Landtagsperioden zum Teil wiederholt vergeblich in Angriff genommen, sind zur Verabschiedung gelangt. Es ist damit die in der Thronrede zu Beginn dieses Landtages ausgesprochene, vertrauensvolle Erwartung, daß es der vom Geiste der Versöhnlichkeit und Mäßigung getragenen hingebenden Arbeit der Ständeversammlung gelingen möge, die ihr obliegenden wichtigen und schwierigen Aufgaben zu einem glücklichen Ergebiris zu führen, in erfreuliche Erfüllung gegangen. In wesentlich veränderter Zusammen- sammensetzung wird binnen kurzem ein anderer Landtag in diesem Hause einziehen und damit ein bedeutsamer Abschnitt in dem Verfassungsleben unseres Landes sich eröffnen. Welche Wirkungen die neu geschaffenen Formen zeitigen, wie sie sich bewähren werden, liegt im Schoße der Zukunft. Die Regierung gibt sich indessen der zuversichtlichen Hoffnung hin, daß die neue Ordnung bei allseitig gutem Willen, bei verständnisvollem, besonnenem, von der Rücksicht auf das Ganze beherrschtem Zusammenwirken aller Beteiligten eine sichere und feste Grundlage für die weitere gedeihliche Entwickelung der idealen und materiellen Güter und der allseitigen Wohlfahrt unseres Volkes bilden wird, und daß unter dem Eindruck dieser Entwicklung auch diejenigen die Hand zur Versöhnung reichen werden, welche der neuen Ordnung bis jetzt noch ablehnend oder zweifelnd gegenüberstehen. Möge dieser Wunsch nicht unerfüllt bleiben! Möge es der Ständeversammlung auch in ihrer künftigen Zusammensetzung gelingen, das Wohl des Vaterlandes, das uns allen ja gleichmäßig am Herzen liegt, im Verein mit der Regierung erfolgreich zu fördern, und damit den alten Wahlspruch immerdar hochzuhalten: Hie gut Württemberg allweg!"
Landtags wähl. Durch eine vom 3. Nov., dem Tage der Auflösung des alten Landtags, datierte Verfügung des Ministeriums des Innern sind die Neuwahlen für die Oberamtsbezirke und Städte nunmehr auf Mittwoch den 5. Dezember anberaumt worden. Die Wahlen in Groß-Stuttgart, das bekanntlich zum erstenmal nach dem Grundsatz der Listen- und Verhältniswahl 6 Abgeordnete in den Landtag zu entsenden hat, sind gleichfalls auf den 5. Dezember angesetzt. Für die Stuttgarter Wahlen sind besondere Bestimmungen erlassen worden; das Wahlergebnis muß spätestens bis 8. Dezember festgestellt sein. Für die Wahl der acht ritterschaftlichen Abgeordneten zur ersten Kammer wird vom Ministerium des Innern jetzt schon das Verzeichnis der wahlberechtigten Rittergutsbesitzer veröffentlicht, das insgesamt 130 Namen enthält; etwaige Vorstellungen gegen diese Liste sind innerhalb eines Monats bei der Kommission für die Adelsmatrikel in Stuttgart zu erheben. — Am Sonntag ist mit der Agitation für die Landtagswahlen von verschiedenen Parteien und in verschiedenen Gegenden des Landes begonnen worden. Die Deutsche Partei hat in Stuttgart eine Vertrauensmännerversammlung abgehalten, in welcher die leitenden Gedanken des Wahlaufrufs festaestellt wurden, woran sich eine eingehende Aussprache über den Stand der Wahlvorbereitungen in den einzelnen Bezirken knüpfte. Soweit die Kandidaturen seststehen, sind sie durch die Presse bereits bekannt geworden, in einer Reihe weiterer Bezirke steht die Ausstellung von Kandidaten noch bevor. Die Volkspartei hat in einer Reihe von Bezirken Versammlungen abgehalten. Die Jungliberalen hielten ihre Landesversammlung am Sonntag in Göppingen, wobei gleichfalls die Wahlagitation erörtert wurde. Die Sozialdemokraten haben in einer Parteiversammlung am Freitag einen Wahlvorschlag für die Proporzwahlen in Stuttgart aufgestellt.
