Korrespondent tätig gewesen, Position suchte", rückte ihm der Vorstand des Sprachvereins mit einem höflichen Schreiben zu Leibe, in dem er ihm empfahl, im Interesse der Reinhaltung unserer Muttersprache entbehrliche Fremdwörter zu vermeiden. Hinzugefügt war noch „routiniert — tüchtig, erfahren; Position — Stellung usw.". Der Vorstand war aber mit seinem wohlgemeinten Ratschlag an den Unrechten gekommen; er erhielt sein Schreiben mit folgenden Begleitworten zurück: „K. H. zurück mit dem Bemerken, daß ich eigentlich die Absicht hatte. Ihnen für diese bodenlose Unverschämtheit ein Paar herunterzuhauen. Ich höre aber, daß sie ein alter Mann sind. Sie können sich von mir als moralisch geohrfeigt betrachten. Ein anderes Mal werde ich eine solche Lümmelei tätlich ahnden. K. 12. 1. 07. N. N."
Wie ein Professor zu seiner Frau kam. Der Mathematiker C. F. Pfleiderer, Sohn eines Wundarztes in Kirchheim u. T., der zuletzt Vorsteher einer Polnischen Kriegsschule gewesen, war i. I. 1781 nach Tübingen berufen worden. Hier redeten ihm seine Freunde zum Heiraten zu. „Meinet Ihr, ich foll eine Frau nehmen?" — „Ja freilich." — „So, meinet Ihr: Aber wen denn? Ich weiß keine." — „Wir wissen eine, die paßt; die Tochter des Professors X." — „So, meinet Ihr; aber meinet Ihr, sie nimmt mich?" — „Wir denken das schon. Aber Sie müssen selber fragen." — „So, meinet Ihr. Da muß ich eben einmal hingehen." Und der große Mathematiker hielt Wort und vergaß das auch nicht über seinem Euclid. Gleich am andern Tag ging Pfleiderer in das Haus des ihm bezeich- neten Professors (wohl in der Münzgasse) und schellte an der Vortüre. Da machte ihm das Fräulein auf und sagte, als sie den Gelehrten sah, sie bedaure fehr, daß er vergeblich sich herbemüht habe, ihr Vater sei nicht im Hause. Pfleiderer antwortet: „Hai das macht nichts. Ich habe bloß fragen wollen, ob Sie nicht meine Frau werden mögen." Das überraschte Fräulein erwidert: „Aber, Herr Professor, so schnell kann ich Ihnen doch keine Antwort geben." Pfleiderer: „Ha! das macht nichts. Ich muß jetzt ins Kolleg, nachher will ich wieder kommen und anfragen." So ging denn Pfleiderer ins Kolleg, hielt seine Vorlesung und schellte wieder am Hause des Kollegen. Diesmal aber bekam er das Jawort. Und es soll eine glückliche Ehe gegeben haben.
Damit hatte sich die Professorin einem netzen Gast zugewendet. In Nora's Innern aber hatten die Worte einen wahren Aufruhr hervorgerufen. Nun erst gewann ihr manche Aeußerung des Dr. Fresenius Bedeutung, nun erst kam's ihr zum Bewußtsein, daß er um sie werben wolle, jetzt, nach 12 Jahren. Aber zugleich erkannte sie, daß sie es nicht dazu kommen lassen dürfe.
