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Fernsprecher Nr. 4.

. N 177.

Neuenbürg, Samstag den 10. November 1906.

64. Jahrgang.

MMNSschau»

Von Berliner Blättern war das Gerücht ver­breitet worden, der Generalstabschef Graf v. Moltke fei für den Reichskanzlerposten ausersehen. Hiezu schreibt dieNordd. Allg. Ztg." in ihrer gestrigen Nummer, sie fei zu der Erklärung er­mächtigt, daß die Gerüchte jeder tatsächlichen Unterlage entbehren. Man könne nur aufs schärfste verurteilen, daß der Name eines Generals, der als Soldat dem politischen Getriebe völlig fern­stehe, ohne Schatten eines Grundes in tendenziöser Weise und in unbestimmten Wendungen als kommen­der Mann in den politischen Tagesstreit gezogen werde.

Einer der Führer der Nationalliberalen, Reichstagsabgeordneter Bass ermann, hat dieser Tage zwei bedeutsame Reden in Wählerversamm­lungen in Saarbrücken und in Wiesbaden gehalten, die die Stellung der nationalliberalen Partei, zu der augenblicklichen politischen Lage charakterisieren. Die beiden Reden decken sich im Inhalt ungefähr, nur war die in Saarbrücken gehaltene im Ton weniger scharf als die Wiesbadener. Hier sagte Bassermann u. a.: Darüber ist keine Frage, daß in den kommen­den Zeiten Erörterungen über die auswärtige Politik Deutschlands in immer stärkerem Maß das Parla­ment beschäftigen werden. So lange ein großer Meister in der Staatskunst, wie Bismarck, die aus­wärtige Politik leitete, konnte man sich seiner Führ­ung unterwerfen. Aber die Politik des Hrn. von Tschirschky zu kritisieren, diese Freiheit werden wir uns herausnehmen, und es wird gut sein, wenn auch in der deutschen Bevölkerung das Interesse für die auswärtige Lage stärker als bisher in die Erscheinung tritt. Der Angelpunkt unserer ganzen politischen Weltentwicklung ist England! Der König von England reist auch, aber schweigsam, durch die Länder. Sein Ziel ist natürlich die Größe Eng­lands, und sein Mittel, sie zu erreichen, ist die Iso­lierung Deutschlands (anhaltende Zustimmung), und dieses Ziel wird mit eiserner Konsequenz verfolgt. Es ist keine Politik der Plötzlichkeiten, keine Politik der Schenkungen, da läuft man nicht heute dem, und morgen jenem nach, sondern schreitet beharrlich weiter. Und dabei ist jetzt in Frankreich Herr Clemenceau am Ruder, der Mann des Revanche­gedankens, von dem dieser Tage ein französisches Blatt schrieb: Er hat eine zielbewußte Strategie:

,Sein Angelpunkt ist England, sein Ziel ist Deutsch­land und sein Lohn ist Elsaß-Lothringen!" Und Italien, unserbraver Freund", hat sich so ent­wickelt, daß wir nicht mehr wissen, ob das Bündnis mit ihm für uns noch einen Wert besitzt. Denn wenn Italien in einem Wahlkampf sowohl gegen Frankreich wie gegen England versagt, sind wir eben nur noch die Rückendeckung für Italien gegen Oesterreich. Wenn England an dem Deutschland am nächsten gelegenen Punkt eine neue Heimatflotte errichtet, und wenn zu gleicher Zeit ein deutscher Generaladjutant einem englischen Herzog einen Ehrensäbel überreicht, dann fehlt uns für solche Dinge das Verständnis und da möchte man wünschen, daß einmal ein Staatsmann kommt, der den Ein­fluß hat, solche Dinge unmöglich zu machen. Wenn man auf unseren Diplomatenposten Leute mit Diminutivnamen wie Phili, Specki usw. hat, möchte man glauben, daß sie in solch leitender Stelle nicht die richtigen Leute sind. Zu wünschen bleibt nur noch eine größere Einigkeit in allen Volkskreisen. Wir dürfen die Verbitterung zwischen den Parteien und den Volksklassen nicht sich ins Maßlose aus- wachsen lassen. Ein jeder Deutscher muß sich sagen, wie die Weltlage heute ist, können wir mit einem Schlag vor große Entscheidungen gestellt werden, wie in Algeciras. Der einigende große Gedanke darf nicht in den Hintergrund treten. In den Kreisen aber, die uns zu leiten berufen sind, möge man nicht vergessen, daß die Stellen nicht nach dem

Gefühl der obersten leitenden Stelle eines Staates in solchen schweren Zeiten besetzt werden. Cs ist die Lehre aus den schweren Tagen von Jena und Auerstädt vor 100 Jahren, daß das Mißtrauen in die äußere Politik Preußens damals unendlich ge­schadet hat, nämlich in der Kabinettspolitik des Königs, der an Stelle selbständiger Arbeiter Hand­langer gesetzt hat!

