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14S.

Neuenbürg, Samstag den 22. September 1906.

64. Jahrgang.

MrmSschau»

Die Festtage in Baden.

Karlsruhe, 20. Sept. Die kirchliche Feier für die Goldene Hochzeit des Großherzogs und der Großherzogin, sowie für die silberne Hochzeit des Kronprinzen und der Kronprinzessin von Schweden fand, wie schon mitgeteilt, heute abend um 6 Uhr in der Schloßkirche statt. Nach derselben sprachen die Fürstlichkeiten den Jubel­paaren die Glückwünsche aus. Um 8 Uhr fand eine Defiliercour und um 8 Vs Uhr Festtafel im Galerie- faal statt. Jedes Kuvert war mit goldenen und silbernen Löffelsträußchen geschmückt. Rechts vom Kaiser saß der Großherzog und die Großherzogin, links der Kronprinz und die Kronprinzessin von Schweden, gegenüber die Kaiserin zwischen dem Herzog von Connaught und dem Prinzen Heinrich von Preußen. Während der Tafel brachte der Kaifer folgenden Trinkspruch aus:Lieber Onkel und liebe Tante! Zu den vielen Gratulationen und herzlichen Wünschen, die Euch aus Eurem Land und auch von fern am heutigen Tag zu Füßen gelegt worden find, möchten wir auch, die wir die Ehre haben, bei Euch hier das Fest mitfeiern zu dürfen, unfern Tribut beitragen. Ich wage es, diesen zu­nächst in die Form des Dankes zu kleiden, des Dankes gegen Gott, der Euch so herrlich geführt hat und erhalten hat und der Euch uns zum Vorbild hat sein lassen, das wir in so herrlichen Worten schon in der Kirche vernommen haben. Es war Euch beschieden gewesen, an so vielen schönen Festen und in so vielen ernsten Zeiten Eurem Land und uns anderen ein Vorbild zum Nacheiferu zu sein und diesem Dank gegen Gott möchte ich den Dank hinzufügen dafür, daß es durch Eure Güte uns ver­gönnt ist, heute an Eurer Seite und unter Eurem Dach dieses unvergeßliche Fest mitzumachen. So wollen wir wünschen, daß der liebe Gott, der Euch bis hierher geleitet hat, auch ferner Eure Lebensbahn segnen möge! Wie der Geistliche so treffend be­merkte, fehlen allerdings aus der früheren Zeit, aus der alten Generation, so viele teure Häupter. Es ist das aber nur ein Beweis dafür, daß unser Lebens­weg an den Denkmälern unserer Lieben vorbeiführt und Prüfungen Eurem Leben nicht erspart geblieben sind. Wenn ich nun namens der jüngeren Gene­ration, welche die Ehre hat, eingerückt zu sein an die Stellen, wo früher erhabenere Häupter gestanden haben, unsere feste Absicht Euch zu Füßen lege, das alles zu tun, was in unserer Kraft -steht, um denen nachzuleben, die einstens hier gestanden haben und die zu Deiner Generation sich gerechnet haben, so darf ich wohl auch in diesem intimen Kreise mit einem Blick die große Zeit unseres Vaterlands streifen, wenn ich daran erinnere und die Hoffnung ausspreche, so lang ein deutsches Herz in deutschem Busen schlägt, niemals der Mann vergessen sein wird und vergessen werden darf, der der erste war, der seine Stimme erhob, um der Sehnsucht des deutschen Volks nach Wiedererrichtung des deutschen Reichst die Wege zu ebnen und das Ziel zu weisen und den neuerstandenen Kaiser zu begrüßen, den unser Volk so lange ersehnt hatte der Mann, der es mit­erlebte und mit daran arbeitete, als wieder in den Lüften entrollt wurde des Reiches wehende Standarte. Alle unsere Wünsche, die wir auf dem Herzen haben, fassen wir dahin zusammen: Möge Gott im Himmel Euch noch lange erhalten für Euer Land und für uns andere zum heiligen Vorbild, denen nachzustreben ein jeder von uns für seine heiligste Pflicht halten möge. Gott segne, schütze und erhalte Euch beide!" Der Trinkspruch des Großherzogs lautete: Gestatten Ew. Maj., daß ich auf die wundervollen Worte, auf die schönen Gedanken, die Ew. Maj. ausgesprochen haben, meinen Dank in Kürze sage. Alles, was Sie die Güte hatten, über uns zu äußern, wird weit übertroffen dadurch, daß wir den Vorzug