So sprach sie denn jetzt, anknüpfend an seine Worte: „Lassen wir besser die Vergangenheit ruhen, Herr Doktor, es hat keinen Zweck, Erinnerungen wachzurufen, es tut nicht immer gut. Bleiben wir bei der Gegenwart. Ja, ich stehe wieder an einem Abschnitt meines Lebens, aber es ist mir nicht bange deshalb. Es war nicht leicht für mich nach meiner teuren Eltern Tod, mich im Leben zurecht zu finden, aber es ist mir bei ernstem Willen gelungen. Man reift schnell, wenn einem die natürlichsten Stützen genommen werden, wenn man in jungen Jahren Waise wird. Im Wirken für andere fand ich aber Befriedigung, und wenn ich jetzt das Haus verlasse, in dem ich gern geweilt, so geht mir das zwar recht nahe, aber ich scheide beruhigt, denn ich weiß, die Kinder, die mir sehr ans Herz gewachsen, kommen in gute Obhut bei der neuen Mutter. Und ich? Nun, ich denke zunächst einmal längere Zeit bei meinem ältesten Bruder zu verweilen, der mich gern ganz bei sich hätte. Aber das will ich nicht, ich bin noch zu jung, um mich schon als Tante zur Ruhe zu setzen, ich denke mir einen neuen Wirkungskreis zu suchen. Vielleicht auch noch einmal in die Schule zu gehen, das heißt, das Lehrerinnenexamen u machen, aber das sind alles nur Pläne. Jeden- alls fürchte ich mich nicht vor der Zukunft."
Nora hatte eifrig gesprochen, gegen ihre Gewohnheit nur von sich, aber sie hoffte durch unbefangene Darlegung ihrer Verhältnisse, ihrer Pläne, Fresenius von einer Aeußerung etwaiger Wünsche abzuhalten.
Dieser verstand sie nicht — zu sehr war er erfüllt von dem, was ihn innerlich bewegte, zu begehrenswert erschien ihm Nora, wie sie dastand, leicht an den Tisch gelehnt, die großen schönen
(Eine Küchen- und Kellertragödie.) Eine alte Dame in Nürnberg hatte sich — so erzählt eine Leserin der „Tgl. Rdsch." — aus einem kleinen Gebirgsdorfe, in welchem sie ihre „Sommerfrische" verlebte, ein sechzehnjähriges Mädchen mitgebracht, das sie sich als Köchin — Zimmermädchen — Kammerjungfer — kurz als „Mädchen für alles" ab- richten wollte. Es war ein tüchtig Stück Arbeit, das einfache Naturkind mit den Gebräuchen und Sitten der zivilisierten Weltgegenden bekannt zu machen, und die gute alte Dame mußte oft recht drastische Mittel anwenden, um dem Mädel etwas abzugewöhnen oder klar zu machen. So hatte dieses z. B. eine gewaltige Neigung zum Naschen. Wurde diese Untugend bemerkt so setzte es gehörige Strafpredigten, die aber, wie in den meisten Fällen auch in diesem nicht viel nützten. Da mußten also kräftigere Mittel angewendet werden. Im Keller standen z. B. viele Gläser mit schönen, eingemachten Kirschen und die Frau fürchtete — da sie die nicht wegschließen konnte — sie würden der Naschhaftigkeit des Fräuleins zum Opfer fallen. So führte sie das Mädchen in den Keller, zeigte ihr die Gläser und sagte — „dies sei das ärgste Gift — wer davon esse, müsse unfehlbar sterben." Und so ähnlich wollte sie weiter verfahren. Tatsächlich machte Trude auch stets einen großen Bogen um die gefährlichen Gläser, wenn sie in den Keller ging. Wenn sie aber die abgekochte Milch herunter trug, konnte sie doch nicht umhin, die dicke Haut, die sich daraus gebildet hatte, herunter zu naschen, denn sie hatte schon herausgefunden, daß dies nicht entdeckt würde, da sich schon wieder eine neue Haut gebildet hatte, bis sie die Milch zum Gebrauche heraufholen mußte. Eines Sonntags mußte die alte Dame vormittags einige Besuche machen und instruierte vor dem Weggehen die Trude genau, wie sie den Gansbraten, den sie schon in die Ofenröhre gebracht hatte, weiter zu behandeln hätte, damit er mittags schön braun und knusperig auf den Tisch käme. Trude versprach auch die größtmöglichste Aufmerksamkeit und Sorgfalt dem edlen Vogel zu widmen und tat ihr Möglichstes mit Nachsehen, Begießen, Auf- und Zudecken. Die Gans färbte sich unter ihrer sorgfältigen Behandlung schön gelb, die Haut fühlte sich schon ganz hart an — der Dunst war wundervoll. Der Trude lief das Wasser im Munde zusammen! Nur ein klein wenig davon versuchen zu dürfen — ein wenig von der Haut naschen .... Ihr Mund verzog sich zu einem glücklichen Grinsen — „auf der Milch wuchs die Haut ja so rasch wieder nach — warum sollte das