In Berlin sind am Dienstag und Mittwoch Wahlmänncr-Ersatzwahlen im dritten Land­tagswahlkreis vollzogen worden. Bei den Wahlen der dritten Abteilung errang die Sozialdemokratie, wie zu erwarten stand, einen durchschlagenden Er­folg, ihre Wahlmänner wurden hier mit erdrückender Mehrheit gewählt. Die Wahlen in der zweiten und und ersten Abteilung halten folgendes Ergebnis: 401 Freisinnige Volksparteiler, 50 Konservative, 117 Sozialdemokraten. 61 Stichwahlen sind nötig, davon 21 zwischen Freisinnigen und Konservativen, 32 zwischen Freisinnigen und Sozialdemokraten und 8 zwischen Sozialdemokraten und Konservativen. Nach dem Ergebnis der Nachwahlen beträgt der Bestand an Wahlmänner der freisinnigen Volkspartei 1288, der Konservativen 166 und der Sozial­demokratie 1078. Es ist also an dem Siege der freisinnigen Volkspartei bei der Abgeordnetenwahl nicht zu zweifeln.

Die Wahlreformvorlage im österreich­ischen Abgeordnetenhause kann wieder einen Fortschritt verzeichnen, am Mittwoch genehmigte das Haus den Dringlichkeitsantrag Geßmann auf sofortige Vornahme der zweiten Lesung der Wahlreform mit 227 gegen 46 Stimmen; dann provozierte die Schönererpartei große Tumultszenen. Die neuen Ausgleichsverhandlungen zwischen Oesterreich und Ungarn werden voraussichtlich noch im laufenden Jahre zu einem befriedigenden Abschlüsse gelangen, obwohl noch immer Schwierigkeiten zu überwinden sind.

Das englische Unterhaus beschäftigte sich mit Marinefragen. Parker (kons.) fragte an, ob die Admiralität glaube, daß die Schiffe, die aus der in Dienst gestellten Flotte zurückgezogen und in Reserve gestellt oder der heimischen Flotte eingereiht werden, im Kriegsfälle sofort als schlagführende Streitmacht wirksam seien. Premierminister Camp- bell-Bannermann antwortete: Ja, die Admiralität ist der Ansicht, daß die im Zuge befindliche Neu­einteilung der Flotten die Schlagfertigkeit der Marine erhöht.

Die englische Marine hat nun auch eine größere Mannschaftsmeuterei gehabt, jenseits des Kanals braucht man also durchaus nicht so spöttisch auf die mangelhafte Disziplin in der russischen Flotte zu blicken. Der Schauplatz der mehrtägigen Meuterei war Portsmouth, wo die Matrosen und Heizer mehrerer Kriegsschiffe revoltierten, nachdem ihnen hierbei , die Matrosen in der Marinekaserne voran­gegangen waren. Der Anlaß der Revolte war ein geringfügiger, doppelt bemerkenswert ist es darum, daß sie so rasch einen solchen Umfang annehmen konnte. Unter den in Portsmouth eingezogenen Reservisten der Flotte herrscht ebenfalls eine drohende Stimmung. Die Portsmouther Vorgänge haben in ganz England einen ungemein niederschlagenden Eindruck gemacht, weil überall im britischen Volke die Disziplin der Flotte als über jeden Zweifel er­haben galt. Die eingeleitete Untersuchung wird von den britischen Marinebehörden streng geheim geführt.

