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Der Lnztalsr.

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20 .

Neuenbürg, Samstag den 2. Februar 1007

65. Jahrgang.

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Berlin, 30. Jan. DieNordd. Allg. Ztg." schreibt zur Stichwahl: Eine Schlacht ist ge­schlagen, nicht die letzte. Nun geht es zum ent­scheidenden Kamps. Von dem Ausfall der Stich­wahlen wird es abhängen, ob der Sieg, den die bürgerlichen Parteien am 25. Januar über die Sozialdemokratie feierten, zur völligen Niederlage der Gegner führen wird. Für seine besonderen politischen Anschauungen hat jeder bei den Haupt­wahlen gekämpft. Das war sein gutes Recht. Jetzt gilt es, zurückzustellen, was die bürgerlichen Parteien von einander trennt und hervorzuheben, was sie eint. Nationales Empfinden, religiöse Ueberzeugung, ernste Sorge für das wahre Wohl des Volkes fordern eine gemeinsame Tat, auch wenn sie mit Opfern verbunden ist. Nicht Stimmenthaltung, nicht bequemes Geschehenlassen, sondern einhellige Abgabe aller Stimmen gegen die Sozialdemokratie sei die Losung für die Stichwahl! DieNordd. Allg. Ztg." schreibt ferner unter der Ueberschrift: Nicht erlahmen":Geht es nicht mit Kraft, so geht's vielleicht mit List," denkt die Sozial­demokratie. Während derVorwärts" mit vollen Backen bläst und die sozialdemokratische Glut zu neuen Flammen anfachen will, wird von sozialistischer Seite der Versuch gemacht, die gegnerischen Parteien einzuschläfern. Das zu diesem Zweck angewandte Mittel besteht in dem Bestreben, in die Kreise bürgerlicher Politiker als Auffassung maßgebender sozialdemokratischer Führer die Ueberzeugung hinein­zuschmuggeln, daß die Stichwahlen mit wenig Aus­nahmen für die Sozialdemokratie aussichtslos seien. Die bürgerlichen Parteien sind in der Lage, den Richtigkeitsbeweis für diese Auffassung zu erbringen, aber nur, wenn sie bei den Stichwahlen Mann für Mann an die Urne treten.

Berlin, 31. Jan. DieNordd. Allg. Ztg." schreibt: DerVorwärts" beschäftigt sich heute mit unseren über den Verlauf der Friedensverhandlungen mit den Bondels gemachten Mitteilungen. Die ebenso unwahren wie gehässigen Angriffe desVor­wärts" beantworten wir durch wörtlichen Abdruck des Schreibens der katholischen Mission in Heira- gabies vom 28. Dez. 1906 an Major Sieberg. In dem Schreiben werden die Verhandlungen des Paters Malinowski mit dem Kapitän der Bondels eingehend geschildert. Malinowski schickte die erste helio- graphische Nachricht über den Erfolg der Verhand­lungen am 21. Dezember.

St. Johann, 31. Januar. Prinz Friedrich Leopold war heute mittag 12 Uhr nochmals am Förderschachte in Redert. Dort ließ er sich die Rettungsmannschaften vorstellen und dekorierte meh­rere, die in Drägerapparaten hervorragendes bei den Bergungsarbeiten geleistet hatten.

Die Attentate im Zarenreiche nehmen ihren Fortgang. In Petersburg wurde am Mitt­woch der Chef des Derjabingefängnisses, Gudima, auf offener Straße erschossen; die Attentäter ent­kamen. Am gleichen Tage wurde in der Welska- straße zu Warschau von mehreren Männern auf Polizisten geschossen, woraus sich eine gegenseitige Schießerei entwickelte. Ein Polizist wurde getötet, einer verwundet; einschreitende Truppen nahmen einige der Angreifer fest. In Odessa gab es am Mittwoch eine Judenhetze, wobei über 50 Juden verwundet wurden. Im Betriebe des russischen Forstdepartements sind große Betrügereien auf­gedeckt worden, durch welche besonders der ehe­malige Chef des Departements, der jetzige Gehilfe des Ministers für Landwirtschaft schwer kompro­mittiert erscheint. Die Verluste der russischen Re­gierung in dieser Betrugsaffäre sollen sich auf viele Millionen Rubel belaufen.