bei der Gans nicht der Fall sein?" In einer Stunde würde die Herrin erst wiederkehren — und bis dahin — nee, sie würde davon so wenig etwas merken wie bei der Milch! Also rasch ans Werk! Sorgfältig schälte dann Trude die Haut von dem Gansbraten, schnitt sich ein großes Stück Brot dazu und verzehrte mit dem größten Wohlbehagen, schmatzend das leckere Mal. Dann „behandelte" sie weiter die Gans mit Begießen und tüchtigem Nachfeuern im Ofen, Aber — so oft sie auch den Deckel aufhob
— so oft sie auch hineinstach, „ob sie sich noch nicht knusperig anfühle" — es wollte und wollte sich keine neue Haut bilden. Da wurde ihr sehr unheimlich zumute und sie begann zu begreifen, daß es auch „unersetzliche Dinge" im Leben gibt! Als die Frau nach Hause kam, war ihr erster Gang in die Küche. Der Duft, der ihr daraus entgegendrang, war sehr herrlich, sehr vielversprechend. Aber wer beschreibt ihren Schrecken, als sie den Deckel vom Bratentopfe abnahm und ihr der schöne Sonntagsbraten in seinem vollständig geschundenen Zustande vor Augen kam! Das Mädchen war verschwunden. Sie rief nach ihr im ganzen Hause — fuchte in allen Ecken und Winkeln — nirgends eine Spur. Schließlich glaubte sie, aus dem Keller seufzende Laute zu vernehmen und begab sich schleunigst hinab. Richtig — da saß Trude auf einem umgestülpten Waschfasse — heulte laut und hielt sich den Bauch. „Aber Trude — schreckliches Frauenzimmer", rief die Frau, „was haben Sie denn mit meiner Gans gemacht — und was tun Sie hier? Das geht nun nicht so weiter
— jetzt behalte ich Sie nicht mehr, jetzt ..." Da plötzlich „verschlugs" ihr die Rede — sie schnappte nach Luft. Auf der Erde vor dem Mädchen stand ein geleertes Einmachglas — eines, in dem sich noch vor ganz kurzer Zeit Kirschen befunden hatten. „Und über meine Kirschen ist sie mir auch gekommen", kreischte endlich Madame wieder los, „über meine schönen Kirschen! Sie Diebin — Sie Verbrecherin — Sie ..." „Ach Madame", stöhnte da das arme Wesen, „schimpfen Sie nicht, gute Madame — schreien Sie nicht — oh, mir ist schon so übel — es wird nicht mehr lange mit mir dauern
— es geht zu Ende mit mir — ich Hab' mich — vergiftet!"
(Sein Glück.) Freund: „Wie fühlst Du Dich in der Ehe?" — Junger Ehemann (der reich geheiratet hat): „Ach, als wäre jeden Tag der Erste!"
Augen voll auf ihn gerichtet, und so strömten ihm jetzt die Worte von den Lippen:
Sie brauchen nicht nach einem neuen Wirkungskreis zu suchen, Fräulein Millinger, er ist schon gefunden, wenn Sie nur wollen — werden Sie mein, Nora, liebe Nora, lassen Sie mich Ihnen jetzt fagen, was ich Ihnen fchon vor 12 Jahren hätte sagen sollen, daß ich sie liebe, so warm, so innig, wie nur ein Mann lieben kann. Nora, ich habe noch eine Schuld gut zu machen — von damals — es war Schwäche von mir, erbärmliche Schwäche — ich fühle es tief. Ich hatte nicht den Mut, einen Hausstand zu gründen, ich fürchtete mich vor den Sorgen, die damit verknüpft sind. Und deshalb ging ich, ohne zu sprechen. Aber nun, nicht wahr, Nora, nun kann noch alles gut werden? Frauenherzen, so sagt man, verzeihen so viel, wenn sie lieben, und Sie haben mich geliebt — damals — werden Sie mein, Nora —"
„Ich kann nicht, Herr Doktor, nimmermehr!"