London, 8. Novbr. Die letzten Nachrichten über die Meutereien in Portsmouth zeigen, daß die ersten Darstellungen durchaus nicht übertrieben waren, sondern daß die Meuterer sich stundenlang in einem geradezu wilden Kampf mit ihren Vorge­setzten, mit den zur Hilfe herbeigerufenen Mann­schaften von den Kriegsschiffen und endlich mit der Polizei befunden haben. Es steht fest, daß mindestens 900 Mann meuterten, darunter viele Matrosen der Flotte. Sehr bedenklich sah es während der

Meuterei auf den Kriegsschiffen aus. Als der Auf­ruhr seinen Höhepunkt erreichte, wurden Abteilungen von Matrosen von einer Anzahl Schiffe einberufen. Sobald der Zweck ihrer Aufstellung in den unteren Verdecken bekannt wurde, wurden die jüngeren Heizer aufgeregt und ergingen sich in wütenden Kundgebungen zugunsten ihrer revoltierenden Kame­raden. Auf einem Schiff ging es sehr böse zu. Die Heizer machten wiederholt erbitterte Ausfälle. Die Matrosen unterdrückten schließlich die Revolte.

Petersburg, 8. Nov. Die Bemühungen, den Grafen Witte zu bewegen, wieder in den Staats­dienst einzutreten, sind gescheitert.

Die am Dienstag in der nordamerikanischen Union vollzogenen Erneuerungswahlen zum Kongreß und zu den Gouverneurposten haben den Sieg der republikanischen Partei ergeben. Doch sind die republikanischen Stimmen beträchtlich zurück­gegangen, auch haben die Demokraten eine größere Anzahl von bislang republikanischen Wahlsitzen er­obert. Die republikanische Mehrheit im neuen Re­präsentantenhause dürste etwa 70 Stimmen groß lein, bisher betrug sie 114 Stimmen.

Ein sonderbares Zeichen der Fleischnot ist folgendes: Die Aktiengesellschaft Vogt u. Wolf in Gütersloh, die sich mitFleischwarensabrikation" befaßt, hat im Geschäftsjahr 1905/06 ein gutes Ergebnis auszuweisen. Der Reingewinn ist fast auf das Doppelte des im Jahre vorher erzielten ge­stiegen, so daß eine Dividende von 11 v. H. gegen 7 v. H. zur Verteilung kommen kann.

Die Polizeiverwaltung in Bunzlau hat ein Verbot des Schlachtens nach jüdischem Ritus im dortigen Schlachthose erlassen, das sofort in Kraft getreten ist.

Der Rhein hat einen derartigen Tiefstand er­reicht, daß der Floßverkehr völlig und der Schiffs­verkehr zum Teil eingestellt wurde. Riesige Sand­bänke treten hervor, die, was seit Menschengedenken nicht der Fall war, in großem Umfange ausge­beutet werden.

Tiflis, 8. Nov. Bei der Untersuchung eines aus Kachetien hier eingetroffenen Weintransports hat das Apanagenressort festgestellt, daß 7000 Eimer Wein gestohlen und durch Wasser ersetzt worden sind. Der Schaden beträgt 500 000 Rubel.

Württemberg.

Die Einnahmen aus dem württ. Post-, Telegraphen- und Fernsprechbetrieb be­liefen sich im Monat September auf 1,372,260 11,557 ^ mehr als im gleichen Monat des Vor­jahres. In der ersten Hälfte des laufenden Etats­jahres wurden bei einer Gesamteinnahme von 9,503,243 ^ im ganzen 498,825 mehr verein­nahmt als in der ersten Hälfte des letzten Etatsjahres.

Stuttgart, 8. Novbr. Geheimrat Professor Dr. von Behring-Marburg wird am Dienstag den 11. Dezember ds. Js. im Festsaal der Lieder­halle einen Vortrag halten über:Mein Tuber­kulosebekämpfungs-Programm". Der be­rühmte Forscher, der sich ein unsterbliches Verdienst errungen hat durch Entdeckung eines wirksamen Mittels gegen die früher so furchtbare Krankheit der Diphterie schickt sich jetzt an, in ähnlicher Weise eine Bekämpfung des schlimmsten Feindes der Menschheit der Tuberkulose in die Wege zu leiten, v. Behring wird in diesem Vortrag die Früchte seiner Forscherarbeit, über welche namentlich in der ausländischen Presse seit längerer Zeit un­sichere Mitteilungen gemacht wurden, erstmals per­sönlich in gemeinverständlicher Weise darlegen. Man sieht darum diesem Vortrag über die Grenzen Deutschlands hinaus mit großer Spannung entgegen. Der Vortrag soll zugunsten eines wohltätigen Zweckes stattfinden und wird jedermann zugänglich sein.

Stuttgart, 8. Nov. Die Ortskrankenkasse der Metall-, Papier- und Holzindustrie hat in einer