Crailsheim, 4. Nov. Heute sprach Kammerpräsident v. Payer über die kommenden Landtagswahlen in den dicht besetzten Falkensälen. Das Hauptverdienst an der gelungenen Verfassungsreform legte er seiner Partei bei; doch sprach er ohne starke Spitzen von der Deutschen Partei. Die Hauptgegner seien die Sozialdemokratie und das Zentrum; mit der einen Hand halte der Bauernbund an diesem, mit der andern an der Deutschen Partei. Demokratische und Deutsche Partei sollen zusammengehen.
Tübingen, 5. Nov. Auszug aus der Spruchliste. der Geschworenen für das 4. Quartal. Georg Gommel, Bauer in Stammheim; Heinrich Sting, Kaufmann und Wilhelm Bügle, Kaufmann, beide in Tübingen; Adolf Balz, Sägwerksbesitzer in Nürtingen; Joseph Elven, Leutnant a. D., Gemeinderat in Schömberg; Karl Ludwig Beißer, Uhrmacher in Calw; Albert Pfitzenmaier, Bankdirektor in Reutlingen; Johann Georg Rometsch, Gemeinderat in Altbulach, Hermann Lutz, Kaufmann in Calmbach; Friedrich Dengler, Gemeinde
pfleger in Effringen; Eugen Berg, Kaufmann in Nagold; Ludwig Kappel mann, Kaufmann in Wildbad; David Wurster, Gemeinderat in Aichelberg; Eugen Seeger, Sägwerksbesitzer in Neuenbürg; Jakob Berstecher, Gemeinderat in Kuppingen; Wilhelm Hengel, Untermüller in Gültlingen.
Reutlingen, 5. Nov. Das bekannte Hotel „zum Kronprinzen" am Listplatz in nächster Nähe des Bahnhofs gelegen, ist, von dem Besitzer W. H. Kramer um den Preis von 335 000 (einschließlich Weinlager) an H. Kommerell, früher Besitzer des Kaffees und Bierrestaurants Kommerell in Tübingen verkauft worden. Die Uebergabe erfolgt am 1. Januar 1907.
Ludwigsburg, 5. Nov. Eine Gaunerin verübte mit Hilfe eines biederen Trainsoldaten einen frechen Trick, der lebhaft an die Köpenicker Skandale erinnert, wenn er diesen an Frechheit auch nicht gleichkommt. Nach Aussage des auch hier völlig unschuldigen Kriegsmannes bat ihn eine Dame auf offener Straße, für den Hrn. Leutnant K. im Trainbataillon, der dem Burschen wohl bekannt war, einige Damenroben für eine bestimmte Größe in einem Konfektionsgeschäft zur Ansicht mitzunehmen. Der brave Marssohn, aus seinem Alltagsleben angenehm wachgerüttelt, tat ein übriges und bestellte in dem Geschäft bei Ueberreichung des von der Schwindlerin ausgefertigten Briefes, lt. „Volks,ztg.", auch noch eine schöne Empfehlung vom Herrn Leutnant. Der Betrug gelang. Der glückliche Krieger erhielt von der Diebin ein schönes Trinkgeld und diese die gewünschten Kleider. Der Betrug wurde später, als ein Dienstmann die leere Pappschachtel in das Geschäft zurückbrachte, ruchbar und die Kriminalpolizei erhält vor den Weihnachtsferien noch eine hübsche Nuß zu knacken.
Herrenberg, 5. Nov. Die Kinder des Stationsdieners Sanier hier verursachten durch Umwerfen der Erdöllampe einen Zimmerbrand. Bei dem Löschen desselben fingen die Kleider der Frau Sauter Feuer. Lichterloh brennend sprang die Unglückliche die Treppe herab, um bei ihrem Manne, der das Feuer sofort mit feinem Mantel erstickte, Hilfe zu suchen. Während der Zimmerbrand durch im Bahnhof anwesende Personen leicht gelöscht wurde, erlitt die Frau Sauter solche Brandwunden im Gesicht und am ganzen Körper, daß an ihrem Aufkommen gezweifelt wird.