„Sie können nicht? Ja, ist es denn nichts, was ich Ihnen biete, ein ganzes, volles Mannesherz, eine Heimat? Und Nora, Sie haben mich doch geliebt —"
„Ja, ich habe Sie geliebt, aus ganzem, vollem Herzen, warum soll ich Ihnen nicht gestehen, was Sie doch schon wissen. Und wenn Sie mich damals gefragt hätten, so Härte mich das unendlich beglückt, mehr, als ich sagen kann.' Sie haben nicht recht an mir getan damals, solche Worte, wie Sie zu mir gesprochen auf jenem Heimweg — „der Mond scheint hell; in solcher Nacht wie heut" — unwillkürlich trat ihr das Citat auf die Lippen — „solche Worte darf ein Mann nur zu dem Mädchen sprechen, welches er zu der Seinen zu machen gedenkt. Sie haben zwölf Jahre gebraucht, um das einzusehen. Ich habe gelitten, als Sie gingen, ohne zu sprechen, und erst in der Sorge um meine teuren Eltern habe ich mich selbst wiedergefunden. Ich zürne Ihnen nicht mehr, Herr Doktor, aber ich bin Ihnen doch Wahrheit schuldig. Und, bei Gott, wenn ich Sie noch liebte, dann sollte keine kleinliche Empfindlichkeit, keine Erinnerung an ver-
LeLllklion. Dr»«k »Kd verlas SS« L. Me»h m RrÄeKdürK
gangene Schmerzen mich abhalten, auch jetzt noch die Ihre zu werden. Aber ich liebe Sie nicht mehr. Verzeihen Sie mir, und glauben Sie mir, ich kann nicht anders."
Fresenius zuckte zusammen und starrte eine Weile schweigend vor sich hin. Dann hob er an. „Noch ein Wort, Nora: könnten Sie es sich nicht vorstellen, mich ohne das, was Sie Liebe nennen, die Meine zu werden? Wir sind beide nicht mehr jung. Sie stehen allein, und ich, ich sehne mich so namenlos nach einem Heim."
„Nein, mein Freund, ich denke zu hoch von der Ehe, als daß ich Sie um der Versorgung willen eingehen möchte. Ich werde überhaupt nicht heiraten. Ich bin älter als meine Jahre, innerlich älter als äußerlich; ich besitze nicht mehr die Schmiegsamkeit, das Anpassungsvermögen, welches der Jugend eigen, und welches das Mädchen besitzen muß, welches eine Ehe eingeht. Die Liebe zu Ihnen würde, hätte sie damals Erfüllung gefunden, mit mir gewachsen und gereift sein, das bin ich sicher — so, ohne Nahrung, ist sie gestorben. Noch einmal: zürnen Sie mir nicht und lasten Sie uns alls Freunde scheiden."
Fresenius schaute Nora mit tiefem Blick an, dann sagte er, ihre Hand ergreifend: „Ich muß mich bescheiden, aber es tut weh, sehr weh." Und dann, in ausbrechendem Schmerz: „Tor, der ich war! Das Glück war mir so nah in schöner Jugendzeitz und ich habe versäumt, es zu ergreifen im rechten Augenblick. Ich hatte nicht den Mut dazu. Und nun entschwindet es mir für immer. Die Strafe ist hart, aber gerecht. Leben Sie wohl, Nora, liebe Nora!"
Ein Händedruck und Nora war allein.
„Der Arme," flüsterte sie. „Aber ich konnte nicht anders."
Dann brach sie in leidenschaftliches Weinen aus. Ihre Tränen galten dem seligen Jugendtraum, den sie einst geträumt, und eine tiefe Trauer überkam sie bei dem Gedanken, daß zwei Menschen hätten unendlich glücklich sein können, wenn der eine von ihnen den Mut zum Glück gehabt hätte „im rechten Augenblick." — Ende —