Krtefe aus Jerusalem.
IV.
Das Schiff hielt! Und ein unglaublicher Spektakel ging los. Wie eine wilde Meute, so fielen sie über uns her die braunen Gesellen. Wo sie nur alle herkamen, die feuerfunkelnden Beduinenaugen, hervorstichelnd unter dem turbanumhüllten Tarbusch, wie Schlangen aus dem feuchten Gras, lauter baumstarke Leute, Hyänenhafte Figuren. Und daneben die schelmisch listigen Bootsleute mit dem bezaubernden Wohllaut der Sprache. Und das alles auf dem vorher schon überfüllten Schiff. Ich war von Portsaid her gewitzigt. In einer geschützten Stellung, das vielumworbene Kofferchen fest zwischen den Beinen, beobachtete ich das wilde Getöse um mich her; hinter mir die arbeitenden Matrose», die aus dem unendlichen Gepückraum ein Päckchen ums andere heraufhaspelten und vor mir das bunte Durcheinander, das Geschrei, wie man jauchzet in der Ernte. Allmählich sammelte sich um mich eine Schar- Reisender, denen meine stoische Ruhe im allgemeinen Getümmel imponierte. Ich mietete nun uni 5 Frks. pro Person einen deutsch sprechenden Araber, der uns hiefür Fahrt ans Land, Vorzeigen der Pässe, Zollrevision, Fahrt zum Hotel Hardegg und von da später zur Bahn zu besorgen versprach und auch treulich besorgte. Wir stiegen in sein Boot und fuhren ans Land. Schwierig war es mit dem blinden Frln. Friedenberg, unserer Blindenlehrerin vom lyrischen Waisenhaus, mit der ich von Portsaid an zusammengewesen, aber es ging. Die Wellen gingen sehr hoch, mehrmals spritzte Wasser herein und die Leute wurden unruhig. Aber kräftig arbeiteten die 8 Ruderer, sich durch ein fröhlich Lied begleitend und zu gleichmäßigem Takt ermunternd. Als wir die steilen Felsen passiert, war die See ruhig. Und ich fröhlich „Glück auf, der Herr hat Gnade gegeben zu unserer Reise" meiner Blindenlehrerin zu. Der hohe Wellengang gestattete, daß wir bis ans Ufer fahren konnten. Und mit gewaltigem Satz sprang ich ans Land, um von dort aus den Damen behilflich sein zu können. Alles ging glatt. Unser Bursche brachte uns durch Zoll- und Gepäckrevision ohne Anstand und bald rollten wir raschen Fluges über die dreckigen steinigen Straßen ins Hotel. (Ein Boot vor uns wurde an die Felsen geworfen, doch kippte es gottlob nicht um).
So war ich denn angelangt auf dem heiligen Boden und durch meine Seele klang ein §Ioria in oxeolsis. Vier Stunden lang trieb ich mich im Städtchen herum. Ich besuchte meine Verwandten, die Schule der Templer, die evangelische Kirche und Schule, das Pfarrhaus (Zeller). Ueberall fand ich mich leicht zurecht. Schließlich war ich von all dem Neuen nach der schlaflosen Nacht ziemlich erschöpft; das kräftige Mittagsmahl aber brachte mich wieder auf den Damm. Pfarrer Zeller traf ich fieberkrank im Bett, aber im ganzen doch munter. In der Kirche hängt ein gutes Porträt von Stadtdekan Braun, dessen Grab auf Zion unter Cypressen und Pinehen einen ungemein wehmütigen Eindruck auf mich machte, als ich es am Totensonntag zusammen mit Hrn. Direktor besuchte. Das Straßenbild Jaffa's ist ein bunt bewegtes. Lange Kamele, über ihre Kraft vollbepackt und staubüberzogen, wechseln mit verdrossenen Eseln und mageren Pferden. Zerlumpte Gestalten, Bettler, Kranke, Blinde in Menge. Oeffentliche Läden und Werkstätten, vor denen die Türken halten und ihre Narzile's rauchten, Wasserträger, die ihre Eselsschläuche auf dem Rücken trugen oder auf Eseln führten. Und anderes mehr. — Vorwärts aber nach Zion! Ungefähr um 1 Uhr ging der Zug und fuhr in etwa 4'/- Stunden nach Jerusalem. Die Fahrt ist schön durch die fruchtbare Ebene sowohl wie das zerklüftete Gebirge Juda hinauf mit seinen Höhlen und Ziegenherden, seinen verkrüppelten Bäumen und ärmlichen Fellachenhütten; von den Stationen hat mir Ramleh besonders gefallen. In Jerusalem begrüßte mich ein ganzes Heer von Verwandten, ich versprach baldigen Besuch, welches Versprechen ich seither schon manchmal eingelöst habe, freilich nicht so oft, wie diese sich wohl wünschten. Denn ich bin zur Missionsarbeit ins heilige Land gegangen und nicht zu privaten oder gelehrten Genüssen. Und ich bin dankbar, daß diese Arbeit mich im großen ganzen befriedigt.