Karlsruhe, 21. Januar. Aus dem badischen Oberlande kommen Meldungen über ungewöhnlich

starke Schneefälle, besonders aus dem Schwarz­wald. Die Züge erleiden zum Teil erhebliche Ver­spätungen. Einzelne blieben im Schnee stecken. Zwischen Titisee und Hinterzarten entgleiste infolge des heftigen Schneewehens die Lokomotive eines Zuges. Auf Neueck bei Furtwangen hat der Schnee eine Tiefe von 2 M m erreicht. Der Postverkehr stockt ebenfalls.

München, 1. Febr. Bei Ahorn im Walser­tal (Vorarlberg) rissen 2 Lawinen 2 Häuser und 9 Stallungen in die Tiefe. 6 Personen sind tot, 4 gerettet, 5 werden vermißt, ebenso 40 Stück Vieh. Aus Oberstdorf wird über L>ie Katastrophe be­richtet: Gestern mittag 2 Uhr gingen in der Nähe von Mittelberg im kleinen Walsertal 2 Lawinen nieder, welche 2 Häuser mit 15 Einwohnern und 8 Stallungen mit rund 30 Stück Vieh unter sich begraben haben. Bis heute früh wurden acht Personen tot und zwei schwer verletzt hervor­gezogen. Die anderen sind noch unter den Schnee­massen begraben.

Oberbürgermeister Brink von Offen bach tritt am 1. Februar nach 24jähriger Tätigkeit von seinem Amt zurück, nachdem die sozialdemokratische Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung seine Wiederwahl abgelehnt hat. Der Großherzog verlieh ihm das Ehrenkreuz des Philippsordens. Ein Nachfolger ist noch nicht ernannt.

Der bekannte Zirkus Wulff, der seit einiger Zeit im Renz-Zirkus Vorstellungen gab, hat Ban­kerott gemacht. Die zahlreichen Tiere, unter denen sich 2 Elefanten befanden, konnten wegen Geldmangel nicht gefüttert werden und brüllten vor Hunger. Der Tierschutzverein übernahm einstweilen die Fütter­ung. Die Tiere sollen sobald, als möglich verkauft werden. Das Personal erhielt die Bewilligung, am Sonntag Vorstellungen zu geben, um sich die Mittel zum Lebensunterhalt zu schaffen.

Weinheim, 30. Januar. Eine gräßliche Bluttat ereignete sich heute in dem nahen Dorf Lützelsachsen. Der 42 Jahre alte Wagner Peter Hördt überfiel heute früh seine noch schlafende Familie mit einem großen Beil, tötete seinen 20 Jahre alten Sohn und sein 5jähriges Mädchen und verletzte zwei weitere Kinder im Alter von 12 und 13 Jahren und seine Frau so schwer, daß an ihrem Aufkommen gezweifelt wird. Der Täter hat un­zweifelhaft in geistiger Umnachtung gehandelt; er trug immer ein deprimiertes Wesen zur Schau; gestern klagte er über starke Kopfschmerzen. Die unglückliche Familie lebte seither im besten Einver­nehmen. Der Mord wurde heute morgen kurz nach 7 Uhr durch einen Metzger entdeckt, der bei Hördt Geflügel kaufen wollte. Als der Metzger die Wohn­stube betrat, saß Hördt am Tisch und erwiderte auf die Frage, was denn los sei, er käme ihm gerade recht. Der Metzger eilte sofort zu dem Schwager Hördts, dem Kronenwirt, der dann in den Betten die entsetzlich zugerichteten Leichen des 20 Jahre alten Sohnes Emil und des 5 Jahre alten Mäd­chens entdeckte. Hördt hatte die Kinder durch Beil­hiebe auf den Kopf getötet. Die Frau und der 13 Jahre alte Knabe gaben bei der Auffindung noch Lebenszeichen von sich. Es ist aber ausge­schlossen, daß sie mit dem Leben davonkommen. Der geisteskranke Hördt ist in die Heidelberger Irren- Klinik verbracht worden. Die 46jährige Frau Hördt erlag gestern ihren Verletzungen, ebenso der 7 Jahre alte Sohn Jakob. Der älteste Sohn und die Tochter wurden, wie gemeldet, bereits tot aufge­funden. Der schwer verletzte 14 Jahre alte Heinrich Hördt lebt noch. Er ist in Gemeinschaft mit seinem nur leicht verletzten 12 Jahre alten Bruder Philipp im Ort bei Verwandten untergebracht.