hatten, die beiden Majestäten bei uns zu sehen, eine Auszeichnung, die wir sehr hochschätzen; hochschützen persönlich, aber auch bezüglich ihrer großen, politischen Bedeutung. Ew. Maj. haben selbst dargelegt, welche Bedeutung es hat, wenn Kaiser und Kaiserin per­sönlich bei einem Fest erscheinen und so dessen nationale Bedeutung Hochhalten. Und diese nationale Bedeutung ist es, um derentwillen ich an Ew. Maj. die Bitte richtete, uns das Vertrauen und das Wohl­wollen, das Sie bisher immer uns zuteil werden ließen, auch künftig zu bewahren. Wir werden trachten, uns dieses Vertrauens würdig zu erweisen. Wir werden auch immer von neuem trachten, die hohe Stellung, die Ew. Maj. in unserem deutschen Reich besitzen, durch die Hilfe aller derjenigen, welche mitzuwirken haben, zu stärken, zu schützen und zu bewahren. Und in dieser Gesinnung dankbarer Ver­ehrung bitte ich die anwesenden Gäste, mit uns ein­zustimmen in ein Hoch auf Se. Maj. den Kaiser und Ihre Maj. die Kaiserin des deutschen Reichs. Sie leben hoch!" Die Beleuchtung der Straßen der Stadt, insbesondere des Marktplatzes, der Kaiser- und der Karlfriedrichstraßc und des Bahnhofs war äußerst effektvoll. Die von vielen Tausenden er­wartete Rundfahrt der hohen Herrschaften fand nicht statt, was allgemein große Enttäuschung brachte, namentlich den vielen auswärtigen Gästen, welche bis zu den Nachrzügen verblieben und auf dem Bahnhof unter unstiglichem Gedränge sich um Plätze in der Eisenbahn abmühten. Die Zahl der Fahrgäste nach Pforzheim z. B. war so groß, daß mehrere Züge eingelegt werden mußten. Zu alle dem fanden viele von ihnen auf den Nebenbahnen (wie Enztalbahn) keinen Anschluß 'mehr.

Karlsruhe, 21. Sept. Der Großherzog hat aus Anlaß seines goldenen Ehejubiläums einer größeren Anzahl gerichtlich zu Freiheitsstrafen verurteilten Personen teils durch vollständigen oder teilweise!! Strafnachlaß, teils durch die Anord­nung der vorzeitigen vorläufigen Entlassung oder der vorzeitigen Beurlaubung auf Wohlverhalten nach Verbüßung eines Teils ihrer Strafe Gnade erwiesen. Unter den Begnadigten befinden sich auch zwei seinerzeit zum Tode verurteilte, sodann zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe begnadigte Personen, die nunmehr aus Wohlverhalten in die Freiheit entlassen werden, nachdem sie sich während einer langen Verbüßung in der Strafanstalt gut geführt und den Beweis aufrichtiger Reue und nachhaltender Besserung an den Tag gelegt haben. Außerdem hat das Justizministerium auf Grund der ihm übertragenen Begnadigungszuständigkeit aus dem gleichen Anlaß eine Reihe von Gnadenakten verfügt.

Der Jubelfeier des badischen Großherzogspaares war ein anderes festliches Ereignis unmittelbar vorangegangen, die Taufe des erstgeborenen Sohnes des Herzogs Karl Eduard und der Herzogin Adelheid Viktoria von Koburg, am Mittwoch vor­mittag. Auch bei diesem feierlichen Akte, der sich in der Koburger Schloßkirche vollzog, war das Kaiserpaar zugegen; unter den sonstigen fürstlichen Taufgüsten befand sich auch der Fürst von Bulgarien. Der Täufling erhielt die Rufnamen Johannes Leo­pold; bei der Galatafel, welche im Residenzschlosse dem Taufakte nnchfolgte, trank der Kaiser auf das Wohl des Erbprinzen Johannes Leopold. Der Kaiser und die Kaiserin verweilten noch bis abends 11 Uhr in Koburg, worauf sie nach Karlsruhe ab­reisten.

Wildpark, 21. Sept. Der Kaiser und die Kaiserin trafen heute mittag um 11 Uhr 50 Min. hier ein und fuhren nach dem Neuen Palais. Das Kaiserpaar hat mit der Prinzessin Viktoria Luise heute mittag 1 Uhr 26 Min. die Reise nach Rominten angetreten.

