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Der Lnztäler.

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Telegramm-A-reste: Enztäler, Neuenbürg".

^ 49.

Neuenbürg, Montag den 25. März 1907.

65. Jahrgang.

«uns--hau. .

Der Reichskanzler Fürst Bülow benutzt die > parlamentarischen Osterferien dazu, um sich in ! Rapallo an der Riviera von diesen politischen Sorgen zu erholen, und er kann seinen Urlaub um so ruhigeren Herzens genießen, da unterdessen aus Südwestafrika außerordentlich günstige Nachrichten eingetroffen sind. Mit der Unterwerfung des Hottentottenkapitäns Simon Copper ist nunmehr der letzte Widerstand der Eingeborenen gebrochen, so daß die Schutztruppe im Laufe der nächsten Monate auf 4000 Mann verringert werden und jetzt in der schwerheimgesuchten Kolonie die Arbeit des Friedens, der Wiederaufbau beginnen kann.

München, 22. März. Der Kaiser hat dem 6. bayerischen Infanterie-Regiment, dessen Chef er ist, ein Gemälde als Geschenk zugedacht, welches das Regiment in der Schlacht von Sedan zeigt. Mit der Ausführung des Gemäldes ist Professor Röchling betraut.

München, 20. März. Wie eifrig die Sozial­demokraten schon jetzt in die Agitation für die nächsten Landtagswahlen eintreten, geht daraus hervor, daß die hiesige sozialdemokratische Partei gestern in allen Wohnungen gedruckte Zettel verteilen ließ, in denen die männlichen Angehörigen eines jeden Haushalts ersucht werden, mit Rücksicht auf die kommenden Wahlen ihre Personalien und Steuer­verpflichtungsverhältnisse anzugeben und über die sonstigen Vorbedingungen für das Wahlrecht Aus­kunft zu geben.

Die schwere Artillerie des Feldheeres auf der deutschen Armee-, Marine- und Kolonial-Ausstellung. Die Erfahrungen der neueren Zeit, besonders auch des letzten großen Krieges zwischen Rußland und Japan, haben gelehrt, daß die Hauptkampfesweise heute vornehmlich in einem Vorgehen gegen befestigte Stellungen oder Belagerung derselben besteht. Um hiefür auch bei uns gerüstet zu sein, griff daher die deutsche Armee auf ein schwereres fahrbares Kaliber als das der Feldartillerie, nämlich die Feldhaubitze, zurück und bespannte diese. Es wurden zunächst Pferde der Feldartillerie und des Train, dann von Unternehmern gemietete Pferde verwendet. Da dies jedoch nicht

i genügte, wurden eigene Bespannungen eingerichtet, ! ! die heute, von den verschiedenen Regimentern der > Fußartillerie zusammengestellt, ein Bataillon ergeben. ! ! Ein solches Sechsgespann mit Geschütz wird auf An- j ordnung der Generalinspektion der Fußartillerie das j Garde-Fußartillerie-Regiment auf der Deut­schen Armee-, Marine- und Kolonial-Ausstellung zu Berlin vorführen. Abgesehen davon, daß dieses Ausstellungsobjekt wegen der verhältnismäßig neuen Einrichtung von allgemeinem Interesse ist, hat es ein besonderes Interesse für Pferdezüchter, die hier Ge­legenheit haben werden, das benötigte Pserdematerial, Pferde holsteinischen Schlags, kennen zu lernen.

Washington, 23. März. Das Handels­abkommen mit Deutschland scheint gesichert zu sein. Die Wünsche Deutschlands sind angenommen, mit Ausnahme eines Punktes, der eine günstigere Gesetzesauslegung betrifft und der Entscheidung des Justizministers unterbreitet wird. Den Abschluß er­wartet man noch ehe der deutsche Botschafter am 9. April nach Deutschland reist.

Die russische Reichsduma ist von der russ. Regierung mit einer wahren Hochflut von Vor­lagen überschüttet worden, die der Ministerpräsident Stolypin in seiner Programmerklärung allerdings schon angekündigt hatte. Im ganzen handelt es sich um 54 zum Teil sehr wichtige Gesetzentwürfe, welche der Duma zugegangen sind; daß dieselben sämtlich zur parlamentarischen Erledigung gelangen sollten, ist wohl ausgeschlossen, auch wenn der jetzigen Reichs­duma kein vorzeitiges Ende beschieden sein sollte.