Stuttgart. lLandeSproduktenbörse.j Bericht v. 5. Nov. Die Witterung war in den jüngsten Wochen der Landwirtschaft sehr günstig. Die Bestellung der Felder, die Ein- heimsung von Oehmd und Hackfrüchten konnten in ausgereiften Qualitäten bewerkstelligt werden. Der Stand der Wintersaaten ist tadellos. In den jüngsten Tagen gingen auch mäßige Regen nieder. Die Schiffahrt auf dem Rhein ist noch nicht im Gang. Dagegen wird von Heilbronn ein Pegelstand von 30 cm gegen 2l cm am 28 Okt. gemeldet, so daß die Neckarfchifse wenigstens teilweise wieder fahren können. Die Erkenntnis und die Erwägung aller dieser Umstände dürsten wohl dazu beigetragen haben, die lokale Preissteigerung zum Stehen zu bringen. Bon den auswärtigen Plätzen sind unerhebliche Preisschwankungen, von den inländischen Märkten gute Zufuhren, sowie Absatz des größten Teils derselben zu melden. Die Stimmung ist unentschieden. Weizen unverändert. Roggen ohne Angebot. Gerste unverändert. Hafer etwas höher. (Herr Stüber teilt mit. daß der langjährige Vorsitzende der Börse, Kommerzienrat Kreglinger, am Samstag abend gestorben sei. Nachdem er noch den Gefühlen des Dankes und der Trauer Ausdruck gegeben, wurde die Börse vorzeitig geschlossen.) — Mehlpreise per 100 Kilogramm inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 30 Mk. - Pfg. bis 31 Mk. — Pfg., Nr. i: 28 Mk. 50 Pfg. bis 29 Mk. 50 Pfg., Nr. 2: 27 Mk. - Pfg. bis 28 Mk. — Pfg., Nr. 3: 25 Mk. 50 Pfg. bis 26 Mk. 50 Pfg., Nr. 4: 23 Mk. 50 Pfg. bis 24 Mk. — Pfg. Suppengries 30 Mk. — Pfg. bis 31 Mk. — Pfg. Kleie 9 Mk. 50 Pfg. - 10 Mk. - Pfg.
Kus Stasi» SLZir-k uns Umgebung,
Neuenbürg, 5. Novbr. Was Mitte voriger Woche an dieser Stelle gesagt worden, daß der Lichtbildervortrag des Hrn. Blumenthal „Der Schwarzwald und sein Leben" einem allseitigen Interesse begegnen, so daß auch die diesmalige Veranstaltung verdientermaßen ein volles Haus bringen werde, ist voll eingetroffen. Am gestrigen Sonntag abend waren die. Besucher aus allen Kreisen der Stadt in überaus großer Zahl zu der interessanten Vorführung herbeigekommen, so daß der neue große Saal des Gasthauses z. Anker kaum alle zu fassen vermochte, es mochten etwa 400 Personen zugegen gewesen sein. Der Vortrag hatte also einen doppelten Erfolg, einen künstlerischen und und einen klingenden. Das Gebotene war wirklich prächtig und gediegen; in der Tat bildet der Bilderkreis für jeden Naturfreund einen köstlichen Genuß. Die Kunst des Hrn. Blumenthal hat das Gebirge und seine Bewohner mit photographischer Treue, aber auch mit poetischem Auge erfaßt; auch fehlte
nicht ein gesunder Humor. Wie mar.^-> Landschaftsbild, das vor unserem Auge vorüberzog, ist uns wohlbekannt, aber gerade so sonnig und herzerfreuend, oder so still und stimmungsvoll haben wir es noch nie erlebt. Der Photograph hat das Weben des Waldes und das Leben der Wäldler in fröhlichen und ernsten Stunden erschaut und auf seiner Platte festgehalten und Hr. Redakteur Klemm hat das treffende Wort in Poesie und Prosa, in Ernst und Scherz dazu gefunden, sein begleitender, mit frischem Humor gewürzter Text führt den Anwesenden in Bild und Wort in die Schönheit des Schwarzwaldes und das Leben seiner Bewohner ein. Das Ganze ist ein Stimmungsbild voll poetischen Hauches, selbst in Momenten derbster Realistik. Wir folgen Bild und Wort mit steigendem Vergnügen von Neuenbürg mit seinem Schloß vom Bahnhof an, nachdem wir auch den Sensenfabrikwerken einen Besuch abgestattet, nach Wildbad, der Badestadt, welche uns gezeigt wird nicht bloß mit seinen vornehmsten Straßen, Bädern, Kurplatz usw., auch in jenem alten Stadtteil, dem „Strauberg", welchen der