Vermischtes.
Vorsicht bei Behandlung von Fundsachen. In eine unangenehme Lage ist ein Bahnhofsrestaurateur einer bayr. Station geraten, weil er einen von einem Viehhändler im Restaurationssaale liegen gelassenen Betrag von 100 Mk. in fünf Goldstücken,
den die Kellnerin nach der Abreise des Gastes gefunden und dem Dienstherrn übergeben hatte, nicht an den Bahnhofsvorstand abgeliefert, sondern einige Zeit behalten hatte. Es geschah dies wohl in der Erwartung, daß der Eigentümer sein Geld bald reklamieren werde. Da dies nicht geschah, schenkte der Restaurateur 80 Mk. der katholischen Stadtpfarrei für die Erweiterung der Kirche und 20 Mk. der Kellnerin. Diese plauderte darüber, und so kam die Sache zur Kenntnis des Gerichts und der Generaldirektion. Letztere zog den Restaurateur wegen Hinterziehung von Fundsachen zur Verantwortung und ließ sich die 100 Mk. ersetzen, das Gericht aber leitete das Verfahren wegen Funddiebstahls ein; der Restaurateur wird gerichtlich bestraft, und wenn er in Anbetracht der Verhältnisse mit einer Geldstrafe durchkommt, kann er zufrieden sein.
Wie leicht man in ganz unvorhetffehbarer Weise haftpflichtig werden kann, zeigt folgendes Vorkommnis in L. . ingen. Am 14. August 1906 fuhr der dort wohnende Gastwirt und Bäcker L. mit seiner Frau fort und überließ die Sorge für die Wirtschaft und das Hauswesen der 23jährigen T. Als diese nun für L.'s kleines Kind auf einem Spirituskocher Milch wärmen wollte, kippte der Tisch, der Kocher schlug um und die T. verbrannte sich an dem überlaufenden brennenden Spiritus die linke Hand so schwer, daß ein Arzt noch im Januar ds. Js. eine Verminderung der Arbeitsfähigkeit um die Hälfte begutachtete. Das Kippen des Tisches war aber dadurch herbeigeführt worden, daß L. unter dem einen vorderen Beine des Tisches, das zu kurz war, nicht lange vorher die für gewöhnlich untergeschobenen Hölzer entfernt und sie versehentlich nicht wieder an ihre Stelle gebracht hatte. So gab die Tischplatte, als sich die T. darauf stützte, nach und der Unfall war geschehen. Unter diesen Umständen war an L.'s Haftpflicht für den Schaden nicht zu zweifeln, und er konnte nur froh sein, daß ihm seine Haftpflichtversicherung beim Stuttgarter Versicherungs-Verein Ersatz für die Schadenzahlung von 3750 Mark brachte, mit der er die Verletzte ab- finden konnte.
(Die merkwürdigste Taschenuhr der Welt.) Vor fast vier Jahren brachte die Deutsche Uhrmacher- Zeitung in Berlin die Beschreibung einer von Josef Weidenheimer in Mainz im Jahre t794 für den dortigen Bürgermeister fertig gestellten astronomischen Taschenuhr und knüpfte daran die Bemerkung, daß es doch sehr interessant wäre zu erfahren, ob und wo die Weidenheimersche Original-Uhr noch existiere, und wer ihr glücklicher Besitzer sei. Die Sache hat sich herumgesprochen, die Uhr ist zum Vorschein gekommen, und heute, vier Jahre nach jener zufälligen Anfrage, ist das Wunderwerk von einer Taschenuhr in unversehrtem Zustande im kaiserlichen Dorotheum zu Wien ausgestellt und wird, nachdem es zwei Monate lang der allgemeinen Besichtigung zugänglich war, am 25. April an den Meistbietenden versteigert werden. Der Ausrufpreis wird 3000 Kronen betragen. Die Uhr ist mit doppeltem goldenem Mantel versehen und hat einen. Durchmesser von etwa 60 Millimeter. Sie hat ein vorderes und ein rückwärtiges Ziffernblatt, wird täglich aufgezogen, geht aber 40 Stunden. Von den fünf Zeigern des vorderen Ziffernblattes zeigt der große die Stunden, deren 24 auf dem Blatte sind, wovon die obere die Mittagsstunde, die untere die Mitternachtsstunde bedeutet. Dies ist deshalb nötig, damit man weiß, ob die Uhr bei Tag oder bei Nacht stehen geblieben ist. Zwei andere Zeiger sind Minutenzeiger, noch ein anderer zeigt den Monatstag und ist derart reguliert, daß er in den Monaten von 30 Tagen den 31. Tag von selbst überspringt und auf den 1. übergeht, im Februar eines gewöhnlichen Jahres vom 28. auf den 1. März springt, im Schaltjahr aber auch den 29. Februar zeigt. Ein fünfter Zeiger zeigt den Wochentag, ein sechster dient zur Regulierung der Uhr. Auf dem Hinteren Ziffernblatt wird der scheinbare Lauf der Sonne, des Mondes und der Venus gezeigt, die Monate, das Frühlings- und Herbst-Aequinoktium, sowie die Sommer- u. Winter- Sonnenwende. Der äußere Kreis ist der Tierkreis mit den zwölf Zeichen, abgeteilt in 360 Grade. Ein anderer mit einer Strahlenscheibe geschmückter Zeiger ist der Sonnenzeiger; er vollendet seinen Umlauf in einem Jahr oder 365 Tagen, 5 Stunden 49 Min. Er zeigt ferner, in welche Zeichen die Sonne monatlich eintritt und um wie viele Grade sie täglich darin fortrückt.