Petersburg, 23. März. Die letzte Abteilung der russischen Besatzung der Mandschurei ist aus Charbin zurückgezogen worden. Die Räumung des Landes von den russischen Truppen ist mithin voll­ständig beendigt.

St. Petersburg, 23. März. Der frühere Oberprokurator des Heiligen Synods, Pobjedonos- zeff, ist heute abend gestorben.

Paris, 23. März. Auf Veranlassung des Ministers des Aeußern, Pichon, erteilte Marine­minister Thomson Befehl, daß der KreuzerJeane d'Arc" klar mache, um nach Marokko zu gehen.

Die jetzt in London offiziell eingetroffene Nach­richt, daß Ministerpräsident General Botha als Vertreter von Transvaal auf der Kolonial­

konferenz in London erscheinen wird, hat in England großen Jubel erregt, und aller Wahrscheinlichkeit nach wird er während der Dauer der Konferenz der meistgefeierte Mann in England sein. Gewiß ein neues Zeichen für den scharfen Instinkt der Eng­länder, sobald nationale Interessen in Frage stehen. Ein gutes Verhältnis zu Transvaal und der regie­renden Partei von Het Volk aber ist heute eine Lebensfrage für Englisch-Südafrika.

Bukarest, 23. März. Die Agrarunruhen schei­nen sich nach der Walachei zu verpflanzen. Bauern überfielen das Städtchen Sucevia und zerstörten die Häuser der Juden. 4 Bauern wurden vom Militär getötet; 4000 Bauern, die in das Städtchen Dorohoi einzudringen versuchten, wurden, als sie auf gütliches Zureden von ihrem Vorhaben nicht abzubringen waren, von Kavallerie auseinander getrieben, wobei mehrere Bauern getötet, andere mehr oder weniger schwer verletzt wurden. In Piatra Neamt soll ein Kampf zwischen Bauern und Militär stattgefunden haben, wobei 32 Bauern und 6 Soldaten gefallen sein sollen.

Stettin, 23. März. Auf der Vulkanwerft fand heute mittag in Anwesenheit zahlreicher Ehren­gäste der Stapellauf eines für die Hamburg-Ame- rika-Linie erbauten und für La Plata bestimmten Dampfers für Personen- und Frachtbeförderung statt. Im Auftrag des Königs von Württemberg voll­zog der württembergische Gesandte in Berlin, Frei­herr von Varnbüler, die Taufe. Das Schiff erhielt den NamenKönig Wilhelm".

Leipzig, 21. März. Der Einsturz des Gast­hofs zumHirsch" (am 5. April 1906) in Nagold beschäftigte heute das Reichsgericht. Der Bauunter­nehmer Erasmus Rückgauer aus Stuttgart wurde am 20. Oktober vor. Js. nach Stägiger Verhand­lung vom Landgericht Tübingen wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung, sowie Zuwiderhandlung gegen die anerkannten Regeln der Baukunst zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Das Verschulden des Angeklagten, der vorher schon viele Häuser ge­hoben hatte, ist vom Gericht darin erblickt worden, daß er die Hebung nicht fortwährend beobachtet habe. Die Revision des Angeklagten enthielt eine Anzahl prozessualer Beschwerden ohne allgemeines Interesse und rügte Verletzung des materiellen

Dar dem Schlimmsten bewahrt.

1) Novellistische Skizze von E. K.

Eine sturmgepeitschte, regenschwere Nacht lag über der Heide. Nur zuweilen trat der Mond hinter dem Gewölk hervor und warf sein bleiches, un­sicheres Licht auf die weite Fläche, die mit ihrem hohen, wogenden Heidekraut einer aufgeregten See glich. Hier und da streckte eine verkrüppelte Birke ihre Neste gespenstisch empor und die Runensteine am Hünengrab blickten geisterhaft in die Sturmnacht hinaus, wenn ein Strahl des Mondlichtes sie traf. So reizvoll die Heide ist, wenn sie im roten Blüten­schmuck sonnenbeglänzt daliegt, so unheimlich ist sie, wenn in finsterer Nacht der Sturmwind über sie dahinfegt. Es gehört die ganze, durch jahrelange Gewohnheit erworbene Gleichgültigkeit des Heide­bewohners gegen die Schrecken seiner melancholischen Heimat dazu, um in einer solchen Nacht unter dem strohgedeckten, sturmumheulten Hause ruhig zu schlafen.