Ludwigshasen, 30. Januar. Ein seltenes Abenteuer begegnete gestern in der Mittagsstunde im Vorort Mundenheim einem zehnjährigen Jungen. Ein Stößer schoß auf eine Taube, tötete sie, ließ

aber sein Opfer aus den Fängen gleiten. In dem Moment, als der Junge auf die auf den Boden gefallene Taube hinzueilte, kam der Raubvogel aus den Lüften und griff den Knaben wütend an, der sich nur dadurch zu helfen wußte, daß er einen Korb, mit dem er Essen getragen, als Schild be­nutzte. Schließlich gab der Raubvogel den Kampf auf, und der Junge nahm die Taube mit. Es war eine Brieftaube, welche den Stempel 0115 bis 90 2. 303 trug.

Württemberg.

Zur Reichstagsstichwahl in Württem­berg. Eins muß man den Führern der Sozial­demokratie lassen: sie verstehen es zu spannen. Die Tagwacht" fährt fort zu drohen und zu schelten, aber das entscheidende Wort wird nicht ge­sprochen. Ist es Unentschlossenheit? Ist es grau­sames Spiel? Oder eine Mischung von beidem? U. a. gibt dieTagwacht" heute der Stimme eines Genossen Raum, der sagt:Was die Stellung in den Stichwahlen betrifft, so ist die Unterstützung von Demokraten schon deshalb unmöglich, weil es keine solche mehr gibt; nicht die Volkspartei ist in den Wahlkampf gezogen und steht zur Stichwahl, sondern der bülowumspielende Ordnungsbrei, in dem die Volkspartei die Rolle der Margarine einnimmt. Es kann sich also nicht um die Wahlhilfe für Volks­parteiler handeln, sondern um die Frage, ob Deser­teure besser zu behandeln sind als grundsätzliche, aber in ihrer Art ehrliche Gegner. Die Antwort gibt das Kriegsgesetz, und die Ehre gebietet, sich nicht mit Füßen treten zu lassen. Das Ausinerzen solcher Persönlichkeiten ist schon aus Reinlichkeits­gründen für das politische Leben nur ein Gewinn!" Auf der andern Seite schreibt dieTagwacht" in Anknüpfung an Ausführungen desBeobachters": Alles Zureden, alle Deklamationen von der Ver­antwortung, die unsere Partei mit ihrer Stichwahl­entscheidung auf sich nehme, werden nichts daran ändern, daß die Parteileitung ihren Beschluß nach gewissenhafter Ueberlegung und unter Berücksichtigung der gesamten politischen Lage im Lande fassen wird. Und unsere Parteigenossen aller in Frage kommenden Wahlkreise bitten wir, sobald die Stichwahlparole erscheint, mit aller Entschiedenheit für deren strikte Durchführung einzutreten." Dem Kern der Frage weicht dieTagwacht" geflissentlich aus, nämlich dem, daß es sich für die Sozialdemokratie nicht in erster Linie darum handelt, ob sie Demokraten unterstützen will oder nicht, sondern ob sie das Zentrum unter­stützen will oder nicht.

Stuttgart, 31. Jan. DerStaatsanzeiger" schreibt: Nach einer in die öffentlichen Blätter über­gegangenen Mitteilung sollen bei der Reichstagswahl am 25. d. M. in Beutelsbach, OA. Schorndorf, Umschläge zur Ausgabe gelangt lein, in welchen sich vermutlich von einer früheren Wahl her be­reits Stimmzettel befanden. Hiezu ist zu bemerken, daß allerdings aus einem bis jetzt noch nicht ge­nügend aufgeklärten Versehen dem mit Verteilen der Wahlumschläge beauftragten Beamten in Beutelsbach derartige bereits früher benützte Umschläge, in welchen sich Stimmzettel befanden, eingehändigt worden sind, daß jedoch der Verteiler und der Wahlvorsteher noch rechtzeitig auf den Sachverhalt aufmerksam wurden, ehe mit der Verteilung der Umschläge begonnen war. Zur Verteilung an die Wähler gelangten daher auch in Beutelsbach nur leere Umschläge. Die nicht zur Verwendung gelangten Wahlumschlüge wurden im Jahre 1903 der Druckerei der Verkehrsanstalten zur Aufbewahrung übergeben, welche bei den gegenwär­tigen Reichstagswahlen den Versand der für den Jagstkreis ausgcgebenen Wahlumschläge besorgt hat. Wie es unter diesen Umständen möglich war, daß dem Umschlägeverteiler in Beutelsbach bereits be­nützte Umschläge eingehändigt werden konnten, wird die eingeleitete Untersuchung ergeben.