Der braunschweigische Landtag ist am Freitag zu einer außerordentlichen Session zusammen­

getreten, deren Veranlassung die infolge des Ablebens des Prinz-Regenten Albrecht erforderlich gewordene Neuwahl des Prinz-Regenten bildet. Wie es heißt, würde der Landtag seine Entschließungen in der schwierigen Regentschaftsfrage vielleicht nicht all­zulange hinausschieben. Alle Gerüchte jedoch, wo­nach diese ohne jene fürstliche Persönlichkeit zum Nachfolger des Prinz-Regenten ausersehen sein soll, erweisen sich als unbegründet.

Herzog Georg von Sachsen-Meiningen feierte am Donnerstag in aller Stille sein 40jähr. Regierungsjubiläum.

In Elfaß - Lothringen haben am vergangenen Sonntag die einen starken politischen Anstrich auf­weisenden Bezirkswahlen stattgefunden: in der Hauptsache sind hierbei die auf dem Boden des Programmes - der Zentrumspartei stehenden Kandi­daten gewählt worden.

Nach Meldungen aus Deutsch-Südwest­afrika gelang es dem Hauptmann Bech am 13. ds. bei Kouchanad im Osten der Karrasberge eine Hottentottenbande zu überfallen und zu zersprengen. 5 Hottentotten sind gefallen, 9 wurden gefangen genommen. Bei Abweisung von Viehdieben und bei ihrer Verfolgung fielen ein Unteroffizier und zwei Mann. Ein Mann wurde schwer, einer leicht verletzt. Die Hottentotten hatten erheblich größere Verluste.

Berlin, 20. Sept. Der Petersb. Korrespondent des Daily Expreß will, einer Londoner Meldung des Lokalanz. zufolge, von autoritativer Seite er­fahren haben, daß eine Verschwörung zur Er­mordung des Zaren und seiner Familie, die bei General Trepows Begräbnis ausgeführt werden sollte, entdeckt worden sei und daß deshalb der Zar an der Feierlichkeit nicht teilgenommen habe. Ein halbes Dutzend im kaiserlichen Haushalt angestellter Personen sei beteiligt gewesen, darunter ein Offizier, der zu Trepows Stab gehörte, als dieser Palast­kommandant war. Es sollen sogar Bomben in den Palast geschleppt worden sein. Der Offizier, der sich bestechen ließ, weil er nach dem Tode Trepows befürchtete, entlassen zu werden, habe Selbstmord begangen. Einer der Dienstboten habe die Ver­schwörung verraten und Stolypin habe darauf sofort dem Zaren telegraphiert, er möge vorläufig nicht nach Peterhof zurückkehren.

In Rußland bleibt die innere Situation eine höchst ungemütliche. Räubereien, Plünderungen, Mvrdansülle und überhaupt Attentate bald an diesem, bald an jenem Punkte des weiten Reiches nehmen kein Ende; das neueste Attentat ist die Ermordung des Artillerieobersten Nikolajew in Warschau. Dazu gesellen sich fortgesetzte Agrar­unruhen, wie solche neuerdings wieder in der Um­gegend von Odessa ausgebrochen sind. Unter solchen Umständen erscheint der gegenwärtige Erholungs­aufenthalt des Zarenpaares in den finnischen Schären vielleicht begreiflich.

Der auch bei den Revolutionären geachtete Admiral Skrydlow erhielt von der Kampfes- Organisation der revolutionären Partei ein Schreiben, er möge sich von Sewastopol wegbegeben, da noch im Laufe des Septembers sich in Sewastopel schreckliche Ereignisse zutragen würden, in deren Verlaus es nicht möglich fein würde, sein Leben zu sichern.

Frankreich scheint den Bau von Untersee­booten energisch fortsetzen zu wollen. Nach einer Meldung des Matin hebt Admiral Fournier in seinem Bericht über die letzten Mittelmeermanöver die große Wirksamkeit der Unterseeboote hervor und empfiehlt die Erbauung einer möglichst großen Zahl von Offensivunterseebooten mit großem Mions­radius, da sie die wirksamsten Schlachtschiffe für den Küstenkrieg bilden. Dem Matin zufolge ist der Bau von 48 neuen Offensivunterseebooten mit großem Tonnengehalt teils begonnen, teils bevorstehend.