Unfern des sagenumwobenen Hünengrabes lag ein einsamer Heidehof, dessen dunkle Konturen sicht­bar wurden, wenn der Mond einmal den Wolken­schleier durchbrach. Der Hof gehörte zu den wohl­habenderen, denn außer dem ziemlich stattlichen Wohnhause waren eins große Scheune und mehrere Stallgebäude vorhanden, alles in gutem Zustande. In der Tat wurde der Besitzer des Grabhofes, wie das Gehöft wegen seiner Lage am Hünengrabe ge­nannt wurde, zu den bemittelsten Heidebauern ge­zählt. Seit undenklichen Zeiten hauste das Ge­

schlecht der Hagemeister, eine zähe, kerndeutsche Sippe, auf dem Grabhof. Der jetzige Besitzer war ein noch junger Mann, der den Hof vor wenigen Jahren erst von seinem Vater geerbt hatte. Der alte Hagemeister, der Typus des eichenstarken, kernigen, norddeutschen Bauern, hätte, menschlicher Voraussicht nach, noch lange Zeit den Grabhof be­wirtschaften können. Innerer Grab jedoch hatte seinem Leben vorzeitig ein Ziel gesetzt, nachdem ihm seine Frau bereits im Tode vorangegangen. Das rasche Ableben der beiden war in der Nachbarschaft lange Tagesgespräch gewesen, denn gar selten sterben die harten Heideleute an gebrochenem Herzen. Hier war es nun doch der Fall gewesen und Johann Hagemeister, der älteste Sohn, war die Ursache. Mit grenzenloser Liebe hatten die Eltern an dem schönen, lebenskräftigen Knaben gehangen, der aber, wie sich bald nach seiner Konfirmation erwies, völlig aus der Art schlug. Er fand kein Gefallen an dem arbeitsreichen, einförmigen Leben des Heidebauern und wäre am liebsten in die Stadt gegangen, um ein Handwerk zu erlernen. Aber der Vater, dem es ungeheuerlich erschien, daß sein Nettester, der von Gott bestimmte Erbe des Hauses, die Scholle verlassen solle, zwang ihn, Landmann zu werden.

Es kam oft zu erregten Auftritten, da Johann den unbeugsamen, starren Sinn des Vaters geerbt hatte. Nach solchen Szenen verschwand der junge Mann dann tagelang, trieb sich in den Kneipen der benachbarten Dörfer mit liederlichem Gesindel umher und kehrte erst heim, wenn der letzte Pfennig

verjubelt war. Das wurde mit den Jahren immer ärger und beide Teile, Vater und Sohn, betrach­teten es als eine Erlösung, als letzterer zum Militär mußte. Ersterer hoffte, daß die strenge Disziplin läuternd auf das wilde Temperament feines Nettesten einwirken würde, und letzterer freute sich, der väter­lichen Aufsicht entronnen zu fein und freute sich auf das Leben in der Hauptstadt. Beider Hoffnungen wurden getäuscht. Johanns trotziger Charakter wollte sich auch der militärischen Disziplin nicht fügen, er erlitt Strafe auf Strafe und mußte zuletzt sogar wegen Insubordination ein Jahr auf die Festung. Es war kein frohes Wiedersehen, als der junge Hagemeister nach endlich absolvierter Dienst­zeit ins Vaterhaus zurückkehrte. Der Vater konnte ihm nur schwer verzeihen, daß er der Familie durch feine Aufführung Schande gemacht, und der Sohn arbeitete sich immer mehr in einen finsteren Trotz hinein. Mit Widerwillen verrichtete er seine Arbeit und schloß sich gänzlich von seinen Angehörigen ab. Wilhelm, sein jüngerer Bruder, dem der finstere Bruder von Herzen leid tat, versuchte sich ihm oft freundlich zu nähern, wurde aber stets so rauh zu­rückgewiesen, daß er schließlich den Bruder sich selbst überließ. Nur Türk, der Hofhund, eine mächtige deutsche Dogge, hatte sich Johanns Zuneigung zu erfreuen und vergalt sie mit rührender Treue und Anhänglichkeit. Er folgte ihm auf Schritt und Tritt und wenn Johann, feiner Gewohnheit nach, oft tagelang vom Hofe fernblieb, suchte er ihn unter kläglichem Winseln in allen Ecken und stimmte ein