzt. Der Eisenbahnverkehr stockt, Häuser sind zerstört und fortgeschwemmt.

WürllLNwLfg.

Stuttgart, 31. Mai. Die Zweite Kammer hat heute nachmittag die Beratung über den Etat der Zentralstelle für Gewerbe und Handel fortgesetzt und zwar bei Titel 1, dem dank der Flut von Anträgen bereits 3 Sitzungen gewidmet worden sind. Minister v. Pischek erklärte sich gegen jede Aenderung der Organisation der Zentralstelle, die doch geändert werden müsse, wenn, wie er hoffe, die Arbeitskammern bald kommen, und sprach sich auch sehr entschieden gegen eine von Häfner (D. P.) vor­geschlagene progressive Umsatzsteuer für alle Groß­betriebe aus, da diese durch die progressive Ein­kommensteuer genug belastet seien und bei weiterer Besteuerung unsere Großbetriebe aus dem Lande getrieben würden. Schließlich betonte der Minister auch noch seine ablehnende Haltung gegenüber dem Antrag des Zentrums auf Schaffung eines selbst­ständigen Kollegiums für die Gewerbeinspektion.

Stuttgart, 1. Juni. Die Zweite Kammer hat heute die Beratung über den Titel 1 des Etats der Zentralstelle für Gewerbe und Handel

nach fünftägiger Beratung endlich zum Schluß ge­bracht dank der Annahme eines Antrags auf Schluß der Debatte. Es sprach nur noch Dr. Nübling (B.K.), der anerkannte, daß es nicht angängig sei, den Beamten die Teilnahme an den Konsumvereinen zu verbieten, im übrigen aber dem Antrag Hiller zustimmte und sich nicht bloß gegen die Konsum­vereine, sondern gegen alle Großbetriebe wandte, die einer größeren Umsatzsteuer unterworfen werden sollten. Sieben Redner waren noch zum Wort ge­meldet. In der Abstimmung wurde der Antrag Keil betr. Vermehrung der Zahl der Beiräte der Zentralstelle mit 57 gegen 14 Stimmen abgelehnt, der diesbezügliche Antrag Hieber-Mayer angenommen. Die Anträge betr. das Submissionsverfahren wurden in die volkswirtschaftliche Kommission, ein Antrag Gröber betr. eine Statistik über das Wan­dergewerbe und Detailreisen in die Kommission für Gegenstände der inneren Verwaltung verwiegen. Der Antrag Hiller, soweit er eine Einschränkung und stärkere Besteuerung des Hausierens und Detail- reisens fordert, wurde in namentlicher Abstimmung mit 36 gegen 36 Stimmen bei 1 Enthaltung abge­lehnt, da die Enthaltung (Keßler) den Nein zugezählt werden muß. Betr. Warenhaus und Konsum­vereine gelangte der Antrag Häffner (D. P.) auf Erhebungen über die Besteuerung derselben zur An­nahme. Der Antrag des Zentrums betr. Konzessions­pflicht für den Flaschenbierhandel wurde mit 39 gegen 38 Stimmen an die Kommission für Gegen­stände der inneren Verwaltung verwiesen. Der Antrag des Zentrums betr. Schaffung eines selbst­ständigen Kollegiums für die Gewerbeinspektion unter dem Ministerium des Innern fand nicht die Zustimmung des Hauses, ebenso nicht der Antrag Fischer (Soz.) betr. Ausdehnung der Sonntags­ruhe. Zu Tit. 6 fand ein Antrag des Zentrums auf Erwägungen über die Herausgabe eines Arbeits­blatts für Württemberg die Zustimmung des Hauses und des Ministers, der aber ein Bedürfnis angesichts der Hochflut sozialpolitischer Schriften nicht anerkannte. Weiterhin wurde gewünscht die Errichtung einer Fachschule für feinere Trikotindustrie, sowie für Wagenführer und die Gründung einer Bauschule für den Schwarzwald. Ein Antrag der Kommission, die Geneigtheit auszusprechen, die Mittel für die Ausstellung eines zweiten gewerblichen Wanoer­lehrers zu verwilligen, gelangte zur Annahme.

Die Schulden der Stadt Stuttgart be­liefen sich am 1. April ds. Js. auf 57 845853 deren Verzinsung eine Summe von 2 741100 erfordert. Dieser Summe stehen Einnahmen aus dem Gaswerk, dem Wasserwerk und dem Elektrizi­tätswerk usw. im Betrage von 1096 300 ^ gegen­über, so daß noch ein Zuschuß von 1644800 erforderlich ist. Für Tilgung der städtischen Schuld sind für 1907 678 600 ^ vorgesehen.

Stuttgart, 3. Juni. Fahrpreisermäßigung für landwirtschaftliche Arbeiter betr. Personen, die nach vorübergehender Beschäftigung in landwirtschaft­lichen Betrieben an ihren früheren Aufenthaltsort zurückkehren, werden auf der Rückreise gegen Vor­lage eines Ausweises, der nach vorgeschriebenem Muster von der Ortsbehörde für die Arbeiter-Ver­sicherung oder vom Schultheißenamt des Arbeitsorts auszustellen ist, in der vierten Wagenklasse zum halben Preise (neuer Personentarif) befördert.

Stuttgart, 2..Juni. Der Württ. Wein­bauverein hielt heute im Stadtgarten seine 72. Generalversammlung. Als Vertreter der Zentral­stelle war Landesökonomierat Gauger erschienen. Die zahlreich besuchte Versammlung wurde mit einer Begrüßungsansprache des Vorsitzenden, Stadtpfleger Warth, eröffnet, worin er betonte, daß die Bestreb­ungen des Vereins in den Kreisen der Weingärtner immer mehr Anklang finden. Der Vorsitzende er­stattete sodann den Rechenschaftsbericht, dem er, wie üblich, eine Uebersicht über das verflossene Jahr in