Besucher meist nicht zu berühren pflegt und in welchem der steuerfreie Altwildbader sich noch des „Gabholzes" erfreut. Wunderbar wiedergegeben sind sodann einzelne Par- tieen aus den herrlichen Enzanlagen mit dem Schwanensee. Die Reise geht nach einem Abstecher einerseits ins Kleinenztal und nach Zavelstein, anderseits ins Eyachtal mit der Eyachmühle über den Dobel ins Gaistal und nach dem reizend gelegenen Herrenalb, wo 7 Täler einmünden, weiter über den Hornsee (Wildsee), Hohloh-Turm und Kaltenbronn, hinunter ins romantische Murgtal nach Forbach, Raumünzach, zu dem Schwarzbachflüßchen, an die „hohe Buche", welche, wohl 600 Jahre alt, ein so starker Baum, daß er, als er im vorigen Jahre vom Blitz getroffen, vollends gefüllt werden mußte, ca. 40 Rm. Holz gab. Wir besuchen Baden-Baden mit seiner Lichtentaler Allee und den großartigen Ruinen des alten Schlosses, dann die Badener Höhe mit Herrenwies, den Kurhäusern Plättig, Sand und die Gertelbachschlucht, weiter geht die Reise über die Hornisgrinde, den sagenreichen Mummelsee und den Wildsee nach Ruhstein, Allerheiligen zum Kniebis mit den Sankenbachwasserfällen nach Freudenstadt, zum Bärenschlößchen bei Christofstal, zur Franzosenmühle im oberen Vorbachtal, nach Hornberg und Triberg. Von Freudenstadt, der Grenze des nördlichen und südlichen Schwarzwaldes, bis Offenburg im Kinzigtal und von da zu den herrlichen Tälern der Gutach (Gutachschlucht) hinauf ins Gebiet des Feldberges, Titisee, Menzenschwand, St. Blasien, Herzogenhorn und zum Belchen. — Nach einer Pause brachte dann der zweite Teil des Vortrags in bunter Reihenfolge Landschaftsbilder, urgelungene Bauerntypen, Bilder vom Jahrmarkt, Ochsenhandel, Hochzeitsbilder und manches andere. Wir werden bekannt mit dem Hrn. Forstwart, Schultheiß, Heiligenpfleger, der stets jammernden Leichensägerin, mit dem Prozeßfrieder und dem Typus des Dorfprotzen, dem „Kronenwirt", der bei einer Unterhaltung mit einem Vertreter der Krone auf dessen Vorstellung, daß die Krone damit nicht einig gehen könne, protzig einwarf, „dann sei eben die württ. Krone mit der Krone von
M.nicht eins". Viel Heiterkeit erregt
die bekannte Erscheinung und die köstliche Episode des Landpostboten in Wildbad, der an seinen täglichen Gang so gewöhnt, daß er, als er anläßlich seines 40jährigen Dienstjubiläums 14 Tage Urlaub erhielt, auf oie Frage, wie er diese Urlaubszeit verbracht habe, antwortete, er habe eben den andern auf seiner Tour begleitet. Wir sehen weiter den Bauern als Viehhalter, die Bäuerin als Besitzerin des (Lbeinigen) Federviehs, und beim Kuchenbacken. Es erscheinen Holzhauer und Kulturarbeiterinnen bei der Arbeit und beim Vesperbrot, weiter Bilder von der mehr und mehr aussterbenden Flößerei und von der Jagd. Wir werden zum Schluß ferner erfreut durch eine Anzahl prachtvoller Schneebilder vom Feldberg, die einen ganz eigenartigen Reiz ausüben; es sind darunter Aufnahmen, die oft mit großen Strapazen, ja in einzelnen Fällen geradezu mit Lebensgefahr verbunden waren. Immer gelingt es Hrn. Blumenthal, ein abgerundetes, plastisch wirkendes Bild von treffender Wahrheit und Dichtung zugleich zu gewinnen. Bild und Wort ergänzen sich vortrefflich, so daß sich beide, der Photograph, Hr. Blumenthal, wie Hr. Redakteur Klemm in den wohlverdienten, lebhaften Beifall, der ihnen von den vielen Anwesenden gezollt wurde, redlich teilen durften. Wohl ein jeder der Besucher wird den Lichtbildervortrag mit dem Empfinden verlassen haben, daß er nicht nur Neues erfahren, sondern daß er auch vom Schwarzwald, besonders von der herrlichen Schönheit unseres nördlichen Schwarzwaldes, wie des Feldbergs neue ent-