Der Begründer von Castans Panoptikum. In harter Bedrängnis befindet sich ein Mann, dessen Name seit Jahrzehnten jedem Berliner geläufig ist, und der für den dort weilenden Fremden ein Pro
gramm bedeutete und noch bedeutet. Dieser Mann ist Louis Castan. Aus dem Institut geschieden, das er begründet, und zu einer Sehenswürdigkeit der Reichshauptstadt gemacht hat, ist er heute verarmt und völligem Untergange preisgegeben, wenn sich nicht rettende Hände ihm entgegenstrecken. Von Haus und Hof vertrieben zu werden, ist ein schweres Geschick. Furchtbar aber, wenn es einen Hochbetagten trifft, der in der Vollkraft seiner Jahre es zu Reichtum und Ansehen gebracht hatte. Dies ist das Schicksal Louis Castans. Es sollen hier nicht die Gründe untersucht werden, durch die es so kam, wie es heute um ihn steht. Tatsache ist, daß der Sechsundsiebzigjährige und seine nicht viel jüngere Frau am 1. April die Villa zu Potsdam verlassen müssen, die sie vor 35 Jahren gekauft und seitdem bewohnt haben. Einst war dieses mit mancherlei Schützen erfüllte Landhaus der Sammelpunkt heiterer Geselligkeit und Künstler und Literaten waren dort heimisch. War Louis Castan doch selbst ein Künstler. Von den in seiner Villa angesammelten Kunstgegenständen ist eines nach dem andern zum Händler gewandert. So haben die alten Leute ihr Leben gefristet bis heute. Und nun naht der Tag, an dem sie aus dem überschuldeten Hause hinaus sollen. Wohin?
(Fataler Druckfehler.) Sie hatten sich durch die Zeitung kennen gelernt, auf der kurzen Hochzeitsreise aber gleich lieb gewonnen. Ihm war übrigens alles recht — nur nicht das Essen in den Gasthöfen. Als sie in ihrem Heim landeten, war sein erster Wunsch, ein von den Händen seiner Frau bereitetes Mittagsmahl zu genießen. Und das Mal kam — aber es war kein Genuß! — Er konnte das auch nicht überwinden und machte mit umwölkter Stirn die Bemerkung: „Ja, liebes Weibchen, in der Annonce, die uns zusammengeführt, las ich doch. Du hättest die Kochschule absolviert!" Zitternd und bangend erwidert die junge Frau: „Das war ein Druckfehler. Ich habe die Hochschule absolviert!"
Akrostichon.
Achse Ast Berlin Eid Rappe Wald Jedes der obigen sechs Wörter läßt sich durch Versetzen eines Buchstaben in ein anderes Wort verwandeln. Wer die richtigen Wörter gefunden hat, kann sie so ordnen, daß ihre Anfangsbuchstaben ein schönes Fest nennen.
Wechsel-Riitsel.
Sucht mich an Afrikas Küste, dort bin als Stadt ich zu finden.
Aendert ihr Kopf mir und Fuß, lieg' ich am Rheinstrom als Stadt.
Auflösung des Rätsels in Nr. 46.
Rolle.
Weil Ostern in diesem Jahre so früh fällt, wird der Monat Mürz für unsere Hausfrauen ein an Ausgaben und Arbeiten besonders reicher werden. Sie haben für vielerlei Garderobe zu sorgen und auch die Küche verlangt mehr Arbeit. Es heißt immer wieder: sparen an Zeit und Geld. Infolge der Fortschritte der Chemie ist glücklicherweise vieles leichter und billiger geworden, so z. B. das Kuchenbacken und die Herstellung des nahrhaften Puddings, wenn man Dr. Oetker's Back- und Puddingpulver und Vanillinzucker benutzt. Diese Artikel sind allen Hausfrauen bekannt und überall zu haben. Neuerdings hat die Firma Dr. A. Oetker nun auch die Einrichtung getroffen, daß ihre übrigen Erzeugnisse ebenfalls in fast allen Geschäften vorrätig sind. Ein Versuch wird die Hausfrauen von der Vorzüglichkeit auch dieser Präparate überzeugen. Sie sind so preiswert, daß ihr Gebrauch auch im kleinsten Haushalte möglich ist.
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Redaktion, Druck und Verlag so« L. Meeh t« Resen-LrK